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Veröffentlicht am 03.05.2019

Schweigen und Lügen in verhängnisvoller Kombination

Lügenmeer
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Magnus Berg kehrt nach neunzehn Jahren in seine Heimatstadt Schwanbek zurück.
In Kiel ist er gescheitert, sowohl mit seiner Familie als auch in seinem Beruf als Anwalt. Das Jurastudium hatte er selbst ...

Magnus Berg kehrt nach neunzehn Jahren in seine Heimatstadt Schwanbek zurück.
In Kiel ist er gescheitert, sowohl mit seiner Familie als auch in seinem Beruf als Anwalt. Das Jurastudium hatte er selbst finanziert und versucht sich ein neues Leben aufzubauen. Er kann offensichtlich mit den Ereignissen vor neunzehn Jahren und der Schmach der Verurteilung durch seine Freunde und Nachbarn nicht zu Recht kommen.
Seiner Zeit verunglückte seine Freundin Milla tödlich durch einen Sturz vom Sprungturm während einer nächtlichen Schwimmbad-Party. Magnus wurde dafür verantwortlich gemacht und von seiner Umgebung als Mörder angesehen. Der Freispruch vor Gericht hat ihn vor der Vertreibung aus dem Ort nicht bewahren können.
Jetzt ist er zurück und will die Wahrheit herausfinden.

Dieser Roman entwickelt sich im Verlauf zum Psychothriller. Ein ruhig aufgebauter Thriller, der den Leser immer wieder nachdenklich inne halten lässt. Es gibt keine brutalen Täter. Niemand will morden oder auch nur verletzen, aber alle Beteiligten sind verletzt.
Sie sind verletzt und getrieben durch Ereignisse in ihrer Kindheit, die mit Lügen und Schweigen gedeckt und überspielt wurden.

Sensibel und doch gestochen scharf beleuchtet Susanne Kiem jeden einzelnen Protagonisten, so dass wir Leser die Veränderungen und Entwicklungen hautnah miterleben können.

Ziemlich schnell wird deutlich, dass die Beziehung zwischen Svenja, Milla und Magnus ungewöhnlich ist. Nachdem Svenja von Magnus’ Rückkehr gehört hat, verhält sich genau so seltsam wie vor neunzehn Jahren. Ihre psychischen Probleme und ungewöhnliche Verhaltensweise werden präzise, aber auch unspektakulär aufgezeigt. Der Leser kann seine eigenen Schlüsse daraus ziehen. Erst ganz allmählich wird das kranke Verhalten den anderen Protagonisten bewusst. Sie ziehen unterschiedliche Schlüsse daraus.

Frau Kliem zeigt hier auf herausragende Weise den Verlauf einer psychischen Erkrankung bis zur unausweichlichen Eskalation. Für den Leser war es schnell offensichtlich, für die nahe Umgebung nicht. Wie so oft im Leben.

Das Schweigen, Lügen und Wegsehen der Freunde und Nachbarn hatte fatale Folgen.

Ein Buch, das hochdramatisch und spannend zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 25.07.2018

Ein Thriller nach meinem Geschmack

A Stranger in the House
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Karen Krupp ist auf der Flucht. In Panik rast sie über etliche rote Ampeln bis dass sie die Gewalt über ihr Auto verliert und in einen Strommast fährt. Ohne Erinnerung erwacht sie im Krankenhaus. Als einige ...

Karen Krupp ist auf der Flucht. In Panik rast sie über etliche rote Ampeln bis dass sie die Gewalt über ihr Auto verliert und in einen Strommast fährt. Ohne Erinnerung erwacht sie im Krankenhaus. Als einige Tage später eine männliche Leiche in einem verlassenen Restaurant gefunden wird, sehen die beiden Detectives Rasbach und Jennings einen Zusammenhang mit Karens Verkehrsunfall. Der Mord geschah in einer Gegend, in der sich die unbescholtene Hausfrau nie aufhalten würde, aber genau aus dieser Gegend lässt sich ihre Flucht verfolgen. Karen kann sich nach wie vor an nichts erinnern und erkennt auch den Mann auf dem Foto von der Leiche nicht.
Detective Rasbach und Jennings beginnen mit den Ermittlungen und bringen Überraschendes zu Tage.

Das ist ein Thriller, wie ich ihn liebe. Kein Serienkiller, aber jede Menge Panik, Misstrauen, Angst, Zweifel und Missgunst hat er uns Lesern beschert. Ohne großen Aufwand wird von der Autorin eine aufreibende Thriller-Stimmung erzeugt. Jeder misstraut jedem. Alle verhalten sich verdächtig. Jedem würde man die Tat zutrauen, fast alle hätten ein Motiv.

Nach und nach wird die Vergangenheit aufgedeckt, teilweise durch die Ermittlungen der Detectives, teilweise aber auch durch die Preisgabe der Gedankenwelt der einzelnen Protagonisten. Die Detective geben dabei ein gutes Bild ab. Sie sind gründlich, ermitteln in verschiedene Richtungen, sind verständnisvoll und hören auf ihr Bauchgefühl.

Brigids Fixierung auf ihren Nachbarn Tom und Karens „anderes Leben“ aus ihrer Vergangenheit lassen den Leser immer wieder hin-und herschwenken.
Und dann war alles ganz anders, nachvollziehbar aber besonders gerissen von einer/einem Protagonisten beziehungsweise auch von der Autorin.

Einige Fragen, Rachefeldzüge und Folgen der Ereignisse sind noch offen. Wird es eine Fortsetzung geben? Lässt Shari Lapena die Geschichte von Karen, Brigid und Tom hier ausklingen?

Der Leser kann sich über den Fortgang seine eigenen Gedanken machen und sich noch einige Zeit mit dem Buch beschäftigen. Ist doch eine prima Idee! Danke

  • Einzelne Kategorien
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  • Figuren
  • Spannung
  • Psychologie
Veröffentlicht am 06.06.2018

Ermittlungen in eigener Sache

Und niemand soll dir vergeben
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Im Juni 2002 entgeht die 15-jährige eigenwillige Randi Rader nur knapp einer Vergewaltigung. Sie und ein ihr vorher unbekanntes Mädchen namens Kathy werden von einem jungen Mann entführt. Kathy wird mehrmals ...

Im Juni 2002 entgeht die 15-jährige eigenwillige Randi Rader nur knapp einer Vergewaltigung. Sie und ein ihr vorher unbekanntes Mädchen namens Kathy werden von einem jungen Mann entführt. Kathy wird mehrmals vergewaltigt. Randi kann entkommen und versucht Hilfe zu holen, aber niemand glaubt der mit Alkohol und Drogen vollgepumpten Jugendlichen.
Immerhin nimmt der Polizeichef Buddy Cadwell sie nach Verbüßung einer Jugendstrafe unter seine Fittiche. Sie wird Polizistin und entwickelt sich im Laufe der Jahre zu einem allseits respektieren Detective, den Cadwell bald als seine beste Ermittlerin bezeichnet.
Jahre später wird sie zu einer extrem verstümmelten männlichen Leiche gerufen. Dem Mann ist mehrmals in die Brust gestochen worden, man hat ihm die Kehle aufgeschlitzt und seinen abgetrennten Penis in den Mund gesteckt.
Im Zuge der Ermittlungen, die sich auch gegen sie selber richten, wird ihre ganze, verarbeitet geglaubte Vergangenheit wieder hochgespült.

Das ist ein Krimiplot, wie er einem Leser des Öfteren begegnet. Guter bis herausragender Ermittler sieht sich plötzlich einem Verbrechen gegenüber, dessen Tatortspuren in seine Richtung weisen. Die Folge ist, er wird vom Fall abgezogen. Er spürt keine Vertrauen oder Rückhalt von seinem Vorgesetzten und seinen Kollegen. Er ermittelt auf eigene Faust. Wird von einem einzigen Kollegen oder Partner unterstützt, aber auch immer wieder verunsichert, ob er diesem Partner trauen kann. Folglich löst er den Fall in Eigenregie.

So weit so gut, aber es kommt auf die Umsetzung an und da hat Frau Spindler einiges zu bieten. Sie hat die Hauptakteure ausführlich charakterisiert und durch Mirandas Reflektionen immer wieder hinterfragt, warum die Indizien plötzlich gegen Miranda sprechen. Wer die Täterin war, wurde von den meisten Lesern schon früh vermutet, aber auch schnell wieder verworfen. Mit zunehmenden Informationen wurde mal die eine mal die andere These denkbar. Die Spannung wurde hochgehalten und der Leser war immer mit Miranda auf gleicher Höhe.

Der Begriff Romantic Thriller ist mir vorher noch nicht untergekommen. Wahrscheinlich wird dabei auf die Beziehung zwischen Miranda und ihrem Partner Jake angespielt. Ich würde die Geschichte weder als „Romantic Thriller“ noch als Thriller bezeichnen. Für mich ist es einfach ein unterhaltsamer und spannender Krimi.

Das Cover habe ich auf meinem Kindle nur in schwarz/weiß sehen können. Ich weiß nicht, ob das im Original auch in schwarz/weiß sein wird, aber ich fand es passend zur Geschichte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Spannung
  • Handlung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 19.04.2024

Reflexionen über die Pandemie, das Leben und die Familie

Am Meer
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Lucy Barton, erfolgreiche Schriftstellerin und Mutter zweier erwachsener Töchter, hat sie, im Gegensatz zu ihrem Ex-Mann William, nicht kommen sehen, die Pandemie.
Die gesamte Welt wurde von ihr überrascht, ...

Lucy Barton, erfolgreiche Schriftstellerin und Mutter zweier erwachsener Töchter, hat sie, im Gegensatz zu ihrem Ex-Mann William, nicht kommen sehen, die Pandemie.
Die gesamte Welt wurde von ihr überrascht, aber William übernahm sofort die Initiative. Die gemeinsamen Töchter beschwor er, New York sofort zu verlassen und vorrübergehend auf dem Land zu leben, bis die Pandemie abgeklungen ist. Seine Ex-Frau Lucy nahm er kurzerhand mit nach Main, um sie beide in Sicherheit vor dem Virus zu bringen.
Die Zeit im einsamen Haus am Meer wird Lucy lang. Auf langen Spaziergängen beschäftigen sich ihre Gedanken mit ihrem bisherigen Leben, mit der Trauer um ihren zweiten Mann David, der vor einem Jahr verstorben ist, mit ihren erwachsenen Töchtern, die sie sehr vermisst, mit der Einsamkeit und auch mit neuen Bekanntschaften.


Elizabeth Strout und ich sind im gleichen Jahr geboren. Ihre Gedanken und Grübeleien während der Pandemie, konnte ich sehr gut nachvollziehen. Wie jede Mutter erwachsener Kinder, habe ich mir Sorgen und viele Gedanken über mein Leben, unsere Kinder und Enkelkinder gemacht.
Dieses Gefühl in einer Blase zu stecken und von der Umwelt ausgeschlossen zu sein, hatten während der Pandemie sicher viele Menschen. Ich glaube auch, dass sich zumindest ältere Menschen viele Gedanken über ihr Leben, ihre Familie und auch über ihre Zukunft gemacht haben.
Elizabeth Strout hat die Gabe, diesen Gedanken einen Raum zu geben und sie in ihren Büchern niederzuschreiben. Auch wenn mein Leben ganz anders verlaufen ist und das von Freunden, Nachbarn, Nachbarländern und so weiter noch anders, sind die Gedanken und Ängste von Lucy real und nachvollziehbar beschrieben worden. Man kann sie mitfühlen und verstehen, auch wenn Lucy, ähnlich wie ich, in ihren Gedanken „von Höcksken auf Stöcksken“ kommt.
Elizabeth Strouts erzählt so nachhaltig, dass mich das Buch noch einige Zeit beschäftigt.
Das ist gut und tut gut.

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Veröffentlicht am 12.04.2024

Bischoffs Hölle

Mörderfinder – Stimme der Angst
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Auf einer Beerdigung erblickt der Fallanalytiker Max Bischoff eine Frau, die seiner großen Liebe Jenni, die vor fünf Jahren vor seinen Augen getötet wurde, zum Verwechseln ähnlichsieht. Als er die Nähe ...

Auf einer Beerdigung erblickt der Fallanalytiker Max Bischoff eine Frau, die seiner großen Liebe Jenni, die vor fünf Jahren vor seinen Augen getötet wurde, zum Verwechseln ähnlichsieht. Als er die Nähe dieser Frau sucht, kommt sie ihm bereitwillig entgegen.
Beim näheren Kennenlernen stellt Max fest, dass diese Frau genau wie Jenni von einem Mann misshandelt wird. Nach seiner Recherche überschlagen sich die Ereignisse. Böhmer, sein Freund und ehemalige Kollege, wird überfallen und fast getötet und seine neue Partnerin Jana verschwindet spurlos.


Ein Thriller, gelesen von Dietmar Wunder, ist ein Thriller mit dem besonderen Thrill und viel Gänsehaut. Es gibt wenige Synchronsprecher, die so viel Spannung und Grausen in ihre Stimme packen können. Auch in „Der Mörderfinder – Stimme der Angst“ ist es Dietmar Wunder besonders gut gelungen, den Leser durch Max Bischoffs persönliche Hölle zu jagen.
Max Bischoff, seine Schuldgefühle und seine Ängste um die Menschen, die ihm nahe stehen sind Thema dieser Verbrecherjagd. Mit starken Schuldgefühlen in einem Thriller habe ich meine Probleme. Ich glaube, dass sicher jedem Leser nach kurzer Zeit klar war, dass mit Dominique etwas nicht stimmt. Böhmer hat Max sofort darauf aufmerksam gemacht. In der Folge störte es mich, mitansehen zu müssen, wie Bischoff sich mehr und mehr von dieser Dominique umgarnen ließ. Wir treuen Leser wissen, was für ein genialer Fallanalytiker Max Bischoff ist. Und dann verblenden ihm Schuldgefühle und Ängste die Augen und sein Denkvermögen.
Seine Recherche und vor allem seine Zusammenarbeit mit seinem neuen Freund Marvin waren spannend und manchmal atemberaubend erzählt. Bei mir schlich sich trotzdem immer ein ABER ein und das war schade, vielleicht auch ungerechtfertigt, halt nur mein Gefühl.

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