Profilbild von Hyperventilea

Hyperventilea

Lesejury Star
offline

Hyperventilea ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Hyperventilea über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.11.2019

Nicht rosarot, aber ein bisschen grau, ein bisschen schwarz-weiß und irgendwie auch bunt

Fünf Tage und ein halbes Leben
0

„Wenn der Mensch wissen (will) wie sein Leben ist, (muss) er nur alle fünf Jahre seinen Geburtstag beobachten, vom Morgen bis zum Abend.“(....) „Denn alle fünf Jahre ändert sich die Welt, und sobald man ...

„Wenn der Mensch wissen (will) wie sein Leben ist, (muss) er nur alle fünf Jahre seinen Geburtstag beobachten, vom Morgen bis zum Abend.“(....) „Denn alle fünf Jahre ändert sich die Welt, und sobald man sich dessen bewusst (wird), (ist) man bereits ein anderer“.
Mara Torres lässt in ihrem Roman „Fünf Tage und ein halbes Leben“ Leopoldo, eine ihrer Figuren, sehr treffend erläutern, worum es in ihrem Buch eigentlich geht:
Zu Beginn wird Student Miguel zwanzig, er lernt Claudia kennen, verliebt sich sofort in sie, und feiert anschließend mit ihr und seinem besten Freund Pecu eine Party. Immer mit kurzen Einschüben aus der Gegenwart wird dann der nächste Geburtstag fünf Jahre später bis zu seinem vierzigsten ausführlich beschrieben. Dabei erfährt der Leser, was sich in Miguels Leben verändert hat. Wie geht es ihm mit seiner beruflichen Karriere? Was hat sich für ihn auf der Beziehungsebene ergeben? Wie haben sich seine Einstellungen und Gefühle entwickelt?

Miguel wirkt anfangs noch sehr unreif und orientierungslos, im Laufe der verschiedenen Geburtstagskapitel fasst er nicht nur beruflich Fuß, sondern wird auch erwachsener. Konstanten in seinem Leben sind die Personen, die ihn umgeben, seine Mutter, Freund Pecu, dessen Vater Leopoldo und nicht zuletzt seine unerfüllte Liebe zu Claudia.

Die Theorie, das Leben in Fünfjahresabschnitten zu betrachten, fasziniert mich. Wenn man einen Menschen alle fünf Jahre einen ganzen Tag beobachtet, bekommt man sicherlich einen sehr guten Überblick darüber, wie er lebt und wie sich sein Leben über die Jahre hinweg verändert.
Autorin Torres spielt im Roman immer wieder auf dieses Thema an, das Leben und seine Entwicklung zu bewerten. Mal lässt sie Miguels Mutter, das aktuelle Leben ihres Sohnes in einem kurzen Telefongespräch prägnant zusammenfassen, mal sind es Symbole wie einfarbige statt bunte Socken, die für einen neuen Lebensabschnitt stehen. Eine wirklich gelungen Umsetzung der Idee.

Dem Cover und Klappentext nach habe ich ein nette lockere Liebesgeschichte erwartet, ohne Tiefgang mit sympathischen, einfach gestrickten Hauptpersonen, die sich am Ende kriegen und lieben. Doch weit gefehlt: Statt in rosarotem Glück suhlt sich Hauptfigur Miguel über lange Strecken in düsterem Pessimismus. Überhaupt ist Miguel nicht leicht zu fassen: Er ist unentschlossen, ringt ständig mit sich und bleibt oft zu passiv, um es sich dann in seiner Unzufriedenheit bequem zu machen: Ein anstrengender, aber ein durchaus realistischer Charakter, irgendwie typisch für seine Generation. Und auch Claudia macht es dem Leser nicht leicht, sich mit ihr zu identifizieren. Das Buch enthält ein ganzes Potpourri an Lebensweisheiten, die die Autorin den verschieden Figuren in den Mund legt. Manche sind so schlicht wie offensichtlich, manche nerven, weil sie im Zusammenhang zu gekünstelt, zu gewollt und bemüht wirken, andere sind aber einfach nur bemerkenswert klug.

Für mich ein lesenswerter Roman, in dem viel mehr steckt, als vermutet. Ein Roman über das Leben, Beziehungen, die Liebe, über verpasste Chancen, aber auch ein Aufruf zu mehr Mut und Entschlossenheit. Oder wie es Pecu formuliert:
„Ich will mein Leben nicht damit verbringen, darauf zu warten, dass immer noch was Besseres passiert. Was ich will, ist leben“.







Veröffentlicht am 12.11.2019

Hände weg vom Handy! Hört mehr Hörspiele!

Das perfekte Geheimnis
0

Eigentlich sollte es nur ein netter, zwangloser Abend mit gutem Essen werden. Doch als sieben Freunde aus Spaß beschließen, alle Handys auf den Tisch zu legen und für diesen Abend sämtliche Nachrichten ...

Eigentlich sollte es nur ein netter, zwangloser Abend mit gutem Essen werden. Doch als sieben Freunde aus Spaß beschließen, alle Handys auf den Tisch zu legen und für diesen Abend sämtliche Nachrichten und Anrufe in der Runde öffentlich zu machen, eskaliert die Situation. So manches delikate Geheimnis kommt dabei ans Licht, was die Beziehungen der Freunde untereinander auf eine harte Probe stellt.
Und am Ende ist nichts mehr, wie es einmal war.

Die Geschichte ist ganz schön harter Tobak. Geht es auf der ersten CD noch recht moderat zu, nimmt die Handlung dann derart schnell Fahrt auf, dass der Hörer verblüfft zurückbleibt und sich verwundert die Augen, nein Ohren reibt: Was ist das nur für eine Gesellschaft, in der manche Menschen ihren Handys mehr anvertrauen als ihren Freunden und Partnern?
Zweifellos werden die Hauptfiguren extrem überzeichnet dargestellt und auch sonst strotzt das Ganze nur vor Klischees. Bitterböse, was da so an Geheimnissen, inneren Einstellungen und Lügen offenbart wird. Das macht aber auch den Reiz der Geschichte aus. So unterschiedlich die verschiedenen Charaktere sind, so abhängig sind sie gleichermaßen abhängig von ihren Smartphones. Also alles gar nicht so weit hergeholt!?

Einen Film als Hörspiel zu bearbeiten, stellt sicherlich eine große Herausforderung dar. Dies ist hier einwandfrei gelungen. Volker Hanisch brilliert als Erzähler, der alles trocken kommentiert, was dem Zuhörer verborgen bleibt. Manche der Schauspieler sind gut zu verstehen, andere nuscheln cool und lässig vor sich hin. Alles in allem aber ein wirklich empfehlenswertes Hörspiel, das uns zwei unterhaltsame Abende beschert hat.
Also Leute: Hände weg vom Handy! Hört mehr Hörspiele!

Veröffentlicht am 25.10.2019

Originelles Bilderbuch zum Miträtseln

Karneval im Zoo
0

Eigentlich wollen Zoodirektor Alfons Ungetüm und sein Freund Ignaz Pfefferminz Igel am Sonntag nur gemütlich frühstücken, doch werden sie von ungewöhnlichen Geräuschen unterbrochen. Irgendetwas Seltsames ...

Eigentlich wollen Zoodirektor Alfons Ungetüm und sein Freund Ignaz Pfefferminz Igel am Sonntag nur gemütlich frühstücken, doch werden sie von ungewöhnlichen Geräuschen unterbrochen. Irgendetwas Seltsames geht im Zoo vor. Als sie der Sache auf den Grund gehen, treffen sie auf allerlei merkwürdige Gestalten wie Girafant oder Elefummel: Die Tiere im Zoo feiern Karneval und haben sich verkleidet.
Ich habe das Buch mit meinen Kindern (vier und fünf Jahre) gelesen. Die waren so begeistert, dass sie es gleich ein zweites Mal hören wollten. Danach hat die Achtjährige als Vorleserin übernommen.
Das hochwertig verarbeitete Buch ist schön groß im DIN A 4 Format, alle Bilder sind auch von weitem gut zu erkennen und es gab beim Vorlesen ausnahmsweise kein Gedrängel um den besten Platz. Sophie Schoenwald erzählt für Kinder gut verständlich, aber trotzdem nicht zu einfach und abgehakt, sondern schön flüssig. Günther Jakobs originelle, bunte Bildern passen einfach perfekt zur Geschichte. Wir hatten viel Spaß beim Miträtseln, welches Tier sich unter welchem Kostüm versteckt. Die lustigen Wortneuschöpfungen der Tiernamen haben alle immer wieder zum Lachen gebracht. Besonders gut hat uns übrigens das letzte Tier gefallen. Dass zum Schluss auch noch eine Maske von Igel Ignaz gebastelt werden kann, ist eine prima Zugabe. Natürlich musste ich für die anderen zwei Kinder noch weitere Maskenvorlagen aus dem Internet herunterladen.
Ein rundum gelungenes, liebevoll gestaltetes Bilderbuch, das ganz viel Spaß macht.

Veröffentlicht am 25.10.2019

Nettes kleines Bilderbuch, das aber nicht heraussticht

Mein erstes Papp-Bilderbuch: Rotkäppchen
0

Rotkäppchen ist zweifelsohne ein berühmter Märchen-Klassiker, der in keinem Bücherregal fehlen darf. „Mein erstes Papp-Bilderbuch Rotkäppchen“ stellt eine Variante des Märchens für Kinder ab zwei Jahre ...

Rotkäppchen ist zweifelsohne ein berühmter Märchen-Klassiker, der in keinem Bücherregal fehlen darf. „Mein erstes Papp-Bilderbuch Rotkäppchen“ stellt eine Variante des Märchens für Kinder ab zwei Jahre dar. Das Format ist recht klein und handlich, die Seiten sind nicht ganz so dick wie bei Babybüchern, aber trotzdem aus Pappe und damit etwas stabiler. Die hübsch gezeichneten Illustrationen kommen bei den kleinen Lesern gut an. Auch der Text ist altersgemäß in einfachen Sätzen formuliert. Einmal wird der Leser direkt angesprochen, das hat mir und meinen Kindern besonders gut gefallen. Dadurch wird Wichtiges noch einmal wiederholt und besonders betont. Dass der Wolf auf die allseits bekannte Frage: „Großmutter, warum hast du so große Augen ( Ohren, Zähne )?“, nicht mit dem klassischen „Damit ich dich besser sehen (hören, fressen) kann“, antwortet, hat uns ein bisschen irritiert. An dieser Stelle hätten wir gerne mitgesprochen.
Das Ende der Geschichte ist leicht abgewandelt, dadurch weniger grausam und tierfreundlicher. Mein fünfjähriger Sohn hat mehrmals betont, dass ihm das Ende so besser gefällt als im Original. Mein Mann hingegen hat die neue Version kritisiert.
Alles in allem ein nettes kleines Bilderbuch, das auch schon kleineren Kinder erste Erfahrungen mit einem klassischen Märchen ermöglicht

Veröffentlicht am 15.10.2019

Beeindruckender wichtiger Roman über Deutschlands dunkelste Zeit

Eine Familie in Deutschland
0

Im zweiten Teil von Peter Pranges Roman „Eine Familie in Deutschland - Am Ende die Hoffnung“ geht es für die Isings hauptsächlich darum, die Zeit des zweiten Weltkriegs möglichst unbeschadet zu überstehen. ...

Im zweiten Teil von Peter Pranges Roman „Eine Familie in Deutschland - Am Ende die Hoffnung“ geht es für die Isings hauptsächlich darum, die Zeit des zweiten Weltkriegs möglichst unbeschadet zu überstehen. Hermann und Dorothee sorgen sich um ihren jüngsten Sohn Willi, Horst macht u.a. als Leiter des Arbeitslagers der Autostadt Karriere, Georg ist Tag und Nacht mit der Entwicklung des Volkswagens beschäftigt, Charlotte versucht als Ärztin Fuß zu fassen und hofft nach wie vor auf eine gemeinsame Zukunft mit ihrem jüdischen Ehemann Benny, der nach seiner gescheiterten Auswanderung in Holland gelandet ist. Edda arbeitet weiterhin für Leni Riefenstahl und Jüdin Gisela Bernstein setzt alles daran, sich und ihre Eltern vor der Deportation zu schützen und ist dabei immer wieder auf Carl Schmitts Hilfe angewiesen....

Autor Peter Prange schreibt so packend und mitreißend, dass ich wiederholt tief getroffen von den Ereignissen war, obwohl ich eigentlich glaubte, über die Zustände in dieser grausamen Zeit Bescheid zu wissen. Immer wieder kam es im Roman zu überraschenden Wendungen, die ich nicht vorhergesehen hatte. Das Dritte Reich wird hier so entsetzlich wie realistisch dargestellt:
als eine Zeit, in der es keine Verlässlichkeit gibt, in der man sich seines Lebens nicht sicher sein kann. Denn was heute gilt, ist morgen schon Vergangenheit. Jedwedes Verhalten wird nur davon bestimmt, ob es dem Zwecke des Überlebens dient. Nach seinem Gewissen und moralisch richtig zu handeln, ist längst nicht mehr möglich, ohne sein eigenes Leben zu riskieren. Daher gibt es unter Pranges Protagonisten bewusst keine übermenschlich selbstlosen Helden.

Auf der ersten Seite formuliert Prange die Gründe, die ihn zu diesem Roman bewogen haben: „Seit meiner Jugend habe ich mich immer wieder gefragt, was für ein Mensch wohl aus mir geworden wäre, hätte ich in der Nazi-Zeit gelebt. Hätte ich mitgemacht? Mich gebeugt? Widerstanden? Darum kreist mein neuer Roman: um die Verführbarkeit von Menschen in dunkler Zeit.“
Wie dunkel die Zeiten und wie verführbar die Menschen sind, wenn es nur noch ums Überleben geht, stellt der Autor in seinem Roman mehr als eindringlich dar. Es ist uns Nachgeborenen, denen das Werk gewidmet ist, nicht mal ansatzweise nachvollziehbar, wie wir gehandelt hätten. Zu unserem Glück haben wir trotz all unseres vermeintlichen Wissens keine Vorstellung darüber, was Zeiten wie diese mit und aus Menschen machen. Denn die hat nur, wer selbst dabei war. Hoffen wir, dass uns dieses Glück weiterhin hold bleibt.
Ein wichtiger Roman, den ich jedem uneingeschränkt empfehle. Ein Roman, der mich sicherlich noch sehr lange beschäftigen wird und der meine Sicht auf das Dritte Reich und die Menschen, die zu der Zeit lebten, verändert hat.