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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein idyllisches Dorf in Brandenburg

Unterleuten
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Unterleuten

Juli Zeh


Unterleuten ist ein kleines, idyllisches Dorf in Brandenburg. Da Berlin in gut erreichbarer Nähe liegt, sind die Häuser des Dörfchens auch bei Städtern beliebt, die sich hier ihren ...

Unterleuten

Juli Zeh


Unterleuten ist ein kleines, idyllisches Dorf in Brandenburg. Da Berlin in gut erreichbarer Nähe liegt, sind die Häuser des Dörfchens auch bei Städtern beliebt, die sich hier ihren ländlichen Traum erfüllen wollen. Diese haben es allerdings nicht immer ganz leicht, sich mit den ungeschriebenen, dörfischen Gepflogenheiten zu arrangieren und schießen oft, ganz ungewollt, über das Ziel hinaus. Als ein großer Windpark errichtet werden soll, der nicht nur viel Geld in die relativ leere Gemeindekasse bringen könnte, sondern auch in die Taschen der Grundstückseigentümer, die ihr Land dafür veräußern müssten, beginnt die idyllische Dorffassade langsam zu bröckeln. Nicht nur die Naturschützer äußern vehement ihre Bedenken, sondern auch die unterschwelligen Feindschaften zwischen den Alteingesessenen flackern wieder auf, sodass die Stimmung im Dorf durch alten Groll, Neid und Missgunst schon bald hochexplosiv ist. Ausgerechnet eine Neuzugezogene ist im Besitz des alles entscheidenden Grundstücks, das für den Bau der Windkraftanlage unverzichtbar ist. Sie spielt allerdings ihr eigenes Spiel und sorgt so dafür, dass in Unterleuten langsam die Hölle losbricht....

In Juli Zehs Gesellschaftsroman wird man nach und nach mit den unterschiedlichen Bewohnern des Dörfchens vertraut gemacht. Am Anfang ist es nicht ganz leicht, sie alle richtig zuzuordnen und ihre Beziehungen untereinander ins Verhältnis zu setzen. Diese kleine Unsicherheit gibt sich allerdings recht bald, da die Charaktere sehr lebensecht beschrieben werden, sodass man die Besonderheiten und Eigenarten schnell aufnimmt und die entsprechende Person dann regelrecht vor Augen hat.

Und sobald das passiert ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, sich dem Sog der Handlung zu entziehen. Denn Juli Zeh gelingt es hervorragend, dass dörfliche Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen zu beschreiben. Die Dorfgemeinschaft in Unterleuten hält eigentlich zusammen, denn jeder kennt seinen Platz und versucht Streitigkeiten anzusprechen und intern zu regeln. Dabei ist jedem klar, wer mit wem kann, wer eigentlich das Sagen hat und wie man unterschwellige Feindschaften, die durch alte DDR-Zeiten und dem Umbruch bei der Wende ausgelöst wurden, weitestgehend ignoriert. Denn im Dorf muss schließlich jeder so verbraucht werden, wie er ist und da schaut man eben nicht immer so genau hin. Von dieser Tradition haben die Neuzugezogenen natürlich keine Ahnung und deshalb trägt ihr Verhalten unmittelbar dazu bei, dass sich die Situation Schritt für Schritt zuspitzt, um schließlich vollkommen aus dem Ruder zu laufen.

Trotz der komplexen Handlung, die aus vielen unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird, gelingt es der Autorin, einen roten Faden zu ziehen, dem man getreulich, bis zum bitteren Ende, folgt. Man schaut dabei hinter einige Fassaden und ist entsetzt, aber gleichermaßen fasziniert, was man dort entdeckt und welche Tragödien durch die Spaltung des Dorfes ausgelöst werden.

Ich habe mich beim Lesen dieser Gesellschaftskritik sehr gut unterhalten und konnte mich, nach einer kurzen Eingewöhnungszeit, kaum noch vom Gelesenen lösen. Entsetzt und doch fasziniert, habe ich die kleinen und großen Tragödien beobachtet. Unterleuten und seine Bewohner haben mich dabei so gefangen genommen, dass ich auch nach dem Lesen der letzten Seite noch ganz im Bann der Handlung stand. Ich vergebe deshalb die Empfehlung, sich ein wenig Zeit zu nehmen und selbst einen Ausflug ins fiktive, brandenburgische Dörfchen zu machen. Es lohnt sich!


Veröffentlicht am 15.01.2024

Die Macht der Sprache

Austrian Psycho Jack Unterweger
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Mit "Austrian Psycho" veröffentlicht Malte Herwig die Geschichte von Jack Unterweger. Im Nachwort gibt Herwig an, dass er die Identität des Autors nicht preisgibt und den Namen bewusst im Dunkeln lässt. 

Jack ...

Mit "Austrian Psycho" veröffentlicht Malte Herwig die Geschichte von Jack Unterweger. Im Nachwort gibt Herwig an, dass er die Identität des Autors nicht preisgibt und den Namen bewusst im Dunkeln lässt. 

Jack Unterweger, der verurteilte Frauenmörder, der sich im Gefängnis zu einem von der Szene gefeierten Schriftsteller wandelte und schließlich freikam, da er viele Fürsprecher fand. Doch nach seiner Freilassung begann eine Mordserie, in der elf Frauen ihr Leben verloren. 

Wie konnte es dazu kommen, dass sich so viele bekannte Persönlichkeiten für seine Freilassung einsetzten? Wie konnte er alle täuschen und für sich vereinnahmen?

Fakten, Zeitzeugenberichte, Auszüge aus Unterwegers Texten und Zitate liefern die Grundlage für dieses Buch. Der Schreibstil wirkt sprunghaft und zuweilen recht gehetzt, doch gerade dadurch fühlt man sich direkt angesprochen. Das Interesse, mehr über Unterweger und seine Manipulationen zu erfahren wird sofort geweckt. Die Informationen wirken nüchtern und präzise. Fassungslos verfolgt man, wie geschickt der Häftling vorgeht, um sein Ziel, aus der lebenslangen Haft entlassen zu werden, zu erreichen. Um dann von der feineren Gesellschaft hofiert zu werden. Dass dieser Mann sich nicht gewandelt hat, will lange Zeit niemand wahrhaben. 

In diesem recht kurzen Buch erfährt man einiges über Jack Unterweger und darüber, dass man die Macht der Sprache nicht unterschätzen darf. 

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.12.2022

Ruhiger Krimi, der durch unerwartete Wendungen überzeugt

Keiner stirbt allein
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Der Rentner Felix Pink lebt schon seit Jahren alleine, da er seine Frau und seinen Sohn viel zu früh verloren hat. Felix führt ein recht beschauliches Leben. Niemand ahnt, dass er sich einer Gruppe angeschlossen ...

Der Rentner Felix Pink lebt schon seit Jahren alleine, da er seine Frau und seinen Sohn viel zu früh verloren hat. Felix führt ein recht beschauliches Leben. Niemand ahnt, dass er sich einer Gruppe angeschlossen hat, die passive Sterbehilfe leistet. Im Lauf der Zeit hat Felix einige Sterbende begleitet. Doch dieses Mal läuft alles schief. Gemeinsam mit einer neuen, unerfahrenen Partnerin begleitet Felix versehentlich den Falschen in den Tod. Danach gerät Felix geruhsames Leben völlig außer Kontrolle, denn er wird nicht nur von der Polizei gesucht und muss sich mit seinem schlechten Gewissen auseinandersetzen, sondern trägt Indizien zusammen, die darauf hindeuten, dass ihm eine Falle gestellt wurde. Da er sich unter diesen ganz besonderen Umständen nicht der Polizei anvertrauen kann, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln...

Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass Felix Pink ein sympathischer Rentner ist, der keiner Fliege etwas antun könnte. Als er dann mit seiner neuen Partnerin den falschen Mann in den Tod begleitet, stellt man sich, genau wie Felix selbst, die Frage, wie es dazu kommen konnte. Das Interesse an diesem Fall wird dadurch bereits von Anfang an geweckt. 

Die Handlung wird aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Man beobachtet sowohl die Nachforschungen, die Felix anstellt als auch die Ermittlungen der Polizei. Die Handlungsstränge sind durchgehend interessant, wobei man allerdings im Verlauf der Ereignisse zuweilen das Gefühl hat, dass der Fall etwas auf der Stelle tritt. Nach und nach trägt man einzelne Puzzleteilchen zusammen, die zunächst kein stimmiges Bild ergeben. Entscheidende Teile scheinen zu fehlen. Deshalb wirkt dieser eher ruhige Kriminalfall kaum vorhersehbar, denn es kommt zu einigen unerwarteten Wendungen. Außerdem kommt es immer wieder zu kuriosen Szenen, die einem unverhofft ein Lächeln ins Gesicht zaubern. 

Ein eher ruhiger Krimi, der durch einen sympathischen Hauptprotagonisten und unverhoffte Wendungen überzeugt. 

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Veröffentlicht am 08.08.2022

Spannender Thriller

Schrei nach Rache
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Der Fallanalytiker Falk Hagedorn hat sich fest vorgenommen, nie wieder für die Polizei zu arbeiten. Doch die Kriminalrätin Nadine Adler bleibt hartnäckig, denn sie braucht dringend seine Einschätzung zu ...

Der Fallanalytiker Falk Hagedorn hat sich fest vorgenommen, nie wieder für die Polizei zu arbeiten. Doch die Kriminalrätin Nadine Adler bleibt hartnäckig, denn sie braucht dringend seine Einschätzung zu Morden, die an Flughäfen begangen wurden. Die Opfer haben offenbar nichts miteinander gemeinsam, dennoch hat es den Anschein, dass ein Serienkiller sein Unwesen treibt. Als dann noch weibliche DNA, die vom  Täter stammen könnte, sichergestellt wird, beginnt Hagedorn zu ermitteln, denn er hat das Gefühl, dass er die Täterin kennen könnte...

"Schrei nach Rache" ist nach "Dunkler Hass" der zweite Band, in dem der Fallanalytiker Falk Hagedorn ermittelt. Um den aktuellen Ermittlungen zu folgen, ist es nicht zwingend notwendig, den ersten Band zu kennen. 

Die Handlung wird aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, die häufig an entscheidenden Stellen wechseln, wodurch bereits früh ein hohes Tempo aufgebaut wird, dem man sich kaum entziehen kann. Handlungsorte und Charaktere werden so authentisch beschrieben, dass man sich die entsprechenden Szenen mühelos vorstellen kann. Dadurch kann man problemlos ins spannende Geschehen eintauchen. 

Der Fall hat es wirklich in sich und verlangt den Ermittlern einiges ab. Auch wenn man bereits früh ahnt, wer hinter dem Ganzen stecken könnte, bleibt die Spannung erhalten, denn es gibt noch einige Handlungsfäden, die miteinander verknüpft werden müssen. Beim finalen Showdown steigt die Spannungskurve steil an, man fiebert mit den Charakteren mit und mag das Buch kaum aus der Hand legen. 

​​​​​​​Ein Thriller, der spannende Lesestunden garantiert! 

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Veröffentlicht am 30.10.2021

Humorvolle Lektüre

Miss Merkel: Mord in der Uckermark
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Angela Merkel ist mit Mann Achim und Mops Putin in einen kleinen Ort in der Uckermark gezogen, um dort das Leben als Rentnerin zu genießen. Immer dabei ist Personenschützer Mike, der darauf achtet, dass ...



Angela Merkel ist mit Mann Achim und Mops Putin in einen kleinen Ort in der Uckermark gezogen, um dort das Leben als Rentnerin zu genießen. Immer dabei ist Personenschützer Mike, der darauf achtet, dass der ehemaligen Bundeskanzlerin keine Gefahr droht. Zunächst scheint dieser Job auch eher ruhig zu sein, da Angela mit Mann und Mops die Gegend erkundet und jeden Tag leckeren Kuchen backt. Doch dann wird Freiherr Philip von Baugenwitz tot in einem Kellerverlies, das von innen abgeschlossen ist, aufgefunden. Obwohl die Polizei von Selbstmord ausgeht, glaubt Angela keinen Moment daran und macht sich beherzt ans Werk, diesen rätselhaften Todesfall selber aufzuklären....

Schon das überaus gelungene Cover, das hervorragend auf den Inhalt abgestimmt ist, sorgt für ein unverhofftes Lächeln und weckt die Neugier auf die Geschichte, die sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt. In gewohnt lockerem Schreibstil führt David Safier durch die Handlung. Obwohl Angela zufrieden zu sein scheint, merkt man doch, wie eintönig ihr das Rentnerleben in der Uckermark vorkommt. Aber das ist auch kein Wunder, wenn man den Unterschied zu ihrem bisherigen Berufsleben bedenkt. 

Die Charaktere wirken sehr lebendig, Man kann sich die Akteure deshalb mühelos vorstellen. Die Dialoge sind, so wie man es von David Safier kennt, mit einem Augenzwinkern einzuordnen. Denn beim Lesen muss man häufig unverhofft schmunzeln und mag sich das Kopfkino, das durch einige Dialoge ausgelöst wird, lieber gar nicht genauer ansehen. Obwohl der Schreibstil wieder sehr humorvoll ist und der Plot einige Erwartungen weckt, startet die Handlung eher gemächlich. Bei diesem Roman dauert es eine Weile, bis der berühmte Funke überspringt. Doch dann fiebert man mit Miss Merkel mit und versucht herauszufinden, warum Freiherr von Baugenwitz sterben musste und wer dafür verantwortlich ist. Dabei genießt man die spannenden und zuweilen auch sehr kuriosen Situationen, in die sich die Amateurdetektivin manövriert.

Für meinen persönlichen Geschmack nicht der beste Roman von David Safier, aber dennoch lesenswert!

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