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Veröffentlicht am 05.05.2019

Gemeindeschwestern in Leeds

Die Schwestern aus der Steeple Street
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1925 Leeds. Die Krankenschwester Agnes Sheridan kehrt London nach einem unglücklichen Vorfall den Rücken und startet in Leeds eine Ausbildung zur Gemeindeschwester im Ceadar House. Sowohl die harte Pflegeleiterin ...

1925 Leeds. Die Krankenschwester Agnes Sheridan kehrt London nach einem unglücklichen Vorfall den Rücken und startet in Leeds eine Ausbildung zur Gemeindeschwester im Ceadar House. Sowohl die harte Pflegeleiterin Bess Bradshaw als auch die Arbeit in den Armenvierteln der Stadt, in denen es an Anerkennung für die Schwester fehlt, stellen Agnes ebenso vor eine Herausforderung wie die Neusortierung ihres eigenen Lebens. Bess‘ Tochter und Agnes Kollegin Polly Malone kann es ihrer Mutter nie recht machen und verzweifelt langsam an deren Ansprüchen. Werden sich sowohl Agnes als auch Polly durchsetzen können und endlich zuversichtlicher durchs Leben gehen?
Donna Douglas hat mit „Die Schwestern aus der Steeple Street“ einen wunderbaren und unterhaltsamen Auftakt ihrer neuen Romanreihe vorgelegt. Der Erzählstil ist flüssig und bildhaft zugleich, der Leser wird direkt in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hineingesogen und verfolgt als unsichtbarer Schatten Agnes‘ Weg nach Leeds und während ihrer harten Ausbildung, wobei deren Gedanken- und Gefühlswelt dem Leser immer offen lag. Mit wechselnden Perspektiven, Rückblenden und der Darstellung von diversen Einzelschicksalen hält die Autorin die Spannung auf gleichbleibend hohem Niveau. In dieser Reihe widmet sich die Autorin dem Thema Gemeindepflege, die ihren Ursprung aus der Zeit Königin Victorias hat und Frauen die Möglichkeit eröffnete, Krankenschwester zu werden sowie häusliche Pflege zu übernehmen, was sich vor allem in den Armenvierteln bewährte, da diese Menschen kein Geld für Krankenhäuser oder Ärzte hatten. Sehr realistisch werden die Lebensumstände und die erbärmlichen Zustände in diesen Vierteln beschrieben, auch die Resignation, Hoffnungslosigkeit und Aggression dieser Menschen überträgt sich gut während der Lektüre, so dass einem oftmals die Gänsehaut über den Rücken läuft. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen spielen in diesem Buch eine große Rolle und sind sehr gut in Szene gesetzt.
Die Charaktere sind sehr lebendig und authentisch ausgearbeitet, mit ihren individuellen Eigenschaften wirken sie glaubwürdig und realitätsnah, was es dem Leser erleichtert, sich in sie hineinzuversetzen, sich ihnen verbunden zu fühlen und erwartungsvoll die Entwicklungen zu beobachten. Agnes ist eine junge Frau, die bereits eine erstklassige Ausbildung in London genossen hat. Auf die Armenviertel in Leeds ist sie nicht vorbereitet, wirkt in ihrer Art oftmals arrogant und wie ein Snob. Deshalb hat sie es schwer, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und von ihnen akzeptiert zu werden. Bess Bradshaw ist eine harte und autoritäre Frau, die keinerlei Fehler duldet und mit aller Schärfe durchgreift. Sie wird zu Recht gefürchtet und der Respekt aller ist ihr sicher. Ihre Tochter Polly ist eine sympathische junge Frau, die um die Anerkennung ihrer Mutter kämpft und immer mehr daran verzweifelt, es ihr nie recht machen zu können. Sie wirkt mehr und mehr verunsichert und eher zurückgezogen. Protagonisten wie Norman, Oliver oder Finn geben der Handlung zusätzlich interessante Impulse und machen die Geschichte zu einem wahren Lesegenuss.
Mit „Die Schwestern aus der Steeple Street“ ist Donna Douglas ein neuer großer Wurf gelungen. Die unterschiedlichen Schicksale sind sehr gelungen inszeniert, die Gemeindearbeit und die Lebensumstände sowie der damalige Zeitgeist sehr gut herausgearbeitet. Wer gern Romane mit historischem Hintergrund liest, wird diesen Roman bestimmt zu schätzen wissen. Absolute Leseempfehlung für eine wunderbare Geschichte!

Veröffentlicht am 01.05.2019

Es ist besser, ein Wort zurückzuhalten, als zwei zu sprechen. (Isländisches Sprichwort)

Das Versprechen der Islandschwestern
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Zusammen mit Oma Margarete und Teenagertochter Leonie fährt Pia nach Island, um den 90. Geburtstag von Margaretes Schwester Helga gemeinsam zu feiern. Kurz nach dem Krieg sind Helga und Margarete für ein ...

Zusammen mit Oma Margarete und Teenagertochter Leonie fährt Pia nach Island, um den 90. Geburtstag von Margaretes Schwester Helga gemeinsam zu feiern. Kurz nach dem Krieg sind Helga und Margarete für ein Jahr als Landarbeiterinnen von Lübeck nach Island gegangen, doch nur Margarete kehrte nach Deutschland zurück. 60 Jahre herrschte Funkstille zwischen den beiden alten Schwestern, doch nun wäre eine gute Möglichkeit, die alten Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Schon auf der Fähre hat Pia eine flüchtige Begegnung mit dem Isländer Ragnar, doch dann stellt er sich als ehemaliger Basketballprofi, Pferdezüchter und unmittelbarer Nachbar von Helga heraus. Schnell ist Pia nicht nur Feuer und Flamme für das raue und doch so wunderschöne Land, auch der attraktive Isländer erobert ihr Herz im Sturm. Selbst die Probleme mit Tochter Leonie lassen hier nach, denn auch diese hat schnell eine Freundin gefunden und fühlt sich mit den Pferden wohl. Jetzt müssen nur noch Helga und Margarete ihren alten Streit beilegen. Pia ist ziemlich neugierig, was da wohl zwischen den beiden steht, doch es dauert eine Weile, bis nach und nach alles an die Oberfläche dringt…
Karin Balvinsson hat mit „Das Geheimnis der Islandschwestern“ einen wunderschönen, fesselnden und gefühlvollen Roman vorgelegt, den der Leser mit den ersten Zeilen kaum mehr aus der Hand legen mag. Der Erzählstil ist flüssig-leicht, bildgewaltig und voller Atmosphäre, was dem Leser während der Lektüre ein wunderbares Kopfkino beschert. Mit wechselnden Perspektiven lässt die Autorin den Leser mal in die Vergangenheit der Schwestern Margarete und Helga ins Jahr 1949 schlüpfen, mal in die Gegenwart um Pia im Jahr 2017. Gerade diese abwechselnden Zeitebenen sind der Autorin besonders gut gelungen, denn sie lässt den Leser nur stückchenweise die Vergangenheit erfahren, wobei sich das Gedankenkarussell unaufhörlich dreht und viele verschiedene Möglichkeiten erwogen werden, was der Auslöser des Streits gewesen sein könnte. Durch die gekonnten Schilderungen der Autorin bekommt der Leser einen guten Einblick über die damaligen Lebensumstände in Island, die aufgrund der Kälte und der langen Dunkelzeit recht schwer waren. Das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der kleinen Ortschaften war eng und freundschaftlich, man half sich gegenseitig in allen Lebenslagen. Auch die Situation der Mädchen in einem Land, dessen Sprache sie nicht beherrschten und deren deutsche Herkunft auch nicht gerade gern gesehen war, wird sehr schön aufgezeigt. Geschickt eingewebte Wendungen lassen den Leser immer wieder rätseln und halten die Spannung bis zum Schluss hoch.
Die Charaktere sind wunderbar lebendig ausgestaltet und verfügen über individuelle Eigenschaften, die sie glaubwürdig und realistisch wirken lassen. Der Leser fühlt sich sofort mit ihnen wohl und kann mit ihnen fühlen, hoffen und bangen. Margarete ist als junge Frau die ewige Optimistin, sie sprüht geradezu vor Fröhlichkeit. Sie ist abenteuerlustig und neugierig auf die Welt. Schwester Helga ist eher zurückhaltend, trauert sie doch um den Verlobten, der aus dem Krieg nicht zurückkehrte. Sie wirkt nicht nur ängstlich, sondern ist auch gar nicht mit dem Herzen bei der Sache, denn ihr Heimweh ist zu groß. Interessant ist die Entwicklung, die beide Schwestern genommen haben, als sie sich endlich wiedersehen. Pia ist eine Frau, die sich in ihrem Beruf nicht gefordert fühlt und der die Probleme mit ihrer Tochter über den Kopf wachsen. Sie ist schlagfertig, offen und manchmal ist ihre Zunge schneller als ihr Hirn, was sie besonders liebenswert macht. Leonie ist der typische Teenager, immer auf Krawall gebürstet. Ragnar ist ein Hüne, der den Profisport aufgrund einer Verletzung aufgeben musste. Er ist warmherzig, ehrlich, einfühlsam und schleicht sich damit als Wikinger in das Herz des Lesers.
„Das Geheimnis der Islandschwestern“ ist ein wunderschöner Roman über Familiengeheimnisse und die Liebe vor der zauberhaften Kulisse Islands. Der Einblick in das Leben von Land und Leuten, die hinreißenden Protagonisten sowie der herrliche Schreibstil der Autorin hypnotisieren den Leser bis zum Schluss. Absolut verdiente Leseempfehlung für dieses Highlight!

Veröffentlicht am 01.05.2019

Spannungsgeladener Reihenauftakt

Dunmor Castle - Das Licht im Dunkeln
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Die Innenarchitektin Lexie Cavendish arbeitet für ein Immobilienunternehmen. Ihr Chef Andrew Howard schickt sie ins nordirische Dunmor Castle, um dort Pläne für die Innenausstattung des Anwesens zu machen ...

Die Innenarchitektin Lexie Cavendish arbeitet für ein Immobilienunternehmen. Ihr Chef Andrew Howard schickt sie ins nordirische Dunmor Castle, um dort Pläne für die Innenausstattung des Anwesens zu machen und die Renovierungsarbeiten zu überwachen, soll hier doch ein Luxushotel entstehen. Als Lexie die Burg sieht, ist ihr gleich so, als wäre sie schon einmal dort gewesen. Schon in der ersten Nacht bekommt sie Albträume, die sich seit Jahren nicht gemeldet haben und die sie im Schlafwandel durch die nächtlichen Straßen streifen lassen. Glücklicherweise kann Immobilienspekulant Grayson Fitzgerald noch rechtzeitig bremsen. Allerdings ist Grayson als Nachkomme des Burgbesitzers nicht gerade erfreut, dass der Familienbesitz verkauft werden soll und möchte Lexie am liebsten schnellstens wieder loswerden. Ihre Albträume lassen Lexie keine Ruhe, so dass sie Nachforschungen über ihre Mutter anstellt, mit der sie als Kind in Dunmor war und die eines Tages spurlos verschwand, aber das ist gar nicht so einfach, da alle Ortsbewohner von Cerigh sich entschlossen haben zu schweigen. Wird Lexie endlich erfahren, was in der Vergangenheit passiert ist?
Kathryn Taylor hat mit „Dunmore Castle – Das Licht im Dunkeln“ den sehr spannenden und unterhaltsamen ersten Band ihrer Dunmore-Serie vorgelegt. Der Erzählstil ist flüssig, atmosphärisch dicht und bildhaft, der Leser wird mit den ersten Zeilen regelrecht in die Handlung gesogen, um dort Lenas Spuren zu folgen, ihre Gedanken und Gefühle kennenzulernen und sich mit ihr zusammen auf die Suche nach ihrer Vergangenheit sowie der Auflösung eines alten Familiengeheimnisses zu machen. Die Autorin versteht es sehr gut, den Leser gedanklich in die raue nordirische Küste reisen zu lassen, die Beschreibungen sind bildgewaltig und farbenfroh, so dass man sich sowohl auf dem Anwesen Dunmore Castle als auch in Cerigh sofort zuhause fühlt. Durch interessante Wendungen schraubt die Autorin die Spannung immer weiter in die Höhe und lässt den Leser rätseln und immer wieder neue Szenarien entwickeln, was wohl damals passiert ist. Da es sich um mehrere Bände handelt, die ineinander greifen, steht der Leser am Ende mit vielen Fragen da, denn der spannende Schluss lässt diese alle offen.
Die Charaktere sind sehr individuell ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Mit ihren Ecken und Kanten wirken sie durchweg glaubwürdig und authentisch, so kann der Leser mit ihnen fühlen und seine Sympathien gerecht verteilen. Lexie ist eine Frau, die schon früh ohne Mutter aufwachsen musste und viele Jahre im Heim aufgewachsen ist. Schon lange sucht sie nach ihrer Vergangenheit. Sie ist nach außen eine selbstbewusste Frau, die weiß, was sie will. Doch Lexie hat auch eine ängstliche Seite, leidet unter den Schatten in ihrer Vergangenheit und wird von Alpträumen geplagt. Grayson ist ein attraktiver und knallharter Geschäftsmann, der sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wird. Er wirkt oftmals verschlossen und undurchsichtig, hat aber auch eine fürsorgliche und mitfühlende Seite. Eileen Kelly hat eine Schlüsselfunktion inne, denn sie war die beste Freundin von Lexies Mutter und kann dieser einiges über sie erzählen. Auch die weiteren Protagonisten wie Father Peter, Dr. Turner oder auch Sheila Murphy lassen mit ihren Auftritten die Spannung steigen und den Leser immer wieder im Dunkeln tappen.
„Dunmore Castle – Das Licht im Dunkeln“ ist ein toller Auftakt der DC-Serie. Hier vereinen sich Familiengeheimnisse mit Liebe und kriminalistischen Elementen, die zusammen eine hochspannende Mischung ergeben und süchtig machen nach Band 2. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 28.04.2019

"Die Summe unseres Lebens sind die Stunden, in denen wir liebten." (Wilhelm Busch)

Mehr als tausend Worte
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9. November 1938. In der Reichspogromnacht, als in Berlin sämtliche Synagogen in Brand gesteckt werden, erwacht die 16-jährige Aliza, Tochter des jüdischen Arztes Samuel Landau, durch den Schrei ihres ...

9. November 1938. In der Reichspogromnacht, als in Berlin sämtliche Synagogen in Brand gesteckt werden, erwacht die 16-jährige Aliza, Tochter des jüdischen Arztes Samuel Landau, durch den Schrei ihres Großvaters, als dieser von der Gestapo verhaftet wird. Alizas Bruder Harald hofft, dass seine Familie so vernünftig ist, eine Emigration ins Ausland ins Auge zu fassen, doch dafür ist es längst zu spät, zumal Samuel Landau seine Patienten nicht im Stich lassen möchte. Doch bald schon wird ihm die Approbation entzogen, so dass er nicht mehr praktizieren darf. Auch der Blockwart Karoschke wird zu einer Bedrohung für die Landaus. Die Situation verschlechtert sich zusehends für die Familie, deshalb entschließt sich Samuel, Tochter Aliza mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Aliza will ihre Familie und vor allem ihren Verlobten Fabian Pagels nicht verlassen, doch es bleibt ihr keine andere Wahl. Während sie in England unterkommt, bricht der Krieg mit voller Macht aus und lässt die restliche Familie Landau in Berlin durch die Hölle gehen. Wird Aliza Fabian und ihre Familie bei Kriegsende wieder in die Arme schließen können?
Mit „Mehr als tausend Worte“ hat Lilli Beck einen sehr fesselnden, mitreißenden und vor allem berührenden Roman vor historischem Hintergrund vorgelegt, der die Lage während des Zweiten Weltkrieges und auch die ganze Tragödie der jüdischen Familien durch die Verfolgung der Nazis thematisiert. Der Erzählstil ist flüssig, bildgewaltig und gefühlvoll, der Leser erlebt während der Lektüre das gesamte Spektrum des Gefühlsbarometers. Die Autorin versteht es auf hervorragende Weise, ihre exzellent recherchierte Geschichte mit einer Intensität dem Leser zu transportieren, dass man das Gefühl hat, alles hautnah mitzuerleben, während man Aliza sieben Jahre bis zu ihrer Rückkehr nach Berlin im Jahre 1945 begleitet. Die schrecklichen Anfeindungen der geflüchteten Deutschen in England sind ebenso ernüchternd und furchterregend wie die furchtbaren Sanktionen in Deutschland, die Alizas Familie zu erdulden hat. Die damaligen Kindertransporte war zwar die Rettung für viele, riss allerdings auch viele Familien entzwei, die das Liebste, was sie besaßen in Sicherheit wissen wollten. Viele von ihnen haben sich nie wiedergesehen. Allein der Gedanke, sein eigenes Kind fernab in eine unsichere Zukunft zu schicken, ohne dass man es begleiten kann, schnürt einem beim Lesen schon die Kehle zu. Doch dieses Schicksal war für viele die Rettung. Die Autorin zeigt auch auf, wie sehr mancher die schreckliche Lage der Juden ausgenutzt hat und deren Hab und Gut mit falschen Versprechungen, Druck und Erpressung an sich gebracht hat und dabei auch keinerlei Unrechtsbewusstsein empfand. Die Autorin hat ein besonderes Händchen dafür, den Leser in Atem zu halten durch geschickte Wendungen, die die Spannung bis zum Schluß hoch halten.
Die Charaktere sind so individuell wie realistisch ausgearbeitet und wirken sehr lebendig. Der Leser durchlebt mit ihnen schrecklich, bittersüße, ängstliche und hoffnungsvolle Momente, als wäre er mitten unter ihnen. Aliza ist in ihrem jungen Alter noch etwa naiv und unschuldig, doch mit der Abholung ihres Großvaters und ihrer Reise nach England kann man ihr praktisch beim Erwachsenwerden zusehen. Sie ist einerseits eine Träumerin, die an ihrer große Liebe festhält, die ihr die ganze Zeit Hoffnung gibt, andererseits wird sie mit einer harten Realität konfrontiert, die sie wachsen lässt und ihr sowohl Stärke als auch Mut verleiht, denen man nur mit Respekt begegnen kann. Archibald ist ein Feingeist mit großem Herzen und viel Hilfsbereitschaft, was in diesen schlimmen Zeiten der Seele guttat, wenn man ihr begegnete. Mizzi wird Alizas Freundin und Wegbegleiterin, sie ist eine Opportunistin, die sich nimmt, was sie möchte und ihr wahres Gesicht erst am Ende zeigt. Blockwart Karoschke ist ein Mann, der auf den Zug der Nazis aufspringt und sich diesen zur eigenen Bereicherung zunutze macht. Auch die weiteren Protagonisten wie Harald, Samuel oder Ingrid geben der Handlung zusätzliche Spannung und Realismus.
„Mehr als tausend Worte“ ist zwar ein fiktiver Roman vor historischem Hintergrund, hat aber den Finger am Puls der damaligen Zeit und lässt den Leser Geschichte hautnah miterleben in einer Intensität, wie man sie in Büchern nur selten findet. Lilli Beck hat hier eine Meisterleistung vollbracht und einmal mehr gezeigt, was sie kann: tolle Geschichten so realistisch zu erzählen, dass der Leser von der ersten Seite an mittendrin ist. Absolute Leseempfehlung für ein Kleinod! Besser geht es nicht – Chapeau!

Veröffentlicht am 28.04.2019

Glückliche Erinnerungen in Zeiten der Trauer

Solange sie tanzen
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Als Ada Friedbergs Ehemann Hans stirbt, bleibt die alte Dame in ihrer Trauer mit ihrem Hund Hemingway allein zurück. Um wieder etwas mehr Pep in ihren doch recht einsamen Alltag zu bringen, unterhält sie ...

Als Ada Friedbergs Ehemann Hans stirbt, bleibt die alte Dame in ihrer Trauer mit ihrem Hund Hemingway allein zurück. Um wieder etwas mehr Pep in ihren doch recht einsamen Alltag zu bringen, unterhält sie einen Beobachtungsposten an ihrem Wohnzimmerfenster, wo sie gemütlich in ihrem Sessel per Fernglas in das Leben ihrer Nachbarn eindringt. Eines Abends sieht sie bei ihrer Voyeurtätigkeit ein tanzendes Pärchen, welches in ihr die gemeinsame Zeit mit ihrem Ehemann Hans wieder ins Gedächtnis ruft. Von nun an schaut sie immer wieder beim „Tänzerpaar“ vorbei, um durch sie in Erinnerungen zu schwelgen und den jetzigen Alltag hinter sich zu lassen. Die Vergangenheit ist für Ada immer mehr präsent…
Barbara Leciejewski hat mit „Solange wir tanzen“ einen sehr berührenden Roman vorgelegt, der den Leser während der Lektüre durch den gefühlvollen und bildgewaltigen Erzählstil, der auch einen gewissen Witz nicht vermissen lässt, das gesamte Spektrum des Gefühlsbarometers durchleben lässt. Durch wechselnde Erzählperspektiven sowohl von Adas Vergangenheit als auch ihrer Gegenwart gewinnt der Leser einen wunderbaren Eindruck über Avas Leben, was sie verloren hat und wie es ihr geht. Dabei wächst die alte Dame einem immer mehr ans Herz. Behutsam sowie glaubwürdig behandelt die Autorin einige wichtige Themen in ihrer Geschichte, u.a. Einsamkeit und Demenz. Die immer größer werdende Vergesslichkeit von Ada, die sie ängstlich werden lässt, wird einfühlsam beschrieben. Auch ihr Ehrgeiz, in ihrem Alter alles noch allein bewältigen zu können und somit ihre Selbständigkeit zu behalten. Liebevoll wird sie von ihrer Familie unterstützt, doch das Vergessen bereitet ihr die größten Probleme. Gerade deshalb ist das tanzende Paar so wichtig für sie, denn sie sind der Auslöser für ihre Erinnerungen, die sie auf keinen Fall vergessen will. Gerade in der heutigen Zeit ist Demenz ein aktuelles Thema, das uns alle angeht. Wichtig ist, wie wir damit umgehen in unserem Umfeld, in unserer Familie und mit uns selbst, sollte es uns treffen.
Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht und besticht mit Glaubwürdigkeit und Authentizität. Der Leser kann sich wunderbar in sie hineinversetzen und ihre Gedanken und Gefühle nachvollziehen. Ada ist schon über 80 Jahre alt und immer noch selbständig. Sie kümmert sich um ihren Hund und ihren Haushalt, aber das Oberstübchen spielt ihr immer mehr Streiche, die sie verängstigen. Aber Ada ist nicht mutlos, sondern eine so liebenswerte Dame, die sich an Träume und Erinnerungen klammert. Boxer Hemingway gibt ihrem Tagesablauf eine gewisse Regelmäßigkeit, so lässt sie sich in ihrer Trauer nicht hängen, denn Hemingway ist abhängig von ihr und sie irgendwie auch von ihm, lässt er ihre Einsamkeit doch nicht zu laut werden.
„Solange wir tanzen“ ist ein warmherziger und gefühlvoller Roman über das Alter, Lebenserinnerungen, die Liebe und die Angst, dies alles zu vergessen. Berührend erzählt und mit einer verdienten Leseempfehlung ausgestattet. Einfach wunderschön!