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Veröffentlicht am 05.04.2020

Spannende Lesestunden garantiert

Sühne
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Sollte ich eine Rangordnung erstellen, welche gesellschaftspolitisch relevanten Themen sich für einen realistischen Thriller eignen, würden die Machenschaften der Pharmaindustrie ganz oben auf der Liste ...

Sollte ich eine Rangordnung erstellen, welche gesellschaftspolitisch relevanten Themen sich für einen realistischen Thriller eignen, würden die Machenschaften der Pharmaindustrie ganz oben auf der Liste stehen. Das hat sich wohl auch Steffen Jacobsen gedacht, der nicht nur ein erfolgreicher Autor sondern auch Mediziner ist. Nun also „Sühne“, sein fünfter Thriller mit Lene Jensen und Michael Sander, eine Reihe, die sich immer wieder durch spannende und temporeiche Plots auszeichnet:

Direktor eines Pharmaunternehmens hat Krebs im Endstadium, bekommt Gewissensbisse wegen eines Unrechts aus der Vergangenheit, sucht mit Hilfe eines Journalisten Vergebung, den er als Ghostwriter engagiert hat. Dieser soll seine Biografie schreiben und die Öffentlichkeit von seiner Verfehlung in Kenntnis setzen, seine späte Reue publik machen. Das Vorhaben ist nicht unbemerkt geblieben und passt jemandem absolut nicht in den Plan. Bei dem Treffen begeht der Direktor Selbstmord, der Journalist wird von einem Auftragsmörder erschossen, der Killer verschwindet.

Nicht sonderlich spektakulär, hört sich jetzt durchaus bekannt an, schon zigmal gelesen könnte man meinen. Aber – auf die Umsetzung kommt es an, denn spätestens als Sander, Privatermittler und kompromissloser Ex-Militär mit „speziellem“ moralischen Kompass, sich einschaltet, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Er ist persönlich involviert, betroffen, denn der ermordete Journalist war sein Freund. Wenn da nur nicht Lene Jensen ebenfalls auf den Fall angesetzt wäre. Hauptkommissarin und seine Frau, die auch gerne auf eigene Faust ermittelt, sich dabei aber an die Regeln hält. Im Gegensatz zu Sander, dessen intuitive Kombinationsgabe immer wieder von Vorteil ist, und der noch einen weiteren Trumpf im Ärmel hat. Das Tagebuch eines in Afrika praktizierenden Arztes, das brisante Informationen enthält und ihm von dem ermordeten Freund über Umwege zugespielt wurde.

Ein interessanter Ansatz, ein dynamischer Plot, wohldosierte Actionsequenzen, die sich nahtlos in die Handlung einfügen, kurze Kapitel, – richtig gut gemacht. Dazu detailliert ausgearbeitete Charaktere bis in die Nebenrollen, sympathische Protagonisten und deren Umfeld, das man bereits aus den Vorgängern kennt. Ein Thriller mit aktuellem Bezug, dessen Thematik mit Sicherheit realistisch und nicht weit hergeholt ist. Spannende Lesestunden garantiert.

Veröffentlicht am 23.03.2020

Alte Wunden

Pandora
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Historische Kriminalromane, die sich mit unserer jüngeren Geschichte beschäftigen, gibt es viele, aber nur wenigen gelingt es, die gesellschaftspolitische Realität in den ersten Jahren nach dem Zweiten ...

Historische Kriminalromane, die sich mit unserer jüngeren Geschichte beschäftigen, gibt es viele, aber nur wenigen gelingt es, die gesellschaftspolitische Realität in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg so authentisch abzubilden, wie dem Autorenpaar Amber & Berg in dem Auftakt ihrer neuen Krimireihe, die in Berlin (im Jahr 1948) verortet ist.

Im Zentrum steht der junge Kommissar Stein, der in dem neugegründeten Polizeipräsidium West Dienst tut. Sohn eines Emigranten, der zurück in einer Stadt ist, die die Schrecken des Krieges noch nicht verdaut hat, in Ost- und Westsektoren gespalten, was sich auch in der Etablierung unterschiedlicher Polizeipräsidien manifestiert, die aus politischen Erwägungen heraus gegründet werden.

Von seinem Kollegen Wuttke wird er misstrauisch beäugt, ist Stein doch der „Duke“, der Ex-Londoner, ausgebildet von Scotland Yard. Lore Krause hingegen, Schreibkraft in der Friesenstraße, ist voller Bewunderung, bezieht er sie doch in die Fälle mit ein. Dass sein Vorgesetzter, Polizeirat Krüger, alles daran setzt, ihn wieder los zu werden und deshalb seine Arbeit sabotiert, wird ihm spätestens bei seinem ersten Mordfall klar. Als Akten verschwinden, keimt in Stein allmählich der Verdacht auf, dass er einer weit größeren Sache als einem Mord auf der Spur ist, die zurück in die Zeit des Nationalsozialismus reicht. Und dass er es mit einflussreichen Personen zu tun hat, die für die Sicherung ihrer Positionen über Leichen gehen.

Wir begleiten Kommissar Stein durch das zerbombte Berlin, sehen die offenen Wunden der Stadt, den Mangel überall und das Streben der Menschen, die Kriegsgräuel zu vergessen, den Alltag neu zu organisieren, wieder Normalität einkehren zu lassen.

Es ist eine glaubhafte Geschichte, sind uns doch allen die Verbrechen des Nationalsozialismus bekannt. Aber wir wissen auch um die „Persilscheine“, die im Zuge der Entnazifizierung ausgestellt wurden, mit denen Kriegsverbrecher reingewaschen und in hohe Ämter (wie beispielsweise Bundeskanzler oder Ministerpräsident) gespült wurden.

Spannender Beginn einer neuen Reihe, die mit sympathischen Protagonisten und authentischem Zeitkolorit punktet, und die ich mit Sicherheit weiterverfolgen werde. Lesen!

Veröffentlicht am 09.03.2020

Realistisch, schockierend, spannend

Die Wächter
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Stell‘ dir vor, du lebst in den USA und bist Afroamerikaner. Wirst eines Verbrechens beschuldigt, das du nicht begangen hast. Stehst vor Gericht, hast einen Pflichtverteidiger, der seinen Job nur halbherzig ...

Stell‘ dir vor, du lebst in den USA und bist Afroamerikaner. Wirst eines Verbrechens beschuldigt, das du nicht begangen hast. Stehst vor Gericht, hast einen Pflichtverteidiger, der seinen Job nur halbherzig erledigt und wirst trotz zweifelhafter Beweise von einer überwiegend weißen Jury schuldig gesprochen. Es erwartet dich eine langjährige Haftstrafe oder das Todesurteil. Wenn du sehr viel Glück hast, reagiert eine der Organisationen, die gegen Justizirrtümer kämpfen, auf deinen Hilfeschrei und nimmt sich deines Falls an. Wenn nicht, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass du mit dem Leben bezahlst.

In John Grishams „Die Wächter“ kämpfen die „Guardian Ministries“, eine vierköpfige Gruppe engagierter, chronisch unterbezahlter Streiter für Gerechtigkeit, gleich um zwei Leben. Zum einen ist da Duke Russell, beschuldigt der Vergewaltigung und des Mordes an einer weißen Jugendlichen, zum anderen Quincy Miller, der für den Mord an seinem Scheidungsanwalt in der Todeszelle sitzt. Cullen Post, der frühere Priester und jetzige Anwalt der Gruppe, ist von ihrer Unschuld überzeugt. Und er scheut kein Risiko, wenn es darum geht, seine Klienten zu rehabilitieren. Auch wenn er bei seinen Nachforschungen skrupellosen Gegnern auf die Füße tritt und sein eigenes Leben in Gefahr bringt.

Grisham zeigt mit dem Finger auf ein marodes Rechtssystem, in dem sich nicht nur Polizisten und Richter sondern auch Anwälte auf die Aussagen unzuverlässiger Zeugen und zweifelhafter Gutachter verlassen. Nicht zu vergessen die privatisierte, profitorientierte Gefängnisindustrie, die natürlich Vollbelegung erwartet.

Die Mischung aus „Cold case“ Ermittlung einerseits und Justizthriller andererseits generiert einen höchst spannenden, realistischen, aber über weite Strecken auch schockierenden und wütend machenden Roman über Ungerechtigkeit und Korruption in God’s Own Country, in dem die Menschenrechte offenbar nur für die weiße Bevölkerung gelten.

Mit diesem Roman beweist John Grisham einmal mehr, dass er zu Recht zu den ganz Großen des Genres gehört. Lesen!

Veröffentlicht am 03.03.2020

Eine unterhaltsame Reise durch Zeit und Raum

Einfach alles!
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Nicht nur wer kleine Kinder und/oder Enkel hat, wird dieses Kompendium zu schätzen wissen, kommen aus deren Mündern doch oft die erstaunlichsten Fragen, meist mit einem „Warum?“ eingeleitet. Auch wir Erwachsene ...

Nicht nur wer kleine Kinder und/oder Enkel hat, wird dieses Kompendium zu schätzen wissen, kommen aus deren Mündern doch oft die erstaunlichsten Fragen, meist mit einem „Warum?“ eingeleitet. Auch wir Erwachsene sind in der Regel nicht auf allen Gebieten bewandert und mit jeder Epoche vertraut.

Aber Hilfe ist in Sicht: ähnlich wie Bill Bryson bietet Christopher Lloyd, der ehemalige Wissenschaftsjournalist der Sunday Times, hier Unterstützung. Höchst unterhaltsam und dennoch den wissenschaftlichen Fakten verpflichtet. Er startet mit der „Entstehung des Universums, der Erde und allen Lebens“ und arbeitet schrittweise über die verschiedenen Zeitalter und Epochen die diversesten Themen bis zu unserer Gegenwart, der „Welt, wie wir sie kennen, und was die Zukunft bringen könnte“, ab. Hilfreich sind hier auch immer die Zeitleisten, die jeweils zu Beginn die Highlights hervorheben und somit auch der ersten Orientierung dienen.

Es ist eine eher unkonventionelle, populärwissenschaftliche Lektüre, immer den historischen Gegebenheiten verpflichtet, die durch den leichten, unterhaltsamen Ton des Autors zum Schmökern verleitet. Farbige Fotos und Illustrationen ergänzen und veranschaulichen die Texte.

Nicht nur ein Nachschlagwerk sondern auch eine höchst lehrreiche Lektüre, eine unterhaltsame Reise durch Zeit und Raum, die mit Sicherheit immer wieder gerne zur Hand genommen wird und bei der auch Erwachsene noch jede Menge Neues erfahren.

Veröffentlicht am 03.03.2020

Erschreckend realistisch

Im Namen der Lüge
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Düsseldorf, noch drei Wochen bis zur Landtagswahl. Die Regierungspartei befürchtet eine Koalition aus Rot-Rot-Grün. Dem Verfassungsschutz wird ein Strategiepapier zugespielt, in dem zum Aufbau einer revolutionären ...

Düsseldorf, noch drei Wochen bis zur Landtagswahl. Die Regierungspartei befürchtet eine Koalition aus Rot-Rot-Grün. Dem Verfassungsschutz wird ein Strategiepapier zugespielt, in dem zum Aufbau einer revolutionären Front in den Metropolen aufgerufen wird. Brisant, denn seit einiger Zeit werden Geld-Transporte von einer Dreiergruppe (Herlinde, Sibylle und Klaus) überfallen, die der ehemaligen RAF zuzurechnen ist. Terror und Anarchie drohen.

Melia Khalid wird beauftragt, zuständig für die Linksextremismus-Abteilung des Verfassungsschutzes. Sie soll die Antifa-Szene unter die Lupe nehmen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Auch wenn sie sich damit am Rand der Legalität bewegt, heiligt der Zweck noch immer die Mittel. Zweifel an den Informanten und der Vorgehensweise sind erlaubt, sollten aber nicht laut geäußert werden. Sonst landet man ganz schnell auf dem Abstellgleis.

Am rechten Rand des Spektrums ermittelt Vincent Veih eigenmächtig in einem gewaltsamen Todesfall, der vorschnell als Beziehungsdrama eingestuft wurde. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, wird ihm doch der Zugang zu Beweismaterial vorenthalten. Aber er lässt nicht locker, und seine Vermutungen bestätigen sich. Das Opfer war ein investigativer Journalist, der eine Veröffentlichung über die Reichsbürger plante und den seine Recherche in der „Freien Republik Hellerhof“ das Leben kostete.

Auf den ersten Blick scheint es, als hätten die beiden Fälle nichts miteinander zu tun, Aber als die Leiche von Herlinde auftaucht, ergibt sich eine Schnittstelle. Aber bald müssen Khalid und Veih feststellen, dass sie einer weitaus größeren Sache auf der Spur sind. Und damit treten sie Männern mit Macht und Einfluss gewaltig auf die Füsse.

Soweit die Ausgangslage in Horst Eckerts neuem Politthriller „Im Namen der Lüge“, und es sind erschreckend realistische Szenarien, mit denen der Autor seine Leser hier konfrontiert. Erschreckend, weil sich vieles davon bereits genau so zugetragen hat. Erschreckend, weil selbst Vorgänge, die auf den ersten Blick eher wie eine Verschwörungstheorie anmuten, sich genau so zutragen könnten, denn spätestens seit den NSU-Morden ist die Rolle des Verfassungsschutzes ins Zwielicht geraten. Dass diese Organisation an den Schaltstellen sitzt, wenn es darum geht, Einfluss auf die Politik zu nehmen…natürlich, es stehen ja genügend Ressourcen zur Verfügung, beispielsweise die Medien, die blauäugig dabei helfen, lancierte Falschmeldungen zu verbreiten. Und dass dabei der eine oder andere Bauer geopfert werden muss, ist nicht weiter tragisch.

„Im Namen der Lüge“ ist ein Politthriller mit Mehrwert, weil er zum Nachdenken anregt. Komplex, mit vielen unterschiedlichen Facetten, ein Crossover zwischen der Arbeit des Geheimdienstes und der Kriminalpolizei. Überzeugend, weil er tief gräbt, Netzwerke sichtbar macht. Zeigt, dass wir uns von dem Glauben an Einzeltäter verabschieden sollten. Unsere gesellschaftspolitische Wirklichkeit abbildet und deshalb auch auf übertriebene Actionszenen verzichten kann. Spannend, weil die Verwicklungen zwischen den Vertretern des Verfassungsschutzes und der Politik in ihrer ganzen Tragweite erst allmählich sichtbar werden. Wie im richtigen Leben.