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Veröffentlicht am 20.03.2017

High Fantasy wie sie sein soll

Empire of Storms - Pakt der Diebe
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"Unglaublich, oder?" Seine roten Augen glänzten im dämmrigen Licht des Mondes, das durch das Fenster fiel. "Die Mittel und der Einfallsreichtum, die die Leute darauf verwenden, etwas Neues zu finden, das ...

"Unglaublich, oder?" Seine roten Augen glänzten im dämmrigen Licht des Mondes, das durch das Fenster fiel. "Die Mittel und der Einfallsreichtum, die die Leute darauf verwenden, etwas Neues zu finden, das sie verdummen lässt."
Sie musste tatsächlich kurz lachen.
"Ich bin übrigens Red", sagte er und hielt ihr die Hand hin.
"Mein Name ist Bleak Hope", sagte sie und ergriff sie. "Obwohl die meisten mich nur Hope nennen."
Sein Lächeln kehrte zurück. "Hope und Red. Das klingt gut zusammen, findest du nicht?"
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INHALT:
Als er mit acht Jahren ein Waisenkind wird, findet sich der junge Red in der Paradieskehre wieder - der Unterstadt von New Laven, wo es schmutzig ist und vor Verbrechern wimmelt. Zum Glück findet er in der Bewohnerin Sadie eine Mentorin, die ihn alles lehrt, was er wissen muss, um zu überleben. Und bald hat er ein Ziel: Der größte Dieb von allen zu werden. Währenddessen ergeht es Hope auf den Südlichen Inseln ganz ähnlich: Nachdem Biomanten des Imperiums alle Bewohner ihres Dorfes getötet haben, wird auch sie zur Waisin. Sie hat das Glück, bei den Vinchen, fähigen Mönchskriegern, aufgenommen zu werden - und verbotenerweise unterweist sie einer davon in der Kunst des Kampfes. Jahre später ist sie eine wahre Kriegerin. Als sie von Rache getrieben in New Laven auf Red trifft, schließen die beiden einen Pakt: Nicht eher zu ruhen, als dass sie die Biomanten gestürzt haben...

MEINE MEINUNG:
Angefangen hat er im Young Adult-Fantasy-Bereich, nun ist er bei der Adult Fantasy angekommen: Jon Skovrons Auftakt der "Empire of Storms"-Trilogie ist ein Schmuckstück des Genres. Natürlich gibt es einige altbekannte Storyelemente, wie etwa das grausame und unterdrückendes Imperium, die strikte Unterteilung in Arm und Reich und die beginnende Rebellion. Aber das sind gleichzeitig auch die Punkte, die High Fantasy ausmachen, und hier werden sie wunderbar mit einer ganz eigenen Geschichte verwoben. Erzählt wird "Pakt der Diebe" aus der personalen Sicht von Red und Hope, später kommt auch noch eine gewisse Brigga Linn zu Wort. Der Schreibstil ist wortgewaltig, einnehmend und detailreich, besonders in den Dialogen in der Kehre aber auch ziemlich vulgär, woran man sich erst gewöhnen muss.

Red ist ein charmanter Protagonist, den man mit seiner vorlauten Klappe und seinem jugendlichen Übermut schnell ins Herz schließt. Wie es sich für einen Jungen in seinem Alter gehört, will er sich natürlich ständig beweisen - aber über seine Intelligenz und sein gutes Herz kann er damit nicht hinweg täuschen. Hope ist das ziemliche Gegenteil von ihm: Ihr halbes Leben hat sie bei Mönchen verbracht, keuschen, aber teilweise grausamen Männern. Zuneigung hat sie nur durch ihren Meister Hurlo und später durch den Kapitän Carmichael erfahren, doch wen sie liebt, den verliert sie auch. Da ist es nicht verwunderlich, dass ihr Vertrauen eher schwer fällt. Trotzdem ist sie jemand, der sich für andere einsetzt, und auch wenn sie ein wenig zu perfekt ist, ist sie durchaus sympathisch. Seine große Stärke zeigt der Autor aber mit seinen Nebenfiguren. Sadie die Ziege, Reds raue und gleichzeitig gutmütige Mentorin; sein treuer bester Freund Filler und seine freiheitsliebende Kumpanin Nessel, sie alle lassen das Buch hinreißend lebendig werden.

Tatsächlich dauert es eine ganze Weile bis zum ersten Aufeinandertreffen der Protagonisten und in diese Phase haben sich ehrlich gesagt auch ein paar Längen eingeschlichen - vor allem, weil es seine Zeit dauert, mit den Formulierungen und der Welt warm zu werden. Nachdem man aber hinein gefunden hat, lassen die Geschehnisse einen bald nicht mehr los. Red schlägt sich auf den Straßen herum, während Hope erst trainiert wird und dann auf Seefahrt geht - in beiden Welten ist das Leben auf jeden Fall nicht einfach. Eine Prise Piraterie und eine ganze Handvoll Action tun ihr Übriges, um bei Laune zu halten. So richtig hatte mich das Buch dann aber erst, als die beiden sich endlich begegnen, denn gemeinsam sind sie ein großartiges Gespann, das sich perfekt ergänzt. Ab der Hälfte gibt es kaum noch eine ruhige Minute, ein Kampf folgt auf den nächsten, ohne dabei auf ein gutes Maß Witz zu verzichten. Natürlich wird es zum Ende hin dramatisch - und die Ausgangslage für den nächsten Band ist eine gänzlich andere. Aber das macht es nur umso spannender.

FAZIT:
Ich habe meine Zeit gebraucht, um völlig in diese gewalttätige, schmutzige und vulgäre Welt einzutauchen, die Jon Skovron in "Pakt der Diebe" erschaffen hat. Nachdem ich jedoch die Charaktere lieb gewonnen hatte, gab es kein Entkommen mehr. Eine wendungsreiche, spannende Geschichte, auf die in Band 2 wahrscheinlich noch eine Schippe drauf gelegt wird. Sehr gute 4 Punkte!

Veröffentlicht am 01.02.2017

Authentisch und liebenswürdig

Wir beide in Schwarz-Weiß
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Ich folge ihrem Befehl, drehe mich an der Tür aber noch einmal zu ihr um. "Danke für die seltsame Limo."
Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, bei dem ich wieder ihre spitzen kleinen Eckzähne sehen kann. ...

Ich folge ihrem Befehl, drehe mich an der Tür aber noch einmal zu ihr um. "Danke für die seltsame Limo."
Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, bei dem ich wieder ihre spitzen kleinen Eckzähne sehen kann. "Danke für die fleckigen Kopien."
Fünf Sekunde später bin ich auf dem Flur und beginne, in Richtung Ausgang zu joggen. Das Echo meiner Schritte vibriert durch meinen Körper, und in meinen Adern summt das Adrenalin. Erst als ich in die Nachmittagssonne hinaustrete, fällt mir ein, warum ich so unter Strom stehe: Ich habe einen Rucksack voller Gras, das nur darauf wartet, vertickt zu werden. Genau, daran muss es liegen. Woran zur Hölle denn sonst?
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INHALT:
Als Kunststudentin Kris in einem Café auf Alex trifft, können die beiden sich auf Anhieb nicht leiden - und als sie sich bei einer Party wiedertreffen, fliegen die Fetzen. Doch irgendwo liegt dahinter auch eine gewisse Anziehung verborgen und als sie sich ein drittes Mal treffen, können beide die Chemie nicht leugnen, die bald zu mehr wird. Sie haben jedoch Lasten aus ihrer Vergangenheit mitzuschleppen - und Alex lebt sogar ziemlich gefährlich. Sein Versuch, sich für Kris zu ändern, droht furchtbar schief zu gehen...

MEINE MEINUNG:
Die ehemalige Selbstpublisherin und nun erfolgreiche Verlags-Autorin Kira Gembri legt mit "Wir beide in Schwarz-Weiß" Teil 2 um die Jungs-WG von Jay und Alex vor. Letzterer erzählt dieses Mal abwechselnd mit Kris seine Geschichte. Den Roman kann man auch sehr gut lesen, wenn man den Vorgänger nicht kennt, weil die Handlung zur gleichen Zeit spielt und nicht auf der anderen aufbaut. Das ist etwas verwirrend, wenn man ein wenig über das andere Buch weiß, dennoch kommt man schnell rein. Das liegt wahrscheinlich vor allem am flüssigen Schreibstil, der insbesondere mit den realistischen, jugendlichen Dialogen punktet.

Kris bringt einen mit ihrer natürlichen, mutigen Art schnell dazu, sie zu mögen. Sie hat ihre Probleme mit der Verarbeitung einer Familientragödie und verrennt sich daher in die Performance-Kunst, die ihr gar nicht liegt - dieser Schutzmechanismus ist aber vollkommen nachzuvollziehen. Alex ist da ein wenig schwieriger, was vor allem an seiner Psyche liegt. Er ist sehr schlecht darin, zu vertrauen, wofür er selbst aber nichts kann. Beide machen glaubwürdige Entwicklungen durch und finden dadurch nicht nur zueinander, sondern auch zu sich selbst. Mit Kris' Hippie-Eltern und Alex' Mitbewohnern - die versierte Leser ja bereits aus Band 1 kennen - hat die Autorin außerdem interessante Nebenfiguren geschaffen, die allerdings teilweise ein wenig zu kurz kommen.

Viele Elemente der Geschichte sind einem natürlich bereits aus anderen (Liebes-)Romanen bekannt: Junge und Mädchen treffen sich, verlieben sich, vermuten unüberwindbare Hindernisse und streiten sich. Kira Gembri erzählt diese Geschichte aber so herzerwärmend, witzig und sympathisch, dass einem das größtenteils egal ist. Alex und Kris sind ein sehr niedliches Pärchen, das man gerne beim Meistern der Schwierigkeiten begleitet - vor allem, weil es bei ihnen keine kitschige Instalove ist. Und auch die Probleme der beiden sind relativ neu und werden vor allem sensibel mit eingebunden. Nur das Verhältnis von Kris und ihrer Familie zu den Ereignissen der Vergangenheit wurde definitiv nicht zufriedenstellend gelöst, sondern eher so belassen, was schade ist. Nichtsdestotrotz schlägt man den Roman mit einem zufriedenen Gefühl zu - und freut sich bereits auf den nächsten der Autorin.

FAZIT:
Kira Gembri hat eine wunderbar humorvolle und realistische Art, ihre Geschichte zu erzählen. Die süße, nachvollziehbare Liebesgeschichte und die interessanten Figuren tragen zum Wohlfühlfaktor bei - nur eines der Probleme fand ich nicht ganz zufriedenstellend gelöst. Das fällt aber nicht allzu sehr ins Gewicht. Nach der Geschichte von Kris und Alex habe ich jedenfalls richtig Lust, auch den Vorgänger zu lesen. Wer beide Bücher noch nicht kennt, sollte das dringend ändern. Gute 4 Punkte!

Veröffentlicht am 01.02.2017

Für Fans des Regency-Genres

Die Magier Seiner Majestät
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Sie hielt inne und dachte nach. "Vielleicht werde ich bei den Frauen andeuten, ich möchte die Geschichte geheim halten, weil ich mich ein wenig in Mr Hsiang verliebt habe und es mir jetzt im Nachhinein ...

Sie hielt inne und dachte nach. "Vielleicht werde ich bei den Frauen andeuten, ich möchte die Geschichte geheim halten, weil ich mich ein wenig in Mr Hsiang verliebt habe und es mir jetzt im Nachhinein leidtut, meine Tugend verteidigt zu haben. Bei den Männern werde ich natürlich eine andere Herangehensweise wählen müssen."
"Dein unmoralischer Einfallsreichtum bei der Verfolgung deiner Interessen ist absolut schockierend", sagte Zacharias.
"Ja, nicht wahr?", fragte Prunella geschmeichelt.
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INHALT:
Zacharias Wythe ist erst seit Kurzem der Königliche Magier und er ist nicht gerade beliebt. Dass er afrikanischer Herkunft ist löst bei den anderen Zauberwirkern Misstrauen und Missgunst aus. Kein Wunder also, dass sie ihm den Mord an seinem Mentor anhängen wollen und ihn außerdem dafür verantwortlich machen, dass die Magie in Großbritannien schwindet. Zacharias macht sich auf die Suche nach dem wahren Grund und begegnet in einer Mädchenschule der jungen, dickköpfigen Prunella Gentleman. Diese hütet ein Geheimnis, dass England retten könnte - die beiden aber auch in große Gefahr bringt.

MEINE MEINUNG:
"Die Magier Seiner Majestät" ist der erste Band der "Sorcerer Royal"-Reihe und wird mit den Romanen Jane Austens verglichen - was seltsam anmuten mag, geht es doch um Zauberer. Tatsächlich kann man das Buch aber in das Regency-Genre einordnen, nur spielt eben auch ein bisschen Magie mit. Man merkt dem Schreibstil richtig an, wie viel Spaß die Autorin dabei hatte. Er ist altmodisch und teilweise etwas gestelzt, in vielen Momenten aber auch urkomisch. Die Erzählweise ist eher auktorial und begleitet nicht nur Zacharias und Prunella, sondern manchmal auch Nebenfiguren.

Zacharias ist ein Protagonist, dem ich ziemlich schnell Sympathien entgegen gebracht habe. Er wollte das Amt des Königlichen Magiers nie, aber er nimmt die Pflicht an und tut diese so gut er kann. Und obwohl er fast ausschließlich schlecht behandelt wird, lässt er seinen Ärger darüber doch nie an jemandem aus - was natürlich auch mit dem Anstand zu tun haben kann, der eben zur Zeit Napoleon Bonapartes galt. Der weibliche Gegenpart Prunella hat es mir dagegen oftmals eher schwierig gemacht. Eingeführt wird sie als starke, etwas aufmüpfige junge Frau. Bald 200 Seiten lang quält sich einen dann aber mit unglaublicher Oberflächlichkeit und Arroganz. Sie kann und weiß alles und ist sich dessen sicher, was mich ziemlich angestrengt hat. Zum Glück besinnt sie sich zum Ende hin wenigstens zum Teil, auch wenn ihre Eingebildetheit nicht nachlässt. Am Besten haben mir definitiv der unkonventionelle Damerell und Zacharias' Ziehmutter Lady Wythe mit ihrer gewitzten, gutmütigen Art gefallen.

Die Geschichte kommt anfangs recht träge ins Rollen und braucht ihre Zeit, um Wirkung zu entfallen. Es gibt viele Besprechungen, viele Diskussionen und bei dem Thema überraschend wenig Magie. Letzteres bleibt auch die meiste Zeit so. Trotzdem gelingt es der Autorin, einen immer wieder mit verspielten Details zu erfreuen, und ihre vielen absurden Einfälle, die als völlig normal dargestellt werden, entlocken einem immer wieder ein Lächeln. Schade ist, dass die Liebesgeschichte so kurz kommt. Entweder hätte sie weggelassen oder ausgebaut werden müsen - so kommt nicht auch nur ein Gefühl beim Leser an und Chemie entwickeln die beiden schon gar nicht. Dafür wird es auf den letzten 100 Seiten dann überraschend spannend und vor allem magisch. Endlich werden Geheimnisse gelüftet und überraschende Taten vollzogen. Das Ganze wird ziemlich gut abgeschlossen und lässt eigentlich keine Fragen offen. Ich könnte mir daher durchaus vorstellen, dass es in den folgenden Bänden um andere Charaktere geht.

FAZIT:
Anfangs war ich recht skeptisch, ob das Buch etwas für mich wäre - und habe daher auch lange gebraucht, um mich mit dem Stil und der Art der Erzählung anzufreunden. Es ist jedoch nicht zu verkennen, dass Zen Cho eindeutiges Talent hat und ihr witziger, origineller Stil lädt oft zum Schmunzeln ein. "Die Magier Seiner Majestät" ist weit weniger zauberhaft als vermutet, dafür detailreich und überraschend. Ein Fan von Regency-Romanen sollte man aber sein. Sehr knappe 4 Punkte!

Veröffentlicht am 01.02.2017

Klischeehaft, aber atmosphärisch dicht

Angstmädchen
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Ich hatte den Lappen aus den Putzsachen in dem Schrank geholt und gerade wieder einen Schritt in Richtung Bad gemacht, als ich eine plötzliche Bewegung wahrnahm, aufschrie und den Lappen fallen ließ. ...

Ich hatte den Lappen aus den Putzsachen in dem Schrank geholt und gerade wieder einen Schritt in Richtung Bad gemacht, als ich eine plötzliche Bewegung wahrnahm, aufschrie und den Lappen fallen ließ. Gleich hinter der Badezimmertür war der Spiegel zu sehen, er glitzerte schwach in dem matten Schein der Straßenlaterne vor dem Fenster. Und genau als ich mich umdrehte, hatte ich gesehen, wie sich drinnen im Spiegel etwas bewegte. Oder besser gesagt jemand.
Es hatte nur einen Augenblick gedauert, und durch die Dunkelheit im Raum war das Bild verschwommen, aber ich war dennoch sicher, etwas gesehen zu haben. Eine schemenhafte Gestalt in Weiß, die hastig von einer Seite des Spiegels zur anderen gehuscht war, gebückt und mit abgewandtem Gesicht.
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INHALT:
Malin erhält endlich ein Zimmer in einem Studentenwohnheim - ihr eigenes kleines Reich und damit keine Untermiete mehr bei der griesgrämigen Frau, bei der sie vorher wohnte. Die Freundin, die ihr beim Umzug hilft, ist begeistert vom Zimmer, insbesondere von dem angrenzenden Bad mit Badewanne. Doch Malin überkommt schnell ein ungutes Gefühl, das sich bestätigt, als sie etwas Schreckliches erfährt: Dass sich in dieser Badewanne ihre Vormieterin Yuko die Pulsadern aufgeschnitten und damit umgebracht hat. Bald geschehen seltsame Dinge - sie findet überall schwarze Haarbüschel, Wasserpfützen tauchen aus dem Nichts auf, der Fernseher schaltet von selbst um. Und als sie auch noch eine Gestalt in Weiß zu sehen beginnt, ahnt sie Böses. Yuko ist noch immer da. Doch was will sie?

MEINE MEINUNG:
Jenny Milewski vereint in "Angstmädchen" Thriller und Horror zu einem packenden und schaurigen Roman - auch wenn sie dabei kaum ein Klischee auslässt. Ein totes Mädchen? Check. Seltsame Vorkommnisse? Check. Unwissende Protagonistin? Check. Eine gruselige Gestalt mit langen schwarzen Haaren? Aber sowas von Check. Da ich jedoch ein furchtbarer Angsthase bin, hat mich das eher weniger gestört - vor allem, weil die Autorin das auf gelungene Weise mit japanischen Geistergeschichten verbindet, die einem nicht wenige Schauer über den Rücken jagen.

Malin ist eine zumeist glaubwürdige und sympathische Protagonistin, deren Gefühle nachvollziehbar sind - ihr Wunsch, akzeptiert und angenommen zu werden, ihre leise mitschwingende Einsamkeit, ihre schüchterne Art. Manchmal geht sie zu wenig aus sich heraus, sodass sie Gelegenheiten ungenutzt verstreichen lässt, aber es gibt auch immer wieder tolle Momente, in denen sie Verantwortung übernimmt. Ihre Mitbewohner sind leider eher Klischees, und auch, wenn sie einen manchmal zu überraschen wissen, hat man vom Nerd, vom Besserwisser oder von der Zicke schon oft genug gelesen. Yuko ist wohl die interessanteste und wichtigste Figur des Romans, aber man erfährt nur wenig über sie und ihre Hintergründe. Letztendlich ist das aber auch nicht so schlimm - denn wirkliche Antworten hätte das sowieso nicht gegeben.

Der Autorin gelingt es sehr schnell, eine bedrohliche und bedrückende Atmosphäre aufzubauen. Das geht schon damit los, wie erschrocken die Studenten beim Anblick von Malin sind, weil sie Yuko so ähnlich sieht. Die Vorkommnisse beginnen klein und unbedeutend, werden aber schnell immer heftiger und gruseliger. Ich gebe zu, ich hatte mindestens eine schlaflose Nacht, weil die Stimmung so intensiv war - obwohl man all das eigentlich aus jedem 08/15-Horrorfilm kennt, war es als Buch doch noch mal etwas anderes. Man darf aber nicht damit rechnen, zum Schluss komplett aufgeklärt zu werden. Es geht um Onryō, um japanisches Volkstum, das im Gegensatz zu modernen oder westlichen Geistergeschichten keinen Sinn hinter Erscheinungen sieht - sondern diese mehr hinnimmt. Das muss man mögen, sonst ist die Enttäuschung wohl unausweichlich. Ich finde den Gedanken interessant wie fürchterlich, weswegen der Schluss meiner Meinung nach perfekt zum Rest passt.

FAZIT:
Jenny Milewski erzählt eine schaurige, faszinierende Geistergeschichte, inspiriert von japanischer Folklore und ungemein spannend - auch wenn sie dabei so ungefähr jedes Stereotyp mitnimmt. Trotzdem konnte ich mich nicht losreißen und schlafen sowieso nicht. Wer auf der Suche nach Nervenkitzel ist, sollte es hiermit probieren. 4 Punkte!

Veröffentlicht am 29.01.2017

Spannende Abgründe, etwas unzureichende Motive

Alleine bist du nie
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Laute Rufe ertönen hinter mir, gefolgt von einem Knall und einem Aufschrei. Jetzt drehe ich mich doch um, bin aber immer noch bereit, jederzeit wieder loszurennen. Trotzdem fühle ich mich ein bisschen ...

Laute Rufe ertönen hinter mir, gefolgt von einem Knall und einem Aufschrei. Jetzt drehe ich mich doch um, bin aber immer noch bereit, jederzeit wieder loszurennen. Trotzdem fühle ich mich ein bisschen sicherer, da ich weiß, dass jetzt die Polizeizentrale alles mithört und bereits einem Streifenwagen meine GPS-Daten durchgegeben hat, sodass sie auf dem Weg zu mir sind.
Als ich es sehe, erstarre ich.
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INHALT:
Zoe Walker lebt eigentlich recht zufrieden: Sie hat einen einigermaßen gut bezahlten Job, auch wenn sie sich mit ihrem Chef nicht versteht, ihre Kinder werden langsam erwachsen und selbstständig, und mit dem liebevollen Simon führt sie eine glückliche Beziehung. Doch dann entdeckt sie eines Tages auf dem Weg von der Arbeit in einer Zeitung eine Annonce - in der ihr Foto abgedruckt ist und die zu einer Webseite führt. Ihre Familie vermutet zwar nur eine seltsame Ähnlichkeit, doch das ungute Gefühl bleibt. Und als sie dann auch noch Parallelen zu kürzlich geschehenen Verbrechen zieht, wird Zoe klar, dass diese Anzeige gefährlich ist. Und ihr Familienglück in arger Gefahr...

MEINE MEINUNG:
Claire Mackintosh war war selbst zwölf Jahre lang bei der Polizei - eine Tatsache, die man ihren Thrillern anmerkt. Endlich einmal agieren ihre Ermittler nicht wie ein konfuser und inkompetenter Haufen wie in vielen anderen Büchern, sondern machen gute und nachvollziehbare Arbeit. Hinzu kommen glaubwürdige Figuren und unerwartete Wendungen, die die Spannung die ganze Zeit über aufrecht erhalten. Garniert mit ihrem flüssigen, einfühlsamen Schreibstil legt sie mit "Alleine bist du nie" einen weiteren guten Roman vor, der sich dieses Mal mit dem Thema der permanenten Überwachung befasst.

Zoe ist die Protagonistin des Romans, mit der man sich durch ihre Normalität sehr gut identifizieren kann. Wie viele Menschen wünscht sie sich, mehr aus ihren Leben gemacht zu haben, nimmt die Dinge jedoch, wie sie kommen und ist durch ihre Familie auch durchaus zufrieden. Nachdem sie jedoch die Anzeige in der Zeitung entdeckt hat und ihr immer mehr seltsame Dinge auffallen, beginnt eine gewisse Paranoia - die man als Leser definitiv nachvollziehen kann. Der Gedanke, permanent beobachtet zu werden, ist gruselig und ihre Angst daher absolut realistisch. Eine weitere große Rolle im Buch nimmt die Polizistin Kelly ein, die mit Zoe gemeinsam als Erste die Verbindung zwischen den Anzeigen und verschiedenen Delikten erkennt. Ihre Willensstärke und ihr Mut werden manchmal etwas von ihrer Impulsivität untergraben, überwiegend ist sie jedoch ein gut ausgearbeiteter Charakter. Und auch die Nebenfiguren stehen dahinter kaum zurück: Zoes liebevoller, aber eifersüchtiger Lebensgefährte Simon; ihr oft schlecht gelaunter Sohn und ihre nach Anerkennung suchende Tochter oder auch Kellys Vorgesetzter, der viel weicher ist als er vorgibt - sie alle bereichern den Thriller und machen es so schwierig, den Täter herauszufiltern.

Den Protagonisten selbst geschieht die meiste Zeit über eigentlich nichts wirklich Schlimmes - durch die im Hintergrund lauernde Bedrohung und die Vermutung, dass jemand aus Zoes Bekanntenkreis dahinter steckt, lässt die Handlung aber trotzdem kaum mehr los. Immer mehr Details kommen ans Licht über Frauen, die durch die in der Zeitung erschienenen Annoncen und die dazugehörige Website in Gefahr geraten sind, sogar verletzt und getötet worden sind. Je deutlicher die Ausmaße des gefährlichen Handels mit Daten zutage treten, desto beklemmender wird auch das Lesen - denn wie sicher kann man sich sein, dass die Daten über einen selbst nicht auch in die falschen Hände gelangen? Tatsächlich lag ich auch mit meiner Vermutung über den Täter falsch und wurde durchaus von der Enthüllung überrascht, auch wenn mit dem Motiv ein wenig übertrieben wird. Der größte Clou erwartet die Leser jedoch im Epilog, der mit einem gewaltigen Plot Twist aufwartet...mich allerdings so gar nicht überzeugen konnte. Ohne wäre das Ende weitaus schlüssiger gewesen.

FAZIT:
Claire Mackintosh versteht es hervorragend, einen durch die glaubwürdige Ermittlungsarbeit und unvorhersehbare Ereignisse in den Bann zu ziehen - das gelingt ihr nach ihrem sehr guten Debüt auch bei "Alleine bist du nie" erneut. Das Motiv des letztendlichen Täters und insbesondere der Plot Twist - so überraschend er auch war - haben mir aber eher weniger gefallen. Für die spannende Lektüre gibt es allerdings trotzdem sehr gute 3,5 Punkte.

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