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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.04.2022

absolute Leseempfehlung

Niemalsland
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„Verzeihung. […] Ich weiß, das ist eine sehr persönliche Frage. Aber sind Sie vielleicht geisteskrank?“
„ Möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Wieso?“
„Na ja. […] Einer von uns muss es sein.“ (S. 64)

Es ...

„Verzeihung. […] Ich weiß, das ist eine sehr persönliche Frage. Aber sind Sie vielleicht geisteskrank?“
„ Möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Wieso?“
„Na ja. […] Einer von uns muss es sein.“ (S. 64)

Es ist schon eine Weile her, daß mich ein Buch ab der ersten Seite so sehr gefesselt, mich in eine Welt hineingezogen hat, die aufregend, abstoßend und spannend ist. Niemalsland ist das erste Buch seit Langem, das ich mir etwas aufheben wollte. Hat nicht geklappt.

„Und hier ließen ihn die Metaphern im Stich. Er hatte die Welt von Verbildlichung und Vergleich hinter sich gelassen und war an einen Ort gelangt, wo die Dinge einfach nur sind, und das machte etwas mit ihm.“ (S. 324)

Richard Mayhew hat eine kleine Wohnung in London, einen Bürojob und eine Freundin, die bestimmt, wann er ihr einen Antrag machen soll. Niemand weiß, warum sie zusammen sind, am wenigsten Richard selbst. Als ihm ein Mädchen vor die Füße fällt, kann er sie nicht einfach liegen lassen und nimmt sie mit in seine Wohnung. Ab da nimmt alles seinen Lauf: seine Verlobte verlässt ihn, weil er sie im Stich gelassen hat, seine Wohnung wird weitervermietet, obwohl er gerade ein Bad nimmt, und sein Schreibtisch wird vor seinen Augen aus dem Büro geräumt. Die Taxifahrer ignorieren ihn genauso wie die U-Bahnen. Richard ist für alle Menschen in Ober-London unsichtbar, seit er Door, dem Mächden, geholfen hat und nur sie kann ihm vielleicht helfen.
Seine Suche nach Door führt ihn ins Unter-London, das nicht etwa die Kanalisation unter dem uns bekannten London ist, sonder eine ganz eigene Welt. Alle Monster, angsteinflößende Wesen und in der Dunkelheit lauernde Gefahren gibt es in Unter-London wirklich. Sei es eine Dunkle Brücke, die ihren Tribut fordert, oder etwas, das zwischen Bahnsteigkante und Zug lauert.
Es gibt aber auch Rattenmenschen, die den Ratten dienen und hilfsbereit sein können; es gibt den Schwimmenden Markt, der jedes Mal an einem anderen Ort ist und auf dem der Frieden nicht gebrochen werden darf.
Außerdem gibt es Menschen, die alle irgendwie schmuddelig aussehen, mit Gefallen handeln und manchmal auch einander helfen. Und Richard findet sich mitten in einer Welt, die ihn vor allem verunsichert. Wie ein kleines Hündchen folgt er Door voller Hoffnung, in sein altes Leben zurückkehren zu können.

Neil Gaimans Niemalsland ist packend von der ersten Seite, mit spannenden Charakteren, die sich weiterentwickeln und Geschichten außerhalb des Buches haben. Selbst die Bösewichte sind amüsant … ich meine natürlich blutrünstig und furchteinflößend. Eine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 11.03.2022

keine leichte Kost, aber sehr zu empfehlen

Die Mitternachtsbibliothek
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„Und Nora beschloss, dass sie kein schwarzes Loch war. Sondern ein Vulkan. Und wie ein Vulkan konnte sie nicht vor sich selbst davonlaufen. Sie musste hier bleiben und dieses brachliegende Land fruchtbar ...

„Und Nora beschloss, dass sie kein schwarzes Loch war. Sondern ein Vulkan. Und wie ein Vulkan konnte sie nicht vor sich selbst davonlaufen. Sie musste hier bleiben und dieses brachliegende Land fruchtbar machen.
Sie konnte einen ganzen Wald in ihrem Inneren pflanzen.“ (S. 316)

Nora Seed hat keinen Grund mehr den nächsten Tag zu erleben und beschließt sich das Leben zu nehmen. Punkt Mitternacht findet sie sich in einer gigantischen Bibliothek wieder, in der die Zeit still zu stehen scheint. Ihre damalige Schulbibliothekarin Mrs. Elm empfängt sie dort und erklärt Nora, was es mit er Mitternachtsbibliothek auf sich hat.
„Zwischen Leben und Tod liegt eine Bibliothek […]. Und diese Bibliothek besteht aus endlosen Regalen. Jedes Buch bietet dir die Chance, ein anderes Leben auszuprobieren, das dir offengestanden hätte. Jedes Buch bietet dir die Chance, zu sehen, wie alles gekommen wäre, wenn du andere Entscheidungen getroffen hättest …“ (S.9)
Nora ist sich zunächst unschlüssig, denn sie möchte gar kein anderes Leben. Sie möchte sterben. Doch das Buch des Bereuens überflutet Nora mit all ihren reuevollen Gedanken und Gefühlen, sodaß sie genau weiß, welches Leben sie sich wünscht.

Die Mitternachtsbibliothek erzählt von Reue und nicht getroffenen Entscheidungen; sie zeigt, wie das Leben sein könnte, wenn man an einem Punkt eine andere Abzweigung genommen hätte. So erlebt Nora, wie es mit ihrem Verlobten weitergegangen wäre, wenn sie nicht zwei Tage vor der Hochzeit alles abgeblasen hätte; wie es als Olympiaschwimmerin wäre; ob die Band mit ihrem Bruder wirklich erfolgreich geworden wäre.
Nora lernt schnell, daß die offensichtlichen Änderungen in ihrem Leben sie nicht zwangsweise glücklich gemacht hätten und daß sie ihr Leben lang vor allem anderen Träumen gefolgt ist, statt ihre eigenen zu finden.
Jedes Leben, in das Nora eintaucht, verändert sie und ihre Sicht auf ihr bisheriges Dasein. Dies wirkt sich auch spürbar auf die Mitternachtsbibliothek aus.

In dem Buch geht es nicht nur um Quantenphysik oder die String Theorie, um verschiedene Leben oder alle Möglichkeiten. Es geht auch um Entscheidungen, um Depressionen und Suizid. Es ist keine leichte Lektüre, regt sie doch zum Nachdenken über die eigenen möglichen Leben und Reuegefühle an. Trotzdem ist Die Mitternachtsbibliothek unterhaltsam und spannend und deswegen gibt es eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 29.10.2021

Wann erscheint das Kochbuch?

Die Eschberg-Reihe / Boshaft - Franziska
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„Es sind Liebesromane. Fiktion. Mit dem Anspruch, Mut zu machen, das Lebens- und Liebenswerte hervorzuheben und dem Leser nicht das Gefühl zu geben, dass es derselbe Mist ist, den er tagtäglich erlebt.“ ...

„Es sind Liebesromane. Fiktion. Mit dem Anspruch, Mut zu machen, das Lebens- und Liebenswerte hervorzuheben und dem Leser nicht das Gefühl zu geben, dass es derselbe Mist ist, den er tagtäglich erlebt.“ (S. 347)

Band 5 der Eschberg-Reihe weicht ein wenig vom Muster ab. Franziska ist zwar ebenso erfolgreich und fest stehend im Leben, wie alle anderen Protagonistinnen der Serie, doch spielt sich ihr Leben in Essen ab, nicht in Eschberg. Genau genommen ist ihr größtes Geheimnis, daß sie die Auburn Hills-Saga geschrieben hat, die auffällig viele Gemeinsamkeiten mit den bisher bekannten Eschberg-Teilen hat. Daher passt Boshaft doch wieder perfekt in die Reihe und kann ganz unabhängig von den anderen Romanen gelesen werden. Es macht aber mehr Spaß, wenn man Elisabeth, Victoria, Solveig, Henriette und ihre männlichen Gegenparts alle schon kennt.

„Kannst du … mich mal so in den Arm nehmen, wie … na ja, wie alle anderen?“ (S. 284)

Franziska arbeitet 16 Stunden die Woche in einer angesehen Bank und schreibt und recherchiert, wann immer sie kann an ihrem neuen Buch. Durch Zufall trifft sie erst auf Oliver Veenmann und anschließend bei einer Recherche auf seinen Bruder Adam. Die drei verbindet vor allem eine gemeinsame Schulzeit und bei Oliver und Franziska die Abneigung füreinander. Doch mit Adam hat sie sich früher schon gut verstanden und neben der Nostalgie kommen auch neue Gefühle auf.

Oliver ist der Stahltycoon in Essen und ein widerlicher Charakter. Er nutzt alle aus und jede kleinste Information zu seinem Vorteil. Er lebt für seine Firma und seine Familie. Diese hat ihm jedoch mit dem Testament seines Vaters ein Problem aufgebürdet, dem er schwerlich nachkommen kann. Seine Mutter Irmgard beschließt die Schicksalsfäden in die Hand zu nehmen und krallt sich an Franziska fest. Warum sie sich darauf eingelassen hat, konnte ich bis zum Ende nicht ganz nachvollziehen.

Nichtsdestotrotz ist dieses Buch sehr unterhaltsam und spannend zu lesen. Häufig werden Fragen an die Autorin Franziska über die Auburn Hills-Saga gestellt, bei denen ich mir gut vorstellen kann, daß Larissa Schwarz sie auch das ein oder andere mal gestellt bekommen hat. „Tu dir selbst den Gefallen: Vermisch bitte nicht Fiktion und Fakt!“ (S. 393)
Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit den männlichen Protagonisten, ist es doch ganz schnell ein typischer Eschberg-Roman geworden, der mich in seinen Bann gezogen, und Lust auf mehr gemacht hat. Zum Ende bleibt nur eine Frage offen: Wann wird das Kochbuch veröffentlicht?

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Veröffentlicht am 25.10.2021

Phantastische Reihe

Der Lehrling des Feldschers III
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Nach Martins Tod trauert Gustav um seinen Meister. Doch direkt nach dessen Beisetzung kommt ein schwarzer Feldscher auf ihn zu. Dieser stellt sich als Meister Zangerberg vor und nimmt Gustav als dritten ...

Nach Martins Tod trauert Gustav um seinen Meister. Doch direkt nach dessen Beisetzung kommt ein schwarzer Feldscher auf ihn zu. Dieser stellt sich als Meister Zangerberg vor und nimmt Gustav als dritten Lehrling bei sich auf. Schnell stellt Gustav jedoch fest, daß Zangerberg seinen Fokus weniger auf das Heilen von Menschen und Dämonen oder die Ausbildung seiner Lehrlinge legt, sondern vor allem um Ansehen bemüht ist, was auch der einzige Grund ist, warum er Gustav bei sich aufgenommen hat. Selbstverständlich folgt ihm der Ärger auf dem Fuße.

Im letzten Teil dieser Reihe wird die Entwicklung von Gustav besonders deutlich. Er ist nicht nur sicher in der Behandlung von Menschen, sondern bewegt sich auch im politischen Geschehen geschickt. Er rennt nicht kopflos in ein Abenteuer, sondern wägt das für und wider ab, zumindest wenn er Zeit dafür hat.
Nur Mela ist mir zu kurz gekommen, ist sie mir im letzten Teil doch sehr ans Herz gewachsen. Allerdings waren die Ereignisse alle stimmig und Gustavs Entscheidungen, Mela nicht mit hineinzuziehen, nachvollziehbar. Dafür waren ihre seltenen Auftritte umso spektakulärer.

Der Lehrling des Feldschers ist eine phantastische Reihe mit historischem Bezug, die mir von diesem Autor bisher am besten gefallen hat. Gustav ist ein sympathischer Protagonist, dessen Ausbildung sich nicht nur auf sein Können als Heiler beschränkt. Auch die Nebencharaktere sind charmant und die Gegenspieler nicht zu verachten. Rundum eine gelungene Reihe.

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Veröffentlicht am 28.08.2021

Spannender Auftakt

Das schwarze Mal
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„Nur im Tal findest du Frieden, als wärst du endlich da, wo du hingehörst. Selbst wenn es dich am Ende umbringt.“ (S. 323)

Ein einfacher Schreiber der Historikergilde, der Ich-Erzähler, ist auf der Jagd ...

„Nur im Tal findest du Frieden, als wärst du endlich da, wo du hingehörst. Selbst wenn es dich am Ende umbringt.“ (S. 323)

Ein einfacher Schreiber der Historikergilde, der Ich-Erzähler, ist auf der Jagd nach einer Frau, die den Puzzler gekannt hat. In der Stadt der Türme kommt er Vincha so nah wie nie zuvor, doch scheint sie Ärger geradezu anzulocken.

„Vielleicht hatte die Große Katastrophe eigentlich zum Ziel gehabt, reinen Tisch zu machen und der Menschheit einen Neuanfang zu ermöglichen, aber wir hatten es geschafft, sogar unsere eigene Vernichtung zu verbocken.“ (S. 11)
„Ich wurde nach den Schrecken der Großen Säuberung geboren. Damals machte man Jagd auf Menschen mit Tätowierungen, […] und brachte sie zur Strecke.“ (S. 14)

„Sein Name war Rafik […]. Er stammte aus einem der Hinderwald-Dörfer, du weißt schon, wo die Leute wohnen, die diesem komischen Propheten anhängen, der jede Technologie ablehnt.“ (S. 78)

Rafik ist ein 9-jähriger Junge, der im Tiefland in einem Dorf wohnt, welches den Wiedergeborenen Propheten anbetet. Dieser lehrt, daß Menschen sich nicht mit tarakanischen Technologien verschmelzen sollen und daß Tätowierungen eine Strafe des Propheten sind. Als die ersten Male auf Rafiks Hand erscheinen, bekommen seine Eltern Panik und verscherbeln ihn kurzerhand an einen Händler in der nächstgelegenen Stadt.

„Jetzt hör auf zu weinen und bereue, für was auch immer Gott und der Wiedergeborene Prophet dich bestraft haben […].“ (S. 103)

„Vier der Männer waren auffallend groß; bei zweien sah ich Tarakanische Modifikationen an Armen, Oberkörper und Schultern. Man nannte solche Leute Trolle. Ein Troll, dem ein geschickter Technikus die richtigen Tarakanischen Apparate eingebaut hatte, war eine beeindruckende Erscheinung, ein tödlicher Krieger mit übermenschlichen Fähigkeiten.“ (S. 20)

Die Tarakaner wurden in der Großen Katastrophe ausgelöscht, und mit ihnen ihr Wissen. Doch gibt es sogenannte Knoten, die voll mit ihrer Technologie und einigen Errungenschaften sind, die nicht nur wertvoll und nützlich sind, sondern auch regelmäßig in den Knoten aufgefüllt werden. Daher gibt es Tiefenexpeditionen von Trollen, die diese Knoten plündern. Doch die Knoten können nur von Puzzlern geöffnet werden. Sie werden an ihren Markierungen an den Händen erkannt. So gelangt Rafik in eine Welt, die seinem Glauben an den Wiedergeborenen Propheten komplett widerspricht.

Das Schwarze Mal ist der Beginn der Puzzler-Reihe und erzählt zwei Geschichten parallel.
Zum einen gibt es den Ich-Erzähler, der auf der Suche nach der Wahrheit über Vincha und den Puzzler ist. Er ist ein recht junger Mann, der ein Ziel vor Augen hat und alles dafür tut, um es zu erreichen.
Obwohl ich ihn von Beginn sympathisch fand, da er seine Nase lieber in Romane steckte als zu arbeiten, störte mich seine vulgäre Ausdrucksweise. Später habe ich bemerkt, daß er nicht der einzige ist, da die Trolle mindestens genauso vulgär sind. Für einen Jugendroman ist das eine fragwürdige Ausdrucksweise.
Obwohl die Trolle allgemein viel Fluchen, wurde das böse F-Wort durch „Rost“ ersetzt, was mir wiederum gefallen hat.

Der andere Erzählstrang ist Rafiks Geschichte, der als 9-jähriger Dorfjunge unschuldig ist und seinem Leben entrissen wird. „Er wurde von einem zum anderen weitergereicht wie eine Ware, ganz gleich, was er selbst sich wünschte oder was er dabei empfand.“ (S. 253)

Bis zum Ende haben mich beide Geschichten gefesselt und so habe ich den Übergang des einen Erzählstrangs in den anderen kaum wahrgenommen. Das Schwarze Mal endet mit einem Cliffhanger und ich bin schon gespannt, wie es mit dem Erzähler, Vincha und Rafik weitergeht.

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