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Veröffentlicht am 20.02.2021

Dem Leben eine Chance geben

Die Mitternachtsbibliothek
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Die Geschichte beginnt mit dem letzten Tag von Nora Seed, bevor sie sich das Leben nimmt. Die ohnehin schon depressive Mittdreißigerin verliert an diesem Tag nicht nur ihren Job und ihre Katze, sondern ...

Die Geschichte beginnt mit dem letzten Tag von Nora Seed, bevor sie sich das Leben nimmt. Die ohnehin schon depressive Mittdreißigerin verliert an diesem Tag nicht nur ihren Job und ihre Katze, sondern auch ihren einzigen Klavierschüler und auch ihr alter Nachbarn braucht sie nicht mehr. Als sie auch noch erfährt, dass ihr Bruder in der Stadt war, ohne sich bei ihr zu melden, ist das Maß voll. Nora sieht keinen Sinn mehr im Leben. - Dann erwacht sie in einem Zwischenreich; einer riesigen Bibliothek, angefüllt mit tausenden von Büchern, die alle Leben enthalten, die Nora hätten führen können, je nach dem, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten hätte. Über ihre Lebensbücher wacht eine Bibliothekarin, die Nora bereits aus ihrer Kindheit kennt. Zunächst wirft Nora einen Blick in das Buch des Bedauerns, um festzustellen, was sie in ihrem Leben bereut hat. Und dann startet sie ihre Reise durch viele verschiedene Leben. Erst als sie Hugo trifft, wird ihr vieles klarer ...

Die Geschichte fand ich faszinierend, denn der eine Tag in Noras Leben zeigt auf, welche großen Chancen sie in ihrem bisherigen Leben hatte und dass sie diese nicht genutzt hat. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen, der Plattenvertrag für ihre Band, die geplatzte Hochzeit, die Reise nach Australien, um nur einige wichtige Entscheidungen zu nennen. Da wird schon zu Beginn ganz viel Neugierde bei den Lesenden geweckt, was aus Nora geworden wäre, wenn ... Natürlich werden all diese Chancen in der Mitternachtsbibliothek bereitgehalten. Der Name rührt übrigens daher, dass Nora um Mitternacht die Bibliothek betritt und auch in jedes "neue" Leben zu exakt diesem Zeitpunkt eintritt.

Das hatte ich mir zunächst anders vorgestellt. Dass Nora nämlich zu dem Zeitpunkt in das andere Leben eintritt, zu dem sie eine "falsche" Entscheidung getroffen hat. So ist es aber nicht. Sie hat bereits das Leben bis zu diesem Tag gelebt und steht plötzlich da und muss sich alles selbst irgendwie zusammenreimen und erklären. Wo wohne ich? Wer ist diese Person? Wo muss ich hin? Das birgt schon einige Überraschungen. Die Besuche in den Leben werden zunächst immer länger, bis man das Gefühl hat, sie fliegt nur noch rein und raus. Eine Enttäuschung läßt sie jedesmal wieder zurück in die Bibliothek kommen. Erst, wenn sie sich nichts Besseres mehr vorstellen kann, hat sie das für sie richtige Leben gefunden.

Da Nora in ihrem "alten" Leben Philosophie studiert hat, kann sie vieles, was sie erlebt, unter diesem Aspekt betrachten. Das war für mich etwas ermüdend. Insgesamt ist die Geschichte recht dialoglastig. Da wird neben Philosophie und Quantenphysik, vor allem über den Sinn des Lebens diskutiert.

Nora als Charakter ist schwierig. Einerseits ist sie liebenswert, andererseits möchte man sie ständig antreiben, damit sie endlich "in die Füße kommt".

Annette Frier macht ihre Sache als Vorleserin sehr gut. Ihre großen Momente hat sie natürlich, wenn extreme Situationen oder Charaktere interpretiert werden müssen. Bei den ernsten und ruhigen Sequenzen hält sie sich angenehm zurück, so dass man nicht immer sie vor Augen hat, wenn Nora gerade spricht.

Die Geschichte hat mir gefallen, obwohl ich sie mir als Buch besser vorstellen kann. Ich hätte gerne an einige Stellen zurückgeblättert und diese nochmal gelesen. Das Ende war nicht überraschend, damit hatte ich mehr oder weniger gerechnet.

Ich vergebe 3,5 Sterne, weil ich die Idee der "Mitternachtsbibliothek" wirklich faszinierend finde. Wer sich mit Fragen zum Sinn des Lebens eingehend beschäftigen möchte, ist hier genau richtig. Ansonsten hatte die Geschichte einige Längen.

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Veröffentlicht am 31.12.2020

Die Gans wird kalt, denn Kugeln fliegen durch die Luft

Mord in Dingley Dell
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Dingley Dell, ein Landsitz, angefüllt mit kuriosen Gästen, die ein historisches Weihnachtsfest á la Charles Dickens feiern möchten, wird eingeschneit. In zeitgenössische Kostüme gehüllt, wird der Heilige ...

Dingley Dell, ein Landsitz, angefüllt mit kuriosen Gästen, die ein historisches Weihnachtsfest á la Charles Dickens feiern möchten, wird eingeschneit. In zeitgenössische Kostüme gehüllt, wird der Heilige Abend feierlich begangen. Aber hinter den Kulissen rumort es gewaltig. Es kommt wie es kommen muss: Es gibt einen ersten Toten und dabei bleibt es nicht. Was wird gespielt, warum und von wem? Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Oscar Boswell, Dickens-Experte, und die patente Arabella Allen. Aber jeder hat auf Dingley Dell so seine Geheimnisse ...

Reginald Hill hat diesen Weihnachtskrimi bereits 1972 veröffentlicht. Er ist nun in einer neuen Auflage bei DUMONT erschienen. Der Verlag hat in den letzten Jahren bereits mehrere ältere Weihnachtskrimis in ähnlicher Aufmachung herausgebracht. Die hübschen Cover und die nette Aufmachung mit Lesebändchen machen sie zu einem idealen Weihnachtsgeschenk.

So bin auch ich an mein Exemplar gekommen.

Die Geschichte hat mir gut gefallen, an den Schreibstil musste ich mich aber erst gewöhnen. Er ist etwas zackig und ruppig - ein Christie-Krimi liest sich geschmeidiger. Ein paar schlüpfrige Andeutungen machen ihn nur unbedingt jugendfrei. Auch habe ich einige Seiten gebraucht, um mich in der Handlung zurecht zu finden.

Das Buch ist trotz der bekannten Zutaten kein klassischer Mord-im-eingeschneiten-Landhaus-Roman. Es gibt viele Überraschungen und lange weiß der Leser nicht, was eigentlich gespielt wird. Denn selbst wenn die Charaktere Erklärungen geben, klärt sich zunächst noch längst nicht alles auf.

Mir haben die verschiedenen Figuren Spaß gemacht. (Die Deutschen sind allerdings nicht so gut weggekommen - obwohl, die Franzosen eigentlich auch nicht ...). Die Handlung ist gut durchdacht, manchmal musste ich aber aufpassen, dass ich alles noch richtig zuordnen konnte. Zum Ende hin wird es ein bisschen konfus.

Hill hat viele Anspielungen auf Dickens Roman "Die Pickwickers" (nicht nur den Namen des Landhauses) eingebaut, und setzt auch treffende Zitate vor jedes Kapitel.

Insgesamt ein unterhaltsamer Weihnachtskrimi der alten Schule und doch mit ungewöhnlichen Elementen. Ich hatte die 264 Seiten rasch durchgelesen und vergebe 3,5 Sterne.



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Veröffentlicht am 08.07.2020

Verwicklungen auf der schottischen Insel Mure

Hochzeit in der kleinen Sommerküche am Meer
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Im zweiten Teil der "Kleinen Sommerküche" stehen neben Flora und Joel auch andere Figuren stärker im Mittelpunkt der Handlung: Lorna, Floras Freundin und Lehrerin auf der Insel; Saif, der syrische Flüchtling ...

Im zweiten Teil der "Kleinen Sommerküche" stehen neben Flora und Joel auch andere Figuren stärker im Mittelpunkt der Handlung: Lorna, Floras Freundin und Lehrerin auf der Insel; Saif, der syrische Flüchtling und Inselarzt; schließlich Floras Bruder Fintan und sein Freund Colton.

Flora hat ihr Leben in London hinten sich gelassen und lebt wieder auf ihrer schottischen Heimatinsel Mure. Dort betreibt sie ein kleines Café, während ihr Freund Joel durch die Welt jettet, um für seinen Auftraggeber Colton zu arbeiten. Die Beziehung der beiden wird auf eine harte Probe gestellt, weil Joel immer noch mit seiner Vergangenheit hadert und sich Flora nicht anvertraut. Gleichzeitig ist der syrische Inselarzt Saif auch nach Jahren noch auf der Suche nach seiner Familie. Endlich scheint es ein Lebenszeichen zu geben, doch da ist auch noch Lorna. Die beiden fühlen sich zu einander hingezogen, aber mehr als Freundschaft dürfen sie sich nicht zugestehen. Colton Rogers, der milliardenschwere Freund von Floras Bruder Fintan schiebt die Eröffnung seines Hotels immer weiter hinaus und überhäuft Joel mit Arbeit bis zur Erschöpfung. Viel Stoff für Verwicklungen und Probleme.



Der zweite Teil von Jenny Colgans Trilogie hat mir zunächst nicht so zugesagt. Die Handlung schleppte sich etwas dahin und ich konnte mich nicht immer zum Weiterlesen aufraffen. Die Geschichte nimmt aber noch Fahrt auf und wird am Ende wirklich dramatisch. Der dritte Teil steht schon bereit. Allerdings ist dieses Buch eher ein Übergang zum letzten Band, als ein eigenständiges Werk. Natürlich ist es Teil einer Trilogie, aber man möchte nicht den Eindruck haben, dass zweite Teile nur geschrieben werden, damit offene Enden im dritten Buch zusammengebracht werden. Es wird vieles nicht zum Abschluss gebracht.

Jenny Colgan schreibt wieder sehr flüssig, man kann die Geschichte wie gewohnt schnell lesen und sie versteht es, die Atmosphäre auf das Papier zu bringen. Da spürt man den Wind, die Sonne und meint das Meer zu riechen und Sand an den Füßen zu fühlen. Die Handlung an sich hat mich beim Lesen aber etwas ausgebremst. Gerade die Passagen, in denen es um die Beziehung von Joel und Flora ging, haben sich für mich etwas im Kreis gedreht. Das war in meinen Augen etwas bemüht, um einen Konflikt zwischen den beiden herbeizuführen, der die Beziehung für die Leser spannend halten soll. Vielleicht wäre es in diesem Band auch ohne diesen Konflikt gegangen. Die anderen Handlungsstränge bieten reichlich Potential, das aber erster später hinzukommt.

Ich lese die Bücher von Jenny Colgan sehr gerne, weil man sich schnell in die Geschichten einfindet und darüber den Alltag vergessen kann. Ich freue mich schon auf den dritten Teil und kann auch dieses Buch - mit den genannten Einschränkungen - allen empfehlen. Es macht aber Sinn, zunächst den ersten Teil zu lesen. Als Einstieg fehlt dann doch zu viel Hintergrundwissen.

Ich vergebe drei gute Sterne.

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Veröffentlicht am 28.05.2020

Schicksal einer jüdischen Malerin

Die Fliederinsel
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Sylvia Lott kombiniert einmal mehr zwei Zeitebenen im vorliegenden Roman „Die Fliederinsel“.

Celia logiert sich in einem schnuckeligen Ferienhaus auf der dänischen Insel Fünen ein. Durch Zufall entdeckt ...

Sylvia Lott kombiniert einmal mehr zwei Zeitebenen im vorliegenden Roman „Die Fliederinsel“.

Celia logiert sich in einem schnuckeligen Ferienhaus auf der dänischen Insel Fünen ein. Durch Zufall entdeckt sie ein großes Fliedergemälde, das im Haus verborgen war. Ihre Vermieterin Inger erkennt das Gemälde sofort wieder. Es war einst das Lieblingsbild ihrer Mutter, der jüdischen Malerin Ruth Liebermann. Inger beginnt, die bewegende Geschichte ihrer Mutter zu erzählen: Ruth und ihr Mann Jakob leben in Berlin, fliehen dann aber vor den Nationalsozialisten nach Dänemark. Dort gehört Ruth auf Fünen ein kleines Häuschen, das sie von ihrer Großmutter Selma erhalten hat. Von 1938 bis 1943 lebt die kleine Familie dort recht glücklich, trotz aller Gefahren und des Krieges. Ruth malt immer wieder den von ihr so geliebten Flieder, der auf Fünen ganze Alleen bildet. Ihre Bilder sichern den Lebensunterhalt. Im Oktober 1943 wird aber auch Dänemark unsicher und die Flucht geht weiter nach Schweden.

Am Beispiel von Ruth und Jakob Liebermann schildert die Autorin die besondere Situation der dänischen Juden und jüdischen Flüchtlinge in Dänemark und deren weitere Flucht ins neutrale Schweden. Das ist alles sehr gut recherchiert und die Dänen sind zu Recht stolz auf das „Wunder einer Nacht“. Davon war mir bisher so gut wie nichts bekannt.

Sylvia Lott schreibt sehr bildhaft, man kann sich die Insel, die Natur und auch die Menschen sehr gut vorstellen. Die Magie, die Ruth als Malerin immer wieder durch den Flieder erfährt, läßt sich absolut nachvollziehen. Das Buch läßt sich sehr flott lesen.

Die Geschichte um Ruth und ihre Familie ist sehr interessant und gibt auch Einblicke in das gesellschaftliche Leben unter Intellektuellen im Exil. Da taucht beispielsweise auch Bertolt Brecht auf, der ebenfalls zeitweise in Dänemark Zuflucht fand.

Die Handlung in der Vergangenheit nimmt in diesem Roman den Hauptteil ein, die Gegenwartsebene ist teilweise kaum mehr als Beiwerk. Die Protagonistin stand mir etwas zu sehr unter dem Pantoffel ihres Gatten Jakob, der mir leider während der ganzen Handlung unsympathisch blieb. Die Jahre auf Fünen sind gelegentlich etwas handlungsarm, da passiert nicht wirklich so viel. Vielmehr scheint alles auf den Oktober 1943 zu warten, als die Flucht weitergeht. Die Liebesgeschichte ist in diesem Roman auch eher eine unterschwellige. Gerne hätte ich Ruth früh in einer anderen Konstellation gesehen und mit ihr mitgefiebert... Jakob ist jedoch als Figur wichtig, da er Stellvertreter für viele „Personen“ ist, Intellektueller, Widerstandskämpfer, Zionist.

Insgesamt hat Sylvia Lott mit “Die Fliederinsel“ einen toll recherchierten Schmöker hingelegt, der mich aber nicht so packen konnte wie andere Romane von ihr. Ich gebe eine Leseempfehlung für alle, die an bewegenden Familiengeschichten interessiert sind und sich nach Fünen träumen möchten. Denn auf einen Besuch dieser Insel macht das Buch allemal Lust.

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Veröffentlicht am 03.04.2020

Spannender Überlebenskampf

Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod
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In Jessica Barrys Debütroman vereinen sich Überlebenskampf in der Wildnis nach einem Flugzeugabsturz und die Flucht vor unbekannten Verfolgern. Das liest sich ganz spannend, bot aber keine wirklichen Überraschungen.

Ally ...

In Jessica Barrys Debütroman vereinen sich Überlebenskampf in der Wildnis nach einem Flugzeugabsturz und die Flucht vor unbekannten Verfolgern. Das liest sich ganz spannend, bot aber keine wirklichen Überraschungen.

Ally findet sich im Wrack einer kleinen Propellermaschine wieder, abgestürzt über den Rocky Mountains. Der Pilot ist tot und Ally muss so schnell wie möglich von der Unglücksstelle fort, denn ihre Verfolger sind ihr auf den Fersen. So beginnt sie ihren tagelangen Überlebenskampf in der Wildnis. Gleichzeitig kann und will ihre Mutter Maggie nicht an den Tod ihrer geliebten Tochter glauben. Sie stellt Nachforschungen an und erfährt Dinge, die Ally für sie wie eine Fremde erscheinen lassen. Was für ein Leben hat Ally in den letzten zwei Jahren geführt?



Das Buch beginnt mit dem Absturz und Allys Flucht durch die Rockys. Dadurch ist man als Leser*in sofort im Geschehen und will natürlich auch wissen, was da eigentlich passiert ist. Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht von Tochter und Mutter geschildert, beide erzählen aus der Ich-Perspektive. Allys Erzählweise ist hektisch, knapp und damit gut angelehnt an ihre Situation. Maggies Passagen sind gelegentlich etwas weitschweifig und bremsen den Lesefluss ein wenig. Maggie war mir als Charakter sympathischer, vielleicht, weil ich Allys Handlungen nicht immer nachvollziehen konnte. Nach und nach erfahren wir durch die Rückschau von Ally, was letztlich zum Absturz der Maschine geführt hat. Die Kapitel sind recht kurz und lassen sich daher insgesamt flott lesen.

Mich hat das Buch trotz einiger Längen und Logiklöcher ganz gut unterhalten. Es war zwar vorauszusehen, wie das Ende ausfallen würde, ich habe es aber dennoch ziemlich schnell durchgelesen. Es ist für mich kein Riesenwurf als Thriller, hat aber durchaus vier Sterne verdient.

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