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Kolumna_Liest

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Veröffentlicht am 11.07.2021

Ein echter Schorlau - diesmal in Italien

Der Tintenfischer
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"Der Tintenfischer" hat alles, was man von Schorlau - hier in Zusammenarbeit mit Claudio Cajolo - erwartet und lesen will. Hochaktuelle Themen (und damit meine ich nicht Corona, was im übrigen nur in einer ...

"Der Tintenfischer" hat alles, was man von Schorlau - hier in Zusammenarbeit mit Claudio Cajolo - erwartet und lesen will. Hochaktuelle Themen (und damit meine ich nicht Corona, was im übrigen nur in einer netten Zugabeschichte wirklich thematisiert wird, ansonsten als Alltag im Buch stattfindet) gepaart mit einem guten Spannungsaufbau und einer einschmeichelnden Schilderung der Örtlichkeiten nehmen die/den geneigten Leser:in mit nach Norditalien und auch wieder nach Sizilien. Hier schaffen es die Autoren, den/die Leser:in regelrecht mit in das italienische Leben zu nehmen. Wobei die Spannung ganz und gar nicht zu kurz kommt. Der eingängige Schreibstil macht es leicht, dem Geschehen zu folgen und führt dazu, dass man gerne weiterliest. Wobei sich doch der ein oder andere Wermutstropfen einschleicht, denn ab und an gibt es Stereotype, die nicht unbedingt mein Fall sind. Logkfehler leistet sich Schorlau m. E. nicht, auch wenn das der eine oder die andere Leser:in anders sehen mag. Insbesondere an einer Szene scheiden sich die Geister - Stichwort offene Autotür/ Schlüssel stecken lassen - wobei auch das nachvollziehbar ist, wenn man sich gedanklich in diese Situation begibt (sollte man wirklich sein Auto abschließen, wenn man eine schnelle Fluchtmöglichkeit braucht?).

Was dem Leser, der hier mit Band zwei der neuen Reihe einsteigt, verborgen bleibt, ist, ob Anna Klotze tatsächlich eine Deutsche ist und warum sie dann in Italien ermittelt, und, und das ist mir mit der Zeit mächtig auf die Nerven gegangen, warum sie immer mit "Anna Klotze" benannt wird, sobald sie auftaucht, und nicht einfach mit ihrem Titel oder Nachnamen oder Vornamen etc. Ich konnte dafür jedenfalls keine Erklärung finden. Aus diesen genannten Gründen reicht es dann doch nicht zur vollen Punktzahl.

Dass man sich insbesondere beim venezianischen Setting an Donna Leons Brunetti erinnert fühlt, wundert nicht. Zu ähnlich ist die Questura aufgebaut. Insbesondere die Sekretärinnen sowie der (Vize-) Questore erinnern stark an Leons Figuren. Dann ist Schorlaus Commissario Morello doch wesentlich politischer angelegt als Leons Brunetti. Und das macht dann schon einen großen Unterschied.

Zusammenfassend empfehle ich das Buch. Es bringt Spannung, Lokalkolorit, aktuelle Themen gepaart mit einer unterhaltsamen Schreibe mit. Man kann dem zweiten Band auch gut folgen, wenn man den ersten (noch) nicht gelesen hat.

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Veröffentlicht am 21.06.2021

Ein spannendes Frauenleben abseits der Konventionen im 17. Jahrhundert

Frau Merian und die Wunder der Welt
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Ach Maria Sibylla - was mach ich nur mit dir seufz Maria warst du immer für mich, wenn es um dein Privatleben ging; zu Sibylla mutiertest du, wenn es um deine Forschungsarbeiten und deine Gabe ging. Leider ...

Ach Maria Sibylla - was mach ich nur mit dir seufz Maria warst du immer für mich, wenn es um dein Privatleben ging; zu Sibylla mutiertest du, wenn es um deine Forschungsarbeiten und deine Gabe ging. Leider war es mir dann etwas zu wenig Sibylla und zu viel Maria. Es wäre so schön gewesen, viel tiefer in die Farben, Formen, Gerüchen, feinen Zeichnungen einzutauchen, sich sogar vielleicht mal kurz darin zu verstricken. Die Autorin hat dazu das Potential, den geneigten Leser und die interessierte Leserin darin versinken zu lassen, wie sie im Prolog bewiesen hat. Das zugunsten der Beschreibung des tatsächlichen Lebens der Maria Sibylla Merian noch mehr auszuarbeiten und dafür etwas weniger fiktive Liebesgeschichte, wäre wunderbar gewesen. Nichts desto trotz bekommt man einen schönen Einblick in die Lebensgeschichte der Maria Sibylla Merian, die viel zu wenig bekannt ist. Und auch der Einblick in das Leben der Frau im 17. Jahrhundert ist mehr als interessant (btw. ich bin froh, dass die Autorin ihrer Protagonistin auch im Alter von Ü50 noch ein Sexualleben zugesteht. Da gibt es ein anderes Buch, bei dem wird die Protagonistin Ü50 als "alte Frau" bezeichnet). Ruth Kornberger kann auf jeden Fall schreiben und sollte das auch weiterhin tun. Und so am Rande: wenn zwischendurch noch Insektenzeichnungen der echten Maria Sibylla Merian die Texte ergänzt hätten, würde das Buch noch wertiger daher kommen.

Von mir gibt es noch 4 von 5 Punkten, denn 3 Punkte wären dann doch zu schwach bewertet. Und es lohnt sich durchaus, dieses Buch über die Maria Sibylla Merian zu lesen.

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Veröffentlicht am 02.06.2021

Identität und Familie

Viktor
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>(Seite 144 Mitte)
In diesem Zitat steckt ziemlich viel von dem, um das es in dem biographischen Roman von Judith Fanto geht. Dieses Buch erzählt etwas über Identität, etwas über Familie, etwas ...

<< "Meine eigene Mutter fühlt sich zurückgesetzt, weil ein Rabbiner nicht glaubt, dass sie jüdisch ist. Haha!" Meine Mutter fegte ein paar nicht vorhandene Krümel vom Tisch. "Ich fühle mich dadurch nicht zurückgesetzt. Es regt mich nur auf, wenn jemand meint, bestimmen zu können, ob ich Jüdin bin oder nicht. Ob ich das sein will, bestimme immer noch ich selbst!" >>(Seite 144 Mitte)
In diesem Zitat steckt ziemlich viel von dem, um das es in dem biographischen Roman von Judith Fanto geht. Dieses Buch erzählt etwas über Identität, etwas über Familie, etwas über Geschichte, etwas über Musik und vieles mehr. Fanto gelingt es mit ihrem Stil, schwere Kost mit einer gewissen Leichtigkeit und Humor daherkommen zu lassen, was das Buch umso intensiver macht. Und was vermutlich auch eher Betrtoffene machen dürfen.
Was mich als erstes für das Buch eingenommen hatte, war die doch eher ungewöhnliche Zeiteinteilung nach Mahler - in Fantos Familie wurden Ereignisse hauptsächlich nach dem Schaffen Gustav Mahlers datiert. Allein damit schafft sie es, dem Text eine gewissen Leichtigkeit zu geben, die bei dem Thema Judentum im letzten Jahrhundert nicht unbedingt gegeben ist. Hinzu kommt ein eingängiger Schreibstil, der es leicht macht, den Text aufmerksam zu lesen. Und Aufmerksamkeit ist durchaus vonnöten, denn es gibt viele Personen - wie das bei Familie eben so ist mit Urgroßeltern, Großeltern, Geschwistern, Tanten, Onkel usw.. Und wegen der zwei Zeitstränge, in denen das Buch erzählt wird. Hier tat ich mir anfangs schwer, die einzelnen Kapitel entweder Judith oder Viktor zuzuordnen. Aber nachdem ich mich in das Buch eingefunden hatte, war auch dies kein Problem mehr.
Was mich jedoch etwas ratlos lässt, ist die Frage, wie es zu dem Cover gekommen ist. Ich finde es für sich genommen wirklich sehr schön und einen Eyecatcher. Allerdings konnte ich keine Verbindung zum Inhalt finden. Aber das mag dann auch im Auge des Betrachters liegen.
Von mir bekommt "Viktor" die volle Punktzahl und eine eindeutige Leseempfehlung. Ach ja, wem der "Twist" am Ende des Buches zu aufgesetzt wirkt, sollte sich vergegenwärtigen, dass es sich um die autobiographische Geschichte der Autorin handelt. Womit dann wieder einmal bewiesen wäre, dass die unglaublichsten Geschichten immer noch das Leben selbst erzählt.

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Veröffentlicht am 16.05.2021

Meine Wohlfühlzone

Lange Schatten über der Côte d'Azur
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Mit Kommissar Duval befinde ich mich wieder einmal in meiner Wohlfühlzone. Ich mag einfach Bücher, die mich auf nette Weise unterhalten, bei denen ich etwas über die Umgebung erfahre, die Charaktere auch ...

Mit Kommissar Duval befinde ich mich wieder einmal in meiner Wohlfühlzone. Ich mag einfach Bücher, die mich auf nette Weise unterhalten, bei denen ich etwas über die Umgebung erfahre, die Charaktere auch ihre Macken haben und mit dem Fall verbandelt auch gerne Ausflüge in die ältere und jüngere Geschichte. Da alles liefert mir Christine Cazon mit ihrem Kommissar. Obwohl dies bereits der achte Fall ist und ich noch keinen der früheren Fälle gelesen habe, hatte ich kein Problem damit, mich mit den Figuren zurecht zu finden. Bei dem diesmal vorherrschenden Thema (Nazi-Zeit und Judenverfolgung) schreibt die Autorin so, dass die Aussagen und Reaktionen aus der heutigen Zeit zum Thema (Negierung von Anti-Semitismus bspw.) logisch nachvollziehbar wenn auch erschreckend sind. IN manchen Abschnitten hätte es zwar etwas weniger Geschichtsunterricht sein dürfen, denn da wurde die Geschichte dann schon etwas langatmig. Dafür haben mich die Beschreibungen mit Säugling doch richtig gut unterhalten. Gut, das spricht jetzt nicht für einen spannenden Thriller - aber das will das Buch ja auch nicht sein. Es hatte für mich genau den Effekt, den ich mir erhofft hatte: mal etwas abtauchen und entspannen. Dabei ist es vom Schreibstil her angenehm und auch der logische Aufbau ist wohltuend vorhanden. Unter diesen Gesichtspunkten hat sich Kommissar Duval seine vier von fünf Sternen redlich verdient. Und wenn mir wieder nach entspannen ist, kann es gut passieren, dass ich zu einem anderen Fall von und mit Duval greife.

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Veröffentlicht am 16.05.2021

Ein Lese-Highlight 2021

Lady Churchill
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(Seite 336 unten) Winston drückt meine freie Hand und sagt: „Wie ich bereits vor vielen Jahren sagte: Du bist meine Geheimwaffe.“
Und genau dies machte Lady Clementine, geborene Hozier, zeit ...

<> (Seite 336 unten) Winston drückt meine freie Hand und sagt: „Wie ich bereits vor vielen Jahren sagte: Du bist meine Geheimwaffe.“
Und genau dies machte Lady Clementine, geborene Hozier, zeit ihres Lebens zu schaffen. Sie wusste schon früh, dass es ihre Aufgabe war, Winston nicht nur zu stützen sondern auch ein Stück weit zu lenken. Was aber sowohl im Widerspruch zu der damaligen (und auch heutigen) Rolle der Frau in der Gesellschaft stand als auch ihren eigenen Ansprüchen an sich als Mutter. So ist es nicht verwunderlich, dass sie selbst immer an sich und ihren Fähigkeiten als Mutter zweifelte – im Gegensatz zu ihren Fähigkeiten auf dem politischen Parkett, die sie nie in Frage stellte.
Marie Benedict gelingt es in meinen Augen schon fast genial, diese Zerrissenheit in ihrem Buch über Lady Churchill darzustellen. Was bei mir auch immer noch nachhallt, ist die Frage, die sich schon ziemlich zu Beginn des Buches bei mir aufgetan hat: „Ist es für Frauen heute wirklich so anders?“ Schaut man sich die Diskussionen um die Kanzlerkandidatur Annalena Baerbocks an, möchte man schon fast schreien: „Es hat sich nichts geändert!“. Und ja, selbst die Schilderungen, in denen Clementines Schwester, Cousine, Freundin oder wer auch immer aus ihrem näheren sozialen Umfeld sie auf ihr „unweibliches“ Verhalten hinweisen, finden auch heute noch allenthalben statt. Nicht? Doch – man höre nur einmal genau hin, wenn solche Themen im Alltag diskutiert werden. Ich weiß nicht, warum mich das so beschäftigt, aber es beschäftigt mich immer noch.
Was dieses Buch für mich noch reizvoll macht, ist die Tatsache, dass die Geschichte nicht zu kurz kommt. Dass Churchill während und nach dem WK II eine tragende Rolle im Weltgeschehen gespielt hat, dürfte hinlänglich bekannt sein. Dass er aber schon vorher DER aufgehende Stern am politischen Commonwealth-Himmel gewesen ist, der jäh abstürzte, war mir nicht präsent.
Die Tagebuch-Form, in der das Buch geschrieben ist, lässt den Leser tief in das Leben der Churchills einsinken. Für mich ist das noch eine Stärke des Buches, diese Ich-Form, die alles noch intensiver macht. Es zeigt auch eine tiefe Liebe, die zwischen den Eheleuten geherrscht haben muss. Denn so ein Vertrauen, das hier beschrieben wird, ist nur möglich, wenn man sich wirklich zugetan ist. Winston erkannte schon früh, dass er mit einer Frau an seiner Seite, die den gesellschaftlichen Normen entsprach, nicht glücklich werden würde. So ist es nicht verwunderlich, dass ihn Clementine mit ihrem doch eher unangepassten Wesen – wovor sie sich selbst erschreckte – reizte; hatte er doch den Eindruck, dass sie das Gegenstück mit Verstand und Meinung war, das er brauchte.
Marie Benedict verhilft mit ihrem Roman dieser weitgehend unbekannten aber äußerst wichtigen Person in Churchills Leben hoffentlich zu der Anerkennung, die ihr zusteht. Clementine Churchill, geborene Hozier, war ihrer Zeit immer voraus und kann durchaus als Vorbild dienen. Auch wenn man sich unter einer emanzipierten Frau heute vielleicht etwas anderes vorstellen mag.
Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch, dass das Buch sehr flüssig geschrieben ist, mit nachvollziehbaren Gedankengängen der Protagonistin. Oder die Übersetzung ist sehr gut geworden. Hier möchte ich ein großes Lob an Marieke Heimburger aussprechen, denn wenn ein übersetztes Buch es schafft, solche Emotionen hervor zu rufen, ist es gut übersetzt.
Von mir bekommt „Lady Churchill“ von Marie Benedict 5 von 5 Sternen und die ganz persönliche Auszeichnung „Lese-Highlight 2021“

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