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Veröffentlicht am 12.04.2022

Langatmig, spannungsarm und behäbig

In einer stillen Bucht
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Als „In einer stillen Bucht“ ein Koffer mit einem Leichnam gefunden wird, gibt es zu Beginn für die beiden Inselpolizisten Enrico „Erri“ Rizzi, überzeugter Caprese, und Antonia Cirillo, die strafversetzte ...

Als „In einer stillen Bucht“ ein Koffer mit einem Leichnam gefunden wird, gibt es zu Beginn für die beiden Inselpolizisten Enrico „Erri“ Rizzi, überzeugter Caprese, und Antonia Cirillo, die strafversetzte Norditalienerin, zunächst mehr Fragen als Antworten. Warum kam die Direktorin des neapolitanischen Konservatoriums nach Capri? Wollte sie jemanden treffen? Und warum musste sie für diese Stippvisite mit dem Leben bezahlen? Gibt es vielleicht einen Zusammenhang mit dem Verschwinden einer wertvollen Harfe? Es gibt viele Vermutungen, aber kaum handfeste Beweise, die nicht nur die Polizei sondern auch die Leserinnen im Dunkel tappen lassen, bis auf den letzten Metern ein Hinweis aus dem Hut gezaubert wird, der den Täter/die Täterin entlarvt. Aufmerksame Leserinnen können diese/n allerdings schon weit früher identifizieren.

Wer die beiden Vorgänger gelesen hat weiß, dass ihn in dieser Reihe keine actiongeladene Handlung mit unzähligen Finten erwartet, sondern ein klassisch aufgebauter Whodunit, garniert mit Beschreibungen des Gemüsegartens und der Landschaft, natürlich „La familia“ und italienisches Flair in Form von Espresso-Pausen. Natürlich sind das Klischees, aber die dürfen bei einem Urlaubskrimi durchaus wohldosiert in die Handlung eingebaut werden. Was ich allerdings als sehr störend empfunden habe, war die Beschreibung der neapolitanischen Kollegen, die – natürlich – in puncto Scharfsinn den beiden Insulanern meilenweit unterlegen sind.

Behäbig und langatmig erzählt, spannungsarm und ohne Höhepunkte, gestaltet sich dieser dritte Band der Capri-Krimis zu einer äußerst zähen Lektüre, was mein Interesse an dieser Reihe und die Bereitschaft, die zukünftigen Fälle von Rizzi und Cirillo weiter zu verfolgen, gekillt hat. Nix mit Bella Italia und Dolce Vita, dafür Pura Noia. Schade!

Veröffentlicht am 24.03.2022

Der gute Wille allein reicht leider nicht

Das Strandhaus
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Die Ausgangssituation in dem Erstling der britisch-irischen Autorin Deborah O’Donoghue ist genretypisch: Beth, eine junge Frau und Nichte der feministischen Spitzenpolitikerin Juliet, geht ins Wasser, ...

Die Ausgangssituation in dem Erstling der britisch-irischen Autorin Deborah O’Donoghue ist genretypisch: Beth, eine junge Frau und Nichte der feministischen Spitzenpolitikerin Juliet, geht ins Wasser, ertränkt sich im Meer. Dass die Umstände des Suizids zumindest Fragen aufwerfen, fällt den aufmerksamen Leserinnen natürlich auf, werden doch in einer Randbemerkung (verdächtige) Fesselspuren erwähnt. Aber auch Juliet bezweifelt den Selbstmord ihrer lebenslustigen Nichte. Sie beschließt zum Strandhaus der Familie zu fahren, in dem Beth gelebt hat, um sich dort umzusehen und mit Hilfe der örtlichen Polizei eigene Nachforschungen anzustellen. Und was sie dort nach und nach herausfindet, erschüttert sie bis ins Mark.

Einen packenden „Mix aus Psycho-Spannung und Polit-Thriller“ verspricht die Beschreibung, ein Versprechen, das Deborah O’Donoghue leider nicht einlösen kann, auch wenn die Zutaten prinzipiell passen würden. Aber es zeigt sich, dass die Autorin nicht plotten kann, keine Ahnung davon hat, wie ein Spannungsbogen funktioniert und/oder wie man Tempo in einen Text bringt, weshalb dieses Debüt weit über die Hälfte hinaus eine äußerst zähe Angelegenheit ist und die Geduld der Leser
innen mangels Überraschungen über alle Maßen strapaziert. Und auch der Rundumschlag im Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche Themen wie organisiertes Verbrechen, die Rolle der Medien, sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern und psychische Instabilitäten retten diese langatmige und vorhersehbare Story nicht mehr. Überzeugen kann lediglich die schottische Kulisse, aber allein das reicht bei Weitem nicht aus, um aus einem faden Plot einen gelungenen Thriller zu kreieren und erfüllt in keinster Weise den Anspruch, den ich an dieses Genre habe.

Veröffentlicht am 13.03.2022

Wirrer Gamer-Thriller

RABBITS. Spiel um dein Leben
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„Rabbits“ ist das ambitionierte Projekt des amerikanischen Filmemachers Terry Miles, entstanden aus einem Podcast gleichen Namens. Angelegt als etwas Außergewöhnliches, als Kultroman, als einem Mischung ...

„Rabbits“ ist das ambitionierte Projekt des amerikanischen Filmemachers Terry Miles, entstanden aus einem Podcast gleichen Namens. Angelegt als etwas Außergewöhnliches, als Kultroman, als einem Mischung aus Thriller und Rätsel- und Gamer-Story, prall gefüllt mit Verschwörungstheorien, popkulturelle Anspielungen und Verweise, die zwar in einem visuellen Medium funktionieren können, hier allerdings an der angepeilten Zielgruppe vorbeigehen. Das mag jetzt zwar snobistisch klingen, aber ich gehe nicht davon aus, dass Gamer Kafka, Danielewski oder Eco als Lektüre bevorzugen, auf deren Werke Miles in seinem Buch mehr oder weniger versteckt hinweist.

Real versus digital, die Übertragung filmischer Mittel in die Handlung funktioniert leider nur bedingt. Schnelle Schnitte okay, das Kreieren von Atmosphäre oder ausgefeilte Charakterisierungen Fehlanzeige. Dafür jede Menge Codes, Geheimnisse und krude Botschaften. Herausgekommen ist ein banales, wirres, langatmiges Konstrukt, konstruiert am Reißbrett, das mich nicht erreichen konnte und dessen Sinn sich mir nicht erschließt.

Veröffentlicht am 21.02.2022

So wird das nix...

Selber backen statt kaufen
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Smarticular möchte das Thema Nachhaltigkeit fest im Bewusstsein der Gesellschaft verankern. Deshalb gibt es neben dem Ideenportal mittlerweile auch einen Verlag, in dem Publikationen zu den unterschiedlichsten ...

Smarticular möchte das Thema Nachhaltigkeit fest im Bewusstsein der Gesellschaft verankern. Deshalb gibt es neben dem Ideenportal mittlerweile auch einen Verlag, in dem Publikationen zu den unterschiedlichsten Themen erscheinen, darunter auch einige Koch- und Backbücher, die den Nutzern aufzeigen wollen, dass Selbermachen meist die bessere Alternative zu Gekauftem ist.

Nachdem im Zuge der Pandemie die Zahl der Hobbybäckerinnen rasant angestiegen ist, war es natürlich auch nur eine Frage der Zeit, bis das entsprechende Backbuch „Selber backen statt kaufen“ das Angebot ergänzt, das diesen Bereich abdecken soll. So weit, so gut. Oder etwa doch nicht?

Auf etwas über 200 Seiten finden wir meist einfache Rezepte für Brot und Brötchen, Rührkuchen, Kekse und Knabbereien sowie eine Handvoll für Herzhaftes. Diese richten sich in erster Linie an Anfänger, denen damit eine Alternative zu gekauften Produkten geboten werden soll. Allerdings bezweifle ich sehr, dass diese Rechnung aufgeht. Die begleitenden Fotos machen einen eher amateurhaften Eindruck und animieren nicht unbedingt zum Nachbacken. Man schaue sich nur das Bild des Rührkuchens an…

Ich backe schon seit Jahrzehnten, und zwar nicht nur Kuchen sondern auch unser täglich Brot, kann also einschätzen, ob ein Rezept funktioniert oder nicht. Ich befürchte, dass hier vor Veröffentlichung nicht hinreichend getestet wurde, und das betrifft leider einige Rezepte. Da stimmen die Verhältnisse von Flüssigkeit zu Mehlmenge nicht, Triebmittelmengen sind zu niedrig angesetzt, Backtemperaturen und -zeiten hauen nicht hin. Etwas mehr Sorgfalt wäre hier wünschenswert gewesen, denn so ist die Frustration der Neulinge vorprogrammiert.

Aus den genannten Gründen kann ich dieses Backbuch weder Anfänger
innen noch versierten Hobbybäcker*innen empfehlen. Aber glücklicherweise gibt es ja genügend Alternativen.

Veröffentlicht am 23.01.2022

Missglückter Rückblick

Unser kostbares Leben
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Um es gleich vorweg zu nehmen, für mich war dieses Buch ein einziges Ärgernis. Zehnjährige, die sich für das Konstruktive Misstrauensvotum gegen Willy Brandt interessieren, Kröten Anfang der Siebziger ...

Um es gleich vorweg zu nehmen, für mich war dieses Buch ein einziges Ärgernis. Zehnjährige, die sich für das Konstruktive Misstrauensvotum gegen Willy Brandt interessieren, Kröten Anfang der Siebziger über die Straße tragen…da war wohl der Wunsch der Autorin Mutter des Gedanken. Oder, und das scheint wesentlich wahrscheinlicher, mussten bestimmte Verhaltensweisen den Kindern zugeschrieben bzw. so hingebogen werden, dass es erkenntnisleitend dem Narrativ entsprach, das die Autorin dem Roman zugrunde gelegt und auf dem sie ihn aufgebaut hat.

Katharina Fuchs stützt sich in „Unser kostbares Leben“ auf ihre persönlichen Erlebnisse und möchte davon ausgehend die allmähliche Sensibilisierung Jugendlicher für umweltpolitische Themen beschreiben.

Der Handlungszeitraum erstreckt sich über die siebziger und achtziger Jahre, Handlungsort ist eine hessische Kleinstadt, in der im wahrsten Sinn des Wortes viele schmutzige Geheimnisse unter der Oberfläche lauern. Stellvertretend für die junge Generation lässt sie uns am Leben von Caro, Alter Ego der Autorin, Tochter aus dem gutem Haus eines Schokoladenfabrikanten, Minka, ihre Freundin und Bürgermeisterstöchterlein, sowie Claire, ein vietnamesisches Waisenmädchen, teilnehmen. In den über 600 Seiten kommen jede Menge Themen auf den Tisch: Vergiftete Flüsse, skrupellose Medikamententests an Schutzbefohlenen, das Leid von Versuchstieren, die Klüngeleien der Honoratioren, die in Gutsherrenmanier die Fäden im Städtchen ziehen.

Viel Stoff, aus dem man einen lesenswerten Roman über diese Zeit hätte stricken können. Die Betonung liegt auf hätte, denn leider ist es der Autorin weder gelungen, die Atmosphäre dieser bleiernen Jahre einzufangen (die Nennung einiger Markennamen und allseits bekannter Ereignisse genügt leider nicht), noch konnte sie, bedingt durch ihren distanzierten Umgang mit dem übergroßen Personentableau, ein Interesse an der Entwicklung der Protagonistinnen schaffen. Dazu kommen die vielen unnützen und überflüssigen Informationen (wollt ihr wissen, wie der Prozess des Conchierens abläuft?), die zwar den Umfang aufgebläht, dafür aber immer wieder das Tempo gedrosselt haben und absolut Null zum Fortgang der Geschichte beigetragen haben. Des Weiteren habe ich so meine Probleme mit der Sichtweise der Autorin, die es offenbar nur der gebildeten oberen Mittelschicht zutraut, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen, denn die Perspektiven der „normalen“ Menschen fehlen fast vollständig. Den Vogel schießt allerdings die Betroffenheitsprosa im letzten Abschnitt des Buches ab, in dem der Bogen zur Gegenwart geschlagen wird. Ein weiteres überflüssiges Detail dieses Romans, der meine Erwartungen in keinster Weise erfüllen konnte.