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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.01.2023

Für geduldige LeserInnen

Skandal & Vorurteil
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Inhalt:


Nur ihrem Bruder Fitz und dem Renommee ihrer Familie hatte es Georgiana Darcy zu verdanken, dass sie, nachdem sie und ihr Freund Wickham mit einigen Tütchen Adderall im Schlafsaal erwischt wurden, ...

Inhalt:


Nur ihrem Bruder Fitz und dem Renommee ihrer Familie hatte es Georgiana Darcy zu verdanken, dass sie, nachdem sie und ihr Freund Wickham mit einigen Tütchen Adderall im Schlafsaal erwischt wurden, nicht von der Schule flog. Seit diesem skandalösen Vorfall auf der Pemperley Academy hatte sich jedoch für die Tochter reicher Eltern, die sich bislang alles mit Geld erkaufen konnte, einiges geändert. Die Mitschüler verurteilen sie dafür, dass der Klassenliebling für diese Tat der Schule verwiesen wurde, Georgie selbst ihr Leben aber so weiterleben konnte wie bevor.

Doch stimmt das wirklich?! Eher nicht. Georgie ist fortan noch mehr eine Außenseiterin in ihrem Umfeld.

Georgies Vater war früh verstorben, die Mutter hatte die Kinder dem Hauspersonal überlassen. So musste Fitz, Georgies Bruder, der das Sorgerecht für seine Schwester bekam, schon früh die Verantwortung für alltägliche Dinge übernehmen. Fitz schien mit seinem neuen Leben nicht mehr zufrieden und Georgie musste tagtäglich Vorwürfe und Predigten über sich ergehen lassen.

Als Wickham eines Tages wieder in der Stadt auftaucht, kann Georgie nicht widerstehen. Sie muss den Jungen, in den sie bereits seit Kindheitstagen verliebt war, wiedertreffen. Wickham hat sich seit dem Drogenskandal kein bisschen verändert. Er möchte bestimmen, in welche Richtung Georgie sich entwickelt, er möchte sie erneut für dubiose Geschäfte einspannen und er wirft ihr erneut vor, dass sie nur mit ihm an seiner Seite an der Schule wieder Fußfassen könne und von den anderen Schülern respektiert werden würde.

Georgie fasst in diesem Moment des Wiedersehens einen Plan: Sie möchte Wickham, ihrem Bruder und sich beweisen, dass sie in der Lage ist, die perfekte Darcy zu sein, die alle respektieren. Sollte ihr das gelingen, so äußert sie ihr Vorhaben gegenüber Wickham, möge dieser sie endgültig in Ruhe lassen und verschwinden.

Doch Wickham ist mit diesem Deal noch nicht ganz einverstanden. Fitz, soll zudem zugeben, dass seine Schwester auch für ihn die perfekte Darcy sei. Würde Georgie der Plan nicht gelingen, so müsse sie sich ihm entweder wieder unterordnen und ihn bei seinem neuen kriminellen Vorhaben unterstützen oder er würde Fitz von ihrem Treffen berichten und ihm zugleich weismachen, dass all das, was vorgefallen ist, alleine Georgie zuzuschreiben gewesen sei. Georgie würde also die letzte Person in ihrem Leben verlieren, die sich noch für sie interessiert.



Meinung:


Stolz & Vorurteil habe ich vor Jahren gelesen und geliebt. Als ich also davon hörte, dass es eine Neuerzählung zum Klassiker geben würde, war ich Feuer und Flamme und wollte dieses Buch unbedingt lesen.

Der Einstieg in das Buch gelingt aber nur peu à peu.

Amanda Quain berichtet aus dem Leben ihrer Protagonistin Georgie, die nach einem Drogenskandal an der Schule jegliche Freunde verloren hat. Georgies einziger enger Kontakt besteht aktuell noch zu ihrem Bruder, Fitz, der jedoch sehr frustriert daherkommt. Verständlich, musste er doch für seine Schwester all seine eigenen Zukunftspläne aufgeben. Um in Georgies Nähe zu sein, ist Fitz auf eine neue Schule gewechselt. Dadurch, dass er durch den Weggang der Mutter die Verantwortung für die Schwester übertragen bekommen hat und diese vor Kurzem noch Teil eines Schuldesasters wurde, hat er allerhand zu tun, um die Wogen zu glätten. Zugleich versucht er für einen guten Ruf der Familie zu sorgen.
Die Überforderung des Jungen schlägt sich in Frust nieder, der sich permanent auf sein Verhalten auswirkt.

Immer wieder tappt Georgie in Fettnäpfchen. Ihr Handlungen sind nicht immer gut durchdacht. Ihre Pläne sind risikoreich. So trifft sich die Protagonistin, sobald sie davon hört, dass ihre ehemals große Liebe Wickham wieder in der Stadt ist, trotz aller negativen Erfahrungen wieder mit ihm. Wickham hat, so erfährt man über die Seiten hinweg, schon zu Beziehungszeiten Georgia stets klein gehalten. Er hat über ihr gesamtes Leben bestimmt. Dass Georgia von anderen respektiert und gesehen wurde, lag lediglich daran, dass sie die Freundin von Wickham war, das hält dieser ihr auch konsequent immer wieder vor.

Zwar weiß Georgia, dass Wickham für ihr seelisches Wohlbefinden nicht zuträglich ist. Dennoch öffnet sie immer wieder seine E-Mails und trifft sich mit ihm. Immer wieder wird sie enttäuscht, denn Wickham hat zwar seinen ganz eigenen Charme, ist aber stets manipulativ und zielt auf ihre Beeinflussung.

Anfangs machten es mir die Figuren in diesem Buch nicht einfach. Ich fand zu keinem Charakter einen wirklichen Zugang. Zwar hätte ich mit Georgie gerne Mitleid gehabt, doch ist sie stellenweise sehr naiv. Schwer, weil anstrengend, ist es daher für den Leser, jedem Gedankengang folgen zu wollen.

Einzig sympathisch war mir in der ersten Hälfte des Buches Avery, der Junge, der stets ein guter Freund für Georgie war, den diese aber nur kaum wahrgenommen hatte und der nun, nach dem Skandal, ohne große Worte wieder an ihrer Seite auftaucht. Avery hinterfragt nicht. Er ist für Georgie da. Er macht sogar bei ihren verrückten Plänen mit. Er regt sich nicht auf, wenn etwas schief läuft. Stattdessen trägt er immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen.

Nach und nach gelang es mir, mich in die Figuren hineinzufühlen. Georgie setzt aber in der zweiten Hälfte des Werks ihre Prioritäten neu.

Ihr gelingt es, alte Gefühle zu überdenken und neue Menschen in ihr Leben zu lassen. Aber auch Fitz streift negative Verhaltensmuster ab und taut allmählich auf. Wickham tritt in den Hintergrund und Avery gewinnt an Kontur. Ein Fortgang der Geschichte, den ich sehr willkommen geheißen habe.



Fazit:


Amanda Quain braucht eine Weile um ihre Geschichte aufzubauen. Ein langer Rückblick, wenige Dialoge und Charaktere, die anfangs kaum Identifikationspotential besitzen. Quain erzählt manchmal sperrig, immer aber geduldig - allerdings auf Kosten von Konsumierbarkeit und Konsensstiftung.

Die zweite Hälfte ist deutlich besser. Charakterentwicklung und Handlungsführung sind hier gelungen. Die Figuren gewinnen an Konturen, überdenken ihre Verhaltensmuster und zeigen somit eine interessante Entwicklung.

Auch wenn das Buch nicht immer nah am ursprünglichen Handlungsverlauf bleibt, ist es dennoch eine Ode an das Meisterwerk Stolz & Vorurteil.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.02.2020

Geschmackssache

The Perfect Date
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Inhalt:

Brooks größter Wunsch ist es Zugang zur prestigeträchtigen amerikanischen Elite-Universität Columbia zu bekommen. Bald lernt er, wie weit er gehen würde, um seinen Traum in Erfüllung gehen zu ...

Inhalt:

Brooks größter Wunsch ist es Zugang zur prestigeträchtigen amerikanischen Elite-Universität Columbia zu bekommen. Bald lernt er, wie weit er gehen würde, um seinen Traum in Erfüllung gehen zu lassen. Sein moralischer Kompass scheint dabei etwas durcheinander geraten zu sein.

Brooks Vater Charlie war zwar einst selbst in Havard und hat einen Roman verfasst. Heute ist er aber nicht mehr die hellste Leuchte, macht sich keine Sorgen um seine Zukunft, oder die seines Sohnes und hat merklich Probleme mit der Körperhygiene. Nach Brooks Auffassung wirkt er auf den ersten Blick wie ein Serienkiller.

Brooks ist also eigentlich kein Ivy League Material. Da bedarf es schon den ein oder anderen Hingucker im Lebenslauf. Karriereratgeber predigen schließlich immer wieder, im Lebenslauf die fachlichen und persönlichen Stärken in den Vordergrund zu stellen.

Als Brooks an einem Arbeitstag im Diner ein Gespräch eines Mitschülers belauscht, ist er ganz Ohr. Burdette versucht seine Freunde zu überreden, seine Cousine Gina zum Homecoming-Ball zu begleiten. Doch statt Zusagen erntet er nur Lästereien. Brooks überkommt Mitleid. So sollte man nicht über ein Mädchen reden. Aus einem Affekt heraus bietet er seine Dienste als Ballbegleitung für Gina an.

Ein wenig später bereut Brooks diese Zusage. Eigentlich fehlt ihm die Zeit für den Ballbesuch. Denn er müsste dringend für die Schule lernen. Doch als er letztlich vor dem Haus von Ginas wohlhabender Familie steht, wird schnell klar, dass es für Brooks eine Belohnung geben wird. Die gesamte Familie begrüßt den Jungen voller Begeisterung. Burdettes Onkel leiht dem Jungen einen hochwertigen Anzug und drückt ihm sogleich ein Bündel Geldscheine in die Hand. Natürlich darf Brooks seine Tochter auch nicht mit seinem alten Electra zum Ball fahren. Diesen Abend über soll er den Lamborghini der Familie nutzen.

Für Brooks beginnt ein luxuriöser Abend, den er so schnell nicht vergessen wird, und der sogar mit einem großzügigen Trinkgeld endet.

Die Eltern sind begeistert von Brooks Diensten. Schnell spricht sich herum, dass dieser Junge ein idealer Begleiter ist. Bald schon kann sich Brooks vor Aufträgen nicht mehr retten. Auch andere Eltern suchen dringend eine Partybegleitung für die Tochter. Dafür sind sie bereit gut zu zahlen. Geld benötigt Brooks dringend. Auch, wenn die Zeit fürs Lernen darunter leiden muss, lässt er sich gerne auf den ein oder anderen Deal ein.

Alles hat seinen Preis und auch der neue Traumjob hat einen Haken. Denn als Brooks auf die reiche und gutaussehende Shelby trifft, merkt er schnell, dass sein Doppelleben als bezahlter Compagnon zu einem Problem werden könnte. Dieses Mädchen ist überdies Luxus gewöhnt und würde sich nicht mit einem Jungen aus einfachem Haus einlassen.
Und dann gibt es da noch Celia, das Mädchen, das kein Blatt vor den Mund nimmt und Brooks eigentlich nur als eine Last empfindet, die sie tragen muss, um ihre Eltern zufriedenzustellen. Wenn diese beiden Mädchen aufeinanderträfen, und Brooks enttarnt würde, dann könnte das perfekte Leben schnell ein Ende finden. Die mögliche Konsequenzen einer Demaskierung reichen vom Ende seiner Beziehungsambitionen bis hin zum Versiegen der neu erschlossenen Geldquelle.



Im Detail:

Als das Durchbrechen der vierten Wand wird der Vorgang bezeichnet, wenn sich der Charakter einer Serie direkt an die Zuschauer richtet, diese direkt anschaut, und dann zu ihnen spricht. Wir kennen das zum Beispiel aus House of Cards.

Dass es sich bei The Perfect Date von Steve Bloom um eine Netflixverfilmung handelt, verrät nicht nur der aufgedruckte Sticker auf dem Buchcover. Bereits beim Lesen der ersten Seiten, hatte ich das Gefühl, dass dieses Buch für eine Verfilmung geschrieben worden ist. So spricht der Protagonist den Leser eben auch hier oft an.
Obwohl das Durchbrechen der vierten Wand ein charakterzentriertes Stilmittel ist, das viel über das Innenleben des Charakters verrät, trägt es in einem Buch meines Erachtens nicht dazu bei, dass die Identifikation mit dem Charakter gesteigert wird.

Brooks gibt den verführerischen, Hedonisten, dessen Selbstbezogenheit ebenso abstoßend, wie entwaffnend wirkt. Er möchte unbedingt eine Eliteuniversität besuchen, auch einem teuren Auto und einer anspruchsvollen Freundin ist er nicht abgeneigt. Kein Wunder, dass er sein aktuelles Umfeld kritisch betrachtet. Der Vater ist in seinen Augen ein absoluter Versager; sein bester Freund ein Verlierer. Murf trägt gerne zerlöcherte Jogginghosen und Batikshirts, ist einem Joint nicht abgeneigt, und bringt auch mal den ein oder anderen schlüpfrigen Spruch. Genau wie Brooks arbeitet er als Putzkraft in einem Diner. Doch im Gegensatz zu seinem besten Freund ist er mit seinem Leben durchaus zufrieden.

Brooks gelingt es zwar, seine Partybegleitungen als Menschen anzunehmen. Jedes Mädchen hat für ihn etwa Besonderes, was es zu schätzen gilt. Seine Freunde und seinen Vater jedoch betrachtet er umso kritischer. Für die Umsetzung seiner persönlichen Ziele ist Brooks durchaus bereit, seine Liebsten über die Klinge springen zu lassen. Dieses Verhalten macht den Protagonisten nicht zu einem Sympathieträger, verleiht dem Handlungsstrang im zweiten Teil des Buches aber Spannung.



Fazit:

Die amerikanischen Elite-Universität Columbia steht sinnbildlich für den amerikanischen Traum. Die Besten kommen nach ganz oben, verdienen genug Geld und müssen sich künftig keine Gedanken um ihre Finanzen machen. Und das Ticket zu dieser Welt ist der Abschluss. Auch Brooks möchte als ihr Absolventen in der gesellschaftlichen Hackordnung ganz weit oben stehen.

Zur Finanzierung seiner Bildungsambitionen gibt er die Datingbegleitung für Mädchen reicher Eltern. Das Buch diskutiert nicht über die Kategorien Stand oder Klasse. Brooks Aussicht auf den sozialen Emanzipationsprozess geht vielmehr Hand in Hand mit der Verachtung seiner sozialen Schicht. Dies muss man mögen. Es gibt auch wenige Ansätze von Reflektion und von Gefühlen bei dem Protagonisten.

Der Leser kann er sich auch nicht sicher sein, ob er es mit einem Roman oder einem Drehbuch zu tun hat. Es wirkt oft so, als wolle der Roman viel lieber ein Drehbuch sein.

Das Buch ist eine lockere Balkonlektüre und liest sich überaus flüssig. Es ist zum Schmunzeln, zum Kopfschütteln, aber auch mal zum Achselzucken. Insgesamt kann man das Buch als sehr kurzweilig bezeichnen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.10.2019

Eine solide Road Novel

Die vorletzte Reise der Ewa Kalinowski
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Inhalt:

Lukas begegnet Ewa das erste Mal an einer Bushaltestelle. Eine alte verwirrte Frau stolpert hilflos auf der Straße herum. Keiner tut etwas, alle schauen nur zu. Doch plötzlich trennt sich jemand ...

Inhalt:

Lukas begegnet Ewa das erste Mal an einer Bushaltestelle. Eine alte verwirrte Frau stolpert hilflos auf der Straße herum. Keiner tut etwas, alle schauen nur zu. Doch plötzlich trennt sich jemand aus der Gruppe, schreitet zielgerichtet auf die Alte zu, wechselt ein paar Worte mit ihr und hilft ihr letztlich auch in den Bus.
Bei dieser hilfsbereiten Person handelt es sich um Ewa. Lukas und Ewa kommen ins Gespräch. Es dauert nicht lange, bis beide merken, dass sie einen Draht zueinander haben und sogar in der selben Siedlung wohnen. Ewa lädt Lukas zum polnischen Essen in ihre Wohnung ein. Es entsteht eine Art Freundschaft.

Eines Tages, bei einem Besuch im Kaffeehaus, muss Lukas feststellen, dass sich Ewa verändert hat. Sie hat stark an Gewicht verloren. Darauf angesprochen erwidert Ewa, dass bei ihr Krebs im Endstadium festgestellt wurde.
Ewa bittet Lukas ihr einen letzten Wunsch zu erfüllen. Er soll ihrer Tochter nichts von ihrer Krankheit verraten, seine Sachen packen, und mit Ewa auf eine vorletzte Reise gehen. Die Wohnung sei schnell verkauft, das erwirtschaftete Geld reicht für ein Wohnmobil. Ewa möchte noch einmal in ihrem Leben Frankreich, Holland, vielleicht sogar Spanien und Portugal, aber auf jeden Fall Irland sehen.



Im Detail:

Lukas und Ewa sind Reisende wie sie verschiedener nicht sein könnten. Ewa ist aus Polen geflohen. Sie hat geheiratet, ein Kind bekommen. Mit ihren 66 Jahren ist sie fast 40 Jahre älter als ihr Reisebegleiter Lukas, der, solange es seine Ersparnisse erlauben, in den Tag hinein lebt.
Lukas hält sich selbst für ein Glückskind. Kiffen hilft dabei schlechte Gedanken zu vertreiben, auch Egoshooter sind seine Form von Eskapismus. Lukas ist sich nicht zu fein, einen Gelegenheitsjob anzunehmen, wenn das Geld knapp wird. Dass Ewa ihm immer mal wieder etwas Geld zusteckt, trägt seinen Lifestyle.

Ewa mit wenigen Worten zu beschreiben, fällt nicht schwer. Sie wirkt herzhaft, aber auch eigenwillig, etwas widerborstig und auf Lukas auch oft sehr fordernd. Hat sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt, lässt sie sich nicht mehr davon abbringen.
Bislang war Ewa mit körperlicher und seelischer Gesundheit gesegnet. Dann wurde bei ihr Krebs festgestellt.

Als Ewa Lukas darum bittet, mit ihr einen letzten Roadtrip zu unternehmen, ist dieser schnell überzeugt. Ewa hat nicht vor all ihr Geld mit ins Grab zu nehmen. Sie wird Lukas gerne einmal den ein oder anderen Schein zuschieben und Lukas zumindest während der gemeinsamen Reise seine Laissez-faire-Attitüde finanzieren.

Es beginnt ein Roadtrip über verschiedene Städte. In Straßburg, Verdun, Luxemburg, Lille, Dünkirchen, Dunkerque, Brügge, Amsterdamm und Calais macht das ungleiche Paar, das von Yorkshire-Terrier Zizou begleitet wird, halt, bis beide dann in England ankommen und das große Ziel Irland ansteuern. Immer wieder benötigt Ewa jedoch Pausen.
Und Lukas? Aus Teilnahme an Ewas Schicksal wird schließlich Anteilnahme.



Meine Meinung:

Regina W. Eggers Roman ist in der Regel angenehm zu lesen und teilweise als intellektuelle Bereicherung zu verstehen, die durchaus willkommen ist.

Neben Reiseeindrücken schildert die Autorin auch die Gespräche, die sich zwischen Lukas und Ewa abspielen. Diskussionen über Ausländerfeindlichkeit, Frauenemanzipation, polnische Geflogenheiten und den zweiten Weltkriegs operieren haarscharf am Zeitgeist.

Sind solche Reiseeindrücke genug Stoff für einen Roman? Sicherlich, aber nur, wenn man auch in der Lage ist, diesen Stoff literarisch zu verdichten, zu verfremden, eine Geschichte daraus zu konstruieren, mit Bildern Stimmung zu evozieren. Davon spürt man in Regina W. Eggers Debüt leider manchmal zu wenig. In der Geschichte fehlt es manchmal an Dringlichkeit, an Verve.



Fazit:

Die vorletzte Reise der Ewa Kalinowski ist ein Buch mit einer eher ruhigen Geschichte. Der Leser versteht, dass die Endlichkeit zum Leben gehört und genau diese es besonders wertvoll macht.
Was die Autorin mit dieser Geschichte darüber hinaus sagen möchte, bleibt für mich am Ende allerdings einigermaßen schleierhaft. Es gibt kein erkennbares Anliegen und auch kein überzeugendes Stimmungsbild. Der Roman ist sprachlich aber durchaus gelungen, sodass man für sein Geld eine solide Road Novel bekommt.

Veröffentlicht am 23.03.2019

Eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und das Anderssein

Zusammen sind wir unendlich
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Inhalt:

Sophia ist ein Mathegenie, ein Wunderkind, wie manche sagen. Doch Sophia leidet auch unter Panikattacken, die sie heimsuchen wie ein Dämon. Sophia meidet die Nähe zu anderen Menschen, es fehlt ...

Inhalt:

Sophia ist ein Mathegenie, ein Wunderkind, wie manche sagen. Doch Sophia leidet auch unter Panikattacken, die sie heimsuchen wie ein Dämon. Sophia meidet die Nähe zu anderen Menschen, es fehlt ihr die Fähigkeit der Empathie, der Verbindung ihrer Innenwelt mit der Außenwelt und der Innenwelt der anderen, so dass ihr die Gefühle ihrer Mitmenschen überhaupt undurchschaubar bleiben. Auch Josh ist ein Außenseiter. Er ist groß und schlacksig und wenn er aufgeregt ist, zeigt sich ein kleiner Sprachfehler. Josh kennt unzählige Zaubertricks und dennoch bleibt er gerne im Hintergrund. Er beobachtet lieber. Ganz besonders gerne schaut er Sophia an. Das Mädchen, an das er immer wieder denken muss und mit dem er so gerne zusammen wäre.



Im Detail:

Während Josh versucht, Sophias Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, während er davon träumt, einmal mit ihr ausgehen zu dürfen, hat Sophia ganz andere Sorgen. In ihrer Freizeit schreibt sie Emails an den bekannten Mathematiker Grigori Perelman. In Perelman sieht sie einen Gleichgesinnten. Jemanden, der lieber alleine ist, der sich zurückzieht und dessen einzige Leidenschaft der Mathematik gilt. Während Sophia auf eine Antwort wartet, versucht sie mit ihrem Leben klarzukommen. Viel zu oft missversteht sie Andeutungen ihrer Mitmenschen, immer wieder überkommen sie Panikattacken und dann möchte auch noch ihre einzige und beste Freundin, Elsie, bei der sie Halt findet und die ihr in solchen Momenten zur Seite steht, zum Studium in die USA ziehen. Als wäre das nicht alles schon schlimm genug, muss Sophia auch noch in der Schule die Theater-AG besuchen. Eine Maßnahme, die, laut ihrer Eltern und der Schulpsychologin helfen soll, ihre Ängst in den Griff zu bekommen. Doch jeder Besuch dieser AG ist ein für Sophia wie ein Gang zum Schafott.

Während Sophia also Tag für Tag versucht in ihrer Welt klarzukommen, versucht Josh alles, um sie zu retten. Kleine Zaubertricks sollen sie ablenken, sollen ihr ein Lächeln auf die Lippen zaubern und sollen ihr zeigen, dass er an ihrer Seite ist. Josh möchte für Sophia da sein, genauso wie ihre beste Freundin Elsie. Doch solange sie ihn nicht sieht, wird das sehr schwer werden.

Melissa Keil schreibt mit „Zusammen sind wir unendlich“ eine Geschichte über Menschen, die anders sind. Sie schreibt über Freundschaft, Liebe und über den Kampf in einer Welt aus Normen und Regeln bestehen zu müssen. All ihre Figuren haben Ecken und Kanten. Sie alle sind einzigartig und besonders und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, fühlen sie sich oft auch ein wenig einsam.

Was sich vielversprechend ankündigt, ist aber nicht frei von Schwächen, die mir das Lesen erschwert haben. In „Zusammen sind wir unendlich“ lernt der Leser neben Sophia, Josh und Elsie auch allerhand Nebencharaktere kennen. Die Geschwister der beiden, Freunde von Josh und auch ein Junge aus der Klasse, der auf den ersten (und leider auch zweiten) Blick unsympathisch wirkt und gerne Joshs Freund sein würde, finden ihren Platz in diesem Buch. Zwar sind alle Figuren sehr interessant ausgeführt, doch ihre Rolle in der Geschichte bleibt peripher. Ähnliches lässt sich auch in der Gedankenwelt der Protagonistin feststellen. Sophia macht sich eine Menge Sorgen und Gedanken. Sie denkt darüber nach, wie sie Perelman kennenlernen könnte, sie versucht zu verstehen, wie andere Menschen ticken und manchmal überkommen sie allerhand unwichtige Gedanken, beispielsweise die Überlegung wie die DNA einer Banane mit der eines Menschen zusammenhängen könnte. Die Geschichte von „Zusammen sind wir unendlich“ ist voll von kleinen Details. Das macht es schwer, den roten Faden zu fassen.

Die zentrale Liebesgeschichte zwischen Josh und Sophia ist oft nicht richtig greifbar, vielmehr scheint sie manchmal nur Hintergrundmusik, die hin und wieder fesselt. Das mag daran liegen, dass der alleinige Fokus eben nicht auf den zentralen Punkten der Geschichte liegt. Sophias Gedanken wirkten auf mich oft eher anstrengend. Wie Elsie auch so schön an einer Stelle in der Geschichte feststellt: „Sophias Gedanken drehen sich nur um ihre eigene Welt“. Das ist kein Vorwurf, denn Sophia kann aufgrund ihrer psychischen Störung eben nicht so auf andere Menschen zugehen, wie sie es gerne würde. Doch eben das macht es auch schwer mit ihr klarzukommen. Für die Figuren im Buch und für den Leser selbst.

Einige Kapitel sind aus der Sicht von Josh geschrieben. Josh war mir sympathisch. Seine kleinen Zaubertricks mit großer Wirkung und seine Gedanken darüber, wie er es schaffen könnte, Sophias Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Seine Art, wie er einerseits sehr spartanisch lebt und zugleich mit allen Menschen irgendwie klarkommt, ohne dabei im Mittelpunkt stehen zu müssen, haben mich überzeugt. Mehr Fokus auf dem empathischen Josh, weniger auf der problembeladenen Sophia, hätte diesem Buch vermutlich gut getan.



Fazit:

„Zusammen sind wir unendlich“ ist eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und das Anderssein. Eine Vielzahl von Charakteren mit Ecken und Kanten und eine Menge von Ideen machen dieses Buch sehr interessant. Die Autorin hat ihren Roman aber stellenweise aufgrund der vielen unterschiedlichen Fokussierungen doch deutlich überladen.
Der Protagonistin Sophia mangelt es an Empathie und Feinfühligkeit. Diese Charaktereigenschaften machen es dem Leser über weite Strecken nicht gerade leicht, ihr durch die Geschichte zu folgen.



Buchzitate:

Die flüchtigen Momente, die ich mit Joshua erhasche, häufen sich; dem Schulstress entrissene Minuten, mit seltsamen, irrelevantem, aber niemals langweiligem Smalltalk angefüllt.

Mein Gehirn ist in der Lage, fallende Faktorielle auszurechnen und riesige Zahlen ohne Taschenrechner zu multiplizieren, was sich Elsies Meinung nach höchstens als Party-Trick für extrem öde Feiern eignet. Dennoch schafft mein Gehirn es nicht, Joshuas Frage zu analysieren.

Veröffentlicht am 12.02.2019

Locker-leichte Liebesgeschichte mit kleinen Makeln

Songbird
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Inhalt:

Schon seit sie zwölf Jahre als ist, schwärmt Ella heimlich für Sam, den besten Freund ihres Bruders. Sam ist seit Jahren so etwas wie ein Familienmitglied. Daheim bei seinem gewalttätigen Vater ...

Inhalt:

Schon seit sie zwölf Jahre als ist, schwärmt Ella heimlich für Sam, den besten Freund ihres Bruders. Sam ist seit Jahren so etwas wie ein Familienmitglied. Daheim bei seinem gewalttätigen Vater ist es nicht eben angenehm und heimelig ist, sondern bedrohlich. Ellas Familie hingegen ist ganz anders. Die Eltern streiten sich so gut wie nie, sie räumen ihren Kindern größtmögliche Freiheiten ein. Sam wurde von ihnen als eigenes Kind aufgezogen.

Die Nachricht, dass das absolvierte Auslandsjahr nicht angerechnet wird, trifft Ella sehr. Sie muss eine Klasse wiederholen. Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, offenbart Sam ihr in einem Gespräch, dass er das Referendariat, das er im Zuge seines Studiums absolvieren muss, an ihrer Schule stattfinden wird. Ella ist fix und fertig. Wie soll sie damit umgehen, dass Sam sich in eine Autoritätsperson verwandelt? Veränderungen und Spannungen liegen in der Luft. Hinzu kommt, dass es zwischen Sam und Ella ordentlich knistert.



Im Detail:

Als Ella von Sam die Nachricht erhält, dass dieser sein Referendariat an ihrer Schule absolvieren möchte, bricht für sie eine kleine Welt zusammen. Aus ihrer Schwärmerei wurde nämlich Liebe.
Wie soll sie damit klarkommen, dass ihre Klassenkameradinnen bei dem Anblick des neuen Sportlehrers nahezu dahinschmelzen?

Die ersten Tage sind für Ella eine große Herausforderung. Dann steht eine Klassenfahrt an. Es geht in die Fränkische Schweiz. Zwei Tage Pottenstein, drei Nächte in die Wälder nahe Muggendorf. Also mitten ins Nirgendwo. Kurz vor der Abreise erhält Ella den nächsten Schock. Sam soll das Gepäck der Schüler transportieren und als Begleitperson die Gruppe unterstützen.

Ellas schlimmste Befürchtungen werden wahr. Die Tage in Muggendorf sind ein Ausflug ins Survival-Camp, eine Art Schüler-Kontrastprogramm zur Urbanität. Es gilt, eine Wildpflanzenwanderung mit Survivaltrainer Flori zu absolvieren sowie anschließendes Verarbeiten, Kochen und Essen der frischgesammelten Ausbeute und gemütliches Beisammensein am Lagerfeuer hinter sich zu bringen. Bei dieser Art von Ausflug bleibt es nicht aus, dass sich Sam und Ella näher kommen. Ellas Gefühle werden immer mehr durcheinandergewirbelt. Denn Sam muss als ihr Lehrer auf Distanz bleiben. Er darf sich nicht in eine Schülerin verlieben.

Der Klappentext von Songbird klingt vielversprechend. Eine Schüler-Lehrerbeziehung verspricht eine Menge Konfliktpotential. Dass sich zwischen Ella und Sam, die sich bereits aus Kindertagen kennen, über die Jahre hinweg Gefühle entwickelt haben, klingt plausibel. Mit Ella erschafft die Autorin eine Protagonistin, die oft von negativen Gefühlen, Empfindungen, Emotionen und Affekten getrieben wird. Diese pessimistischen Gedanken helfen Ella nicht gerade dabei mit der Situation umzugehen. Sam bietet da einen willkommenen Kontrast.

Das Schicksal der beiden verstrickt sich und eine Lehrer-Schüler-Beziehung wird aufgebaut. Diese Geschichte wird garniert mit einem Subplot um die Vergangenheit von Sam und ein gegenwärtiges Problem von Ella. Der Umgang der Autorin mit dem Stoff bleibt bei aller Direktheit und Inszenierung allerdings manchmal oberflächlich.

Anna Rosina Fischer zeigt in ihrem Roman Songbird allerdings ein Händchen für Nebencharaktere. Ellas Eltern haben mich mit ihrer offenen Art von sich überzeugen können. So packt Ellas Mutter ersteinmal Kondome für die Klassenfahrt ins Handgepäck ihrer Tochter, sie zeigt eine große Liebe für gute alte Musik und wirkt als Kontrast zu ihrer Tochter lebensbejahend und optimistisch. Ellas Bruder Kurt hingegen ist der typische Junggeselle. Die Eltern und die Schwester müssen gelegentlich vorbeischauen, ihm den Kühlschrank füllen und die Wäsche waschen. Er spielt in einer Band und wenn es hart auf hart kommt, ist er immer für seine Familie da. Aber auch die besten Freunde von Ella sorgen für schöne Lesemomente. Kurzum: Jede einzelne Figur muss man als Leser einfach ins Herz schließen.



Fazit:

Die Last mit der Liebe. Songbird nimmt eine unziemliche Lehrer-Schüler-Beziehung in Augenschein. Eine stete Abfolge von Alltagsbegebenheiten aus dem Leben der beiden Protagonisten trägt das Buch aber nicht durch vierhundert Seiten. Die Handlung wird unterstützt durch Nebenplots. Die Figuren werden dort aber nicht ausagiert. Über die Seiten hinweg werden wir Zeugen der endlosen On/Off-Beziehung zwischen Ella und Sam. Das kostet Nerven. Ellas bizarre, pessimistische und düstere Grundstimmung hilft hier auch nicht weiter.

Wird der Fokus auf die einzelnen Nebenfiguren gerichtet, hat das Buch seine großen Momente.
Man wünscht diesen mehr Raum zur Entfaltung, bilden sie doch einen positiven Gegenpol zu Ella.

Ich kann Songbird an Leser/innen empfehlen, die eine locker-leichte Liebesgeschichte suchen und die über die kleinen Makel hinweg sehen können.