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Veröffentlicht am 30.08.2022

von vorgestern

Liebe machen
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Susanne Fröhlich und Constanze Kleis quasseln frisch-fröhlich und (wenn’s wahr ist) sehr ehrlich über ihre persönlichen Erfahrungen in der Liebe. Die eine, Conny, ist seit 30 Jahren in derselben Beziehung, ...

Susanne Fröhlich und Constanze Kleis quasseln frisch-fröhlich und (wenn’s wahr ist) sehr ehrlich über ihre persönlichen Erfahrungen in der Liebe. Die eine, Conny, ist seit 30 Jahren in derselben Beziehung, die andere, Susanne, musste sich Ende 50 wieder neu orientieren und auf Partnersuche begeben (sie war dann auch erfolgreich.) Ob das auch jüngere Leserinnen anspricht?
Mir ist das Buch selbst mit 46 ein bisschen altbacken vorgekommen, wenn ich ehrlich bin – dabei hatte mir die Leseprobe sehr gefallen.

Aber worum geht’s in “Liebe machen” eigentlich?
Es geht um Traumprinz-Listen, die eher hinderlich den hilfreich sind, um Dating-Börsen, die auf ganz altmodische Art und Weise der Meinung sind, dass nur gleiche und gleich zusammenpasst und um Biochemie und puren Zufall, die heute kaum noch eine Chance haben. Es geht um die Frage, ab wann frau dem neuen Partner die Kinder vorstellen sollte und wie man mit dem berühmt-berüchtigten Schwiegermonster umgeht. Es geht ums gemeinsame Geldausgeben oder auch ‑sparen und die Frage: Wer stemmt wieviel? Es geht um Patchworkfamilien und den Umgang mit den Ex-Partner:innen.
Und ums Streiten. Und Fremdgehen (bzw. Treu sein).
Bei all diesen Themen (die auch gut gewählt wurden) erfährt man nicht nur sehr viel von den beiden Autorinnen, sondern vor allem auch von deren Partnern. Ich hoffe, sie nehmen es sportlich, denn ich habe mehr über sie erfahren, als mir an ihrer Stelle recht wäre.

Das war's dann auch schon. Neue Erkenntnisse gab es in dem Buch keine, nicht einmal besonders außergewöhnliche Situationen. Es wird vor Love-Skammern im Netz gewarnt, das Thema Patchwork-Familie (ich komme aus einer) ist ebenso oberflächlich dargestellt wie vieles andere in dem Buch.
Manches hat mich sogar wütend gemacht. Muss man sich im Jahre 2022 noch immer über den Typen mokieren, der beim ersten Date seine Geldbörse zu Hause „vergessen“ hat? Wie oft kommt das schon vor? Und wieso nicht mal als Frau die erste Rechnung übernehmen – und zwar nicht erst, wenn der Mann seine Brieftasche "vergessen" hat?
Und ist es wirklich so schlimm, wenn der Mann vorschlägt, einander zu Weihnachten nichts zu schenken? (Und nein, Geschenke sind kein Reiseproviant durchs tiefe Tal.)
Zwar wird in „Liebe machen“ dafür plädiert, dass Frauen, die mehr verdienen, sich finanziell auch mehr einbringen sollen / "dürfen" (und der Mann soll dann, bitteschön, nicht so ein Problem damit haben!), aber letztendlich wird doch erwartet, dass er erst Mal beweist, dass er kein Knauser ist.
Und wenn der Mann im Streit lauter wird? Ist er der “Brüllaffe”, den frau am besten gar nicht erst ernst nehmen sollte. Nun ja.

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Veröffentlicht am 30.08.2022

Traurig, brutal – und unheimlich schön geschrieben.

Die Rotte
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Elfi Reisinger wächst auf einem ärmlichen Hof auf. Der Vater leidet unter Depressionen, die Mutter, Lisbeth, ist diejenige, die alles mühevoll zusammenhält, jedoch kein Verständnis für die Krankheit ihres ...

Elfi Reisinger wächst auf einem ärmlichen Hof auf. Der Vater leidet unter Depressionen, die Mutter, Lisbeth, ist diejenige, die alles mühevoll zusammenhält, jedoch kein Verständnis für die Krankheit ihres Mannes hat. Schließlich nimmt sich Elfis Vater das Leben (so heißt es zumindest). Sein Körper wird erst Monate später am Grund des Sees gefunden, zu dieser Zeit ist Elfi bereits verheiratet, doch auch ihre Ehe ist nicht glücklich, denn ihr Mann Franz wird in der Rotte nie akzeptiert und häuft Schulden um Schulden an. Als Franz einen Schlaganfall erleidet und stirbt, bleibt Elfi allein zurück – mit der pflegebedürftigen Mutter und ihrem Sohn Herbert, der noch ein Baby ist.
Und immer steht der Firnbichler bereit, der Elfi den Seegrund abkaufen will – zuerst mit “geduldigem” Zureden und schließlich mit Drohungen und regelrechtem Psychoterror. Denn wie soll das die Elfi schon schaffen mit dem Hof, so ganz allein, als Frau?

Es ist ein sehr österreichischer, aber auch ein sehr poetischer Ton, den Marcus Fischer für seinen Roman “Die Rotte” gewählt hat und der tief eintauchen lässt in die Haut und die Gedanken der jungen Bäuerin. Denn Elfi leidet – wie schon ihr Vater – an schweren Depressionen. Als sie schließlich ganz allein übrig bleibt, mit der kranken Mutter, dem Säugling und einem Berg Schulden, zieht sie sich komplett in sich zurück und verbarrikadiert sich am Hof. So lernen wir sie am Beginn kennen, denn der Roman wird in Rückblicken erzählt.

“Die Rotte” beginnt still und unheimlich – und zieht einen hinein in einen Sog. Marcus Fischer nähert sich seiner Protagonistin mit unheimlich zartem Einfühlungsvermögen. Dem gegenüber stehen die brutalen Reaktionen der Dorfbewohner – und Dialoge, die so lebensecht sind, dass man meinen könnte, man stünde direkt daneben.

Die Rotte geht an die Nieren und ans Herz. Da schmerzts und gruselts beim Lesen, aber so richtig. Denn selbst wenn die Handlung frei erfunden ist, so weiß man, dass der Roman die brutale Lebensrealität in einem Provinznest in den 70ern einfängt.

Ein absolut intensives und sehr empfehlenswertes Buch – mit einem überraschenden Ende!

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Veröffentlicht am 18.08.2022

Wenn der Wunsch nach Freiheit zu Ausbeutung führt

Auf See
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Die 17-jährige Yada wächst in Seestatt auf, einer hypermodernen Selbstversorgerinsel in der deutschen Ostsee. Der Rest der Welt ist im totalen Chaos versunken und dem Untergang geweiht – so zumindest wird ...

Die 17-jährige Yada wächst in Seestatt auf, einer hypermodernen Selbstversorgerinsel in der deutschen Ostsee. Der Rest der Welt ist im totalen Chaos versunken und dem Untergang geweiht – so zumindest wird es Yada von ihrem Vater erzählt.
Doch irgendetwas läuft auf der Insel nicht so, wie es sein sollte.

Inzwischen draußen, in einem Berlin der Zukunft, in dem sich viele Menschen keine Wohnung mehr leisten können, während die Stadt für die Reichen zugebaut wird.
Weil ihre Spaß-Weissagungen per Zufall eingetreten sind, wird die Künstlerin Helena als Orakel gefeiert. Das bringt zwar Geld, aber Helena möchte lieber in Ruhe gelassen werden – nicht nur von ihren Fans, sondern auch vom Kunstbetrieb, der nur noch aus purem Aktionismus besteht. Für eine Art künstlerisches Forschungsprojekt gründet Helena eine sektenähnliche Gruppe. Doch als sie am Ende des Projekts die Gruppe einfach fallen lässt, nützt der profithungrige Arthur seine Chance.
Und dann gibt es Helenas Archiv. Darin findet man z.B. Einträge über New Atlantis. Oder auch über Darwins verheerenden Eingriff ins ökologische Gleichgewicht einer Insel. Oder einen Eintrag über die Anfänge der Scientology Sekte.

Enzensberger montiert diese 3 Stränge abwechselnd in kurzen Kapiteln aneinander. Wie ein Mosaik fügen sich die Teile nach und nach zu einem Gesamtbild – man ahnt schon vieles, und doch sieht das Bild ein wenig anders aus als angenommen.

💬 Meine Meinung:

Bis zur Hälfte des Buches war ich komplett angetan. Ich mochte die Perspektivenwechsel, durch die vagen Andeutungen kommt Spannung auf, ohne dass besonders viel geschieht – selbst die zwischengeschobenen Archiv-Kapitel sind so interessant, dass man die Handlung gerne unterbricht. (Ich habe stellenweise sogar zu googeln begonnen.) Gerade die Archiveinträge sind es auch, die das eigentliche Entsetzen auslösen, zeigen sie doch, was auf unserer Welt so alles möglich ist (#Sonderwirtschaftszone).

„Auf See“ ist weniger Thriller denn harte Gesellschaftskritik. Es geht um den Wunsch nach Freiheit auf der einen Seite und die totale Ausbeutung auf der anderen – und darum, wie das eine zum anderen führt, und das schon seit Jahrhunderten.

Enzensbergers flotter, wenig schnörkelloser Erzählton hat mir großes Lesevergnügen bereitet, außerdem schätze ich es immer sehr, wenn Biografien knapp zusammengefasst und nicht ausufernd erzählt werden. Vor allem die Archiv-Einschübe fand ich großartig (denn sie haben sich tatsächlich gut in die Collage gefügt und dem Roman eine Tiefe verliehen).

Dennoch hat für mich die Dramaturgie in der zweiten Hälfte nicht mehr ganz so gut gepasst wie zu Beginn. Da werden auf den letzten Seiten neue Perspektiven eingeführt, die es für die Geschichte nicht unbedingt gebraucht hätte, während die Hauptfiguren immer mehr verblassen. Die Handlung steuert auf keinen Höhepunkt mehr zu, sondern wabert ein bisschen vor sich hin. Und manches, das ich noch gern gewusst hätte, bleibt leider unbeantwortet. Deswegen nur 4 Punkte bei der Handlung.

Trotz Kritik habe ich das Buch bis zum Schluss gern gelesen. Das lag nicht nur an der Figur der Yada, sondern vor allem an Enzensbergers Erzählstil, der Wahl des Themas und der Montagetechnik mit dem Archiv. Denn die Realität steht der Fiktion punkto Grausamkeit in nichts nach.

„Auf See“ ist kein Buch, das man einfach zur Seite legt – sondern eines, über das man anschließend reden möchte. Und das ist gut so.

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Veröffentlicht am 13.08.2022

spannend, phantasievoll und absolut bezaubernd

Das Glashaus-Geheimnis
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Rosa ist dem geheimen Vermächtnis ihrer verstorbenen Großtante Adele auf der Spur, und sie muss sich ganz schön beeilen, denn die gierigen Verwandten (die nichts geerbt haben) scheinen offensichtlich zu ...

Rosa ist dem geheimen Vermächtnis ihrer verstorbenen Großtante Adele auf der Spur, und sie muss sich ganz schön beeilen, denn die gierigen Verwandten (die nichts geerbt haben) scheinen offensichtlich zu wissen, dass Tante Adele etwas Wertvolles besaß. Aber was kann das nur sein?
Zwar hatte Adele eine kleine Antikstube, die nun zu einem Blumenladen umfunktioniert werden soll, aber sonst war sie doch arm wie eine Kirchenmaus! Ihre Hinterlassenschaft besteht doch nur aus dem Geschäftslokal, vielen Uhren, einem Haufen Krimskrams und einem Äffchen … oder doch nicht?

Ein Buch für Kinder ab ca. 9, die alte Sachen, Geheimnisse und Rätsel lieben.
Vor allem aber besticht das Buch durch seine liebevolle Figurenzeichnung. Denn Rosa wächst in einer sehr liebevollen Familie auf und ihr bester Freund Sami ist ihr eine große Hilfe – ebenso wie Äffchen Uma.
Wem man noch begegnet: zum Beispiel drei entzückenden alten Damen, die mit Adele Doppelkopf spielten. Oder den Eissalonbesitzer Moretti, der herzzerreißend um Adele trauert, obwohl diese keinen einzigen seiner vielen Heiratsanträge angenommen hat. Und die bösen Buben? Die sind zwar ganz schön gruselig – aber Albträume bescheren sie dann zum Glück doch nicht, wenn das Buch weggelegt wird.

Dass die Autorin auch noch so eine begabte Illustratorin ist, macht dieses Buch auch optisch zur Perle. Das Cover bietet sogar ein haptisches Erlebnis, denn es hat eine Relieflack-Sonderausstattung.

Ein Buch, das Mütter, Omas und Tanten unbedingt mitlesen sollten (weil es auch für Erwachsene so ein schönes Leseerlebnis ist!)

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Veröffentlicht am 05.08.2022

witzig und spannend und very British!

Ein Date für vier (Neuausgabe)
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Eigentlich hat sich die vierzehnjährige Marleen schon auf die Sommerferien in Italien gefreut, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Leonie und Schwarm Franceso, den sie hofft, wiederzusehen.
Doch weil sie ...

Eigentlich hat sich die vierzehnjährige Marleen schon auf die Sommerferien in Italien gefreut, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Leonie und Schwarm Franceso, den sie hofft, wiederzusehen.
Doch weil sie und ihre ältere Schwester Ella ziemlich schlechte Englischnoten haben, beschließen Marleens Eltern, die beiden auf Sprachreise nach England zu schicken. So landet Marleen statt in bella Italia im verregneten Torquay.
Doch ganz so übel wie erwartet ist es dort dann gar nicht. Denn Marleen und Ella kommen bei Lady White unter, einer schrulligen Adeligen, die zwar nicht gut kochen kann, aber in einem überaus interessanten und riesigen (wenn auch ziemlich heruntergekommenen) Haus lebt und zwei äußerst attraktive Söhne hat. So wird der Sommer doch noch prickelnd – und auch mysteriös, denn am Schluss gibt es sogar noch einen Kriminalfall zu lösen.


Ulrike Rylance hat eine deutsch-englische Summerlove-Story für junge Teenager geschrieben, die sich flüssig liest, humorvoll geschrieben und auch wirklich spannend ist. Man folgt der Geschichte mühelos durch die Seiten – und selbst wenn jungen Leser:innen nicht jede englische Phrase verstehen, so tut dies der Geschichte keinen Abbruch, denn die wichtigen Informationen werden – eingebettet in einen Dialog zwischen Marleen und ihrer Schwester – in einer deutschen Zusammenfassung wiederholt. Wenn Leser:innen während der Lektüre also zum Wörterbuch greifen, dann tun sie es wahrscheinlich freiwillig.

Toll fand ich, dass tatsächlich jede der 208 Seiten illustriert wurde – und immer gibt es einen Bezug zum Text, sowie in den „Kritzeleien“ am Rand nochmals viel Englisch steckt. Dadurch wirkt das Buch gar nicht nach "Uff, Englischlernen", sondern macht sofort neugierig. Und genau darum geht es ja – um die Neugierde auf ein fremdes Land, eine fremde Sprache, eine fremde Kultur (und nicht darum, jedes einzelne Wort zu verstehen – immerhin können die Engländer ja auch kein Deutsch.)
Vor allem aber besticht die Geschichte durch die liebevoll gezeichneten Charaktere. So landet etwa eine Mitreisende – Cookie – bei einer indischen Familie, bei der man am liebsten selbst die Ferien verbringen möchte. Und auch Lady White und ihren riesigen Hund Rover mochte ich sofort.
An manchen Stellen wird's zwar ein bisschen gemein (armer Patrick, armer Konstantin), aber was wäre ein Mädchenroman, wenn es nichts zum Ätzen und Kichern gäbe? Und ja, ich muss zugeben, auch ich habe jedes Mal Tränen gelacht, wenn Klette Patrick (Ellas anhänglicher Freund mit den Segelohren) am Festnetztelefon der Lady White war.

Es wird noch ein bisschen dauern, bis meine Nichte alt genug für dieses Buch sein wird – aber ich bin mir ziemlich sicher, dass „Ein Date für vier“ bei Mädchen von ca. 12/13 Jahren sehr gut ankommt. Ich jedenfalls habe mich sofort ins Jahr 1992 zurückversetzt gefühlt, als ich selbst auf Sprachreise in Brighton war.

Was mir besonders gut gefiel: Die Autorin lässt die Engländer tatsächlich so reden, wie sie es in England tun – und nicht so, wie man es im Unterricht lernt. Genau das macht den Charme dieses Buches aus – sowie ja auch den Charme einer Englandreise.

Fazit:
„Ein Date für vier“ ist ein kleiner Sprachurlaub (inklusive Sommerromanze) für alle, die es dieses Jahr nicht nach Torquay, Eastbourne oder nach Brighton geschafft haben.
(Wer das Buch seiner Tochter schenkt, darf sich allerdings nicht wundern, falls diese anschließend den Wunsch äußert, nächsten Sommer auch nach England fahren zu wollen.)

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