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Veröffentlicht am 14.07.2019

La ricerca sul lago di Garda

Dolci schmecken nur zu zweit
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Die impulsive Moniga hat die Nase voll von ihrem Job in der Werbeagentur und nach einem Zerwürfnis mit ihrem Chef wirft die 29-Jährige kurzerhand ihren Job hin. Die Zeit kann sie nun sinnvoller nutzen ...

Die impulsive Moniga hat die Nase voll von ihrem Job in der Werbeagentur und nach einem Zerwürfnis mit ihrem Chef wirft die 29-Jährige kurzerhand ihren Job hin. Die Zeit kann sie nun sinnvoller nutzen und backt nach dem Rezept ihrer Mutter Susanna einen Zitronentarte, den sie ihrer Großmutter Klara bei einem Besuch mitbringt. Während ihres Aufenthalts bei ihrer Oma schwelgt diese in Erinnerungen an einen gemeinsamen Urlaub mit ihrer Tochter Susanna am Gardasee vor Monigas Geburt. Da Moniga ihren Vater nie kennengelernt hat und sie mehr hinter der Geschichte vermutet, reist sie mit ihrer gutbetuchten Oma nach Italien, um deren Gedächtnis etwas auf die Sprünge zu helfen, vielleicht kommt Moniga ja so ihrem Vater auf die Spur. Doch die Suche erweist sich als nicht so einfach, bis sie in einer Speisekarte die Zitronentarte ihrer Mutter entdeckt. Aber auch die Bekanntschaft mit Vespafahrer Francesco macht den Aufenthalt spannend…
Andea Rossini hat mit „Dolci schmecken nur zu zweit“ einen sehr amüsanten, gefühlvollen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur ein schönes Kopfkino beschert, sondern gleichzeitig auch die fröhliche italienische Lebensart vermittelt und so mit der Lektüre einen Kurzurlaub im Alltag ermöglicht. Der Schreibstil ist locker-flüssig, farbenfroh und mit dem nötigen Witz gespickt, so dass der Leser schnell in die Seiten abtauchen kann, um sich mit Oma Klara und Moniga auf eine aberwitzige Reise zu machen in der Hoffnung, dass sich wenigstens einige Erwartungen der Frauen erfüllen mögen. Angefüllt mit italienischen Gaumenfreuden, die schon beim Lesen Magenknurren verursachen und einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, bringt der Autor den Leser mit witzigen Dialogen und tollen Landschaftsbeschreibungen in den Urlaubsmodus. Durch gut platzierte Rückblenden in die Vergangenheit sowie die Nähe zu den Protagonisten erlebt der Leser eine ungewöhnliche und abenteuerliche Reise, während des Rätsels Lösung Stück für Stück offenbart wird.
Die Charaktere sind mit viel Leben gefüllt, sie wirken menschlich, authentisch sowie individuell, was es dem Leser ausgesprochen leicht macht, sich in ihrer Gesellschaft wohl zu fühlen und die Reise zu genießen. Moniga ist eine impulsive Frau, die immer wieder Chaos um sich herum verbreitet. Doch sie nimmt das Leben mit einer gewissen Leichtigkeit und Optimismus, dafür muss man sie einfach mögen. Und ihr Verhältnis zu Oma Klara ist von so viel Liebe und Zuneigung geprägt, das man gar nicht anders kann, als sie ins Herz zu schließen. Oma Klara ist der heimliche Star der Geschichte, die alte Dame leidet zwar unter Gedächtnislücken, die als beginnende Demenz bezeichnet werden, jedoch trägt sie das Herz auf der Zunge und zwingt den Leser geradezu, in Lachsalven auszubrechen, wenn sie mal wieder für einige Verwirrung sorgt. Aber auch Francesco und der Duce tragen zum Unterhaltungswert dieser Geschichte wesentlich bei.
„Dolci schmecken nur zu zweit“ ist ein rundum unterhaltsamer Sommerroman, der nicht nur das Herz des Lesers mit Witz und italienischem Charme erobert, sondern auch mit schönen Bildern und jeder Menge Köstlichkeiten aufwartet, von denen man während der Lektüre träumen kann. Tolle Urlaubseinstimmung und herzige Lesemomente, die eine Leseempfehlung auf jeden Fall verdient haben.

Veröffentlicht am 13.07.2019

"Die Geburt bringt nur das Sein zur Welt; die Person wird im Leben erschaffen." (Théodore Jouffroy)

Aufbruch in ein neues Leben
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1917 Berlin. In der neuen Hebammenschule in Neukölln treffen Edith, Luise und Margot zum ersten Mal aufeinander, denn sie haben sich einen Platz für die Ausbildung sichern können. Während ihrer Ausbildung ...

1917 Berlin. In der neuen Hebammenschule in Neukölln treffen Edith, Luise und Margot zum ersten Mal aufeinander, denn sie haben sich einen Platz für die Ausbildung sichern können. Während ihrer Ausbildung freunden sich die drei sehr unterschiedlichen jungen Frauen an. Edith stammt aus einem reichen jüdischen Unternehmerhaushalt, eine standesgemäße Heirat schon vorgeplant ist. Doch Edith steht mehr der Kopf nach Eigenständigkeit, deshalb bricht sie mit ihren Eltern. Margot dagegen kommt direkt aus Neukölln, lebt in einer Kellerwohnung in ärmlichsten Verhältnissen und verdankt ihre Ausbildung der Fürsorge. Luise ist ein Kind vom Land und wuchs bei ihrer Großmutter in Ostpreußen auf, nachdem ihre Eltern früh gestorben sind. Ihre Oma ist Hebamme und ein Vorbild für Luise, von ihr konnte sie sich schon so einiges abschauen. Sowohl Edith als auch Luise und Margot müssen während des Ersten Weltkrieges einige Herausforderungen in ihrer Ausbildung überstehen. Werden sie diesen gewachsen sein?
Linda Winterberg hat mit „Aufbruch in ein neues Leben“ einen wunderbaren und unterhaltsamen Auftakt Ihrer Hebammen-Trilogie vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, bildgewaltig, atmosphärisch dicht und gefühlvoll, so dass der Leser mit den ersten Zeilen geradezu in die Geschichte hineingesogen wird und erst wieder in der Gegenwart auftaucht, wenn deren Ende erreicht ist. Durch die geschickte Erzählweise der Autorin darf der Leser Edith, Margot und Luise hautnah begleiten und dabei viel über ihre Vergangenheit, ihre Gefühls- und Gedankenwelt erfahren. Gleichzeitig lässt die Autorin den akribisch recherchierten historischen Hintergrund in ihre Handlung fließen, macht den Ersten Weltkrieg wieder lebendig, das Elend der Menschen wieder spürbar sowie die täglichen Herausforderungen wie Hunger und Kälte, die sich dadurch ergeben. Auch das Leben an der Hebammenschule darf der Leser miterleben, die Augenblicke der Geburt ebenso wie die Trauer um ein verlorenes Kind. Die Schilderungen sind so spannend, plastisch und gefühlvoll, dass man das Gefühl hat, selbst mit dabei zu sein, um sowohl die Freude als auch das Leid der Menschen zu teilen. Gleichzeitig wächst in einem selbst der Respekt vor allen, die dieser Zeit getrotzt haben und sich mutig mit den Gegebenheiten arrangierten, um irgendwie zu überleben.
Die Charaktere sind sehr detailliert entworfen, sie sprühen vor Lebendigkeit und schleichen sich mit ihren individuellen Eigenschaften in das Herz des Lesers, der sich in ihrer Mitte rundum wohlfühlt und mit ihnen fiebert, leidet und hofft. Edith ist eine eindrucksvolle junge Frau, sie bricht mit ihrer Familie, weil sie ihr Leben nach eigenen Überzeugungen und frei von elterlichen Vorschriften sowie Standesdünkel führen möchte. Sie besitzt Mut, genügend Abenteuerlust und einen absoluten Drang nach Freiheit. Luise ist behütet von ihrer Großmutter auf dem Land groß geworden, nun kommt sie in die Großstadt. Durch ihre Oma hat sie schon eine gewisse Vorbildung, ist einfühlsam und wissbegierig, ihre Kenntnisse zu vervollkommnen. Margot ist eine Kämpfernatur, die sich bereits durch schwierige Situationen lavieren musste. Nun hat sie die Chance, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Sie besitzt eine innere Stärke und lässt sich nicht entmutigen. Aber auch Protagonisten wie Oberhebamme Marquart oder Frieda geben der Handlung zusätzlich Menschlichkeit und Authentizität.
„Aufbruch in ein neues Leben“ ist ein fesselnder und gefühlvoller historischer Roman, der eine absolute Sogwirkung besitzt. Wunderbar erzählter Pageturner, der ein tolles Kopfkino hervorruft, aber auch zum Nachdenken anregt und süchtig nach Band 2 werden lässt. Absolut verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 07.07.2019

"Wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid." (Leonardo da Vinci)

Bis wir wieder fliegen
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Die Notärztin Anne Perry, der Sanitäter Owen Baines und die Hubschrauberpilotin Leah sind bei der walisischen Flugrettung angestellt und arbeiten seit einigen Jahren als enges und engagiertes Team zusammen. ...

Die Notärztin Anne Perry, der Sanitäter Owen Baines und die Hubschrauberpilotin Leah sind bei der walisischen Flugrettung angestellt und arbeiten seit einigen Jahren als enges und engagiertes Team zusammen. Während zwischen Anne und Leah über die gemeinsame Zeit eine enge Freundschaft entstanden ist, bleibt Owen zwar professionell, aber immer auf Distanz, was besonders Anne immer wieder anstachelt, ihn aus der Reserve zu locken. Aber Owen hat seine Gründe, Anna auf Distanz zu halten. Die beiden verbindet eine gemeinsame Vergangenheit, an die sich Anne nicht erinnern kann, da sie damals erst 4 Jahre alt war. Ein Unfall machte Owen und seinen kleinen Bruder zu Vollwaisen und auch Anne kam damals zu einer Pflegemutter. Doch dann taucht Annes leiblicher Vater Seth in Llierdi auf, um seine Tochter zu sehen. Sein Erscheinen stellt nicht nur Owens Gefühlswelt auf den Kopf, sondern sorgt auch bei Anne und ihrer Pflegemutter Evelyn für allerlei Verwirrung…
Ella Simon hat mit ihrem fesselnden, bildgewaltigen und berührenden Roman „Bis wir wieder fliegen“ einen wahren Pageturner vorgelegt, der den Leser schon mit dem Prolog so angefixt hat, dass er an den Seiten regelrecht kleben bleibt und die Zeit vergisst. Der einnehmende Schreibstil nicht nur wunderbar flüssig, sondern auch sehr gefühlvoll und lässt den Leser während der Lektüre mit den Protagonisten eine Achterbahn der Gefühle durchleben. Die Autorin hat in ihrer Geschichte allerlei Themen verpackt, die sie wunderbar miteinander verknüpft und zu einer spannenden und hinreißenden Handlung zusammenspinnt. Es geht nicht nur um die anstrengende, lebensrettende Arbeit der Notärzte und die Schicksale der Patienten, sondern auch um deren eigene Schicksale, die mit Pflegefamilien, Schuldzuweisungen, Kriegstraumata sowie Suchtkrankheiten zu tun haben. Alles zusammen ergibt eine packende und geschickt miteinander verwobene Geschichte, die an einem kleinen walisischen Ort in einer Gemeinschaft stattfindet, die füreinander da ist und sich gegenseitig Halt gibt, und wo auch der Leser einen Platz findet, um sich als Teil von ihnen zu fühlen. Ein Gänsehautprolog und einige überraschende Wendungen geben der Handlung einen dauerhaften Spannungsbogen, der bis zum Ende nicht abreißt.
Die Charaktere wurde regelrecht Leben eingehaucht, mit ihren sehr individuellen Facetten und menschlichen Zügen wirken sie absolut authentisch und glaubwürdig. Sie treffen den Leser mitten ins Herz, was ihn mit ihnen das gesamte Gefühlsbarometer erleben lässt. Anne ist eine Frau, die immer Optimismus und Fröhlichkeit ausstrahlt. Sie besitzt Empathie, einen trockenen Humor sowie die nötige Distanz, ihre Arbeit erfolgreich und gewissenhaft durchzuführen. Mit ihrer positiven Einstellung und ihrer Stärke ist sie bei allen sehr beliebt. Owen ist ein eher zurückhaltender Zeitgenosse, der seine Arbeit professionell ausübt, aber ansonsten keinerlei Gefühle zeigt. Innerlich ist er ein zerrissener Mann, der durch einen Schicksalsschlag viel verloren hat und ebenso viel auf sich nehmen musste, um seinem Bruder Stabilität und ein Zuhause zu geben. Evelyn ist eine herzensgute Frau, die mit Anne eine liebevolle Beziehung pflegt, aber auch immer Zeit und ein offenes Ohr für Hilfesuchende hat. Elvis ist ein cooler Typ, der oft über die Stränge geschlagen hat, aber nun auf einem guten Weg ist. Leah kämpft mit den Dämonen der Vergangenheit, hat aber den Mut, sich ihnen zu stellen. Aber auch Seth und Josephine sind Lichtblicke in dieser Geschichte.
„Bis wir wieder fliegen“ ist eine wundervoll gewobene Geschichte gefüllt mit Liebe und Tragödien, mit Verlust und Hoffnung, mit dem Mut zur Vergebung, die Neuanfänge erst möglich machen. Zauberhaft erzählt und mit viel Suchtpotential! Hier kann es nur eine absolute Leseempfehlung geben - besser geht es nicht – Chapeau!

Veröffentlicht am 06.07.2019

La dolcezza amara della vita

Von wegen Dolce Vita!
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Schon lange ist die Blütezeit des 68-Blumenkindes Angie Schirner vorbei. Die 72-jährige Journalistin schlägt sich in Berlin mit kleinen Aufträgen, die ihr von einer Freundin zugeschustert werden, gerade ...

Schon lange ist die Blütezeit des 68-Blumenkindes Angie Schirner vorbei. Die 72-jährige Journalistin schlägt sich in Berlin mit kleinen Aufträgen, die ihr von einer Freundin zugeschustert werden, gerade so durch. Zu ihrer Tochter Janis hat sie seit Jahren keinen Kontakt und auch ihre Enkeltochter Leonie hat sie zuletzt als Kleinkind gesehen. Doch dann begegnet ihr Janis zufällig mitten in Berlin, der alte Zwist steht noch immer zwischen ihnen, so dass Janis Angie einfach stehen lässt. Aber Angie gibt so schnell nicht auf und macht durch leichte Spitzelarbeit die Bekanntschaft von Leonie, die nicht weiß, dass Angie ihre Oma ist. Da die 16-jährige Leonie mit ihrer Mutter so gar nicht kann und lieber mit ihren Freundinnen auf Ibiza die Sommerferien verbringen will, als mit Janis und deren Lover Sven in einem Wohnwagen durch Schweden zu fahren, schleicht sich das umtriebige Mädchen mit Sack und Pack davon und zwingt Angie, die sich gerade für eine Reportage mit ihrem klapprigen Porsche auf den Weg zu alten Hippiefreunden nach Sardinien macht, sie mitzunehmen. Schon bald stellen Angie und Enkelin Leonie fest, dass sie auf einer Welle schwimmen. Doch sie haben nicht mit Mutter Janis gerechnet…
Tessa Hennig hat mit „Von wegen Dolce Vita!“ einen sehr unterhaltsamen und witzigen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und lässt den Leser mit den ersten Zeilen in die Seiten abtauchen, um Angie und ihr Welt während der Fahrt nach Sardinien, aber sie auch im Kreise ihrer alten Freunde kennenzulernen. Leonie wächst dem Leser ebenfalls ans Herz, je mehr man von ihr erfährt und vor allem je mehr man von Janis und Sven zu lesen bekommt. Wunderbar lässt die Autorin ihre alternde Hauptprotagonistin eine „Sextanerblase“ mit Seniorenwindeln bekämpfen, die Musik der alten Helden von Woodstock wiederaufleben und das Grasrauchen wieder salonfähig werden. Die alten Blumenkinder, die für freie Liebe und gegen den Krieg demonstriert haben, sind in die Jahre gekommen, haben andere Lebenswege eingeschlagen, als sie jemals vorhersehen konnten. Aber es gibt auch einige Neuaussteiger, die der Jagd nach Erfolg und Geld abgeschworen und sich ein völlig anderes Leben aufgebaut haben. Vor der malerischen Kulisse Sardiniens lässt die Autorin diesen bunten Strauß an teils skurrilen Protagonisten ihrem Alltag nachgehen und gewährt dem Leser dabei einen Blick durchs Schlüsselloch auf alte Gefühle, nostalgische Erinnerungsfetzen und neue Romantik. Wunderbar stellt sie die verschiedenen Generationen gegenüber und entlockt dem Leser mit witzigen Dialogen so einige Lachsalven.
Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und versprühen mit ihren individuellen Eigenschaften einen Charme, dem sich der Leser nicht entziehen kann und Teil der illustren Hippiegemeinschaft wird. Angie ist eine liebenswürdige Frau, die für ihr Alter noch recht unternehmungslustig ist. Sie ist offen und ehrlich und sieht das Leben nicht mehr durch die rosarote Brille. Von ihrer Erfahrung kann Enkelin Leonie profitieren, die erst als rebellischer Teenager daherkommt, um so dann Stück für Stück zu einer sympathischen jungen Frau zu mutieren. Janis wirkt wie eine verknöcherte alte Frau, die nur nach Prinzipien leben kann, aber auch sie mutiert bald zu einer Frau, die die Leichtigkeit des Lebens durchaus zu schätzen weiß. Aber auch Hans oder Sven tragen ihr Scherflein dazu bei, dass die Handlung konstant in Bewegung und abwechslungsreich bleibt.
„Von wegen Dolce Vita!“ ist ein witziger und kurzweiliger Roadtrip mit Urlaubsfeeling, der sich in das Herz des Lesers stiehlt und für unterhaltsame Lesestunden sorgt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 06.07.2019

Geheimnisvolle Familientragödie

Pfauensommer
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Nach einem Jahr im australischen Sydney kommt Maggie ins englische Cloud Green zurück, um sich um Lillian zu kümmern, die knapp 90-jährige Stiefmutter ihres Vaters, die nach einem Unfall im Krankenhaus ...

Nach einem Jahr im australischen Sydney kommt Maggie ins englische Cloud Green zurück, um sich um Lillian zu kümmern, die knapp 90-jährige Stiefmutter ihres Vaters, die nach einem Unfall im Krankenhaus liegt und auf deren Landsitz Cloudesley Manor sie aufwuchs. Ihre Rückkehr wird auch von den Einheimischen zur Kenntnis genommen, die sich noch gut daran erinnern können, wie Maggie vor einem Jahr die Flucht ergriff. Der der gebrechliche Zustand ihrer Großmutter versetzt Maggie einen ebenso großen Schock wie der Verfall des Herrenhauses. Ob es Maggie wohl gelingt, das Anwesen zu retten. Doch vor allem das verschlossene Zimmer im Westflügel hat es Maggie angetan, denn sie erhofft sich, endlich zu erfahren, warum es niemand betreten darf. So begibt sich Maggie daran, das Geheimnis endlich zu lüften. Wird ihre Großmutter sich ihr öffnen und sie einweihen?
Hannah Richell hat mit „Pfauensommer“ einen wunderschönen und packenden Roman vorgelegt, der nicht nur mit einem flüssigen und farbenprächtigen Schreibstil besticht, sondern den Leser auch auf eine Zeitreise einlädt, die ihn in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts katapultiert. Die Geschichte wird über zwei Zeitebenen erzählt, wobei der eine sich mit der Gegenwart um Maggie befasst, der andere aber ins Jahr 1955 abtaucht, um die Vergangenheit rund um Lillian zu beleuchten. So bekommt der Leser einen guten Einblick in die Familiengeschichte und darf nach und nach mit Maggie dem Geheimnis auf die Spur kommen, welches die Autorin sehr geschickt und gefühlvoll nur Stück für Stück preisgibt. Die Landschaftsbeschreibungen sind wunderbar bildhaft und lassen den Leser während der Lektüre das alte Anwesen immer wieder neu entdecken, zum einen als renovierungsbedürftige Ruine, zum anderen als ein Haus voller Leben und Begegnungen. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut und steigert sich während des Handlungsverlaufs immer mehr, was auch dem gut verwobenen Perspektivwechsel geschuldet ist.
Die Charaktere sind sehr vielschichtig angelegt und mit Leben versehen worden. Mit ihren individuellen Ecken und Kanten wirken sie glaubwürdig und realitätsnah, was es dem Leser erleichtert, mit ihnen zu fühlen. Maggie ist eine Frau mit Verantwortungsgefühl, doch sie wird auch von Selbstzweifeln geplagt. Sie besitzt eine gesunde Neugier, die ihr fast zum Verhängnis wird. Lillian ist eine bewundernswerte alte Dame, die in ihrem Leben so einiges ertragen musste. Sie war als Frau ihrer Zeit in einer Ehe gefangen, in der sie einiges an Leid erfahren hat. Lillian ist uneigennützig, aber einsam, was sie in eine Situation schlittern lässt, die eine Katastrophe heraufbeschwört. Ehemann Charles ist ein Widerling und Despot, unter dem der gesamte Haushalt zu leiden hat. Er schreckt auch vor Gewalt nicht zurück. Albie ist ein lieber kleiner Junge, der schnell das Herz von Lillian erobert. Jack ist Künstler und gewinnt mit seiner feinfühligen und sensiblen Art. Aber auch die weiteren Protagonisten wissen durchaus mit ihren Auftritten zu überzeugen.
„Pfauensommer“ ist ein rundum fesselnder und gefühlvoller Roman über die Liebe, Familiengeheimnisse, Lügengebilde, Verlust und Schmerz. Wunderbarer Lesegenuss mit dem verdienten Prädikat einer absoluten Leseempfehlung ausgezeichnet!