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Veröffentlicht am 13.12.2023

Zweimal Rishikesh

Yoga Town
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Lucy bestreitet in Berlin ihren Lebensunterhalt als Yogalehrerin, auch inspiriert von ihren Eltern, die `68 in Indien bei einem waschechten Guru waren. Genau wie die Beatles, die musikalisch vor allem ...

Lucy bestreitet in Berlin ihren Lebensunterhalt als Yogalehrerin, auch inspiriert von ihren Eltern, die `68 in Indien bei einem waschechten Guru waren. Genau wie die Beatles, die musikalisch vor allem Lucys Vater geprägt haben. Als ihre Mutter verschwindet, kommt schnell der Verdacht, dass sie nach Rishikesh gereist ist, um Altes aufleben zu lassen und mit der Vergangenheit abzuschließen.
Yoga Town lässt die Hippiekultur aufleben und wirft einen ganz speziellen Blick darauf. Das Feeling der `68 wird sehr gut transportiert, auch wenn man bisher wenig mit Yoga und der Philosophie in Berührung gekommen ist , erhält man einen sehr guten Einblick. So einiges wird auch entzaubert, gerade durch den Handlungsstrang in der Jetzt-Zeit. Das Zusammenspiel zwischen den zwei Zeitebenen klappt sehr gut, ebenso die beiden unterschiedlichen Perspektiven (Lou – Lucy). Ich mochte den Erzählstil per se, das Buch liest sich sehr süffig. Da die Handlung viel in Indien spielt, unterhalten sich die Figuren oft auf Englisch; das wird dann aber nicht übersetzt, ich bin nicht sicher, ob jemand, der die Sprache nicht spricht, hier immer alles mitbekommen kann. Gerade Lou wirft auch immer wieder mit englischen Begriffen um sich, das wirkt gestellt hipp und hat einen etwas künstlichen Eindruck bei mir hinterlassen. Die Figuren haben mich nicht ganz überzeugen können: Lucy wirkt etwas unnahbar, obwohl man ihr ziemlich gut in den Kopf schauen kann. Lou wird dadurch, dass man ihm in zwei Zeitebenen begegnet eher zerrissen, er ergibt keine einheitliche Figur. Die Beatles tauchen zwar immer mal wieder auf, nehmen aber keinen großen Raum ein und haben unterm Strich für die Handlung auch keine nennenswerte Funktion. Letztendlich hätte es jeder sein können; anhand des Klappentextes hatte ich mir das doch etwas anders vorgestellt. Die Geschichte von Lucys Familie wird nach Jahrzehnten endlich aufgearbeitet, das funktioniert auch in der Auflösung ganz gut. Trotzdem konnte ich nicht richtig in die Geschichte abtauchen, so wie ich es von anderen Büchern des Autors gewohnt bin.
Insgesamt ist Yoga Town ein leicht zu lesender Roman, der durchaus unterhalten kann. Ich persönlich habe aber weder zu Figuren noch zur Handlung großen Zugang gefunden.

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Veröffentlicht am 13.09.2023

Superstarke erste Hälfte, dann leider abgebaut

Weil da war etwas im Wasser
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Tief unten im Wasser lebt ein Kalmar in der Dunkelheit. Zwei Tentakeln, drei Herzen und acht Arme. Acht Arme, die alle eine Geschichte erzählen können von Menschen, Tiefseekabeln, anderen Ungeheuern. Von ...

Tief unten im Wasser lebt ein Kalmar in der Dunkelheit. Zwei Tentakeln, drei Herzen und acht Arme. Acht Arme, die alle eine Geschichte erzählen können von Menschen, Tiefseekabeln, anderen Ungeheuern. Von der Zeit. Auf dem Wasser treibt ein großer Trawler, darauf Praktikantin Sanja Sanz, die ebenfalls eine Geschichte zu erzählen hat. Eine, die noch stärker mit dem Meer verbunden ist als sie denkt.
Die Idee aus der Sicht eines Kalmars oder besser gesagt aus Sicht seiner Arme zu erzählen fand ich sehr ambitioniert und außergewöhnlich, und war dann von der Umsetzung aber umso schneller überzeugt. Die Darstellung, das „Innenleben“ des Kalmars hat mir wahnsinnig gut gefallen; nicht vermenschlicht, aber doch auch emotionsgeladen. Sprachlich ruhig, fast schon poetisch zwischenzeitlich, und doch lässt sich erstaunlich viel auch über die Tiere lernen. Nicht zuletzt dadurch, dass sich die Arme zusätzlich zum eigenen Text auch noch in Fußnoten untereinander ins Wort fallen, was die Handlung auflockert und bereichert, ab und an aber auch verwirrt.
Die Erzählstränge rund um Kalmar sowie Familie Sanz & Co greifen anfangs gut ineinander, zumindest über weite Teile der Handlung; erst gegen Ende wirken die einzelnen Figuren eher abgearbeitet als zu einem passenden Ende erzählt. Das Ende bleibt etwas unbefriedigend und nicht ganz rund. Mich lässt der Roman zwiegespalten zurück. In der ersten Hälfte war ich sehr angetan, sowohl vom Inhalt wie auch vom ungewöhnlichen Aufbau der Geschichte. Doch irgendwann verliert sich die Handlung in ihren Erzählsträngen, was in einem Einschub gipfelt, der wirkt als wäre er mal eben für die anscheinend nötige Provokation des Lesers eingebastelt worden. Für mich hätte der Roman im Stile der ersten Hälfte weitergehen dürfen, denn später war es für mich dann doch zu wenig Kalmar und zu viel Kunstroman.

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Veröffentlicht am 16.07.2023

Eine Woche in den Hamptons

Die Einladung
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Die 22-jährige Alex bestreitet ihren Lebensunterhalt damit, sich von älteren gut situierten Männern aushalten zu lassen. Einen Namen gibt sie diesem „Job“ nicht, doch der Deal ist immer klar. Gefallen ...

Die 22-jährige Alex bestreitet ihren Lebensunterhalt damit, sich von älteren gut situierten Männern aushalten zu lassen. Einen Namen gibt sie diesem „Job“ nicht, doch der Deal ist immer klar. Gefallen um jeden Preis, bei Nichtgefallen droht ein Zurück in den grauen Alltag. Genau das passiert Alex kurz vor der großen Party, welche ihr Partner Simon immer zum Sommerende in den Hamptons veranstaltet. Doch wer sagt denn, dass sie wirklich in die Stadt zurück muss? Ein Versteckspiel im grellen Sonnenschein beginnt.
Emma Cline hatte mich mit ihrem Debüt The Girls absolut überzeugt, dementsprechend waren auch meine Erwartungen an Die Einladung. Leider konnten diese nicht ganz erfüllt werden; auch wenn mir der Roman in großen Teilen ganz gut gefallen hat, konnte er mich nicht richtig packen.
Die Welt der Reichen und Schönen wird als eine sehr oberflächliche dargestellt, Image geht über alles, viele Klischees werden bedient. Als Außenstehende kann ich natürlich nicht genau wissen wie es sich in dieser Society so verhält, trotzdem will ich nicht alles glauben was hier suggeriert wird. Alex weiß jede Schwachstelle dieser Gesellschaft zu ihrem Vorteil auszunutzen, die ein oder andere Szene wirkt jedoch unrealistisch. Alex vermeidet allzu viel Selbstreflexion, man merkt ihr aber trotzdem an, dass sie auch innerlich mit dem Rücken zur Wand steht und das eine Art Selbstschutz ist. Diese paar Tage, die man mit ihr verlebt, fühlen sich zwischenzeitlich fast wie ein Überlebenskampf an. Das wird von der Autorin wirklich gekonnt transportiert. Die anderen Figuren im Buch bleiben dagegen leider genauso oberflächlich wie die Welt, in der sie sich bewegen; hier hätte ich mir mehr erhofft. Der Erzählstil ist ruhig und gemächlich, passt sich der trägen Sommerhitze an und lässt sich sehr gut lesen. Trotzdem hat mir am Schluss das gewisse Etwas gefehlt, etwas mehr Tiefgang hätte der Story gut getan.

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Veröffentlicht am 01.03.2023

Der Weg ins Feuer

Der Weg ins Feuer
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Betty Rhyzyk arbeitet in Dallas als Drogenfahnderin. Ihr letzter Einsatz hat sie in große Bedrängnis gebracht, und sie knabbert immer noch an den Folgen. Als getötete Drogendealer auftauchen, denen einen ...

Betty Rhyzyk arbeitet in Dallas als Drogenfahnderin. Ihr letzter Einsatz hat sie in große Bedrängnis gebracht, und sie knabbert immer noch an den Folgen. Als getötete Drogendealer auftauchen, denen einen Botschaft beigefügt ist, die direkt an Betty gerichtet scheinen, beginnt ihr Nervenkostüm endgültig zu bröckeln.
Ich kenne den Vorgängerband nicht, hatte aber beim Lesen nicht das Gefühl, dass das ein ganz großer Nachteil gewesen wäre. Bettys Figur hat mir gut gefallen, da sie in ihrer angespannten Situation eben nicht so wahnsinnig vorbildlich handelt, sondern auch ganz alltägliche menschliche Schwächen offenbart. Ihr Umgang mit den traumatischen Ereignissen, die hinter ihr liegen, zeugt oft von Hilflosigkeit aber auch ihrem Dickkopf. Ich fand diesen Part äußerst lebensnah. Mir hat letztendlich der Fall nicht so gefallen, wie ich mir zuvor erhofft habe. Erst zum Ende kam bei mir richtig Spannung auf, davor dümpelt die Handlung ab und an zwischen Problemen der Figuren und etwas langwierigen Erklärungen herum. Den Schreibstil empfand ich oft als oberflächlich, dann wieder hat er mir gut gefallen. Kent kann hier ihr eigenes Niveau nicht über die Dauer des Buches halten, was schade ist, denn insgesamt würde mich schon interessieren, wie es mit Betty weitergeht.

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Veröffentlicht am 06.11.2022

Simon

Simón
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Simon ist 8 Jahre alt, als sein wunderbar verrückter Cousin Rico von einem auf den anderen Tag aus Barcelona und seinem Leben verschwindet. Zurückgelassen hat er seine Bücher, seine exzentrischen Klamotten ...

Simon ist 8 Jahre alt, als sein wunderbar verrückter Cousin Rico von einem auf den anderen Tag aus Barcelona und seinem Leben verschwindet. Zurückgelassen hat er seine Bücher, seine exzentrischen Klamotten und die Frage, warum er überhaupt gegangen ist. Simon bleibt mit seiner z.T. zerstrittenen, aber durch die gemeinsamen Kneipe aneinander gefesselte Familie zurück, und muss sich im Leben behaupten lernen, denn die Bücherblase, die Rico um ihn errichtet hat, die hält nicht ewig.
Otero beschreibt mehrere Jahrzehnte aus Simons, aber auch aus dem Leben jeden Spaniers. Geprägt werden alle von den Olympischen Spielen, der Wirtschaftskrise, dem Kampf um Kataloniens Unabhängigkeit, u.v.m. Von diesem Gesichtspunkt aus gelesen, gibt die Geschichte gesellschaftlich einiges her. Auch die Stammtrinker in der Familienkneipe spiegeln viel wider, wie z.B. der Taxifahrer, der sich zur Zeit der Olympischen Spiele reichlich geistige Getränke, in der Wirtschaftskrise jedoch kaum das kleine Schnäppschen leisten kann. Ich mochte das Baraja wirklich gern. Durch Simon darf der Leser außerdem einen Blick in die Küchen edler Restaurants werfen, ein hartes Leben ganz ohne Glanz und Gloria. Ich fand es ein bisschen schade, dass die Liebe zur Literatur mit der Zeit nachlässt, auch wenn das natürlich Simons Ernüchterung auf einer weiteren Ebene versinnbildlicht. Er, der als Kind sogar z.T. in Zitaten gedacht hat, wird als Erwachsener kaum noch lesen, ist ganz in der Wirklichkeit angekommen. Ich kann auch nach Ende der Lektüre nicht sicher sagen, ob ich ihn sympathisch fand, aber seine Figur wirkt auf jeden Fall echt, wenn auch manchmal distanziert. Zu Beginn hat mich Oteros Geschichte bezaubert und begeistert, doch im weiteren Verlauf wird nicht nur Simon entzaubert, sondern auch für mich hat die Geschichte an Kraft verloren. Sie wirkt etwas müde, und scheint sich manchmal sogar über die Seiten zu schleppen. Auch Barcelonas ganz eigene Atmosphäre kommt nicht so wirklich rüber, nur szenenweise erschafft Otero kraftvolle Bilder der Stadt. Sprachlich ist der Roman toll, aber die Handlung ist zwar stark gestartet, hat dann aber leider immer weiter verloren, sodass ich letztendlich das Buch etwas ernüchtert zugeklappt habe.

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