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Veröffentlicht am 17.03.2019

Aufgeben war keine Option

Wie Gräser im Wind
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1930. Als das stalinistische Regime auf der Krim Enteignungen von Deutschstämmigen vornimmt, trifft es auch die Familie Scholz. Wilhelm weigert sich vehement, seinen Grund und Boden an den Staat abzugeben. ...

1930. Als das stalinistische Regime auf der Krim Enteignungen von Deutschstämmigen vornimmt, trifft es auch die Familie Scholz. Wilhelm weigert sich vehement, seinen Grund und Boden an den Staat abzugeben. Als Folge davon werden er, Ehefrau Anna und die drei Kinder Yvo, Erich und Rita nachts von Bewaffneten aus ihrem Haus geworfen und fernab ihrer Heimat gewaltsam ins kalte Sibirien umgesiedelt, wo sie wie viele andere Vertriebene in Arbeitslagern untergebracht werden. Familie Scholz kämpft in eisiger Kälte nicht nur gegen Hunger, sondern wie viele andere auch ums Überleben.
Der im Nordkaukasus lebenden deutschstämmigen Familie Pfeiffer ergeht es 1937 nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ebenso wie den Scholzes, allerdings gelingt es dem Lehrer Samuel Pfeiffer und seiner Familie, bei einem nächtlichen Fluchtversuch dem Erschießungskommando zu entgehen. Doch die Verfolgung und der Hass auf die Familie begleitet sie auf ihrer Flucht quer durch die Sowjetunion…
Elvira Zeißler hat unter dem Pseudonym Ella Zeiss mit ihrem Roman „Wie Gräser im Wind“ den ersten Band ihrer zweiteiligen Serie „Tage des Sturms“ vorgelegt und erzählt darin die Geschichte ihrer Großeltern, die ursprünglich aus Kasachstan stammen. Der Schreibstil ist flüssig, fesselnd und emotional zugleich, der Leser rutscht von der ersten Seite an in eine vergangene Zeit, die von Grausamkeit, Hoffnungslosigkeit, Entbehrungen, Hunger und Krieg geprägt ist und darf dabei zwei Familien kennenlernen, die fast den gleichen Leidensweg erfahren müssen. Sehr berührend vermittelt die Autorin die damaligen Zustände, unter denen die Vertriebenen leben mussten und alles zeigt Parallelen zu den Nazis auf, die damals die Juden enteigneten, während die Russen den deutschstämmigen Siedlern ihre Identität und ihr Eigentum entrissen und sie innerhalb des Landes verschleppten, wobei nicht wenige spurlos verschwanden oder exekutiert wurden. Besonderen Respekt muss man den Menschen zollen, die dieses Märtyrium durchgestanden haben und dabei nie die Hoffnung verloren, immer nach ihren Angehörigen suchten und ihre Familien zu beschützen versuchten. Sie waren Quälereien, Hohn und Spott ausgesetzt, nirgendwo waren sie willkommen und lebten in ständiger Angst. Sehr lebhaft und mit einer bildreichen Sprache bringt die Autorin auch die schlimmsten Momente und die größte Kälte dem Leser so nah, dass man während der Lektüre konstant Gänsehaut hat.
Den Charakteren wurde auf liebevolle Art Leben eingehaucht, sie wachsen dem Leser schnell ans Herz und lassen ihn Teil der Verfolgten werden, immer mit einer kleinen Distanz, um darüber nachzudenken, wie man selbst in solchen Situationen handeln oder ob man sie überhaupt überleben würde. Dabei wächst der Respekt ins Unermessliche, wenn man sich vor Augen führt, was die Protagonisten alles am eigenen Leib erfahren haben und dass es sich um eine autobiografische Darstellung handelt. Der Mut, die Stärke und vor allem die Kraft, sich immer wieder zu mobilisieren, auch wenn die politische Situation aussichtslos erscheint, sie keine wirkliche Heimat mehr haben und sie immer wieder gegen Windmühlen oder um ihr Leben kämpfen, macht diese Menschen zu den wahren Helden der damaligen Zeit. Aufgabe war für sie nie eine Option, sie haben immer wieder mit wenigen Dingen aufs Neue versucht, ihr Leben wieder in normale Bahnen zu lenken und dabei auch anderen Gleichgesinnten noch zu Hilfe zu kommen.
„Wie Gräser im Wind“ ist ein sehr gelungener Serienauftakt, voller Emotionen, gesellschaftlicher und politischer Hintergründe und viel Stoff, den Leser zum Nachdenken anzuregen und eigene Recherche zu betreiben. Man darf auf die Fortsetzung sehr gespannt sein. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.03.2019

Junger Held in einer dunklen Zeit

Niemand weiß, dass du hier bist
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1942-1944. Der 12-jährige Lorenzo wird während des Zweiten Weltkrieges von seinen Eltern von der libyschen Stadt Tripolis zu Tante Chiara und dem Großvater ins toskanische Siena geschickt, um dort in Sicherheit ...

1942-1944. Der 12-jährige Lorenzo wird während des Zweiten Weltkrieges von seinen Eltern von der libyschen Stadt Tripolis zu Tante Chiara und dem Großvater ins toskanische Siena geschickt, um dort in Sicherheit das Ende des Krieges abzuwarten. Im Nachbarsjungen Franco findet er schnell einen Freund, mit dem er die Begeisterung zum Duce und dem Faschismus teilt, die sich Lorenzo von seinem eigenen Vater abgeschaut hat. Tante Chiara dagegen lehnt das System völlig ab. Als Lorenzo herausfindet, dass sein anderer Freund Daniele Jude ist ebenso wie Dottore Matteo, beginnt er, seine Einstellung zu überdenken. Dann marschieren die Deutschen in Italien ein und besetzen Siena, was Daniele und seine Familie in große Gefahr bringt, denn ab sofort sind Juden auch hier nichts mehr wert und die Familie soll nach Deutschland deportiert werden. Wird Lorenzo seine Freundschaft zu Daniele aufgeben? Wie wird Franco reagieren?
Nicoletta Giampietro hat mit ihrem Buch „Niemand weiß, dass du hier bist“ einen wunderbaren und tiefgründigen Debütroman vorgelegt. Der Schreibstil ist leicht und flüssig, jedoch versteht es die Autorin meisterhaft, mit ihren Worten zu spielen und die jeweilige Stimmung und Atmosphäre einzufangen und dem Leser zu vermitteln. Schnell lässt man sich von der Geschichte einfangen und verfolgt die Geschichte von Lorenzo, seiner Freunden und seiner Familie. Die bildhaften Beschreibungen spiegeln das noch unbeschwerte toskanische Siena, die verwinkelten Gassen und das italienische Lebensgefühl wunderschön wieder. Doch zunehmend mit der Ankunft der Deutschen verdunkelt sich die Atmosphäre und wird immer bedrückender. Das zeigt sich an den sich ändernden Lebensumständen der Bevölkerung und dem unterschwellig geschürten Hass über die Juden wie in Deutschland. Der einfühlsame Erzählstil lässt den Leser die Gefühlswelt der Protagonisten wunderbar miterleben. Die Autorin hat eine sehr gute Hintergrundrecherche betrieben und die damalige politische Lage Italiens sehr gut mit ihrer Handlung verwoben. Sie weist große Ähnlichkeiten mit dem Nazi-Regime auf und macht auch deutlich, wie sehr die Menschen durch Propaganda manipuliert wurden. Umso erstaunlicher die Erkenntnis, dass die Faschisten von Hitler regelrecht überrannt und für ihre eigenen Zwecke benutzt wurden.
Die Protagonisten sind sehr ausgewählt und detailliert gestaltet und in Szene gesetzt worden. Sie besitzen Charakter, Individualität und wirken vor allem sehr lebendig. Der Leser kommt ihnen sehr nahe, kann mit ihnen leiden, fühlen, hoffen und bangen. Lorenzo ist ein Junge, der eigentlich seine Kindheit in allen Sinnen genießen sollte. Doch er muss einen Krieg miterleben und Entscheidungen treffen, die für ein Kind in seinem Alter eigentlich viel zu groß sind. Von der politischen Einstellung des Vaters geprägt, ist er erst voller Enthusiasmus für das faschistische Regime. Aber dann sieht er mit eigenen Augen, was dieser in seiner Umgebung anstellt und auch die vehemente Ablehnung seiner Tante gibt ihm zu denken. Der eventuelle Verlust seines besten Freundes spornt ihn an, sich Möglichkeiten auszudenken, ihn zu schützen. Er bleibt nicht untätig, sondern begibt sich in seinem kindlichen Eifer in Gefahr, zeigt Menschlichkeit und Mitgefühl. Das Kind Lorenzo wirkt oftmals wie ein Erwachsener hervorgerufen durch die damaligen Umstände. Tanta Chiara ist eine Seele von Mensch, die Ungerechtigkeiten nicht ausstehen kann. Sie verweigert sich selbst dem Faschismus, ihre Einstellung ist gefährlich, aber sehr verständlich. Ebenso überzeugen Daniele oder Franco und machen die Handlung rundum spannend und gleichzeitig berührend.
„Niemand weiß, dass du hier bist“ ist ein rundum gelungenes Debüt, das man, einmal begonnen, kaum aus der Hand legen kann. Ein Jahreshighlight und mit einer absoluten Leseempfehlung verdient ausgestattet! Unbedingt lesen!!!

Veröffentlicht am 16.03.2019

La môme piaf

Madame Piaf und das Lied der Liebe
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1944 Paris. Nachdem die Besatzung durch die Deutschen beendet ist, wird die 29-jährige Chanteuse Édith Piaf wie viele damalige Künstler als Kollaborateurin angeklagt, was ein Auftrittsverbot zur Folge ...

1944 Paris. Nachdem die Besatzung durch die Deutschen beendet ist, wird die 29-jährige Chanteuse Édith Piaf wie viele damalige Künstler als Kollaborateurin angeklagt, was ein Auftrittsverbot zur Folge hätte. Ihre Sekretärin half ihr, ihre Unschuld zu beweisen, mit deren Hilfe hatte sie sogar während des Krieges einigen gefangengehaltenen französischen Soldaten zur Flucht verholfen. Während eines Engagements im Moulin Rouge begegnet ihr Yves Montand, der heute noch als einer der berühmtesten Chansonnier und Schauspieler Frankreichs gilt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine tiefe Liebesbeziehung, aber auch beruflich waren sie gemeinsam recht erfolgreich. Aus dieser Zeit stammt das Lied „La vie en rose“, welches neben „No, je ne regette rien“ Édith Piaf bis heute unsterblich macht.
Michelle Marly, besser bekannt als Micaela Jary, hat mit ihrem Buch „Madame Piaf und das Lied der Liebe“ einen sehr interessanten und fesselnden Roman mit autobiografischen Zügen vorgelegt, in der die unvergessene französische Chanteuse Édith Piaf wieder zum Leben erweckt wird. Der Schreibstil ist flüssig und lädt den Leser ein, schnell in die Geschichte einzutauchen, um sich heimlich und leise an die Fersen der nur 1,47 m kleinen Édith Piaf zu heften und sie und ihr Leben genauer kennenzulernen. Obwohl hauptsächlich die Jahre von 1944 bis 1947 thematisiert werden, bekommt der Leser durch eingeschobene Rückblenden einen guten Einblick in die Vergangenheit Édiths. Von der Mutter, die als Sängerin arbeitete, bereits kurz nach der Geburt verlassen und bei der Großmutter untergebracht, begleitet sie ihren Vater ab ihrem 10. Lebensjahr auf der Straße, wo er als Akrobat bei einem Wanderzirkus arbeitet und seine Tochter zur Straßensängerin drillte. Die Alkoholsucht ihres Vaters und auch die Gewalttätigkeit, die ihr Vater an ihr ausließ, haben Ediths Leben geprägt und ihren Willen gestärkt, so dass sie sich als 15-jährige von ihrem Vater trennte und allein nach Paris ging, wo sie anfangs noch als Straßenmusikerin auftrat, bevor sie ein Engagement an einem kleinen Kabarett bekam. In Raymond Asso fand sie in den 30er Jahren ihren Mentor, der ihrer Karriere zum Aufstieg verhalf. Einige Jahre später tat Édith Piaf dann dasselbe für Yves Montand. Die Autorin hat sehr gute Recherchearbeit geleistet und das Leben der Sängerin wunderbar nachgezeichnet. Der Leser bekommt während der Lektüre das Gefühl, Teil der damaligen Zeit zu sein, bekannte Persönlichkeiten kennenzulernen und Anteil an ihrem Leben zu haben. Zudem gibt die Autorin mit farbenfrohen und detaillierten Beschreibungen dem Leser die Möglichkeit, alles vor dem inneren Auge vor sich zu sehen gleich einem wunderschönen Kopfkino.
Die Charaktere sind detailliert ausgestaltet und geben dem Leser durch ihre individuellen Eigenschaften die Möglichkeit, sich ihnen anzunähern und sich in sie hineinzuversetzen. Édith ist eine Frau, die bereits von frühester Kindheit an durch eine harte Schule gehen musste. Von den Eltern verlassen und bei der Großmutter abgegeben, hat sie Stabilität nie erfahren. Der Alkoholkonsum ihres Vaters, der auch Gewaltausbrüche zur Folge hatte, hat Èdith stark werden lassen und mit dem nötigen Kampfgeist ausgestattet. Sie ist von kleiner Statur, doch ihre Persönlichkeit besitzt eine Größe, der sich viele nicht entziehen können. Für zahlreiche amouröse Abenteuer sowie ihre Großzügigkeit ist sie ebenfalls bekannt. Leider verfällt sie zeitweise ebenso dem Alkohol wie ihr eigener Vater. Yves Montand wirkt eher zurückhalten und schüchtern, da kommt die willensstarke Édith gerade recht, um ihn aus der Reserve zu locken, sein Talent zu erkennen und ihn dabei zu unterstützen, mehr aus sich herauszugehen.
„Madame Piaf und das Lied der Liebe“ ist ein sehr schöner Roman über die unsterbliche Édith Piaf, eine Frau, die sich nicht verbiegen ließ und das Leben in allen Facetten zu nehmen wusste. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.03.2019

"Desto weiter ich reise, desto näher komme ich an mich heran." Andrew McCarthy

Mühle mit Meerblick
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Die Mittzwanzigerin Caroline „Line“ kommt mit ihrem Rucksack voller Habseligkeiten auf der dänischen Insel Strynø, denn auf einem Foto von ihrer Mutter ist eine alte Mühle abgebildet, die hier stehen soll. ...

Die Mittzwanzigerin Caroline „Line“ kommt mit ihrem Rucksack voller Habseligkeiten auf der dänischen Insel Strynø, denn auf einem Foto von ihrer Mutter ist eine alte Mühle abgebildet, die hier stehen soll. Insgeheim erhofft sich Line Informationen über ihre Mutter, die sie nie kennengelernt hat, stattdessen von einer Pflegefamilie in die nächste durchgereicht wurde, bis sie am Ende im Waisenhaus landete. Auf Strynø fällt Line mit ihrem rabenschwarzen Haar und der bunten Strähne sowie ihrem eigenwilligen Kleidungsstil sofort auf. Schnell steht sie vor ihrer Großmutter Louise, die sie herzlich bei sich aufnimmt, wenn sie sich einen Job sucht. Den hat sie auch bald als Aushilfe auf der Fähre gefunden und nebenbei jede Menge neuer Freunde in den kauzigen Inselbewohnern. An ihrem ersten Tag auf der Insel hat sie auch bereits Bekanntschaft mit dem „Insel-Ripper“ gemacht, der 16 Jahre ältere wortkarge Adam Steinbach ist Deutscher und ehemaliger Lehrer, der sich in der Mühle ein neues Zuhause eingerichtet hat. Anfangs sind Line und Adam noch auf Distanz, doch sie kommen sich schnell näher. Adam wird durch Line immer mehr in die Inselgemeinschaft aufgenommen. Doch Line will noch mehr…
Kim Henry hat mit dem Roman „Mühle mit Meerblick“ einen sehr unterhaltsamen und berührenden Roman vorgelegt. Der Erzählstil ist locker-flüssig und gefühlvoll, der Leser darf als unsichtbarer Gast an Lines Seite auf der kleinen dänischen Insel verweilen, Teil der Inselgemeinschaft werden und Lines Gedanken- und Gefühlswelt kennenlernen. Schnell fühlt man sich zwischen den zusammengeschweißten Inselbewohnern pudelwohl, trifft sich mal in der einen Küche, mal vor dem Gemischtwarenladen mit dem Insel-Trio oder bekommt Einlass in die wunderschön restaurierte Mühle, die innen einem Paradies gleich bis obenhin mit Büchern gefüllt ist. Hier geht jeder jedem zur Hand – der Spruch „geteiltes Leid ist halbes Leid“ stimmt hier wirklich. Besonders schön ist das Autorenduo das Problem der Legasthenie angegangen. Behutsam zeigen sie auf, dass man sich dessen nicht schämen muss, sondern dass dieses Problem ganz viele Menschen betrifft. Die Landschaftsbeschreibungen sind durch schöne Details wunderbar bildhaft, die Insel ersteht vor dem inneren Auge und man fühlt sich sofort heimisch, fühlt die Meeresbrise in den Haaren und den Salzgeruch in der Nase.
Die Charaktere sind liebevoll ausstaffiert, sie bestechen durch Individualität und Authentizität. Der Leser fühlt sich von Beginn an wohl mit den Insulanern und innerhalb ihrer Gemeinschaft. Line ist eine herzliche, offene und ehrliche junge Frau, die schon so einiges in ihrem Leben erlebt hat. Doch das hat ihren Optimismus nicht getrübt. Sie geht ohne Scheu auf die Menschen zu und trägt ihr Herz auf der Zunge, was ihr den Respekt und die Anerkennung der Einwohner sichert. Sie ist zielstrebig, allerdings wirkt sie manchmal auch etwas zaghaft, doch sie geht die Dinge an, die ihr wichtig sind. Adam wirkt zuerst wie ein Eigenbrötler, abgeschottet von allem und jedem lebt er schon seit Jahren auf der Insel, vor allem, um einen Schicksalsschlag zu verdauen. Doch mit Line weht frischer Wind in sein Leben, er taut auf, lässt die Menschen in sein Haus und in sein Herz. Die Veränderungen sowohl bei Line als auch bei Adam sind wunderschön zu beobachten. Aber auch die Inselbewohner, allen voran Oma Lou, das Insel-Trio oder auch Kaspar schleichen sich schnell in des Lesers Herz und machen den Abschied von Strynø wahrlich schwer.
„Mühle mit Meerblick“ ist ein rundum gelungener Roman über das Inselleben, die Gemeinschaft, die Liebe und das Suchen und Finden von Dingen, die man vielleicht nicht einmal auf dem Zettel hatte. Unterhaltsam und mit viel Herz sorgt das Buch für wunderschöne Lesestunden und hat dafür die absolute Leseempfehlung verdient!

Veröffentlicht am 12.03.2019

Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken. (Mahatma Gandhi)

Mond über Sudeley Castle
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England 1813. Mit einem Brief kündigt die gerade zur Witwe gewordene Lilian ihren Besuch bei ihrer verheirateten Cousine Louise an, was diese mehr als befremdlich findet, da Lilian ihr vor Jahren den Verlobten ...

England 1813. Mit einem Brief kündigt die gerade zur Witwe gewordene Lilian ihren Besuch bei ihrer verheirateten Cousine Louise an, was diese mehr als befremdlich findet, da Lilian ihr vor Jahren den Verlobten ausgespannt und einen Skandal heraufbeschworen hat, von dem sich Louise nur langsam erholte. Kaum ist Lilian auf Sudeley Castle angekommen, nisten sich deren Bruder Bradley und einige seiner Freunde uneingeladen ebenfalls dort ein, um einen Ausgangspunkt zu den Pferderennen und Kricketspielen zu haben. Als Louise eines Tages feststellen muss, dass Lilian ihrem Ehemann Peter schöne Augen macht und der sich nicht dagegen wehrt, ist sie völlig am Boden. Dann wird in der dem Anwesen zugehörigen Kapelle auch noch der Sarkophag beschädigt und eine wertvolle Bibel der Witwe des Königs Henry VIII, Catherine Parr, gestohlen. Am nächsten Tag sind Bradley und seine Freunde verschwunden. Louise, aber auch Peter und dessen Vater, Lord Cherlein, nutzen sämtliche Kontakte, um die gestohlene Bibel wieder in ihren Besitz zu bekommen und der Diebe habhaft zu werden…
Ingrid Kretz hat mit ihrem Buch „Mond über Sudeley Castle“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser mit einem farbenprächtigen und flüssigen Schreibstil in das 19. Jahrhundert zurückversetzt, um dort auf einem ansehnlichen Anwesen in Gloucestershire Louise mitsamt ihrer Familie zu besuchen und als unsichtbarer Gast die Vorkommnisse mitzuverfolgen, die dort stattfinden. Sehr einfühlsam lässt die Autorin den Leser an der Gefühls- und Gedankenwelt sowohl von Louise als auch von Lilian teilhaben. Dieser erfährt in immer wieder eingefügten Rückblenden das ganze Ausmaß des Zerwürfnisses zwischen Lilian und Louise, aber auch, wie sich Louise und Peter kennengelernt haben. Sehr schön sind auch die bildgewaltigen Landschaftsbeschreibungen, die den Leser per Kopfkino auf ein idyllisches Schloss führen umgeben von Gärten und Wäldern. Die Themen sind sehr breit gefächert, da geht es um Wettbetrug, Diebstahl, Lügen, zwischenmenschliche Spannungen und alte Ressentiments. Interessant auch die Tatsache, dass die Hauptprotagonisten über die wirklich wichtigen Dinge kaum miteinander sprechen, um jegliche Missverständnisse aus der Welt zu räumen.
Der christliche Aspekt ist ebenfalls sehr schön herausgearbeitet. Die kleinen still gedachten Gebete und Hilferufe an Gott sind immer der Situation angemessen gewählt. Es geht um die Stärke, Vergebung zuzulassen und nicht nachtragend zu sein. Ebenso handelt die Geschichte davon, Vertrauen in die Menschen zu haben, die einem am nächsten stehen und keine zwiespältigen Gefühle aufkommen zu lassen ob der Bilder, die einem eine falsche Situation vorgaukeln.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie bestechen durch ihre individuellen Ecken und Kanten und geben dem Leser die Chance, seine Sympathien gerecht zu verteilen, sich in sie hineinzuversetzen und mit ihnen zu leiden, zu hoffen und zu bangen. Louise ist eine ruhige und freundliche Frau, die mit ihrem Ehemann, Schwiegervater und ihrem kleinen Sohn ein glückliches und beschauliches Leben führt. Sie ist hilfsbereit und mitfühlend, aber sie ist auch nachtragend, denn ein Ereignis aus ihrer Vergangenheit brennt ihr auch noch nach Jahren auf der Seele. Lilian ist zwar eine Schönheit, aber sie ist auch eine oberflächliche, selbstverliebte und egoistische Frau, die alles tut, um sich daraus einen Vorteil zu erwirken. Sie lügt und besitzt oftmals eine Arroganz, dass einem die Luft wegbleibt. Peter ist ein liebevoller Ehemann, der immer ein offenes Ohr hat. Louises Schwiegervater Lord Cherlein beeindruckt durch seine ehrliche und gastfreundliche Art, man sollte ihn allerdings nicht unterschätzen, denn er ist ein Mann, der sich nichts vormachen lässt. Ebenso überzeugen die weiteren Nebendarsteller durch ihre Handlungen und ihren Beitrag zur Geschichte.
„Mond über Sudeley Castle“ ist ein schöner Lesegenuss mit einem großartigen Setting, der mit seiner Lektüre nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Absolute Leseempfehlung!