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FranziskaBo96

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.08.2023

Auf Spurensuche in der Vergangenheit

Simone
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Anja Reich nimmt uns in diesem Buch mit Memoir-Elementen mit auf eine Spurensuche in der Vergangenheit Ostdeutschlands. Sie möchte herausfinden, was genau hinter dem Suizid ihrer Schulfreundin Simone vor ...

Anja Reich nimmt uns in diesem Buch mit Memoir-Elementen mit auf eine Spurensuche in der Vergangenheit Ostdeutschlands. Sie möchte herausfinden, was genau hinter dem Suizid ihrer Schulfreundin Simone vor über 25 Jahren steckt. Zu diesem Zweck interviewt sie Familie und Freunde, spürt wichtige Orte in Simones Leben und versucht, Zusammenhänge zwischen der politischen Lage der Zeit und Simones turbulentem Leben herzustellen.

Ein Thema, was mich in Büchern in letzter Zeit unheimlich interessiert ist, wie die DDR und die Folgen der Wende bis heute das Leben in Ost- und Gesamtdeutschland beeinflussen. Besonders private Konsequenzen dieser turbulenten Zeit werden sehr gut in "Simone" diskutiert. Man merkt deutlich, dass die Autorin passionierte Journalistin ist, erleben ihre schiere Wissbegierde und Drang, immer mehr in das Leben ihrer alten Schulfreundin einzutauchen. Dabei schafft sie es gut, ihre eigenen Erlebnisse und die von Simone mit historischen Zusammenhängen und auch wissenschaftlichen Experteninterviews zu verknüpfen. In diesem Rahmen fand ich besonders den Abschnitt über Statistik und Umgang mit Suizid in der DDR und Ostdeutschland interessant.

Tatsächlich war ich jedoch von der ersten Hälfte des Buches noch nicht allzu sehr begeistert. Wir lernen eine Vielzahl von Charakteren und ihre Geschichte kennen, die zwar alle wichtig sind, mit der Zeit aber etwas unübersichtlich werden. Zwar kommt man mit der Zeit dahinter, warum diese zahlreichen Biografien von Bedeutung sind und lernt auch besser, die Menschen zuzuordnen, trotzdem hätte mir z.B. ein kleines Figurenregister anfangs ganz gut geholfen. Wer mit diesem Teil des Buches etwas Schwierigkeiten hat, sollte durchhalten, es lohnt sich definitiv.

Ein toller Beitrag zur Diskussion über die DDR, die Wendezeit und wie wir heute mit ihnen umgehen sollten!

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Veröffentlicht am 05.08.2023

Freunde & Familie

Vatermal
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Schon auf den ersten Seiten des Buches erfahren wir, dass Protagonist Arda im Sterben liegt. Er schreibt nämlich einen Abschiedsbrief an seinen Vater, der die Familie verlassen hat, als Ardas Mutter mit ...

Schon auf den ersten Seiten des Buches erfahren wir, dass Protagonist Arda im Sterben liegt. Er schreibt nämlich einen Abschiedsbrief an seinen Vater, der die Familie verlassen hat, als Ardas Mutter mit ihm schwanger war und den Arda daher nie kennenlernen konnte. So erfahren wir einiges über Ardas kurzes, aber ereignisreiches Leben, das vor allem von seinem Migrationshintergrund, aber auch von seinen Freunden und seiner Familie geprägt war. Außerdem bekommen wir die Sichtweisen von seiner Mutter und seiner Schwester zu hören, die seit Jahren nicht mehr miteinander geredet haben und selbst ihre eigenen Päckchen tragen müssen.

Zu Beginn der Lektüre war ich von "Vatermal" noch gar nicht begeistert. Das Erzähltempo beginnt eher ruhig und hat wirklich Probleme zu erahnen, wo es inhaltlich hingeht. Da dies doch länger andauerte, hat das Buch da einen Stern Abzug von mir bekommen.

Als die Geschichte dann jedoch so richtig in den Gang kam, wurde sie auch schnell zu einer spannenden Familiengeschichte, wie ich sie gerne lese. Die Menschen in Ardas Kosmos haben alle unheimlich interessante, aber natürlich auch teilweise erschreckende Schicksale. Öziri macht meiner Meinung besonders deutlich, wie sich diese gegenseitig beeinflussen und wie man erkennen kann, warum eine Person so handelt, wie sie es tut, wenn man erst ihre Geschichte kennt. Gerade generationsübergreifende Traumata sowie wie man sie eventuell überwinden kann, werden hier eindrucksvoll dargestellt. Auch das System von Freunden als "Chosen Family", aber auch die Fragilität dieses Systems, spielen in dieser Geschichte eine besondere Rolle.

Wer wie ich Fan von gut geschriebenen Familiengeschichten ist und gern in die (fiktionalen) Lebensgeschichten anderer eintaucht, wird mit etwas Geduld sicher viel Freude an "Vatermal" finden.

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Veröffentlicht am 26.07.2023

Wenn das Leben zur Fotoausstellung wird

Die Erinnerungsfotografen
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Der Himmel in "Die Erinnerungsfotografen" ist ein Fotoladen. Dort trifft man nach dem Tod auf Herrn Hirasaka, der einen dazu einlädt, für jedes Jahr des Lebens ein Erinnerungsfoto auszuwählen und schließlich ...

Der Himmel in "Die Erinnerungsfotografen" ist ein Fotoladen. Dort trifft man nach dem Tod auf Herrn Hirasaka, der einen dazu einlädt, für jedes Jahr des Lebens ein Erinnerungsfoto auszuwählen und schließlich in einer Art Diashow diese noch einmal zu betrachten, bevor man ins Jenseits eintritt. Wer Herr Hirasaka ist und wie er zu dieser Aufgabe gekommen ist, kann er selbst genauso wenig beantworten wie die Frage, was die Toten nach der Fotoschau erwartet. Im Buch begleiten wir ihn bei seiner Arbeit und finden vielleicht doch noch etwas mehr über ihn heraus.

"Die Erinnerungsfotografen" war mein erster Ausflug in die japanische Literatur und ich habe es sehr genossen. Der Schreibstil ist zum Großteil herrlich unaufgeregt und die Autorin geht das Thema Tod mit dem notwendigen, aber gleichzeitig auch nicht übermäßigen, kitschigen Respekt an, was ich sehr mochte. Auch die richtige Portion Humor ist in der Geschichte zu finden. Gleichzeitig lädt die Thematik natürlich auch zum Nachdenken ein und schafft eine neue, interessante Perspektive auf das Leben nach dem Tod.

Gerade gegen Ende des Buches fehlte mir jedoch ein klein wenig der rote Faden und die Geschichte ging für mich nicht so ganz rund zu Ende. Während die Geschichte vorher eher ruhig und nüchtern erzählt wird, überschlagen sich gegen Ende die Ereignisse und es wird für meinen Geschmack etwas zu wild. Ich denke, die Botschaft, die die Autorin vermitteln wollte, hätte man auch etwas wenig dramatischer bzw. passender zum Rest des Buches gestalten können.

Nichtsdestotrotz kann ich "Die Erinnerungsfotografen" allen empfehlen, die ein nicht zu langes Buch lesen wollen, das trotzdem zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 08.06.2023

Wildes Buch

Wo die Wölfe sind
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Die Australierin Inti Flynn ist Wolfexpertin und nun beruflich damit beauftragt, den Wolf wieder in den schottischen Highlands anzusiedeln. Doch vor allem bei den Einheimischen erfreuen sich sie und ihr ...

Die Australierin Inti Flynn ist Wolfexpertin und nun beruflich damit beauftragt, den Wolf wieder in den schottischen Highlands anzusiedeln. Doch vor allem bei den Einheimischen erfreuen sich sie und ihr Projekt nicht gerade großer Beliebtheit. Im Buch begleiten wir Inti beim Kampf um ihre geliebten Tiere, aber auch beim Kampf mit sich selbst und ihrer eigenen Vergangenheit.

"Wo die Wölfe sind" konnte mich von Anfang bis Ende packen, was viele Naturromane nicht so gut hinbekommen. Es ist sicher wenig überraschend und auch nicht gerade super originell, dass die Wölfe eher metaphorisch für das stehen, was in Intis Inneren vorgeht, trotzdem schafft es die Autorin, dies subtil, aber auch gekonnt rüberzubringen. Auch die Krimi-Elemente, die etwa ab der Hälfte des Buches Einzug halten, haben mir sehr gut gefallen und für zusätzliche Spannung gesorgt.

Einziges Manko war für mich das doch recht wilde (sorry, Wortwitz) Ende, in dem alles etwas drunter und drüber geht. Diese Aspekte stellten für mich einen fast zu großen Kontrast zu dem doch sonst eher ruhigen Erzähltempo des restlichen Romans, auch der Realitätsbezug ging da doch sehr verloren.

Nichtsdestotrotz, kann ich das Buch vollends weiterempfehlen!

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Veröffentlicht am 14.05.2023

Wirklich filmreif

If we were a movie
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Nate ist gerade für sein aufregendes Musikstudium nach New York City gezogen, doch das Chaos verfolgt ihn. Seine Brüder zerstören aus Versehen seinen Laptop mit einem wichtigen Kursprojekt, was Nate dazu ...

Nate ist gerade für sein aufregendes Musikstudium nach New York City gezogen, doch das Chaos verfolgt ihn. Seine Brüder zerstören aus Versehen seinen Laptop mit einem wichtigen Kursprojekt, was Nate dazu veranlasst, nach einer Wohnung zu suchen - wodurch er von Filmstudentin Jordan erfährt, die er zunächst irrtümlicherweise für einen Jungen hält. Da Jordan eine beinahe perfekte Wohnung hat, die Nate einfach nicht ablehnen kann, wird er trotz allem zu Jordans Mitbewohner - sehr zum Unmut seiner Freundin.

Mit "If We Were a Movie" hat Kelly Oram eine tolle Geschichte über die erste Zeit an der Universität geschrieben, was man meiner Meinung nach sonst eher weniger im YA-Bereich findet. Viele behandelte Themen haben mich auch an meine Studienzeit erinnern lassen. So ist Nate hin- und hergerissen zwischen seiner Familie und seinem Freundeskreis in der Heimat und dem Drang, in der großen Stadt etwas Großes zu erreichen. Auch der innere Kampf zwischen einem inneren Wunsch, der vielleicht nicht in Erfüllung gehen wird, und dem Drang etwas "Ordentliches" zu lernen, ist sicherlich vielen bekannt und wurde hier wirklich richtig gut besprochen. Ich bin mir sicher, dass sich Jugendliche, die sich genau in dieser Lebensphase befinden, hier wiederfinden.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass durch Filmnerd Jordan immer wieder Parallelen zu Filmen aufgebaut werden, was oft witzig und clever ist, manchmal aber auch ein bisschen unbeholfen. Jedes Kapitel ist nach einem Film benannt, der dann auch aufgegriffen wird, was ich an manchen Stellen leider einfach ein bisschen aufgezwungen und im Dialog unnatürlich fand. Dieser Aspekt und der doch etwas klischeehafte und vielleicht sogar misogyne Umgang mit einer Figur sorgen bei mir für einen Stern Abzug.

Trotz allem haben wir es hier mit einem sehr schönen Jugendbuch zu tun, das mal ein bisschen aus den üblichen Strukturen ausbricht.

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