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Veröffentlicht am 17.09.2023

Ein Sittenporträt aus dem römischen Reich

Ich, Sperling
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„Ich bin ein Sperling. Eines Tages werde ich auch davon fliegen.“

Uns geschätzten Lesern wird schon auf den ersten paar Seiten bewusst gemacht, dass diese Geschichte keine Heldenreise ist, keine Geschichte, ...

„Ich bin ein Sperling. Eines Tages werde ich auch davon fliegen.“

Uns geschätzten Lesern wird schon auf den ersten paar Seiten bewusst gemacht, dass diese Geschichte keine Heldenreise ist, keine Geschichte, in der sich der junge Protagonist von seinen Ketten befreit und aufsteigt (oder doch?) - nun der Ich-Erzähler, der kleine Junge, der in einem Hurenhaus in den letzten Tagen des Römischen Reiches aufwächst und sein Alter an „alt genug, um Wasser zu holen“ oder „alt genug um Brot zu kaufen“ abzählt und seinen eigenen richtigen Namen nicht kennt, hat mich gefangen genommen mit seinen Worten und seinem Leben. Es ist die Geschichte eines Sklavenjungen.

Die Geschichte des Jungen wird uns von seinem greisen Ich erzählt, der in einer Bibliothek seine Geschichte niederschreibt, angefangen mit seiner ersten Erinnerung an eine zornige Frau und blutige Fischgräten. Der Greis spricht einen immer wieder an, lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf bestimmte Aspekte der Geschichte oder stellt die eigenen Erinnerungen in Frage. Ich mochte ihn, ich mochte den kleinen unschuldigen Jungen und ich mochte die Art und Weise, wie er die Welt - den Garten des Hurenhauses - entdeckte und wie sich seine Welt immer weiter ausdehnte, ungleichmäßig und lückenhaft. Es faszinierte mich, wie er durch Geschichten unterrichtet wurde - und die Frauen zu seiner Familie wurden. Und ihm Attribute wie Freiheit, Gefangenschaft, Liebe durch Parabeln näher gebracht wurden.

Manche Szenen stellten sich so liebevoll und zart, und manche so schonungslos und brutal dar, das ich zusammengezuckt bin. Leid und Liebe liegen oft nahe beieinander. Die Geschichte von Pusus, dem Jungen, ist weder eine Heldenreise noch eine Romanze. Die sucht man hier vergeblich. Ich habe den Jungen beim erwachsen werden zugesehen, und meine Stimmung wurde von Seite zu Seite beklommener, da sein Schicksal sich ihm einfach unausweichlich eröffnete.

Im gesamten Buch wurde der Ton jedoch in keiner einzigen Passage melodramatisch, obwohl der Autor viele Male die Abzweigung hätte wählen können. Stattdessen erzählt James Hynes schonungslos und ehrlich die Gegebenheiten, ohne zu verklären. Das fesselt an diesem Buch wohl am meisten, genauso wie der Umgang des Jungen mit seinem Schicksal, mit seinen Traumata, die er unweigerlich erleiden musste. Ich bin ihm und seinem Schicksal gerne gefolgt, obwohl ja schon angekündigt wurde, dass ich ihn nur auf einem Abschnitt seines Lebens begleiten werde können.

Die Geschichte spielt vor der Kulisse des sterbenden Römischen Reiches, in Gassen mit ausgetretenem Pflaster, in der Therme und im Amphietheater, in dem sowohl die Sklaven als auch die Flüche verschachert werden. Die Geschichte spielt ebenso in der rauchigen Taverne, in stinkenden Latrinen und in kleinen gekalkten Räumen, und manchmal auch die Sperlingswelt - und dass alles ist an einem Punkt der Geschichte der Mittelpunkt von Pusus’ Welt.

Die Geschichte berührte mich, schaffte es mich, über viele Stunden an die Couch zu fesseln und mitzunehmen, obwohl die Welt des Jungen weder einfach noch sanft war. Ich empfehle dieses Buch jedem, ob Histo-Fan oder nicht, der eine ungewöhnliche Lebensgeschichte sucht.

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Veröffentlicht am 25.08.2023

Actiongeladener Abschluss

Imperator III. Messalinas Feuer
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Rom in den Swinging Sixties - mit Paparazzi, Stars und Sternchen und gefährlichen Imperatoren, die die Geschicke der Jahrhunderte aus dem verborgenen lenken. Aufstände toben in Rom und die Imperatoren ...

Rom in den Swinging Sixties - mit Paparazzi, Stars und Sternchen und gefährlichen Imperatoren, die die Geschicke der Jahrhunderte aus dem verborgenen lenken. Aufstände toben in Rom und die Imperatoren werden unterwandert. Das furiose Finale der Imperator Trilogie hat mich in seinen Bann gezogen, so viel vorweg.

Anne, Spartaco und Gennaro sind mir ans Herz gewachsen in den ersten Teilen, sodass ich mit den drei Protagonisten mitgefiebert habe, und das von der ersten Seite an. Anna, die junge Fotografin, Spartaco, der Kommunist und der Detektiv Gennaro passen gut in ihre Rollen, so gut, dass ich nicht von den Seiten lassen konnte, solange bis ich wusste, wie sich ihre Fäden am Ende verschlingen und schließlich auflösen. Ich habe sie so lieb gewonnen, auch wenn Gennaro das gar nicht gerne hören würde.

Der gesamte Roman war rasant geschrieben, beinahe fiebrig, ohne überhastet zu wirken. Seite um Seite wollte ich wissen, wie es weitergeht und welche Wendung welche alten Wunden aufreißt und wer auf welcher Seite steht. Wer als nächstes in eine enge Telefonzelle schlüpft und die Nummer des anderen wählt, um sie auf den neusten Stand zu bringen, Pistolenschüsse pfiffen an den Protagonisten, an mir, vorbei und die Schachfiguren mussten hastig gezogen werden. Ich fand mich immer mittendrin in der pulsierenden Stadt, die kurz vorm Siedepunkt stand und konnte einfach nicht aufhören, dem Weg der Figuren zu folgen.

War das Finale actionreich? Ja, auf jeden Fall. War es blutig? Natürlich. Lisanne Surborg und Kai Meyer zeichnen ein düsteres Bild der Ewigen Stadt nach fernab von den Touristenströmen, dem Kolosseum und der Via Appia. Glamourös, ausschweifend und dunkel wie die römischen Katakomben. Ich mochte die Stimmung sehr, in den ersten zwei Bänden hat man viel vom Filmgeschäft in den 60ern und vom Pressewesen gesehen, was weichen musste, zugunsten von Actionszenen und Fokussierung auf die Hauptfiguren. Ich habe aber immer noch dieses Getriebene gespürt, das sich immer weiter aufbaut.

Der fantastische Anteil war genau richtig bemessen für diese Geschichte, diese Mischung zwischen Realismus und Imperatoren-Mystik, Kultismus und Pistolenrauch. Die Grenze verschwimmt und das ist genau das, was die Geschichte braucht. Mir tut es leid, der Truppe lebe Wohl sagen zu müssen. Ich wäre gern noch länger in Rom geblieben. Und das sagt wohl alles. Die Geschichte rund um Anna Savarese und die Imperatoren, blutig und voller Leben wie sie wahr, ging mir zu Herzen.

Eines noch - ich finde es unglaublich schade, dass die von Kai Meyer als Hörspiel konzipierte Reihe nicht auch noch eine letzte Staffel bekommen hat, sondern von Audible abgesetzt wurde. Die ersten zwei Staffeln wurden aufgenommen, die Dritte fehlt - und das stimmt mich traurig.

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Veröffentlicht am 19.05.2023

Familie ist Pflicht

Jade City - Familie ist Pflicht
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„Der Clan ist mein Blut und der Pfeiler ist sein Meister“

Was für ein Schock - ich musste beim Tippen der Zeilen selbst lachen. Ich hatte Erwartungen an das Buch. An den Hype - und hatte mir ein Bild ...

„Der Clan ist mein Blut und der Pfeiler ist sein Meister“

Was für ein Schock - ich musste beim Tippen der Zeilen selbst lachen. Ich hatte Erwartungen an das Buch. An den Hype - und hatte mir ein Bild gemacht, dass deutlich von dem geschäftsmäßigem Bild von Janloon abwich, das sich mir gleich auf den ersten Seiten bot. Janloon kam hektisch daher, eine asiatische Metropole, die nie schläft. Mit teuren Autos, Restaurants mit knusprigen Tintenfischbällchen auf der Speisekarte und verfeindeten Clans, die ebensogut mit der Pistole wie auch dem Karambit umzugehen wissen, und die wirtschaftlichen Geschicke der Stadt lenken.

Also - ich musste mich erst mal Neujustieren - auf den ersten Seiten wird man mit Diebstahl, Jadekräften und Bestrafungen konfrontiert. Hochgradig spannend, denn es geht um um zwei rivalisierende Clanfamilien, deren fragiler Herrschaftsbereich durch eine neue mächtige Droge neuausgerichtet wird - die alte Fehde entbrennt erneut. Wir folgen den Kaul-Geschwistern. Lan, dem Führer der Familie - dem Pfeiler, Hilo - der das „ausführende Organ“ ist - das Horn, der gerade erst wieder in die Stadt zurückgekehrten Shae und Anden, der gerade sein Abschlussjahr in der Akademie absolviert, bereit dem Clan die Treue zu schwören.

Fonda Lee gelingt es meisterhaft, ein charakterliches Spinnennetz über die Stadt zu werfen und die Figuren - sie könnten nicht unterschiedlicher sein - so agieren zu lassen, dass sie in ihrer Rolle aufgehen, mir aber trotzdem allesamt ans Herz gewachsen sind. Lan ist so klug, so weitsichtig- und trotzdem strauchelt er - und ich mit ihm. Shae erkämpft sich einen Platz fernab der Clangeschäfte und jedes kleine Puzzleteil fühlt sich für uns beide wie ein Sieg an. Hilo ist so eine streitbare Figur, er ist ein Schläger, trotzdem hat er einen Platz in meinem Herzen erobert, da er seinem Clan treu ergeben ist und für seine Familie durchs Feuer geht. Anden ist mein Liebling und am Ende habe ich ihn gefeiert, ich habe sie alle gefeiert! Lee hat es geschafft, diese so unterschiedlichen Figuren fest in meinem Herzen zu verankern, das Buch lebt durch ihre Handlungen, Gedanken und Gefühle und die feste Bindung zueinander, trotz all ihrer Unterschiede.

Und gerade deswegen bin ich dem Clan so gerne gefolgt - in den Moloch der Stadt, in die Garküchen und Geschäftsgebäude, zum Wettermacher und an die Akademie und war mir immer bewusst, das der nächste Schritt mein letzter sein könnte. Das Leben als Mitglied des Kaulclans ist hochgefährlich. Oftmals stumpfe ich ab, wenn der Tod zum Alltag der Geschichte gehört, da die Tode oftmals nur eingesetzt werden, um die Aufmerksamkeit und den Puls des Lesers künstlich in die Höhe zu treiben. Hier beklagte ich jeden Tod, da er sich in die Geschichte einfügte. Der Clankrieg ist brutal, das Buch erwachsener, als ich es erwartet hätte - und das alles wird von der Autorin wunderbar zusammengefügt.

Was bedeutet es nun, ein Grünblut zu sein? Nun auf keinen Fall Zaubersprüche vor sich hinzu murmeln - Ein Grünblut zu sein, befähigt die Angehörigen Jade zu tragen, die besondere physische Kräfte verleiht. Lee verrät nicht allzu viel über diese genetische Kraft - sie zeigt sie aber umso öfter in Kämpfen, die mich an die Material Arts Kämpfe in den asiatischen Filmen erinnert haben. Großes Kino von der ersten Seite an.

Vor mir hat sich allerdings das letzte kleine Körnchen über viele Seiten versteckt. Freches Körnchen! Erst auf den letzten 100 Seiten hat es mich plötzlich von hinten angesprungen, mich aus der Bahn geworfen und richtig tief mit dem Finale mitfühlen und mitleiden lassen. Fonda Lee lässt einige Geheimnisse ungeklärt - und ich brenne darauf, sie in den nächsten Bänden zu lüften.

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Veröffentlicht am 27.04.2023

Das Buch trifft dich bis ins Mark

Babel
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Ich muss meine Gedanken ordnen, was mir schwerer fällt als bei anderen Büchern. Muss sie von dem hohen Turm herunterlocken, auf dem sie gerade herumturnen, alle in verschiedenen Ecken, vertieft in die ...

Ich muss meine Gedanken ordnen, was mir schwerer fällt als bei anderen Büchern. Muss sie von dem hohen Turm herunterlocken, auf dem sie gerade herumturnen, alle in verschiedenen Ecken, vertieft in die Übersetzungen der einfachsten Worte. Das ist Babel, das ist Oxford. Der magische, arbeitsame Ort, an dem ich ziemlich lange verweilte. Zwei Monate hat es gedauert, ehe ich den Roman beendet hatte. Er war weder einfach, noch von der Art, die ich erwartet hatte.

Rebecca taucht sehr tief in die Kolonialgeschichte Englands ein, verwebt sie zu einem Netz, das den fantastischen Plot des Romanes trägt. Robin Swift wird als Junge von dem geheimnisvollen Professor Lovell aus China nach England gebracht, wird in Sprachen unterrichtet, um später am königlichen Institut für Übersetzungen zu lernen - und zwar zu übersetzen - oder anders gesprochen - Magie.

Sprechen wir über die Magie, die ich so nicht erwartet hätte, die sich so organisch in das Oxford des 19. Jahrhunderts einfügt, dass ich sie auf den ersten Blick gar nicht „magisch“ wahrgenommen habe. Sondern als ein Teil von Robins Handwerk - dem Übersetzen - denn darauf basiert die Magie, die Großbritannien bei der Kolonialisierung von großen Teilen der Welt geholfen hat. Das Magiesystem, dem sich Kuang da widmet, habe ich so noch nicht gesehen - und gleichzeitig macht es so viel Sinn, wie sie es erklärt und die Protagonisten durchdringen lässt.

Mit Robin hat Kuang außerdem eine Figur geschaffen, die zwischen zwei Welten zuhause ist: Chinesisch, aber so europäisch, dass er in der Mitte der Europäer auf den ersten Blick nicht auffällt. Das anerzogene Gebaren aus England, aber chinesische Wurzeln. Privilegiert genug, um sich dem Übersetzungsstudium widmen zu können - mit seinen Freunden bei Tee und Gebäck, trotzdem lässt ihn sein Mentor nie vergessen, woher er kommt. Er steht zwischen den Stühlen. Immer. Er zweifelt an sich selbst, an seiner Rolle und an seinem Leben - gerade diese Zweifel sind es, die ihn für mich so sympathisch werden lassen. Man gönnt ihm so sehr die Freiheit, die er in Oxford genießt, die Zeit, die er seinen Studien widmet und die Zeit, die er mit Ramy, Letty und Victoire verbringt. Man folgt den besten Freunden gern auf den Straßen von Oxford und zwischen die Regale von Babel und wird ein Teil von Robins Welt.

Gleichzeitig vermittelt Kuang so viel Wissen über Übersetzung und Sprache, über die Feinheiten der verschiedenen Bedeutungen, dass ich mich manchmal darin verloren habe und den Faden erst ein paar Zeilen später wieder gefunden habe. Manchmal saß ich einfach nur da und dachte mir vergeblich „Nur ein kleines Stück noch!“, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen ging. Viele Dinge spricht Rebecca nicht aus. Am Ende bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es genauso wirken soll. Dass Rebecca genau die richtigen Worte gefunden hat, um das Ungesagte zwischen die Zeilen zu schreiben. Der Roman hat viele Lesarten. Rebellisch, kritisch, fantastisch. Für mich war er eine Mischung aus allem und er lässt mich nachdenklich zurück und mit einem Tränchen im Auge, denn letztendlich zeigen wir uns alle der Welt in allen denkbaren Übersetzungen und hoffen, dass wir verstanden werden.

Highlight? Ja, ist es. Aber nicht auf die Art, die ich mir zu Beginn vorgestellt habe. Voller Action und starken Emotionen. Die Geschichte wird leise erzählt und schlägt erst am Ende eine Brücke im Geiste der Leser. Gerade diese ungewöhnliche Art des Erzählens verleiht dem Roman seine Stärke.

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Veröffentlicht am 23.02.2023

Verrückter Trip in die Hölle

Wer die Hölle kennt
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Was macht Alex Stern, wenn ihr Freund und Mentor Darlington im wahrsten Sinne des Wortes zur Hölle gefahren ist bei ihrem letzten Abenteuer? Richtig - nicht die Hände in den Schoß legen, sondern ein Team ...

Was macht Alex Stern, wenn ihr Freund und Mentor Darlington im wahrsten Sinne des Wortes zur Hölle gefahren ist bei ihrem letzten Abenteuer? Richtig - nicht die Hände in den Schoß legen, sondern ein Team aus Mördern rekrutieren, den Weg in die Unterwelt finden und die Seele einfach wieder zurückstehlen - und dabei möglichst auch noch ihre Kurse in Yale bestehen und die Aufträge für die magische Studentenverbindung Lethe erledigen. Nichts leichter als das, oder?

Schnallt euch lieber an. Dieser Trip in die Hölle und zurück wird blutig, holprig und verstörend - und für mich ziemlich genial. Aber Achtung - greift euch den ersten Band und lest ihn, denn ansonsten könnt ihr gleich an den Campustoren wieder umkehren - Zutritt nur für eingeweihte.
Die Protagonistin Alex Stern verschwendet nicht viel Zeit darauf, die Situation zu erklären oder noch mal alles zu wiederholen, was im ersten Band passiert ist. Warum auch? Sie hat viel zu viel damit zu tun, in der Bibliothek zu recherchieren, wie man in die Hölle (und zurück!!) kommt, Cosmo (Darlingtons Katze) zu füttern und plausibel zu erklären, wo er steckt. Kurzum - sie hat viel zu tun - und während ich mit Alex durch Bibliotheken und Kurse und Wohnheime hastete, bekam ich sehr viel vom dunklen Yale Flair mit - und genauso, dass Alex von ihren Freunden (ja, sie hat im Gegensatz zu ihrer Ansicht im ersten Teil Freunde gewonnen, die ihr selbst in die Hölle folgen würden!) geliebt und gebraucht wird. Ich habe die Wärme gespürt, die von den Gesprächen zwischen ihr und Mercy oder Dawes ausgingen oder ihren halben Streitereien mit Turner, dem Polizist, der sie widerwillig zu Mordfällen hinzuzieht, denn mit ihrer Fähigkeit Geister zu sehen, hat sie ihm gegenüber einen klaren Vorteil. Sie kann die Toten fragen, was geschehen ist.

Die Darstellung der Geister - der Grauen - fand ich sehr gelungen. Bardugo vermittelt immer das Gefühl, dass Geister nicht besonderes wären. Für Alex, aus deren Perspektive wir ein Großteil der Geschichte erleben, sind sie das ja auch nicht - sie sieht sie schließlich immer. Sie sind (grausiger) Alltag.

Generell lebt das Buch von seiner Atmosphäre - ich habe das Campusleben gespürt, ich habe das düstere, dämonische gespürt und die Abgründe, die in Alex durch ihre Vergangenheit gerissen wurden, gelebt. Bardugos Charakere (alle auf ihre eigene Art mit einer Leiche im Keller) tragen viel zur düsteren Atmosphäre bei. Jede Figur hatte seinen Platz in Alex’ Dunstkreis, selbst das Kaninchen auf dem Cover. Jeder hatte mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen, doch keiner kämpfte wirklich allein. Alex’ Sarkasmus ist eine hervorragende Waffe gegen allzu viel Trauer und Lethargie und Leigh trifft die Figuren mit ihren Beschreibungen bis ins Mark. Ihre Wünsche,, Ängste, Träume und Abgründe - deshalb habe ich sie alle so ins Herz geschlossen.

„Wer die Hölle kennt“ ist kein flockiger College-Roman, seid gewarnt. Er ist blutig, moralisch zweifelhaft und folgt nicht immer einem linearen Plot. Aber durch Bardugos Stil, der so gut in die Yale-Welt passte, bin ich dem Kaninchen gern in gewundenen Schlangenpfaden in seinen Bau gefolgt und habe mich hinter jeder neuen Biegung orientiert, nur um den roten Faden vor mir leuchten zu sehen.

Während Alex in der ersten Hälfte noch mit der Planung beschäftigt ist und die Spannung nur hintergründig brodelt, zieht sie in der zweiten Hälfte merklich an. Na, ihr wisst schon, wohin es dann wahrscheinlich geht. Doch auch für die Unterwelt hat sich die Autorin einiges ausgedacht.

Am Ende wartet ein Cliff, der sich gewaschen hat. Und das von mir, die eigentlich keinen Schmerz damit hat, 100 Meter hoch über dem Abgrund zu baumeln. Doch hier? Nun - ich wüsste schon gern, wie es weitergeht!

„Wer die Hölle kennt“ ist nicht für schwache Nerven oder Mägen. Ich liebe Alex’ Art, all diese Höllen zu durchqueren und dabei trotzdem den Kopf oben zu behalten und freue mich auf den nächsten Band.

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