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Veröffentlicht am 07.01.2024

Drei Perspektiven, aber keine Antworten

Chrysalis
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Eines Tages taucht die namenlose Protagonistin im Fitness-Studio auf. Sie will ihren Körper völlig verändern, will stärker und muskulöser werden. Nach und nach lernen wir sie aus drei unterschiedlichen ...

Eines Tages taucht die namenlose Protagonistin im Fitness-Studio auf. Sie will ihren Körper völlig verändern, will stärker und muskulöser werden. Nach und nach lernen wir sie aus drei unterschiedlichen Perspektiven kennen: Elliot, der im selben Studio trainiert und von ihr fasziniert ist. Bella, ihre Mutter, die uns erzählt, wie ihre Tochter aufgewachsen ist und womit sie zu kämpfen hatte. Und schließlich Arbeitskollegin und Freundin Susie, die sie nach einer Trennung bei sich aufnimmt.

„Chrysalis“ ist der erste Roman der britischen Autorin Anna Metcalfe, deren Erzählungen bereits veröffentlicht und preisgekrönt wurden; die deutsche Übersetzung stammt von Eva Bonné. Jede der drei Erzählperspektiven ist in der Ich- und Vergangenheitsform geschrieben und gibt den Blick auf die Abgründe der Figuren frei. Elliot ist unangenehm, geradezu ein Stalker, der aus einer ersten Begegnung gleich eine besondere Beziehung ableitet. Bella zeigt sich mit der Fürsorge für ihre Tochter überfordert, zugleich fällt es ihr schwer, sie loszulassen. Und Susie geht völlig darin auf, die neue Mitbewohnerin zu verwöhnen und mit Geschenken zu überhäufen.

Doch was wissen wir wirklich über die Protagonistin? Nach einen traumatischen Beziehung, die sie selbst jedoch verharmlost, beschließt sie, ihren Körper zu stählen – was der Trainer im Fitness-Studio erst einmal nicht glauben will, denn wenn Frauen Sport machen, dann doch um abzunehmen, oder? Unsere Heldin will noch dazu von niemandem mehr abhängig sein und so stößt sie alle drei Erzähler*innen nach und nach von sich, um am Ende nur noch von ihren Fans für ihre Social Media-Kunst verehrt zu werden.

Man könnte denken, die drei unterschiedlichen Perspektiven würden ein Gesamtbild der Hauptfigur zusammensetzen, aber eigentlich ist es noch lückenhafter als zuvor. Ihren Wunsch konnte ich nach dem, was sie erlebt hat, verstehen, nicht aber, wie sie selbst Menschen bewusst verletzt. Noch dazu scheint sie auch der Kontrast nicht zu stören, dass sie zwar einerseits niemanden um sich haben will, dann aber doch ihr ganzes künstlerisches Sein auf anderen aufbaut: Elliot liefert die Idee, Susie die Requisiten und Bella das Geld. Mir fehlt hier konkret die Perspektive der Protagonistin, um diese Widersprüche aufzulösen oder zumindest zu verstehen.

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Veröffentlicht am 06.09.2023

Unplausible Handlung

Paradise Garden
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Billie ist 14, als sie und ihre alleinerziehende Mutter Marika etwas Geld gewinnen. Davon wollen sie eine kleine Reise unternehmen, so dass Billie zum ersten Mal das Meer sehen kann. Doch alles kommt anders ...

Billie ist 14, als sie und ihre alleinerziehende Mutter Marika etwas Geld gewinnen. Davon wollen sie eine kleine Reise unternehmen, so dass Billie zum ersten Mal das Meer sehen kann. Doch alles kommt anders als Billies ungarische Großmutter krank wird, der Trip ins Wasser fällt und sie auf tragische Weise ihre Mutter verliert. So macht Billie sich allein auf die Suche nach ihrem Vater.

Auf Elena Fischers Debüt „Paradise Garden“ bin ich durch die Longlist des Deutschen Buchpreises gestoßen. Es war das erste Buch von der Liste, das mich sofort angesprochen hat. Die Handlung wird aus Billies Sicht in der Ich- und Vergangenheitsform erzählt. Mit solchen Perspektiven habe ich oft Schwierigkeiten, weil Kinder und Teenager wie Erwachsene sprechen bzw. schreiben. Auch hier ist das nicht anders. Billie will zwar Schriftstellerin werden, aber dennoch klangen einige Gedanken und Aussagen von ihr nicht unbedingt authentisch.

Im Zentrum des Romans steht die Beziehung zwischen Billie und ihrer Mutter. Die ist als Teenager aus Ungarn fortgegangen und hat sich in Deutschland ein neues, freies Leben aufgebaut. Diese Freiheit bedeutet jedoch auch, dass Mutter und Tochter jeden Cent umdrehen und auf vieles verzichten müssen. Das fällt Billie umso deutlicher auf, da die Familie ihrer besten Freundin Lea reich ist. Ihren Vater hat sie nie gekannt, die Mutter weigert sich standhaft, seine Identität zu verraten. Nach deren Tod muss Billie außerdem feststellen, dass Marika ihr in vielen Dingen nicht die Wahrheit gesagt hat.

Mit „Paradise Garden“ habe ich zwei große Probleme: 1. Die Handlung ist völlig unplausibel. Hier unternimmt eine 14-Jährige eine wochenlange Flucht in einem Auto und niemand wundert sich, dass da eine Minderjährige unbegleitet am Steuer sitzt. (Von anderen zahlreichen glücklichen Zufällen und Begegnungen nicht zu sprechen.) 2. Die Beziehung zur Mutter wird geradezu verklärt. Ja, sie hat Billie allein großgezogen, dennoch hat sie das Mädchen mit ihrem übergroßen Drang, sich bloß an niemanden zu binden, im Prinzip in die Armut gebracht und ihr die Chance auf einen Vater genommen.

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Veröffentlicht am 25.05.2023

Nicht überzeugende Fortsetzung

Wer die Hölle kennt
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Alex Stern machen die Ereignisse der letzten Monate immer noch zu schaffen. Die Mordserie ist zwar aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen, ihr Mentor Darlington bleibt aber verschwunden. ...

Alex Stern machen die Ereignisse der letzten Monate immer noch zu schaffen. Die Mordserie ist zwar aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen, ihr Mentor Darlington bleibt aber verschwunden. Gemeinsam mit Dawes und (äußerst widerwillig) Polizei-Verbindungsmann Turner macht Alex auf die Suche nach einem Weg dorthin, wo sie ihn vermutet: die Hölle. Dabei muss sich sie auch ihren Dämonen stellen – und zwar wörtlich.

„Wer die Hölle kennt“ ist der 2. Band der Reihe um die Geheimorganisation „Haus Lethe“ von Leigh Bardugo. Wie auch in „Das neunte Haus“ fällt es mir schwer, die Autorin, die ich so für die „Six of Crows“-Dilogie liebe, mit diesen beiden Werken zusammen zu bringen. Was das Worldbuilding betrifft, hatte ich mir viel mehr Dark Academia erhofft. Was ich bekommen habe, ist aber hauptsächlich Dark und weniger Academia, Alex‘ Universitätsausbildung dient schließlich auch nur als Tarnung. Die wenigen Momente, in denen alte Texte recherchiert oder Geheimgänge auf dem Campus erkundet werden, kommen leider zu kurz.

Zu Alex als Protagonistin fällt es mir weiterhin schwer, eine Beziehung aufzubauen. Hals über Kopf stürzt sie sich in jede Aufgabe, ohne dabei Rücksicht auf die eigene oder die Sicherheit anderer zu nehmen. Sie riskiert ständig das einzige Leben, das ihr momentan bleibt, denn das Verhältnis zu ihrer Mutter ist weiterhin schwierig, Freunde hat sie keine. Umso besessener ist Alex von dem Gedanken, Darlington wieder zurück zu bringen. Darüber hinaus mutet Leigh Bardugo ihren weiblichen Figuren sehr viel Trauma und sinnlose Gewalt zu, das geht mir stellenweise zu weit und ist für den Fortgang der Geschichte unnötig.

Die Vorbereitungen für Darlingtons Rettungsaktion nimmt im Prinzip den ganzen Band ein, denn immer wieder treten Schwierigkeiten auf. Umso unverständlicher und frustrierender ist es, dass manches, was vorher auch mit Unterstützung unlösbar erscheint, auf einmal Alex allein spielend gelingt. Hier hat es sich die Autorin, meines Erachtens, zu einfach gemacht. Auch Handlungselemente aus Band 1 wiederholen sich; so gibt es wieder eine Mordreihe, Probleme mit Obrigkeiten und Alex‘ Vergangenheit. Schade!

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Veröffentlicht am 22.04.2023

Mittelmäßiger Abschluss des Quartetts

Der Traum von einem Baum
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2110, Longyearbyen, Spitzbergen. Der 18-jährige Tommy, seine 2 jüngeren Brüder und ein Schwesternpaar aus der Nachbarschaft – das sind die letzten Überlebenden in dem kleinen Ort. Schon lange wachsen dort ...

2110, Longyearbyen, Spitzbergen. Der 18-jährige Tommy, seine 2 jüngeren Brüder und ein Schwesternpaar aus der Nachbarschaft – das sind die letzten Überlebenden in dem kleinen Ort. Schon lange wachsen dort keine Bäume mehr, Obst und Gemüse gedeiht nur im Gewächshaus. Die Großmutter hat Tommy alles beigebracht, was er über Pflanzen wissen muss und ihm zudem ein Geheimnis anvertraut: sie ist die Wächterin einer Saatgutkammer, deren Inhalt die Welt retten könnte. Doch dann rafft eine Krankheit fast den gesamten Ort dahin. Können die 5 Überlebenden allein dort zurechtkommen? Oder sollen sie das Saatgut gegen ein neues Leben eintauschen?

Mit „Der Traum von einem Baum“ schließt Maja Lunde ihr im Jahr 2015 begonnenes Klimaquartett ab und führt einige lose Fäden wieder zusammen. So begegnen wir Tao aus Band 1 wieder, ebenso wie Lou aus Band 2 und 3. Erzählt wird dieses Mal jedoch in einem einzigen Handlungsstrang. Dabei kommt hauptsächlich Tommy zu Wort, während Tao uns Zugang zu Dingen gewährt, die außerhalb von Tommys Reichweite geschehen. Beide blicken zudem immer wieder in die Vergangenheit zurück.

Für Tommy ist seine Familie das Wichtigste. Longyearbyen ist sein Zuhause, das er nicht verlassen möchte – egal, wie die Lebensbedingungen dort aussehen. Diese Meinung teilte auch sein Vater, was oft zum Streit mit der Großmutter führte. Sie ist eine ruhelose Seele, die ihr Leben lang umhergezogen ist. Diese Sehnsucht teilt auch Rakel, eine der 5 Überlebenden und sie ist es auch, die letztendlich dem chinesischen Forschungsteam Zugriff auf das Saatgut verspricht – im Gegenzug für ein neues Leben. Die Handlung eskaliert, als Tommy und sie über diese heimlich getroffene Entscheidung in Streit geraten.

An den Vorgängerbänden mochte ich stets das jeweilige Umweltschutzthema. Hier stehen Bäume und die Saatgutkammer nur sehr lose im Mittelpunkt, vorrangig geht es hier um menschliche Schicksale. Dabei ist Tommy als Protagonist ungemein nervtötend und Tao eine eher unwichtige Rolle. Insgesamt habe ich mir vom großen Finale dieser Reihe einfach mehr erwartet – mehr Fakten, mehr Spannung, mehr Tiefe.

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Veröffentlicht am 22.03.2023

Geschichte einer alleinerziehenden Mutter

Räume des Lichts
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Als sie von einem auf den anderen Tag von ihrem Mann verlassen wird, zieht eine Frau mit ihrer 2-jährigen Tochter in die oberste Etage eines Bürogebäudes. Dort versucht sie, sich ein neues Leben als Alleinerziehende ...

Als sie von einem auf den anderen Tag von ihrem Mann verlassen wird, zieht eine Frau mit ihrer 2-jährigen Tochter in die oberste Etage eines Bürogebäudes. Dort versucht sie, sich ein neues Leben als Alleinerziehende aufzubauen, doch Ärger mit dem Ex-Mann, den Nachbarn und dem Vorgesetzten sowie Ausraster und Alpträume der Tochter machen das quasi unmöglich. Nach und nach verliert sie immer mehr an Bodenhaftung und auch das Verhältnis zum eigenen Kind scheint von Grund auf vergiftet.

„Räume des Lichts“ von Yuko Tsushima wurde bereits 1978 in einer japanischen Zeitschrift in insgesamt 12 Folgen veröffentlicht. Nun liegt der Roman in einer Neuübersetzung von Nora Bierich im Arche Verlag vor. Erzählt wird episodenhaft aus der Sicht der Mutter in der Ich-Perspektive und Vergangenheitsform. Auf diese Weise sind wir stets ganz nah bei der Hauptfigur und erfahren ihre Erlebnisse und Emotionen aus erster Hand.

Grundsätzlich spricht die Autorin hier ein wichtiges Thema an. Sie zeigt auf, wie die Gesellschaft alleinerziehende Mütter im Stich lässt und wie diese sich zwischen Schuldgefühlen, Aufopferung und Scham bewegen. Der Protagonistin fällt es nicht immer leicht, ihre Tochter bedingungslos zu lieben, zumal diese auf die veränderte Familiensituation mit Gewaltausbrüchen, Streichen und Bockigkeit reagiert. Manchmal stellt die Mutter sich sogar vor, das Kind würde sterben und erschrickt gleich darauf vor sich selbst.

Mutter und Tochter bleiben den gesamten Roman über namenlos, was den Zugang zu ihnen wirklich erschwert. Vor allem das Verhalten der Mutter ihrer Tochter gegenüber war an einigen Stellen im besten Fall ruppig und ungeduldig, im schlimmsten Fall an der Grenze zu Vernachlässigung und psychischer Grausamkeit. Möglicherweise ist die Geschichte aus den späten 70er Jahren hier einfach nicht „gut gealtert“, aber mit heutigen Augen betrachtet, ist die gezeigte Erziehung bedenklich.

Gut gefallen hat mir hingegen, wie die Autorin mit dem Titel gebenden Bild des Lichtes spielt: wie es durch die Fenster ihrer Wohnung fällt, wie es sich im Wasser spiegelt usw. – das ist sprachlich außerordentlich gelungen.

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