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Veröffentlicht am 05.11.2021

Ahnhem überspannt den Bogen

Meeressarg (Ein Fabian-Risk-Krimi 6)
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Bösewichte haben in Krimis/Thrillern Hochkonjunktur, aber selten reizt ein Autor das Thema so aus wie Schwede Stefan Ahnhem. Sechs Bände gibt es mittlerweile, in denen das Katz-und-Maus-Spiel zwischen ...

Bösewichte haben in Krimis/Thrillern Hochkonjunktur, aber selten reizt ein Autor das Thema so aus wie Schwede Stefan Ahnhem. Sechs Bände gibt es mittlerweile, in denen das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Kim Sleizner, Fabian Risk und Dunja Hougard wesentlicher Bestandteil der Handlung ist. In „Meeressarg“, dem aktuellen und (hoffentlich) letzten Band der Reihe, überspannt Ahnhem allerdings den Bogen und überstrapaziert die Geduld seiner Leser*innen auf 504 Seiten über das erträgliche Maß hinaus.

Es gibt drei Eckpunkte der Handlung:

1) Eine männliche und eine weibliche Leiche werden samt Auto aus dem Hafenbecken geborgen. Die Identität des Mannes ist rasch geklärt, es ist der Leiter des dänischen Nachrichtendienstes, bei der Frau vermuten die ermittelnden Beamten, dass es sich um eine Prostituierte handelt.

2) Theodor, Fabian Risks Sohn, hat in der Untersuchungshaft Selbstmord begangen. Die Umstände sind mehr als dubios und lassen Risk an den offiziellen Darstellungen zweifeln, weshalb er seine eigene Ermittlung startet.

3) Die ehemalige Ermittlerin Dunja Hougard ist auf dem Kriegspfad, und der Gegner ist wie gewohnt ihr ehemaliger Chef Kim Sleizner. Sie möchte ihn entlarven, aus dem Spiel nehmen, sein schändliches Verhalten öffentlich machen und überwacht deshalb mit Hilfe zweier IT-Nerds jeden seiner Schritte.

Die Punkte 1 und 2 werden eher en passant abgehandelt, im Zentrum steht ganz klar das Duell zwischen Dunja und Sleizner. Letzterer gedeckt von einem mächtigen Netzwerk, dessen Mitglieder aus den obersten Etagen von Politik und Polizei dafür sorgen, dass er sein kriminelles Treiben ungehindert fortsetzen kann. Ein mächtiger Gegner, der Dunja und ihren Helfern alles abverlangt.

Gerade im Mittelteil, der sich überwiegend auf die Überwachung konzentriert, an der wir in aller Ausführlichkeit teilhaben müssen, zieht sich die Story extrem in die Länge. Spannung Fehlanzeige, man wünscht sich im Gegenteil sehnlichst das Ende herbei. Und der Showdown am Schluss…geschenkt.

Veröffentlicht am 24.10.2021

Bleibt leider hinter den Erwartungen zurück

Die Früchte, die man erntet
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Es sind zwei Handlungsstränge, die den siebten Band der schwedischen Krimireihe um Sebastian Bergman und das Team der Reichsmordkommission „Die Früchte, die man erntet“ bestimmen. Zum einen ist da der ...

Es sind zwei Handlungsstränge, die den siebten Band der schwedischen Krimireihe um Sebastian Bergman und das Team der Reichsmordkommission „Die Früchte, die man erntet“ bestimmen. Zum einen ist da der Heckenschütze, der wahllos aus dem Hinterhalt Menschen erschießt. Offenbar ohne Verbindung. Zum anderen stellt das Auffinden einer Leiche sämtliche Ermittlungsergebnisse in einem längst ad acta gelegten Mordfall in Frage und zwingt das Team, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Kollege involviert, vielleicht sogar der Mörder sein könnte.

Wie bereits in den Vorgängern der Reihe (mit dem Untertitel „Ein Fall für Sebastian Bergman“) liegt der Schwerpunkt weniger auf der Krimihandlung als auf der Dynamik, die sich aus den zwischenmenschlichen Beziehungen entwickelt. Und auch wenn Bergmans Tätigkeit als freiberuflicher Profiler bei der Reichsmordkommission nicht mehr gefragt ist, nimmt seine Person über weite Strecken eine wichtige Rolle ein. Er praktiziert mittlerweile wieder als Psychotherapeut und kümmert sich rührend um seine Enkeltochter. Aber dennoch ist es noch immer der tragische Verlust seiner Familie, der ihn nicht zur Ruhe kommen lässt. Verstärkt wird dies noch durch einen Klienten, der ihm offenbart, dass auch er seine Tochter durch den Tsunami verloren hat und Hilfe braucht. Ein thematischer Schwerpunkt, der wohl auch in künftigen Bänden Raum einnehmen wird.

Funktioniert dieses Buch als Kriminalroman? Nur bedingt. Die Handlung ist dürftig, kaum spannend, zieht sich in der ersten Hälfte in die Länge. Verweise auf die Vorgängerbände sind zwar vorhanden, für Neueinsteiger aber bei weitem nicht ausreichend, um die Bedeutung des Cold Case zu erfassen. Und die Schlusssequenz plus doppeltem Cliffhanger wirkt um der Dramatik willen dermaßen wild konstruiert, dass man nur noch den Kopf schütteln kann. Ein absurder Showdown, der jedem Actionfim zur Ehre gereicht, aber hier völlig fehl am Platz ist.

Veröffentlicht am 19.10.2021

Völlig überfrachtet und deshalb anstrengend zu lesen

Der Traumpalast
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Seit der Ausstrahlung von „Babylon Berlin“, der Fernsehserie, für die die Gereon-Rath-Romane Volker Kutschers die Vorlage lieferten, haben die zwanziger Jahre Hochkonjunktur in der Belletristik. Es gibt ...

Seit der Ausstrahlung von „Babylon Berlin“, der Fernsehserie, für die die Gereon-Rath-Romane Volker Kutschers die Vorlage lieferten, haben die zwanziger Jahre Hochkonjunktur in der Belletristik. Es gibt mittlerweile unzählige Romane, deren Handlung in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg angesiedelt ist. Und auch Peter Prange hat sich in seinem neuen Roman „Der Traumpalast“ diesen Zeitraum vorgenommen und richtet im Detail seinen Blick auf die Entstehung der deutschen Filmindustrie. Das ist zwar der wichtigste Aspekt, aber wie gewohnt belässt es Prange nicht nur bei der Schilderung der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen dieser Zeit, sondern betrachtet in diesem Zusammenhang auch individuelle Schicksale, hier insbesondere die Beziehung zwischen Konstantin Reichenbach, dem Sohn einer vermögenden Bankiersfamilie, und Rahel Rosenberg, einer jungen Frau jüdischen Glaubens, die aus den vorbestimmten Rollenbildern ausbrechen und ihren Traum von einem selbstbestimmten Leben verwirklichen will.

Zur Veranschaulichung tauchen im Verlauf der Handlung unzählige Namen auf. Dies führt zwar gerade bei Leserinnen der älteren Generation zu zahlreichen Aha-Erlebnissen, ermüdet aber auch auf Dauer all diejenigen, die neben der Lektüre die Suchmaschinen nutzen, um die Korrektheit der dargestellten Ereignisse zu überprüfen.

So bleibt letztlich der Eindruck, dass dieser Roman ein ambitioniertes Unterfangen ist, wie immer durchaus bestens recherchiert, sich aber durch die Überfrachtung mit Themen und Personen selbst Cineasten und interessierten Leser
innen trocken und anstrengend zu lesen präsentiert. Konnte mich leider nicht überzeugen.

Veröffentlicht am 14.10.2021

Leichte Unterhaltung. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Das Haus der Düfte
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Wenn die Temperaturen sinken, steigt die Bereitschaft, sich mit einem Schmöker in den Lesesessel zurückzuziehen und in andere Welten einzutauchen. Wer dieses Bedürfnis verspürt, kann getrost zu dem „Das ...

Wenn die Temperaturen sinken, steigt die Bereitschaft, sich mit einem Schmöker in den Lesesessel zurückzuziehen und in andere Welten einzutauchen. Wer dieses Bedürfnis verspürt, kann getrost zu dem „Das Haus der Düfte“ greifen, der die Leserin sowohl in die französische Metropole als auch in die Hauptstad des Parfüms, nämlich nach Grasse, entführt. Pauline Lambert ist eines der Pseudonyme einer deutschen Autorin, die bereits zahlreiche, meist historische Romane veröffentlicht hat, die in diversen europäischen Regionen verortet sind (zuletzt Russland).

Der Roman arbeitet mit den beliebten Versatzstücken aus Historie, Familienfehde- und geheimnissen und – natürlich – einer nicht ganz konfliktfreien Liebesgeschichte. Soweit konventionell und bekannt. Aber es gibt auch einen Aspekt, der diese Melange aufwertet, und das ist der detaillierte Blick der Autorin auf den Prozess der Parfümherstellung, der Kreation der Düfte und der besonderen Eigenschaften, die ein/e erfolgreiche/r Parfümeur/in mitbringen muss. Letzteres war interessant zu lesen, ebenso die Rückblicke in die Vergangenheit einer alteingesessenen Duftdynastie in Grasse. Die Familienfehde hingegen trägt nichts Wesentliches zum Handlungsfortgang bei, und auch auf die Lovestory hätte ich gerne verzichtet.

Leichte Unterhaltung. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 04.09.2021

Schwächen in der Umsetzung

Tiefer Fjord
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Die Autorin Ruth Lillegraven behandelt in ihrem Psychothriller das Thema Kindesmisshandlung mit seinen vielen Facetten und beleuchtet es aus unterschiedlichen Perspektiven.

Clara, Juristin und Politikerin, ...

Die Autorin Ruth Lillegraven behandelt in ihrem Psychothriller das Thema Kindesmisshandlung mit seinen vielen Facetten und beleuchtet es aus unterschiedlichen Perspektiven.

Clara, Juristin und Politikerin, aber auch Ehefrau und Mutter, kämpft verbissen darum, auf politischem Weg eine Gesetzesnovelle gegen Kindesmissbrauch auf den Weg zu bringen. Mit ihrem Vorhaben läuft sie gegen Wände, wird von ihren männlichen Kollegen immer wieder ausgebremst. Aber sie lässt sich von den Rückschlägen nicht entmutigen, gibt nicht auf. Ihre Mission vereinnahmt sie so sehr, dass sie ihr Familienleben vernachlässigt, nicht merkt, dass ihr die Beziehung zu Mann und Kindern entgleiten.

Haavard, Claras Mann, der liebende, engagierte Vater der beiden Kinder, hat eine Affäre mit seiner Kollegin Sabiya und arbeitet als Arzt in der Notaufnahme eines Osloer Krankenhauses. Er muss immer wieder misshandelte Kinder versorgen, die mit hässlichen Verletzungen von den Eltern eingeliefert werden. Seit geraumer Zeit führt er eine Liste mit den verdächtigen Fällen, scheut sich aber davor, die Namen an die Polizei weiterzuleiten. Doch dann geschieht im Gebetsraum der Klinik ein Mord und die Ereignisse überschlagen sich.

Gewalt gegen Kinder kann sich in vielerlei Formen äußern, das reicht von Vernachlässigung über psychischen Missbrauch bis hin zu körperlicher Misshandlung. Ein wichtiges Thema, dem zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird und das stärker in den Fokus nicht nur der medialen Aufmerksamkeit sondern auch der gesetzgebenden Institutionen rücken sollte. Von daher ist die Themenwahl der Autorin zu begrüßen. Womit ich allerdings ein Problem hatte, ist die Verknüpfung mit der Migrantenthematik. Auf der Liste der verdächtigen Fälle tauchen ausschließlich die Namen von Einwanderern auf. Das vermittelt den Eindruck, als sei Kindesmisshandlung und/oder häusliche Gewalt ein Problem, das verstärkt in diesen Bevölkerungskreisen auftritt. Und letztlich zementiert diese Sichtweise die bereits vorhandenen Vorurteile der „einfachen“ Gemüter. Dafür gibt es Punktabzug.