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Veröffentlicht am 03.09.2017

Den Spiegel vorhalten

Und du kommst auch drin vor
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Kim, 15 und Scheidungskind, hat mit Lesen nichts am Hut. Da muss die Klasse auf eine Lesung und Kim fällt aus allen Wolken: in dem Buch geht es eindeutig um sie! Sie muss das Buch haben, auch wenn sie ...

Kim, 15 und Scheidungskind, hat mit Lesen nichts am Hut. Da muss die Klasse auf eine Lesung und Kim fällt aus allen Wolken: in dem Buch geht es eindeutig um sie! Sie muss das Buch haben, auch wenn sie sonst niemanden kennt, der liest. Jasper, Kims Klassenkamerad, kommt in dem Buch gar nicht gut weg und Kim versucht mit Hilfe ihrer besten Freundin Petrowna, die Autorin dazu zu überreden, alles zu ändern. Doch die denkt gar nicht daran – wie sollte sie das auch tun? Die Bücher sind doch längst auf dem Markt. Also lassen sich die beiden etwas anderes einfallen …

Das Buch liest sich recht flott und locker, auch wenn schon beim Lesen klar wird, dass Kim ein sehr anstrengendes 15jähriges, pubertierendes Mädchen ist. Sie sieht nur sich und ihre „Probleme“, allen anderen geht es ja immer so viel besser als ihr und niemand denkt an sie, alle nur an sich selbst. Und überhaupt sind alle anderen ja immer und ohne Unterlass auf dem falschen Dampfer … Ja, Kim geht – zumindest Erwachsenen – beim Lesen gewaltig auf die Nerven.

Doch ich bin der Überzeugung, dass die Zielgruppe der 10-13Jährigen den kleinen Wink verstehen wird: nimm Dich selbst nicht wichtiger als andere, sieh genauer hin! Denn auch wenn Teenager gern egozentrisch sind, ist Kim die Königin unter den Egozentrikern! Entsprechend lässt Alina Bronsky Kim auch oberflächlich erzählen. Nur zwischen den Zeilen kann der Leser sehen, was um Kim herum wirklich geschieht, das sie selbst gar nicht wahrnimmt. So kommt es auch, dass sie gar nicht auf die Idee kommt, dass im Buch gar nicht sie gemeint ist, sondern sehr viele Kinder getrennte Eltern haben, in der Schule Probleme haben, die erste Liebe erleben usw. Selbst die Hinweise der anderen, Familienmitglieder wie auch Freunde und Klassenkameraden, nimmt sie in ihrer Eigenliebe gar nicht wahr.

Soziales Gefälle, Vorurteile, Migrationshintergrund, Pubertät, Trennung der Eltern, Eifersucht, beschränkte Sichtweisen – all das nimmt die Autorin in diesem Buch aufs Korn und versucht, den Kids zu zeigen, wie leicht man in diese Falle tappt. Dabei stopft sie, auch wenn das jetzt fast so klingen könnte, nicht zu viel in die 190 Seiten. Alles ist rund, passt ineinander und zusammen und ergibt ein stimmiges Gesamtbild.

Cover sind nicht wirklich wichtig, doch hier deutet es schon darauf hin, um was es geht: es ist wie ein trüber Spiegel, der dem Leser vor Augen gehalten wird. Man muss genau hinsehen, um sich selbst klar sehen zu können!

Ein Buch, das zu denken gibt, ohne allzu moralisch rüberzukommen. Gefällt mir gut! Von mir gibt es vier Sterne, da die Wendungen zwar schön und stimmig sind, die Kernaussage aber nicht deutlich genug herüberkommt.

Veröffentlicht am 27.08.2017

Eine ganz besondere Familie

Sonntags in Trondheim
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In drei Erzählsträngen um die Neshovs Erlend, Margido und Torunn erfährt der Leser witziges, bewegendes, trauriges – kurz: das Leben eben – aus Trondheim. Die drei Charaktere könnten unterschiedlicher ...

In drei Erzählsträngen um die Neshovs Erlend, Margido und Torunn erfährt der Leser witziges, bewegendes, trauriges – kurz: das Leben eben – aus Trondheim. Die drei Charaktere könnten unterschiedlicher kaum sein und so wird das Lesen keinesfalls langweilig, obwohl es keinen echten Spannungsbogen und irgendwie sogar keine Handlung gibt. Doch so ist nun mal das Leben: es macht, was es will und führt uns auf Wege, die wir so nicht geplant hätten.

Ich habe die drei vorherigen Bücher nicht gelesen, habe aber auch nicht den Eindruck, dass dies groß geschadet hätte. Auch ohne Vorwissen sind die Neshovs eine tolle, außergewöhnliche und trotz allem liebenswürdige Familie. Jeder von ihnen muss in diesem Buch mit lebensveränderten Ereignissen umgehen und entwickelt sich entsprechend weiter. Das könnte eine gute Grundlage für weitere Bände geben, ergibt aber auch ebenso gut eine Art krönenden Abschluss. Auf alle Fälle ist das Buch in sich rund und in sich abgeschlossen.

Die Sätze variieren sehr schön von kurz und prägnant bis hin zu lang und sehr verschachtelt. Hier lassen sich die Stimmungen der Figuren sehr schön erkennen: verwirrt, einsam, traurig, überdreht, fröhlich, resigniert usw. Dieser Stil liest sich gut und zieht den Leser näher ins Geschehen. So geschieht vielleicht nicht wirklich viel, doch insgesamt hat sich dann am Ende doch recht viel getan. Man begleitet diese Familienmitglieder auf ihrer Reise zu sich selbst und das liest sich sehr schön. Es ist ein Buch, das nicht zu sehr anstrengt, aber auch nicht „nebenher“ gelesen werden kann.

Mein persönliches Highlight ist das Buch nicht, dennoch habe ich es sehr gern gelesen. Deshalb bekommt es von mir vier Sterne.

Veröffentlicht am 19.08.2017

Wenn die Hoffnung endet, beginnt der Mut

Alles dreht sich - E-Book inklusive
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Linda hat Kopfschmerzen und ihre Mutter schleppt sie zum Arzt. Was sie dort erfahren, verändert einfach alles. Linda hat einen Gehirntumor. Im Park lernt sie Max, der kaum noch Haare hat und ebenfalls ...

Linda hat Kopfschmerzen und ihre Mutter schleppt sie zum Arzt. Was sie dort erfahren, verändert einfach alles. Linda hat einen Gehirntumor. Im Park lernt sie Max, der kaum noch Haare hat und ebenfalls sterbenskrank ist, kennen und der bringt sie dazu, eine Liste zu schreiben: was sie noch alles tun will, bevor sie stirbt. Linda jedoch steht der Sache völlig anders gegenüber und lernt erst nach und nach, dass sich die Welt anders dreht, als sie dachte …

Nein, ein Gehirntumor ist kein Grund zum Lachen. Krankheiten allgemein sind das nicht. Besonders nicht Max‘ Krankheit. Doch zeigt das Hörbuch wunderschön, dass mit Humor und aktiv alles besser geht, alles leichter zu ertragen ist, als mit Aufgabe und Kopf-in-den-Sand-stecken. Nichts ist leicht, nichts wird beschönigt, aber es wird gezeigt, was jeder Einzelne – ob krank oder gesund – bewirken kann. Dass nichts immer genau so ist, wie es ein Einzelner sieht, sondern von anderen eben völlig anders wahrgenommen werden kann und dass eine Lawine durch nur einen kleinen Auslöser eine enorme Größe annehmen kann.

Mir gefällt, dass Linda nicht auf übliche Weise reagiert, lauter schöne Dinge unternimmt und dem Tode entgegentaumelt, sondern in ihrer letzten Zeit, die ihr wohl bleiben wird, die Welt verbessern möchte. Gar nicht teenagertypisch, aber sehr erwachsen – auch wenn ihr Weg kein bisschen erwachsen ist! Sie lebt in vollen Zügen, dennoch nicht in den Tag hinein. Sie und Max stützen sich gegenseitig, ziehen sich hoch, statt runter. Mittendrin die gesunde Pia wird ins Boot geholt und kann von den beiden lernen. Ihre Aktionen sind toll. Sie sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern erwachsen quasi aus der Story heraus. Aus der Liste wird das Umsetzen der Punkte und dies führt von einem zum anderen, begonnen mit Max‘ Geständnis einer Lüge.

Das Hörbuch hat mich an vielen Stellen erstaunt, aber auch sehr berührt. Anfangs hatte ich leichte Schwierigkeiten, weil alle drei – Linda, Max und Pia – abwechselnd erzählen, dies aber Ulrike C. Tscharre ließ das nicht so deutlich erkennen beim Lesen. Dennoch mochte ich ihre Stimme, ihre Betonungen und die Art, wie sie gelesen hat.

Das Ende ist ein wenig sprunghaft und sehr offen. So ganz ist das nicht mein Geschmack und es wirkt, als hätte es Rosemarie Eichinger urplötzlich sehr eilig gehabt.

Insgesamt hat mir das Hörbuch sehr gut gefallen. Ich kann es empfehlen und bewerte es mit vier Sternen.

Veröffentlicht am 01.08.2017

Ein Karton voller Erinnerungen

43 Gründe, warum es AUS ist
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Auf einer „Bitter 16“-Party begegnen sich Ed, der Basketball-Star, und Min, die sensible Filmnärrin. Es funkt gewaltig zwischen ihnen und es folgt eine kurze, aber leidenschaftliche Beziehung. Min gibt ...

Auf einer „Bitter 16“-Party begegnen sich Ed, der Basketball-Star, und Min, die sensible Filmnärrin. Es funkt gewaltig zwischen ihnen und es folgt eine kurze, aber leidenschaftliche Beziehung. Min gibt am Ende dieser Romanze Ed all die Dinge in einem Karton zurück, die sie mit der Beziehung verbindet. Dazu schreibt sie ihm einen Brief, in dem sie quasi mit ihm abrechnet.

Ganz so witzig, wie ich zunächst annahm, ist das Hörbuch nicht. Doch das ist gar nicht schlimm, denn Min schreibt hier zwar angeblich für Ed diesen Brief, doch im Grunde verarbeitet sie damit einfach selbst die ganze Sache. Der Leser/Hörer erfährt die Hintergründe und bekommt tiefe Einblicke in Mins Gefühlsleben. Ed ist völlig anders gestrickt. Das wusste Min eigentlich schon eingangs, doch wo das Herz regiert, geschehen Fehler – und genau die muss man machen, wenn man erwachsen wird.

Dieses (Hör-)Buch erzählt so viel mehr, als man auf den ersten Blick denkt. Es stellt Ed nicht als egoistischen Typen dar, auch wenn er so viele Fehler gemacht hat. Schließlich ist auch Ed in der Pubertät, entdeckt sich und das Leben erst und versucht, allen gerecht zu werden. Hier wird niemandem die (alleinige) Schuld zugewiesen. Genau das gefällt mir sehr an der Story.

Auch jammert Min nicht, sondern reflektiert einfach die Zeit mit Ed. Sie erkennt dabei auch, wo sie selbst Fehler gemacht hat. Ihre Freundin und ihr bester Freund spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Die Sprache passt zur Jugend, ist aber nicht extrem auf jugendlich getrimmt. Obwohl es keinen wirklichen Spannungsbogen gibt, möchte man doch wissen, was genau Min nun dazu gebracht hat, die Beziehung zu beenden, denn zunächst klingt es gar nicht so, als gäbe es einen Grund. Nach und nach spürt man, dass Ed sie mit irgendetwas ganz übel verletzt haben muss und Stück für Stück kommt man der Wahrheit näher. Das ist sehr schön aufgebaut und hört und liest sich großartig. Zwischendurch bin ich ein wenig ungeduldig geworden, auch wenn ich an keiner Stelle gelangweilt war. Dennoch hatte ich das Gefühl, die Story kam ein wenig zu spät auf den Punkt.

Laura Maire schafft es, wie eine 16-jährige zu klingen. Sie gibt allen Personen die passende Stimme, Tonlage und Lautstärke, sodass man sie prima unterscheiden kann. Das Hörbuch ist ein echter Genuss, stimmt aber auch ein wenig nachdenklich. Mir hat es sehr gut gefallen und es ist mir vier Sterne wert.

Veröffentlicht am 22.07.2017

Zwei Welten kreisen umeinander

Sauna mit Nachbar
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Der verwitwete Geschichtslehrer hat in den Ferien wenig zu tun und so schließt er sich immer enger an den Nachbarn an. Dieser werkelt an immer neuen Projekten, verwendet für vieles Dinge, die in den Augen ...

Der verwitwete Geschichtslehrer hat in den Ferien wenig zu tun und so schließt er sich immer enger an den Nachbarn an. Dieser werkelt an immer neuen Projekten, verwendet für vieles Dinge, die in den Augen des Lehrers Abfall sind und ist die Ruhe in Person. Nichts bringt ihn aus dem Takt. So lässt er sich auch vom Lehrer ein wenig auf die Nerven gehen. Er akzeptiert sogar, dass dieser ständig im Weg steht und nie hilft. Sogar die kaum versteckten Annäherungsversuche an Emilia lassen ihn kalt, doch der Lehrer, der sich so viel intelligenter hält, lernt in der Zeit des Saunabaus mehr fürs Leben, als er je gedacht hätte …

Im ganzen Buch hat nur die Nachbarin einen Namen: Emilia. Der Geschichtslehrer und der Nachbar bleiben namenslos, ebenso die Kinder der Nachbarsfamilie. Das liest sich gar nicht so schlecht, wie man glauben möchte, aber beim Erzählen darüber klingt es schon schräg.

Der Humor des Buches ist leise, man muss selten laut auflachen. Das ist in meinen Augen jedoch kein Fehler oder Nachteil! Die Story ist lakonisch und steckt voller Philosophie. Wenn man sich dafür öffnet, mag man nicht nur den vermeintlich weniger intelligenten Nachbarn sehr gern, sondern auch den überheblichen, von sich überzeugten und dadurch eher unsympathischen Geschichtslehrer. Für mich persönlich war die Tatsache, dass der Lehrer ausgerechnet Geschichte unterrichtet, besonders witzig – hatte ich doch tatsächlich einen Geschichtslehrer, der sich selbst für unfehlbar und die Krönung überhaupt hielt.

Der Unterschied zwischen den beiden Protagonisten könnte größer nicht sein: ein verwitweter Akademiker, stur und überakkurat gegen einen sechsfachen Vater, der alles locker und mit Ruhe nimmt, sich auf Experimente einlässt und der bei nichts pedantisch ist.

Die Sprache des Buches ist leise und sanft, dennoch steckt ganz viel Weisheit darin. Die vermeintlich unintelligente Handlungsweise des Nachbarn wird immer mehr zur schlaueren Lebensart und gibt dem Leser damit unweigerlich zu denken. Ob Schwächen wirklich immer schlecht und hinderlich sind, wo Freundschaft beginnt und welche alternativen Reaktionen es für alle Situationen gibt, das zeigt Roope Lipasti ganz ohne moralisch erhobenem Zeigefinger. Es kann immer einer vom anderen lernen, auch wenn der erste Eindruck das nicht gleich erkennen lässt. Lipastis Philosophie ist einfach, aber effektiv.

Mir haben die 240 Seiten nicht nur gefallen, sie haben mir auch gut getan. Dennoch muss ich einen Stern abziehen, da mich die Story auf halber Strecke kurz verloren hatte und ich neu ins Buch finden musste. Dennoch kann ich das Buch guten Gewissens empfehlen. Deshalb gebe ich vier Sterne!