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Veröffentlicht am 12.07.2022

Geistreich, unterhaltsam und voll mit wertvollen Denkanstößen

Von hier betrachtet sieht das scheiße aus
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"Von hier betrachtet sieht das scheiße aus", der Debütroman von Autor Max Osswald, sticht bereits durch seinen Titel aus der Menge heraus. Und der Name ist Programm:
Ben Schneider (29) ist im Leben festgefahren. ...

"Von hier betrachtet sieht das scheiße aus", der Debütroman von Autor Max Osswald, sticht bereits durch seinen Titel aus der Menge heraus. Und der Name ist Programm:
Ben Schneider (29) ist im Leben festgefahren. Genauer noch befindet er sich in einer ermüdenden Endlosschleife aus Belanglosigkeit und Erschöpfung. Erschöpfung durch die immer gleichen Sorgen, die immer gleiche Arbeit in der seelenvernichtenden Wirtschaftsprüfungskanzlei und die immer gleiche, allumfassende Einsamkeit, die in seinem Leben Einzug gehalten hat.
Aber Ben hat die Schnauze voll von diesem "Kreislauf beschwerlicher Scheiße" und trifft einen folgenschweren Entschluss: Er will sterben.
Und noch eine Sache steht fest: Sein Tod soll keineswegs so mittelmäßig werden, wie sein Leben. Also engagiert Ben einen Auftragskiller, der ihn in genau 50 Tagen die Lichter ausknipsen soll.
Klingt düster? Ist es auch. Max Osswald hat sich hier ein sehr ernstes Thema zum Schreiben gewählt und trifft damit genau den Zahn der Zeit. In einer Gesellschaft, die uns bereits von Klein auf einzutrichtern versucht, das Geld und Karriere der Maßstab allen Seins sind und die Chancen im Leben an die eigene Leistung und Produktivität gebunden sind, haben sicher schon so einige im Laufe ihres Lebens an ihrem Werdegang gezweifelt und sich auf die Suche nach persönlichen Glück begeben.
In einer ganz ähnlichen Ausgangslage begegnen wir dem Protagonisten dieses Romans. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass Ben vom Leben nichts mehr erwartet. Mit seinen 29 Jahren ist er verbittert, von Zynismus zerfressen und hat sich jedwedes Schönreden erfolgreich abtrainiert. Für ihn gibt es nur die gnadenlose, zuweilen bitterböse und ungefilterte Wahrheit. Doch genau diese kompromisslose Ehrlichkeit des Protagonisten gibt dem ganzen Roman eine herrlich humorvolle Note.
Mir hat „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ wirklich gut gefallen und ich finde es ist ein außergewöhnliches und beeindruckendes Roman-Debüt. Es ist diese Kombination aus Düsternis und humorvoller Spitzzüngigkeit, die mir auf Anhieb gefallen hat.
Der Schreibstil ist packend und modern und die Seiten fliegen binnen kürzester Zeit nur so dahin. Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen, weil ich es nicht beiseitelegen könnte.
Ich sollte dabei erwähnen, dass sich Osswald sehr expliziter Sprache bedient (was angesichts des Titels keine Riesenüberraschung ist) und damit vielleicht nicht jedermanns Geschmack trifft. Meiner Meinung nach hat das aber auch sehr gut zum Charakter der Geschichte und des Protagonisten gepasst.
Zuletzt haben mir auch die Kapitel und einzelne Gestaltungselemente im Buch sehr gefallen, sozusagen das Tüpfelchen auf dem i.

Geschrieben wird in der Ich-Perspektive, sodass man uneingeschränkten Zugang zu den Gedanken und Gefühlen Bens bekommt. Das fand ich super, denn so erhält seine Figur schnell Kontur und wird nahbarer. Dadurch wurde es auch um einiges leichter seinen düsteren Gedanken zu folgen und sich in ihn hineinzuversetzen. Mit seiner sarkastischen und der negativen Grundeinstellung wirkt er zwar nicht immer sympathisch, aber als Figur sehr echt.
Ben ist in der Tat ein außergewöhnlicher Protagonist und hat eine sehr mitreißende Entwicklung gemacht. Von seiner anfänglichen Lähmung durch die Last seines eigenen Lebens beginnt er in seinen letzten 50 Tagen weitere drastische Veränderungen vorzunehmen und scheint sich dabei nach und nach aus seinem Käfig zu befreien. Dabei fand ich wirklich gut, dass der Autor hier auf jedwede rosarot geschmückte Szene neuentfachter Lebensfreude verzichtet hat und Ben sich stattdessen langsam und ausführlich mit seiner Situation befassen musste.
Dabei ergibt sich so manch eine überraschende Situation oder neue Begegnung, die auch den Leser den ein oder anderen Denkanstoß mit auf den Weg gibt.
Unterm Strich ist „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ ein sehr gelungenes Erstlingswerk. Kurzweilig und doch ungewöhnlich lädt es seine Leser ein auf eine Suche nach den Sinnbringenden Dingen des Lebens und macht Mut sein Leben einzig nach den eigenen Ansprüchen und Wünschen auszugestalten.
Ich hoffe, wir werden noch einiges von Max Osswald hören, bis dahin kann ich aber nur jedem nahelegen, diesem Roman eine Chance zu geben.

Veröffentlicht am 17.05.2022

Richtig gute Hör-Unterhaltung

Affenhitze (Ein Kluftinger-Krimi 12)
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Affenhitze von Volker Klüpfel und Michael Kobr ist ein Krimi, den man diesen Sommer auf keinen Fall verpassen sollte. Vor dem malerischen Hintergrund der Allgäuer Postkartenidylle begleiten wir den urigen ...

Affenhitze von Volker Klüpfel und Michael Kobr ist ein Krimi, den man diesen Sommer auf keinen Fall verpassen sollte. Vor dem malerischen Hintergrund der Allgäuer Postkartenidylle begleiten wir den urigen Interims-Polizeipräsidenten Kluftinger auf seinem inzwischen zwölften Fall. Das Interesse am beschaulichen Allgäu ist groß, nachdem bei Ausgrabungen in einer Tongrube das berühmte Skelett des Urzeitaffen „Udo“ ausgegraben wurde. Nur größer wird die Aufregung als der für die Ausgrabung Verantwortliche, Professor Brunner, selbst zum Ausgrabungsobjekt wird. Verscharrt unter einem Schaufelbagger, wirft der allgemein unbeliebte Tote nun eine Menge Rätsel auf, die nur Kluftinger zu lösen vermag.
Eigentlich hat dieser privat schon genug um die Ohren und auch die brütende Hitze gibt nicht viel Anlass vor die Tür zu gehen, aber das ist natürlich kein Grund für den erfahrenen Ermittler, sich nicht auf die Suche nach dem Mörder zu begeben.
Für mich war es das erste (Hör-)Buch dieses Autoren-Duos und damit auch meine erste Begegnung mit Kommissar Kluftinger. Was soll ich sagen? Ich werde mir ziemlich sicher noch weitere Fälle suchen. Ob es ein „typischer Klufti“ ist, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber als eigenständig betrachteter Krimi, hat mir das Hörbuch doch viel Freude bereitet.
Die ungekürzte Fassung kommt auf eine Dauer von ca.16 Stunden und 36 Minuten (bei normaler Hörgeschwindigkeit) und hat damit, finde ich, eine wirklich gute Länge. Gelesen wird „Affenhitze“ von den beiden Autoren selbst, mit der Unterstützung der unverkennbaren Stimme Martin Umbachs.
Diese Kombination hat mich sehr glücklich darüber gemacht, mich für die Hörbuchfassung entschieden zu haben, denn es sind die Sprecher, die dem Buch das Gewisse etwas verleihen. Die Dialekte der Protagonisten, sowie die humorvollen Dialoge und Interaktionen zwischen ihnen, entfalten damit erst ihre volle Wirkung. Die spürbare Leichtigkeit der Sprecher tut ihr übriges, um dieses Buch zu einem astreinen Hörerlebnis zu machen.

Zum Inhalt möchte ich eigentlich gar nicht zu viel schreiben. Der eigentliche Kriminalfall ist spannend ausgearbeitet und überrascht mit seinen Wendungen. Besonders gefallen hat mir aber, dass es eben nicht „nur“ Ermittlung ist, sondern auch viel Drumherum, wie etwa die privaten Hürden, die Kluftinger zu nehmen hat. Das kreiert eine ganz andere Atmosphäre beim Hören/ Lesen und trägt nach meinem Empfinden auch sehr zum Unterhaltungsfaktor bei. „Affenhitze“ hatte für mich viel von einem Cozy-Crime-Buch, was ich bei dem Cover irgendwie nicht erwartet habe. Das war eine schöne Überraschung.
Insgesamt hat mich das Hörbuch durch seine interessante Handlung, die einfallsreichen, lebendig ausgearbeiteten Figuren, aber vor allem die wunderbare Darstellung der Sprecher sehr begeistern können!

Veröffentlicht am 04.05.2022

Faszinierend, erschütternd und unglaublich eindrucksvoll.

Firekeeper's Daughter
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Tauchen wir ein in eines der zweifellos besten und aufregendsten YA-Highlights dieses Jahres. „Firekeeper’s Daughter“ ist das beeindruckende Debut von Angeline Boulley und spielt in Sault Ste. Marie, auf ...

Tauchen wir ein in eines der zweifellos besten und aufregendsten YA-Highlights dieses Jahres. „Firekeeper’s Daughter“ ist das beeindruckende Debut von Angeline Boulley und spielt in Sault Ste. Marie, auf der oberen Halbinsel von Michigan, inmitten der indianischen Ojibwe-Gemeinschaft. Es erzählt die Geschichte der 18-jährigen Daunis Fontaine.
Ihre Welt teil sich in zwei Teile. Die weiße, gutbürgerliche Familie ihrer Mutter und die Ojibwe-Seite ihres Vaters. Sie ist das Kind eines Skandals und obwohl Daunis eine tiefe Verbundenheit mit ihrem indianischen Erbe hat, gehört sie dennoch nicht zum Stamm. Sie ist auffallend blass, fühlt sich von keiner Gemeinschaft wirklich akzeptiert, eine Außenseiterin, die kürzlich ihren Traum von einer vielversprechenden Sportkarriere verloren hat. Zuletzt zwingen sie schwere Schicksalsschläge in ihrer Familie dazu, ihre Pläne für das College zu ändern. Statt an der University of Michigan zu studieren, entschließt sie sich zu bleiben. Bei ihrer Mutter. Ihrem Eishockey-Star-Halbbruder Levi. Und ihrer besten Freundin Lily. Mit ihren Liebsten um sich, erschafft Daunis sich ein neues Normal.
Eine aufregende Ergänzung in diesem neuen Normal ist auch der neue, attraktive Spieler Jamie, der das Eishockeyteam ihres Bruders verstärken soll. Er ist mysteriös mit seiner sonderbaren Narbe und noch dazu gefährlich charismatisch, aber er ist auch verschlossen und scheint voller Geheimnisse zu stecken. Aber wie das mit Geheimnissen so ist, finden sie immer einen Weg hervorzubrechen und als ein weiterer fataler Schlag Daunis Leben erschüttert, muss sie von Grund auf überdenken, wem sie überhaupt noch trauen kann.
Die ersten Kapitel lassen den Leser in Daunis Leben und Geschichte eintauchen, in ihre enge Beziehung zu ihrem über-beschützenden Bruder und dem Rest ihrer indigenen Familie, einschließlich ihrer knallharten Tante Teddie. Man liest über die historischen Gräueltaten und den Rassismus, die die schmerzhafte Geschichte der Stämme geprägt haben, und erhält einen Einblick in die Kultur, die Strukturen, die zeitgenössische Politik, die traditionelle Medizin, die Rituale, die Zeremonien, die Stammesältesten und die alltäglichen Interaktionen in der Gemeinschaft und in der Familie.
Während diese Aspekte im Laufe der Handlung mehr Substanz bekommen und facettenreicher ausgestaltet werden, entwickelt sich auch der Hauptplot in eine fesselnde Richtung, überrascht mit spannenden Wendungen und gut durchdachten Szenen. Ich habe einige Kapitel gebraucht, um mich wirklich in der Geschichte einzufinden, aber nachdem dieser Punkt erreicht war, war es sehr schwer das Buch aus der Hand zu legen. Der Schreibstil ist sehr bildlich und führt einen in einem guten Tempo durch die Handlung. Auch ist mir sehr positiv aufgefallen, wie geschickt die Autorin rhetorische bzw. sprachliche Stilmittel eingebaut hat. Man kann sehr schnell herauslesen, dass Boulley ihr Handwerk versteht. Es gibt viele gute Schreiber da draußen, aber es ist immer wieder schön, ein Buch in die Hände zu bekommen, dass sprachlich etwas raffinierter ist.
Die konsequente Einbeziehung der Anishinaabe-Sprache war (nach einer gewissen Eingewöhnungszeit) auch eine wirkliche Bereicherung, wobei eingangs ein Hinweis auf das Glossar schon hilfreich gewesen wäre.
Daunis ist als Protagonistin sehr spannend. Sie ist wirklich stark und für ihr doch sehr junges Alter wirklich Widerstandsfähig, bedenkt man alles, was sie in kurzer Zeit durchmachen muss. Auch ihr Verständnis von Eigenliebe und Selbstwert ist etwas, was ich mir für mehr Protagonistinnen wünschen würde, die gerade jungen Leserinnen zum Vorbild werden können.
Interessanterweise ist Daunis Trauma bzw. ihre Traumata aber eher ein Sub-Plot der Geschichte, daher fühlt es sich teilweise unausgewogen an, wie schnell sie gewisse Dinge beiseiteschiebt und weiteragiert, als hätte sie nicht gerade erlebt, was sie erlebt hat. Es ist schwierig, weil das Buch vorrangig eine Kriminalgeschichte erzählt, die entsprechend Raum einnimmt und da bleibt nur begrenzt Raum, um bei schwierigen Themen in die Tiefe zu gehen. Boulley spricht wichtige und essentielle Probleme an, wie die anhaltende Gewalt gegen indigene Frauen und auch die Art und Weise wie das Justizsystem sie übersieht und abwertet, aber es ist und bleibt eine Gratwanderung. Ich finde sie hat hier einen guten Weg gefunden, auf diese Dinge aufmerksam zu machen, aber ich bin sicher, dass es genug Leser
innen geben wird, die anders empfinden und denen dieses an-der-Oberfläche-kratzen weniger gefallen wird.
Wichtig zu erwähnen ist, dass dieses Buch keine Triggerwarnung beinhaltet. Es behandelt Themen wie Verlust, Tod, Gewalt (insb. sexuelle Gewalt) und Substanzmissbrauch. Da manche Leser auf solche Themen sensibel reagieren können, wäre es nur verantwortungsvoll und angemessen darauf hinzuweisen, bevor diese von der Handlung überrumpelt werden.
„Firekeeper’s Daughter“ hat bei mir irgendwie einen Nerv getroffen. Ich bin so froh, dass ich die Gelegenheit hatte in diese Geschichte, diese Kultur mitsamt ihrer Traditionen, Sprache, Geschichte und Weisheit einzutauchen. Die starken und vielschichtigen Charaktere waren die grundlegende Stärke dieses Romans. Die intensiven Hintergrundgeschichten, die tiefgehende Darstellung der Community, insbesondere des Stammesrats ermöglichen einen beispiellosen Einblick in eine wunderschöne Kultur, die ich bisher nie auf so einer Ebene kennenlernen durfte. Die Lebendigkeit und Widerstandsfähigkeit der in diesem Buch dargestellten Gemeinschaft hat mich sehr berührt und ich habe große Hochachtung davor, wie viele Aspekte die Autorin in dieser Geschichte untergebracht hat.
Ich glaube nicht, dass dieses Buch ausnahmslos für jeden geeignet ist, weil es für einen vielleicht zu viele Handlungsstränge hat, einem anderen könnte die emotionale Aufarbeitung nicht zusagen oder wieder einem sind die Beziehungen zu verworren. Trotzdem kann ich aber nur jedem nahelegen, es zumindest zu versuchen. Für mich war „Firekeeper’s Daughter“ aber einer der besten Jugendromane den ich seit langem gelesen habe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.04.2022

Ein Auftakt der wirklich Lust macht mehr in diese Prequel Reihe einzutauchen

Rokesby - Der Earl mit den eisblauen Augen
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Die Familien Rokesby und Bridgerton sind nicht nur Nachbarn, sondern seit Jahren die engsten Freunde. Die einen gibt es nicht ohne die anderen, das gilt besonders für die unzertrennlichen Kinder der Familie. ...

Die Familien Rokesby und Bridgerton sind nicht nur Nachbarn, sondern seit Jahren die engsten Freunde. Die einen gibt es nicht ohne die anderen, das gilt besonders für die unzertrennlichen Kinder der Familie. Und so war eigentlich schon seit ihren Kindertagen klar, dass Billie, die älteste Tochter aus dem Hause Bridgerton eines Tages entweder Edward oder Andrew Rokesby heiraten würde. Einer ihrer besten Freunde würde schon einen passenden Ehemann abgeben. Hauptsache es wird nicht George, der älteste Sohn der Rokesbys. Er ist arrogant und unnahbar, immer vernünftig und distanziert. Er ist das genaue Gegenteil von Billie.
Doch als sich die beiden unverhofft in einer Zwangslage wiederfinden, scheinen sich die Dinge zwischen ihnen irgendwie zu verändern und auf einmal ist Billie gar nicht mehr so sicher, ob sie den attraktiven Earl wirklich so unausstehlich findet.
Die Idee, dass Julia Quinn uns mit Geschichten über die Vorfahren der Bridgertons beliefern wollte, fand ich sehr spannend, daher war es für mich nur eine Frage der Zeit, dass ich mich auch an die Rokesby-Reihe wage. Ach und was soll ich sagen, dieser erste Teil hat einfach nur Spaß gemacht.
Er ist kurzweilig und leichtgängig sodass man binnen kürzester Zeit vollkommen in der Geschichte abtauchen kann und ab da fliegen die Seiten nur so dahin. Der Schreibstil der Autorin überzeugt, wie gewohnt durch seine dynamische und humorvolle Art und auch die Protagonisten sind in meinen Augen ausgesprochen gut ausgefallen.
Besonders Billie ist einfach eine Naturgewalt. Sie ist definitiv kein zartes Mauerblümchen oder die schüchterne Debütantin, sondern ganz genau das, was man von einer Bridgerton-Tochter erwarten würde. Sie ist wild, aufgeweckt, schlagfertig und lässt sich nicht so leicht herumschubsen. Sie denkt nicht wirklich nach bevor sie handelt, was sie das ein oder andere Mal durchaus in die Bredouille gebracht hat, aber von banalen Dingen wie einem verstauchten Knöchel lässt sich eine Billie Bridgerton nicht einschränken. Neben ihrer sorglosen und lebhaften Art ist sie aber auch überaus intelligent und engagiert, besonders wenn es um die Verwaltung von Aubrey Hall geht, dem Familiensitz der Bridgertons.
Womit Billie hingegen gar nichts am Hut hat, sind romantische Gefühle. Umso amüsanter war es zu lesen, wie sich ihre Gedanken und Gefühle gegenüber George allmählich verändern und wie sie mit diesen Veränderungen umgeht.
George Rokesby ist so ziemlich das genaue Gegenteil von Billie Bridgerton. Er soll eines Tages den Titel seines Vaters erben, Earl werden und den Landsitz der Rokesbys verwalten. Und obwohl er seine Rolle mit allem Verantwortungsbewusstsein erfüllt, trifft ihn doch jedes Mal ein Stich, wenn er daran denkt, wie gerne er wie seine Brüder für Krone und Vaterland kämpfen würde.
Es ist nicht so, dass er erst in die Rolle hineinwachsen muss, sondern eher, dass er lernen muss, sie und ihre Besonderheit anzunehmen, als das was es ist. Dabei ist ihm besonders Billie eine unerwartete Hilfe, weil sie so viel Freude und Erfüllung in der Rolle als Gutsverwalterin findet.
Überhaupt ergänzen sich George und Billie wirklich gut, besonders nachdem sie sich eingestehen, dass sie sich doch gar nicht so schrecklich finden.
Auch die Nebencharaktere dieser Geschichte sind für mich ein voller Volltreffer. Ich weiß gar nicht wer mir besser gefallen hat. Die beiden Mama’s, die von ihren Kindern sträflich unterschätzt werden. Georgiana, Billies kleine Schwester, die sich zur allseitigen Verwunderung aus ihrem Schneckenhaus schält oder Andrew, der sich mit seiner spitzbübischen, unverbesserlichen Art sofort zum Favoriten mausert. Einerseits runden sie alle die Geschichte ab und gleichzeitig verleihen sie ihr auch die Substanz und Konturen, die ansonsten sehr gefehlt hätten.
Im Hinblick auf die Handlung hat die Autorin jetzt nicht direkt das Rad neu erfunden, aber es funktioniert und das war für mich die Hauptsache. Es wird auch nicht richtig dramatisch oder Fingernägelkau-spannend, allerdings bietet die Geschichte genug an, dass es zumindest abwechslungsreich bleibt. Und was ihr eventuell an Spannung fehlt, macht sie doppelt wett durch humorvolle Szenen. So erlebt der Bridgerton-versierte-Leser die Ursprünge des schon beinahe legendären Pall Mall Spiels (und auch woher alle Bridgerton-Nachkommen ihren Konkurrenzgeist haben) und es könnte wirklich nicht unterhaltsamer sein.
Alles in allem mag dieses Buch sicher seine Schwächen haben, allerdings bin ich vermutlich blind dafür, weil ich beim Lesen einfach viel zu viel Spaß hatte. Es ist frisch, schlagfertig und unterhaltsam und so haben sich die 350 Seiten in Windeseile lesen lassen. Wer die Bridgerton-Bücher schon kennt, sollte den Rokesbys auf jeden Fall eine Chance geben. Selbst wer Julia Quinns Universum noch nicht kennt, hätte mit diesem Buch eine wunderbare Gelegenheit, um mal hineinzuschnuppern und sich fallen zu lassen. Und auch wer einfach so für zwischendurch mal einen kurzweiligen, unterhaltsamen Regency-Roman sucht, wird hiermit nichts falsch machen.

Veröffentlicht am 28.03.2022

Bridgerton meets Miss Marple

Bridgerton - Mitternachtsdiamanten
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„Mitternachtsdiamanten“ ist der siebte Teil von Julia Quinns beliebter Bridgerton Reihe, in dem nun auch die Jüngste der Bridgertons ihren Partner fürs Leben findet.
Hyacinth Bridgerton ist jung, schön ...

„Mitternachtsdiamanten“ ist der siebte Teil von Julia Quinns beliebter Bridgerton Reihe, in dem nun auch die Jüngste der Bridgertons ihren Partner fürs Leben findet.
Hyacinth Bridgerton ist jung, schön und kommt aus bestem Hause, doch sie ist auch blitzgescheit und sehr direkt, was sie zum Schreck für die meisten Gentleman der Gesellschaft macht. Niemand scheint ihrem Intellekt gewachsen zu sein, bis sie Lady Danburys Enkel Gareth St.Clair begegnet. Er scheint die Herausforderung zu sein, auf die sie ihr Leben lang gewartet hat. Gareth genießt den Ruf eines schlimmen Schwerenöters, doch er ist auch clever und schlagfertig und er kann mit Hyacinth mithalten. Als Gareth sie eines Tages bittet das Tagebuch seiner italienischen Großmutter zu übersetzen, beginnt für sie schon bald das Abenteuer ihres Lebens.
Ehrlich, dieser siebte Teil der Reihe hat es für mich fast geschafft den zweiten vom Thron zu stoßen. Definitiv gehört „Mitternachtsdiamanten“ aber zu einen meiner Lieblingsteile der Reihe. Wie gewohnt hat mich Autorin Julia Quinns Schreibstil total abgeholt. Bisher hat sie es noch in jedem Teil geschafft mir beim Lesen ein Lachen zu entlocken.
Das lag vor allem an den frechen und witzigen Dialogen zwischen den Protagonisten. Hyacinth und Gareth sind einfach ein herrliches Gespann.
Hyacinth nimmt kein Blatt vor den Mund, ist intelligent und schlagfertig und scheut sich keine Sekunde ihre Gedanken frei auszusprechen. Dadurch dass sie die jüngste der Familie ist und auch in den bisherigen Teilen nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, wusste ich bisher nur ziemlich wenig über sie. Umso verblüffender war es nach und nach herauszulesen, wie wundervoll vielschichtig ihr Charakter ist. Besonders hätte ich nicht mit ihrer Unerschrockenheit und Risikobereitschaft gerechnet.
Ein besonderes Highlight war für mich auch, dass Lady Danbury in diesem Roman eine sehr präsente Rolle einnimmt. Ich liebe diese alte Kratzbürste, ihre scharfen Kommentare und ihren trockenen Humor. Sie war eine wundervolle Ergänzung. Die Dialoge zwischen Lady Danbury und Hyacinth waren das reinste Vergnügen, besonders da Hyacinth im Grunde eine Mini-Version der alten Dame ist.
Gareth war ein Protagonist, der sich in meinen Augen doch deutlich von den anderen Bridgerton-Protagonisten abgehoben hat. Natürlich kam er mit einem vergleichbaren Ruf als Frauenheld und Herumtreiber, aber durch seine Familiären Probleme wurde er doch um einiges komplexer. Besonders seine Gefühle und Gedanken im Blick auf die belastete Beziehung zu seinem Vater und die Konsequenzen, die diese auf sein Leben hat, wurden von der Autorin sehr überzeugend herausgearbeitet. Er mag nicht immer zu hundert Prozent sympathisch sein, aber seine Beweggründe waren für mich immer nachvollziehbar.
Insgesamt hatten die Charaktere einfach mehr Tiefe, was wirklich schön war beim Lesen.
Auch die Handlung konnte mich in diesem Teil etwas mehr mitreißen als vielleicht andere aus der Bridgerton Reihe. Natürlich geht es um die Liebesgeschichte zwischen Hyacinth und Gareth und wer viel Wert auf Romantik und das richtige Maß an Kitsch legt, wird hier sehr auf seine Kosten kommen. Darüber hinaus entwickelt sich die Geschichte aber auch überaus spannend, denn das Tagebuch der Großmutter enthält ein Geheimnis, welches die beiden Protagonisten auf eine aufregende Spurensuche schickt. Man kann als Leser bis zum Ende miträtseln und mitfiebern, was die ganze Geschichte einfach einen Hauch mitreißender und interessanter macht.
Am Ende kann ich eigentlich nur sagen, dass „Mitternachtsdiamanten“ für mich ein absolutes Highlight in der Bridgerton-Reihe war.