Zauberlehrling und Zauberer zugleich
Hanna und die ZaubererHannas Familie ist zerbrochen, als ihr Vater sich als homosexuell outete und zu seinem Freund zog. Ihre Mutter widmete sich fortan nur mehr ihrer Malerei. Die damals Siebzehnjährige flüchtet enttäuscht ...
Hannas Familie ist zerbrochen, als ihr Vater sich als homosexuell outete und zu seinem Freund zog. Ihre Mutter widmete sich fortan nur mehr ihrer Malerei. Die damals Siebzehnjährige flüchtet enttäuscht mit ihrem Freund Armand ins Gebiet des Amazonas, möchte dort für immer bleiben. Doch nach Monaten stellen beide fest, dass Verzichten auf die Annehmlichkeiten des bequemen Lebens in der Stadt nicht so ihres ist, daher kehren sie zurück. Hanna ist schwanger, doch sie treibt auf Armands Wunsch hin ab.
Jahre später, Hanna ist nun fünfundzwanzig, ist sie zwar nach wie vor mit Armand zusammen, hat ihre Chance auf eine Ausbildung jedoch verpasst. Sie jobbt in einer Bar, während er versucht, Medizin zu studieren. Da verkündet ihre Mutter, dass sie mit der Betreuung ihres jüngsten Bruders Tobi, bei dem sich eine Form der Schizophrenie gebildet hat, überfordert ist und Hanna fasst einen folgenschweren Entschluss: Sie möchte Tobi zu sich nehmen. Allerdings begreift sie bald, dass sie dadurch ihr eigenes Leben in den Hintergrund schieben muss. Armand ist schneller weg, als sie schauen kann und ihre Familie zeigt zwar guten Willen ihr zu helfen, scheitert aber auch an ihren jeweiligen Tagesplänen. Und Tobi ist nicht der pflegeleichte Junge, wie sie ihn in Erinnerung hat ...
Es ist eine Wahnsinnsgeschichte über ein wichtiges Thema, die die Autorin hier in ihrer gewohnt wortgewaltig bildhaften Sprache aufs Papier gebracht hat. Ihre Figuren sind lebensecht menschlich dargestellt, es gibt keine guten und schlechten, einfach nur Menschen. Ich sah sie alle förmlich vor mir, jeder auf seine Art hilflos mit einer Krankheit konfrontiert, über die in der Gesellschaft noch immer lieber ein Mantel des Schweigens gebreitet wird. Am besten gefiel mir natürlich die Protagonistin Hanna, ihre Wut über alles und jeden ist förmlich auf jeder Seite greifbar. Sämtliche Personen lassen sie (scheinbar) im Stich, während sie als Einzige weiß, was für ihren Bruder das Richtige ist. Dazu gehört es auch, die Tabletten, die schreckliche Chemie, wegzulassen. Ihre Familie, so schräg sie gezeichnet sein mag, so ist doch jeder Einzelne auf seine/ihre Art liebenswert. Die verhuschte hilflose Mutter, deren innere Stärke jedoch größer ist, als auf den ersten Blick sichtbar; die Brüder, die einfach nur ihr Leben ungestört leben wollen und der schwule Vater mit seinem exzentrischen Freund – sie alle sind samt ihren Eigenheiten wundervolle Menschen. Erst als Hanna bereit ist, Hilfe von außen zu akzeptieren und anzunehmen, kann ihrem Bruder wirklich geholfen werden.
Die Geschichte ist aus der Sicht von Hanna in der der Ich-Form geschrieben, daher war sie mir sehr nahe. Ich habe sie geliebt, konnte sie aber gleichzeitig an die Wand schlagen, wenn sie glaubte, es besser zu wissen. Die Spannung war vom ersten Moment an da und steigerte sich von Seite zu Seite bis zum großartig – für die Autorin erstaunlich mildem – Ende.
Ein Buch, das in seiner beschwörenden Eindringlichkeit noch lange bei mir nachhallen wird. Der knapp gehaltene Schreibstil gefiel mir, mit kurzen intensiven Sätzen, treffsicheren Ausdrücken und auf den Punkt bringenden Aussagen. Dieses Leseerlebnis kann ich nur allen ans Herz legen.