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Madame_Lilli-Marleen

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Veröffentlicht am 10.05.2019

Amüsant aber auch tragisch

Der Zopf meiner Großmutter
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Max kommt aus Russland. Er wandert mit seinen Großeltern nach Deutschland aus. Im Flüchtlingsheim angekommen, beginnt seine Großmutter gleich gegen alles und jeden zu wettern. Sie ist eindeutig das Familienoberhaupt. ...

Max kommt aus Russland. Er wandert mit seinen Großeltern nach Deutschland aus. Im Flüchtlingsheim angekommen, beginnt seine Großmutter gleich gegen alles und jeden zu wettern. Sie ist eindeutig das Familienoberhaupt. Der Großvater ist ruhig und ordnet sich seiner Frau unter. Der kleine Max ist anscheinend ihr ein und alles. Allerdings scheut sie sich nicht, ihn vor allen anderen Leuchten bloß zu stellen, da sie ihn für minderbemittelt und chronisch krank hält. Er ist jedoch ein normales Kind. Und dann passiert es: Großvater verliebt sich und die Großmutter bekommt von allem zunächst nicht mit.

Der flotte Schreibstil der Autorin trägt ein förmlich durch die schönen kurzen Kapitel. Das Buch liest sich dadurch sehr flüssig. Es ist sehr amüsant geschrieben und man muss oft über die resolute Großmutter schmunzeln. Teilweise ist es aber auch sehr schockierend, wie sie mit ihrem Enkel und auch mit ihrem Mann umgeht. Warum sie so zu den beiden ist, klärt sich erst am Ende des Buches aus. So kann man die ganze Zeit spekulieren, was eigentlich mit Max seinen Eltern geschehen ist.

Ich fand das Buch sehr gut. Die Familie schließt man mit jedem Kapitel mehr ins Herz.

Veröffentlicht am 22.01.2024

Der intime Blick auf eine deutsche Stadt

Unsereins
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Dieser fast 500 Seiten starke Roman spielt während der vorigen Jahrhundertwende im "kleinsten Staat des Deutschen Kaiserreichs", in Lübeck. Auch wenn die Stadt nie bei ihrem Namen genannt wird. Zu dieser ...

Dieser fast 500 Seiten starke Roman spielt während der vorigen Jahrhundertwende im "kleinsten Staat des Deutschen Kaiserreichs", in Lübeck. Auch wenn die Stadt nie bei ihrem Namen genannt wird. Zu dieser Zeit wirkt ein großer Schriftsteller in Lübeck: Thomas Mann. In seinen Romanfiguren bei den Buddenbrooks, meint sich die bürgerliche Familie Lindhorst wiederzuerkennen und fühlt sich schließlich einen latenten Antisemitismus ausgesetzt.

Die Sprache von Inger - Maria Mahlke ist einfach phantastisch detailgetreu, verliert sich aber nicht. Die verschiedenen Figuren breiten ihr Innenleben vor einen aus, ohne das sie viel sagen müssen. Das Buch ist im Präsens geschrieben, was einen das Geschehen sehr intensiv erleben lässt. Sehr gut finde ich, dass am Anfang eine Auflistung der handelnden Figuren erfolgt, so kann man hier immer mal wieder nachschlagen.

Das einzige Manko für mich war, dass ich die Buddenbrooks nicht gelesen habe und mir wahrscheinlich so einige kluge Verbindungen entgangen sind.

Aber auch ohne dem Wissen konnte ich in die bürgerliche Welt um 1900 eintauchen, die sich wie ein Panorama vor einen entfaltet.

Das Buch ist keine einfache Lektüre, aber wenn man sich ganz darauf einlässt, kann es ein richtiges Lesevergnügen werden.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Wo liegt die Wahrheit?

Das Philosophenschiff
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Frau Professor Anouk Perlemann - Jakob, Architektin, lädt zu ihrem 100. Geburtstag einen Schriftsteller ein. Diesen bittet sie, ihr Leben als Roman zu erzählen. Sie wächst in St. Petersburg auf. Mit 14 ...

Frau Professor Anouk Perlemann - Jakob, Architektin, lädt zu ihrem 100. Geburtstag einen Schriftsteller ein. Diesen bittet sie, ihr Leben als Roman zu erzählen. Sie wächst in St. Petersburg auf. Mit 14 Jahren wird sie mit ihren Eltern und anderen Intellektuellen auf Lenins Befehl ins Exil geschickt. Dazu geht sie an Bord eines sogenannten "Philosophenschiffes". Doch das Schiff stoppt auf einmal mitten im Meer und ein unerwarteter Passagier geht an Bord. Lenin selbst.

Das Buch hat sich sehr gut gelesen. Die betagte Dame füttert den Schriftsteller nämlich immer nur mit kleinen Häppchen aus ihrer Lebensgeschichte. So wartet man mit ihm, wie die Geschichte am nächsten Tag wohl weiter geht und dadurch wird ein konstanter Spannungsbogen erzeugt. Die Schrecken, die sie als Mädchen erlebt hat und nun zum ersten Mal jemanden anvertraut, lässt einen schon manchmal den Atem stocken.

"Rückblickend war das große Grauen nur ein Anfang, ein zögerndes Tasten."

Was mich an dem Buch etwas gestört hat war, dass ich irgendwann nicht mehr so ganz wusste, ob man der alten Dame alles wirklich so glauben kann. Aber das war wahrscheinlich auch so beabsichtigt.

"Gesagt werden soll es. Und wenn es keiner glaubt, umso besser."

Im Großen und Ganzen fand ich die Lektüre sehr spannend und teilweise auch erschüttern. Ein klein wenig mehr konnte ich auch mein Geschichtswissen wieder komplettieren.

Eine Leseemfehlung für Freunde von Biografien und Romanen mit historischem Bezug.

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Veröffentlicht am 26.08.2023

Eintauchen in das Leben von Zelda und Scott

Tage mit Gatsby
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Das Buch entführt einen auf eine faszinierende Reise in die schillernde Welt der Roaring Twenties.

Zelda und ihr berühmter Mann F. Scott Fitzgerald begeben sich nach Südfrankreich, damit er an seinem ...

Das Buch entführt einen auf eine faszinierende Reise in die schillernde Welt der Roaring Twenties.

Zelda und ihr berühmter Mann F. Scott Fitzgerald begeben sich nach Südfrankreich, damit er an seinem Roman "The Great Gatsby" arbeiten kann. Doch hier wird ihre Ehe auf eine harte Probe gestellt.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr atmosphärisch. Immer wieder lässt sie die Leser in die Gedankenwelt von Zelda eintauchen, welche ziemlich von ihrem Mann unterdrückt wird, da er ihr verbietet, selbst Autorin zu werden.

Ich fand das Buch sehr interessant, auch wenn es bei mir keine Sympathien für die beiden wecken konnte. Zelda ist einfach ziemlich unreif und unvernünftig und Scott ein unsympathischer Alkoholiker. Überhaupt spielen Alkohol und ausschweifende Partys, auf denen die beiden sich oft danebenbenehmen, eine große Rolle im Leben der Fitzgeralds.

Man beobachte die beiden, wie sie sich einfach unaufhaltsam in einer Abwärtsspirale bewegen. Aber so war das damals wahrscheinlich. Mit ihrer Fähigkeit, die Essenz der Ära einzufangen, beweist die Autorin ihr Talent als Geschichtenerzählerin und hinterlässt auf jeden Fall einen bleiben Eindruck. Auch wenn ich keine Sympathien für die Protagonisten entwickeln konnte, fand ich das Eintauchen in diese Welt sehr interessant und werde auch gerne noch andere Bücher der Autorin lesen.

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Biografie eines Künstlers mit sehr persönlicher Note

Nackt in die DDR. Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat
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Willi Sitte hatte ein sehr interessantes Leben und eine ganz eigene Meinung zur Kunst. Diese auch zu vertreten, war in der DDR sicherlich nicht immer einfach, wenn nicht sogar gefählich.

Stitte ist der ...

Willi Sitte hatte ein sehr interessantes Leben und eine ganz eigene Meinung zur Kunst. Diese auch zu vertreten, war in der DDR sicherlich nicht immer einfach, wenn nicht sogar gefählich.

Stitte ist der Urgroßonkel des jungen Autors, der nun diese Biografie über ihn geschrieben hat. Dadurch hat das Buch einen sehr persönlichen Charakter bekommen, da Aron Boks viel über seine Familie und seine Empfindungen einbringt. Man merkt dem Autor die Neugier und auch die Lust, die er an diesem Projekt verspührt haben muss, beim Lesen an. Er betrachtet das Leben seines berühmten Onkels aber durchaus auch kritisch und hinterfragt die Dinge. So setzt er sich mit der DDR auseinander, die er selber, Jahrgang 1997, gar nicht erblebt hat und somit auch nicht kennt. Daduch hat er einen sehr unvoreingenommenen Blick, wie ich finde.

Viele Begriffe werden in Fußnoten beschrieben und somit lernt man nicht nur etwas über den Maler sonder auch etwas über die deutsch-deutsche Vergangenheit.

Ein sehr interessantes Buch, nicht nur für Kunstinteressierte.

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