Leider absolut nicht ganz das, was ich erwartet habe und was versprochen wird.
Die Chroniken von Alice - Finsternis im WunderlandSchon seit zehn Jahren sitzt Alice in einem düsteren Hospital fest, wird in ihren Alpträumen Nacht für Nacht von einem Mann mit Kaninchenohren gequält. Doch als ein Feuer ausbricht, gelingt ihr dank der ...
Schon seit zehn Jahren sitzt Alice in einem düsteren Hospital fest, wird in ihren Alpträumen Nacht für Nacht von einem Mann mit Kaninchenohren gequält. Doch als ein Feuer ausbricht, gelingt ihr dank der Hilfe ihres einzigen Freundes, dem irren Axtmörder Hatcher, die Flucht. Die Hoffnung, außerhalb der Mauern des Hospitals ein neues Leben starten zu können, wird aber schnell zerschlagen – denn das Feuer hat nicht nur Alice und Hatcher, sondern auch einem schrecklichen Ungeheuer, dem Jabberwock, den Weg aus dem Irrenhaus frei geräumt.
Ich sitze hier, atme tief durch, warte, atme nochmal tief durch – und weiß auch nach Dutzenden Wiederholungen dieses Prozesses immer noch nicht, was ich eigentlich schreiben soll. Die Horroradaption des Märchens „Alice im Wunderland“ von Christina Henry wurde von vielen Lesern mit Augen so groß wie bei Kindern am Weihnachtsabend erwartet – ich habe da keine Ausnahme gebildet. Leider muss ich gestehen, dass es dem Hype für mich aber nicht gerecht geworden ist. Es schließt sich dem Phänomen an, dem ich in der letzten Zeit vermehrt begegnet bin: Gehypte Bücher, die nicht über ein Mittelmaß hinauskommen – zumindest in meinen Augen. Demnach war die Geschichte an sich nicht schlecht… Aber eben auch nicht allzu gut. Von mir kriegt sie drei Sterne.
Die Stärke des Buches liegt meiner Meinung nach bei dem Schreibstil von Christina Henry. Die Autorin schafft es, das Gefühl für die verworrenen Gedankengänge ihrer Protagonisten an die Leser zu übermitteln und malt die Storyline in einem spannenden, gut beschriebenen Setting, mit Gegenspielern, bei denen es Spaß macht, die Parallelen zu dem ursprünglichen Märchen zu suchen. Das waren die Dinge, die mich am Lesen gehalten haben. Ich war immer auf der Suche nach den kleinen Hinweisen, nach Ähnlichkeiten, Verbindungen. War neugierig auf das, was Christina Henry aus den Charakteren von „Alice im Wunderland“ gemacht hat. Die Handlung und Storyline an sich allerdings… Puh, war für mich eher lau. Es hat mich wirklich überrascht, wie eine Geschichte, in der so viel Blut vergossen und so viel Übles geschieht, so wenig Spannung aufbauen kann. Für mich fühlte sich die Handlung eher nach einem Abarbeiten von Stationen an, wie bei einer Schnitzeljagd. Einer zwischenzeitlich sehr zähen Schnitzeljagd. Da diese Stationen bis auf die Gestaltung der Orte und Persönlichkeiten keine großen Überraschungen bereithielten, die Kapitel sich stattdessen inhaltlich kaum unterschieden, fehlte dem Buch in meinen Augen die Dynamik und ein erkennbarer Spannungsbogen. Eine Gräueltat folgt der nächsten – doch sind diese meist so distanziert beschrieben, dass sie zumindest mich als Leserin nicht gänzlich tangiert haben. Ein weiterer Fakt, von dem ich nicht ganz weiß, wie ich ihn einordnen soll. Einerseits bin ich froh, denn so habe ich als kleiner Angsthase keine Probleme beim Lesen bekommen, doch andererseits hat es mich gerade deshalb auch nicht mitreißen können. Es war zwischendurch schon fast erschreckend, mit wieviel Gleichgültigkeit mich die zahlreichen Morde und sexuellen Übergriffe zurückgelassen haben, weil sie schlichtweg zum Standard des Buches ohne großartige Bedeutung wurden. Außerdem fehlte es mir an starken, weiblichen Charakteren. Ich habe Verständnis dafür, wenn sie an sich vielleicht nicht in die Kulisse passen, die die Autorin sich vorgestellt hat, doch liegen noch Meilen zwischen dem Gedanken, dass Frauen in der Geschichte, mal abgesehen von der Protagonistin, keine starken Rollen einnehmen sollen, und den Schicksalen, die ihnen dann beinahe ausnahmslos widerfahren…
Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass dieses Buch mich umhaut. Ich meine, natürlich wünscht man sich das prinzipiell bei jeder Geschichte, aber hier war es etwas anderes. Ich hatte so viel Gutes gehört, die Hoffnungen waren geschürt, die Erwartungen hoch angesetzt, denn ich dachte, das könnte mal wieder etwas Anderes sein. Etwas, das einen noch fasziniert und überrascht. Anders war es dann tatsächlich. Faszinierend auch, zumindest im Bezug auf die Gestaltung der Handlungsorte und Charaktere. Überraschend aber leider weniger.
Wer an dem Buch prinzipiell interessiert ist, für den Moment aber noch zweifelt, sollte es vielleicht mal mit einer Leseprobe versuchen. Wenn die ersten Seiten überzeugen, denke ich, dass auch der Rest gefallen könnte – denn viel verändert sich in dem Tenor der Geschichte nicht.