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Veröffentlicht am 27.01.2020

Nachdenklich stimmende Geschichte über zwei Schwestern

Long Bright River
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Die dreiunddreißigjährige Mickey arbeitet als Streifenpolizistin in Kensington, einem Stadtteil von Phiadelphia. Während ihrer Fahrten hält sie stets nach ihrer jüngeren Schwester Kacey Ausschau. Die beiden ...

Die dreiunddreißigjährige Mickey arbeitet als Streifenpolizistin in Kensington, einem Stadtteil von Phiadelphia. Während ihrer Fahrten hält sie stets nach ihrer jüngeren Schwester Kacey Ausschau. Die beiden haben seit fünf Jahren nicht mehr miteinander geredet, doch sie sorgt sich um sie. Denn Kacey ist drogenabhängig, schon mehrfach beinahe an einer Überdosis gestorben und verdient sich das Geld für den nächsten Schuss mit Prostitution. Als Mickey einen Monat lang nichts mehr von Kacey gehört hat und gleichzeitig ein Serienmörder im Viertel aktiv wird, der es auf Prostituierte abgesehen hat, beschließt sie, beidem nachzugehen in der Hoffnung, dass es keinen Zusammenhang gibt.

Der Ich-Erzählerin Mickey begegnet der Leser erstmals auf einer Streifenfahrt gemeinsam mit ihrem neuen Partner Eddie Lafferty, der erst seinen zweiten Tag im Revier hat. Mickey hält wieder einmal Ausschau nach Kacey, entdeckt jedoch nur deren Freundin Paula, über die sich Lafferty abfällig äußert. Damit ist für Mickey klar: Sie arbeitet lieber weiterhin allein als mit ihm, denn ihr bisheriger Parter Truman, mit dem sie jahrelang harmonierte, ist noch immer krank geschrieben.

Das Buch nimmt sich Zeit, dem Leser den Stadtteil Kensington und das Leben dort nahezubringen. Über Jahre ist das Drogenproblem auf den Straßen immer größer geworden, Frauen und Männer hängen schon früh an der Nadel und tun alles, um an Geld für Nachschub zu kommen. Jeder kennt irgendwen, der abhängig ist oder war. Im Dienst findet Mickey immer wieder Opfer einer Überdosis. Um ein solches scheint es sich auch bei der Toten zu handeln, zu deren Fundort sie gerufen wird, doch dann entdeckt Mickey Anzeichen für Strangulation. Dem geht die Polizei jedoch erst nach, als weitere ermordete Frauen gefunden werden.

Mickey lässt den Leser an ihren Gedanken teilhaben, sodass man intensive Einblicke in die schwierige Beziehung zu ihrer Schwester erhält. In Rückblenden erfährt man mehr über ihr gemeinsames Aufwachsen, die enge Verbindung der beiden und wie sie sich schließlich zunehmend voneinander entfernt und gänzlich unterschliedliche Lebenswege eingeschlagen haben. Mich konnten Mickeys Schilderungen berühren und ich habe gut nachvollziehen können, warum sie unbedingt in Erfahrung bringen möchte, ob es ihrer Schwester gut geht. Doch Mickey verschweigt dem Leser einige Dinge und ebenso wurde ihr manches verschwiegen, sodass es mit der Zeit noch einige Überraschungen gibt.

Bei der Suche nach ihrer Schwester und dem Versuch, mehr über den Serienmörder in Erfahrung zu bringen, agiert Mickey zunehmend verzweifelt und begibt sich in Gefahr, um die zum reden zu bringen, die etwas wissen könnten. In dem insgesamt eher ruhigen Buch kommt dadurch allmählich Spannung auf, die vor allem psychologischer Natur ist. Dabei wunderte ich mich über zwei Dinge: Zum einen habe ich nicht verstanden, warum Mickey ihren Sohn täglich in der Obhut einer desinteressierten jungen Frau lässt, deren Adresse sie nicht einmal kennt, aber riesige Bedenken hat, als die freundliche Nachbarin anbietet, auf ihn aufzupassen. Zum anderen gibt es eine verschwommene Videoaufnahme, auf der gefühlt jeder etwas erkennt, nur Mickey nicht, und die zum Dreh- und Angelpunkt der Handlung wird. Die Auflösung ist schließlich weniger dramatisch als ich erwartet habe, passt aber gut zur Geschichte.

„Long Bright River“ erzählt die Geschichte zweier unterschiedlicher Schwestern, einer Streifenpolizistin und einer drogenabhägige Prostituierten, die dennoch eng miteinander verbunden sind. Und es erzählt in ruhigen und eindringlichen Tönen von Abhängigkeit und Liebe sowie den Licht- und Schattenseiten des Polizeidienstes. Das Buch ist keine leichte Lektüre, es liefert Stoff zum Nachdenken und konnte mich berühren. Gerne spreche ich eine Leseempfehlung aus.

Veröffentlicht am 14.01.2020

Showdown in Ägypten

Merle. Das Gläserne Wort
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„Das gläserne Wort“ ist der dritte Teil im Merle-Zyklus von Kai Meyer. In diesem ist Merle gemeinsam mit der fließenden Königin, Junipa und Vermithrax die Flucht aus der Hölle gelungen, doch das steinerne ...

„Das gläserne Wort“ ist der dritte Teil im Merle-Zyklus von Kai Meyer. In diesem ist Merle gemeinsam mit der fließenden Königin, Junipa und Vermithrax die Flucht aus der Hölle gelungen, doch das steinerne Licht hat seine Spuren hinterlasssen. Die Gefährten finden sich in Ägypten wieder und versuchen dort, zur Festung der Sphinxe vorzudringen. Auch Winter hat es unübersehbar hierher verschlagen. Serafin und Unke müssen unterdessen mit einer Meerhexe verhandeln, damit sie, Lalapeja und die anderen Jungen aus dem Meer gerettet werden.

Nach vielen spannenden Kämpfen startet dieser Band etwas ruhiger. Die Charaktere denken über das Geschehene nach und müssen neue Pläne schmieden. Ich war neugierig darauf, herauszufinden, was im Eisernen Auge der Sphinxe vor sich geht. Toll fand ich, dass Junipa endlich eine wichtigere Rolle spielt und es im Hinblick auf ihre Fähigkeiten einige Überraschungen gibt. Die Gruppe rund um Serafin, Unke und Lalapeja hat in diesem Band etwas weniger zu tun und liefert eher punktuelle Unterstützung. Schade fand ich, dass Merle und Serafin so wenige gemeinsame Szenen haben. Woher dennoch die starken Gefühle füreinander kommen wurde mir zu wenig erklärt. Die Spannung steigt kontinuierlich an und gipfelt schließlich in einer dramatischen entscheidenden Szene. Jetzt freue ich mich sehr auf das neue Buch im Merle-Zyklus, „Serafin. Das kalte Feuer“!

Veröffentlicht am 28.12.2019

Es geht spannend weiter

Merle. Das Steinerne Licht
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Der zweite Band des Merle-Zyklus von Kai Meyer, „Das steinerne Licht“ setzt kurz nach den Ereignissen des ersten Bandes ein. Merle ist mit der fließenden Königin auf dem Rücken von Vermithrax die Flucht ...

Der zweite Band des Merle-Zyklus von Kai Meyer, „Das steinerne Licht“ setzt kurz nach den Ereignissen des ersten Bandes ein. Merle ist mit der fließenden Königin auf dem Rücken von Vermithrax die Flucht aus Venedig gelungen. Nun wollen sie einen Eingang zur Hölle finden, um hinabzufliegen und Lord Licht zu bitten, ihnen zu helfen. Serafin ist unterdessen in Venedig zurückgeblieben, das sich jetzt in der Hand der Ägypter befindet. Als er ausgerechnet von den Lehrlingen Arcimboldos gerettet wird, bringen die ihn zur mysterösen Anführerin der Rebellen, die ihn in ihren Plan einspannen will.

Das Tempo der Geschichte ist wieder von Beginn an hoch. Ich wurde Zeugin der grausigen Aktivitäten der Ägypter und bangte mit Merle, ob ihre Reise von Erfolg gekrönt sein wird. Die Hölle macht ihrem Namen früh alle Ehre, denn schon bald befindet sich Merle mit ihren Reisegefährten in großer Gefahr. Auch in Venedig geht es um Leben und Tod, denn die Rebellen planen einen Anschlag. Besonders interessant fand ich es in diesem Band, mehr über die Sphinxe zu erfahren, uralte Wesen mit besonderen Mächten. Überrascht wurde ich vor allem auf der Reise in die Hölle, denn diese ist ganz anders als gedacht. Unterm Strich erleben die Charaktere viel, es fehlt jedoch der entscheidende Fortschritt, weshalb sich das Buch für mich wie ein typischer Mittelband anfühlte. Ich bin jetzt sehr gespannt, wie die Geschichte in „Das gläserne Wort“ vorerst endet, bevor im Februar mit „Serafin. Das kalte Feuer“ ein neues Buch aus dem Zyklus erscheint!

Veröffentlicht am 07.12.2019

Norwegische Märchen entdecken - mit gelungenen Illustrationen von Kat Menschik

Die Puppe im Grase
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In diesem Jahr war Norwegen das Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Deshalb war ich sehr neugierig, im siebten Band der Illustrierten Lieblingsbücher von Kat Menschik in das Märchengut des Landes einzutauchen. ...

In diesem Jahr war Norwegen das Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Deshalb war ich sehr neugierig, im siebten Band der Illustrierten Lieblingsbücher von Kat Menschik in das Märchengut des Landes einzutauchen. Für das Buch wurden Märchen ausgewählt, die im 19. Jahrhundert von Christian Peter Asbjørnsen und Jørgen Moe zusammengetragen und von Friedrich Bresemann übersetzt wurden.

Zwölf Märchen gibt es in diesem Buch zu entdecken, wobei die meisten nur zwei Seiten lang und damit schnell gelesen sind. Mir waren diese Märchen bislang allesamt nicht bekannt, auch wenn es natürlich viele wiederkehrende Motive und Elemente gibt, die man auch in deutschen Märchen findet. Ich fand es interessant zu sehen, wie viele Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede es gibt.

Wie für die Zeit üblich weisen viele der Texte grausame Elemente auf und enden oftmals auch nicht gut. Oftmals erschloss sich mir auch die Moral nicht. Beispielsweise heiratet der kleine Däumerling die Prinzessin und ertrinkt dann in der Butter. Besser gefallen hat mir da schon „Die zwölf wilden Enten“ mit einer Prinzessin namens Schneeweiß und Rosenrot, die übrigens rein gar nichts mit den Schwestern aus dem Grimms’schen Märchen gemein hat. Hier darf mal eine Frau selbst aktiv werden, statt nur der Hauptgewinn für den tapferen Helden zu sein, der vom König verschenkt wird.

Jedes Märchen wird von mindestens einer Illustration von Kat Menschik begleitet. Für dieses Buch wurden zwei Blautöne und Blutrot ausgewählt. Das Rot setzt bei den Illustrationen kraftvolle Akzente, zum Beispiel als Lippen oder Feuer. Jede einzelne ist für mich ein kleines Highlight, die dafür sorgt, dass ich das Buch immer wieder gern zur Hand nehme.

Veröffentlicht am 03.12.2019

Ein berührender und nachdenklich stimmender Roman

Deutsches Haus
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„Deutsches Haus“ von Annette Hess nimmt den Leser mit ins Jahr 1963 nach Frankfurt, wo Eva als Dolmetscherin arbeitet. Üblicherweise übersetzt sie bei Wirtschaftsfragen oder Verhandlungen wegen Schadenersatz ...

„Deutsches Haus“ von Annette Hess nimmt den Leser mit ins Jahr 1963 nach Frankfurt, wo Eva als Dolmetscherin arbeitet. Üblicherweise übersetzt sie bei Wirtschaftsfragen oder Verhandlungen wegen Schadenersatz aus dem Polnischen. Nun aber wurde sie kurzfristig angefordert, um die Aussage eines ehemaligen Auschwitz-Gefangenen zu übersetzen. Denn gerade wird der erste Auschwitzprozess vorbereitet, der sich über Monate ziehen wird. Das Gehörte schockiert sie und geht ihr lange nicht aus dem Kopf. Als Eva gefragt wird, ob sie auch beim Prozess selbst übersetzen will, sagt sie zu, um die Opfer zu unterstützen. Ihr wohlhabender Freund Jürgen, mit dem sie sich in Kürze verloben will, sieht ihre Berufstätigkeit kritisch, vor allem bei einem solch aufsehenerregendem Thema. Ihre Eltern blocken Gespräche über das Thema gänzlich ab.
Das Thema Auschwitz war achtzehn Jahre nach Kriegsende noch bei weitem nicht so aufgewarbeitet wie heute, und die Haltung der Bevölkerung zum Prozess gemischt. Einige fordern Gerechtigkeit, andere wollen die Vergangenheit endlich ruhen lassen. Ich fand es interessant, die Prozesse aus Evas Sicht zu begleiten. Was sie hört stimmt nachdenklich und zeigt deutlich, wie wichtig die Erinnerung an diese Verbrechen ist, damit sie sich niemals wiederholen. Die Geschichte beschäftigt sich auch mit den Reaktionen ihres Umfelds auf ihre Tätigkeit. Ihren Freund Jürgen fand ich unsympathisch und es wurde wenig verständlich gemacht, warum sie ihn heiraten will. Seine Haltung zur Berufstätigkeit der Zukünftigen war aber nicht gänzlich unüblich für die Zeit. In Bezug auf Evas Eltern zeichnet sich bald ab, dass sie etwas zu verbergen haben, was die Familie in ihren Grundfesten erschüttern könnte. Die Geschichte rund um Evas Schwestern Annegret hätte es aus meiner Sicht nicht gebraucht - welche Message sollte ihr Handeln und dessen Konsequenzen senden? Insgesamt ein berührender, nachdenklich stimmender Roman, der die Atmosphäre und das Drumherum des ersten Auschitz-Prozesses gelungen einfängt.