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Veröffentlicht am 17.10.2021

Spannend, originell und zeitgemäß

Die Zeit der Wilden
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Martine Laverdure arbeitet seit zehn Jahren in einem Supermarkt. Sie war nicht einen Tag krankgeschrieben, immer pünktlich und freundlich. Ihr Leben wirkte farblos und trist, Martine wie eine gesichtslose ...

Martine Laverdure arbeitet seit zehn Jahren in einem Supermarkt. Sie war nicht einen Tag krankgeschrieben, immer pünktlich und freundlich. Ihr Leben wirkte farblos und trist, Martine wie eine gesichtslose Person inmitten eines kapitalistischen, privatisierten Dschungels. Das ändert sich, als sie ein kleines Techtelmechtel mit einem ihrer Kollegen beginnt. Jacques Chirac Oussoumo schafft es, ihr wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und die trostlosen Tage zu erhellen. Doch genau das ist ihren Arbeitgebern ein Dorn im Auge.

Zitat Seite 8: "Die Geschäftsordnung verbietet Angestellten, Beziehungen außerhalb des beruflichen Rahmens zu unterhalten."

Man will Martine und Jacques fristlos kündigen, doch während des Gesprächs überschlagen sich die Dinge und Martine wird tödlich verletzt.

Dass ich es hier nicht mit einem reinen Thriller zu tun bekomme, sondern einem recht sozial- und gesellschaftskritischen Werk, war mir nach Lesen der Beschreibung klar. Doch was sich hinter dem simplen Cover verbirgt, hatte ich nicht erwartet. Dieses Buch strotzt nur so vor lautstarken Protesten, Denkanstößen und Charakteren, die man nur abseits des Mainstreams findet. Und gerade weil sie Außenseiter sind, vor allem Andersaussehende, fühle ich mich ihnen verbunden. Sicher, ich gehe nicht mit allen Meinungen konform, heiße auch nicht jede Handlung gut, dennoch verstehe ich die Intention dahinter.

Im Fall von Martine sind es ihre vier Söhne, auf die der Fokus u.a. gelenkt wird, die aufgrund genetischer Manipulation Eigenschaften von Wölfen besitzen. Sie sind wild, ungezähmt - und sie wollen Rache nehmen für den Tod ihrer Mutter. Es ist die Zeit der Wilden. Pech für den Sicherheitsagenten Jean, dass er derjenige ist, auf dessen Konto der tödliche Unfall geht. Wer möchte schon ins Visier von rebellischen, gewalttätigen Wölfen geraten?

Die Graphic Novel ist überraschend textlastig, was teilweise für Langatmigkeit sorgt. Das können die monochrom kolorierten Zeichnungen allerdings wieder gutmachen. Detailliert, pointiert - ein großartiges Artwork! Müsst ihr euch unbedingt selbst ansehen!

Persönliches Fazit: Spannend, originell und absolut zeitgemäß. Ich empfehle das Buch gern weiter an all jene, die sich gern mit wichtigen Themen auseinandersetzen und zudem ein Faible für Zeichnungen haben.

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Veröffentlicht am 15.09.2021

Spannendes Rätsel- und Lesevergnügen

Wer das Feuer entfacht - Keine Tat ist je vergessen
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Ein Hausboot in London. Der Bewohner Daniel Sutherland wird brutal ermordet. Drei Frauen, die unterschiedliche Beziehungen zu dem Opfer hatten, geraten ins Visier der Ermittlungen. Alle haben ein Motiv ...

Ein Hausboot in London. Der Bewohner Daniel Sutherland wird brutal ermordet. Drei Frauen, die unterschiedliche Beziehungen zu dem Opfer hatten, geraten ins Visier der Ermittlungen. Alle haben ein Motiv und sind durch Erlebnisse in der Vergangenheit stark geprägt.

Laura war meine Lieblingsprotagonistin. Die junge, meist aufgewühlt wirkende Frau, hatte einen One-Night-Stand mit dem Opfer und wurde als Letzte am Tatort gesehen. Ihren Charakter hat Hawkins am besten ausgearbeitet und sehr authentisch beschrieben. Ich habe ihr von Anfang an jedes Wort geglaubt und ihre Geschichte sowie auch ihre schreckliche Vergangenheit mit allerlei Emotionen verfolgt.

Carla ist die Tante des Opfers und hat mit einem schweren Verlust zu kämpfen. Auch sie wurde sehr bildhaft dargestellt und realistisch ausgearbeitet.

Dann wäre da noch Miriam. Sie wohnt im Hausboot nebenan und entdeckt die Leiche von Daniel. Miriam ist die geheimnisvollste der drei Protagonistinnen. Hawkins gibt lange Zeit sehr wenig von ihr preis und spannt den Leser somit ein wenig auf die Folter.

Die Story wird aus verschiedenen Perspektiven berichtet, wobei es hauptsächlich um die drei Frauen geht, die im Fokus der Ermittlungen stehen und die Geschichte schildern. Der Schreibstil ist relativ einfach gehalten. Ein paar weitere Spannungselemente hätten dem Plot sicherlich noch etwas Würze verliehen, aber er kommt auch so schlüssig und nachvollziehbar herüber. Das ist jetzt Jammern auf hohem Niveau.

Das Ende hat mich auf jeden Fall überzeugt, da es überraschend und nicht vorhersehbar war. Hier blieben keine Fragen mehr offen und ich habe das Buch mit Adrenalin im Blut und einem zufriedenen Seufzer beendet.

Persönliches Fazit: Ein cool konstruierter Roman, in dem nichts ist, wie es scheint. Lügen und Geheimnisse stehen hier im Mittelpunkt, und der Leser kann sich auf ein spannendes Rätsel- und Lesevergnügen freuen. Ich hoffe, dass auch dieses Buch der Autorin noch verfilmt wird!

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Empfehlenswertes Krimidebüt

Der tote Journalist
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#dertotejournalist ist nicht nur der Auftakt einer neuen Reihe, sondern zugleich das Krimidebüt von Hanna Paulsen.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Gesa Jansen. Als ihr Kollege Uwe Stolter tot aufgefunden ...

#dertotejournalist ist nicht nur der Auftakt einer neuen Reihe, sondern zugleich das Krimidebüt von Hanna Paulsen.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Gesa Jansen. Als ihr Kollege Uwe Stolter tot aufgefunden wird, übernimmt sie dessen Part als erste Polizeireporterin. Und bereits hier merkt man deutlich, wie die Medienbranche funktioniert. Es zählen primär Titelgeschichten und Verkaufszahlen, der Mensch selbst bleibt dabei mitunter auf der Strecke. Da ich in diesem Bereich tätig bin, kenne ich das Prozedere mittlerweile, daran gewöhnt habe ich mich allerdings nach wie vor nicht. Umso spannender war es für mich, mitzuerleben, wie Gesa mit dem Druck ihrer Vorgesetzten umgeht und ob es ihr gelingt, die Recherchen nicht nur sachlich anzugehen, sondern sensibel und respektvoll. Schließlich kam ein Mensch ums Leben. Und Uwe Stolter war kein Unbekannter. Über viele Jahre hinweg hat er sich in Hamburg als (ehemaliger erster) Polizeireporter einen Namen gemacht. Gesa und der ihr zugeteilte Björn Dalmann aus dem Kulturbereich müssen herausfinden, wer ihren Kollegen vergiftet hat - und warum.

Insbesondere das Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren gefiel mir gut. Da prallen zwei gänzlich unterschiedliche Charaktere aufeinander und müssen das Beste aus dieser Situation machen. Als Leser*in verfolgt man die Entwicklung der beiden und hofft, dass sie sich als Team zusammenraufen können. Dabei lässt die Autorin genug Raum für eigene Spekulationen, sodass man sich wie ein Teil der Ermittlungseinheit fühlt. Bis zum Ende hin recherchiert man mit, kombiniert Fakten und wird von Plottwists angenehm überrascht.

Paulsens Schreibstil ist unaufgeregt und flüssig. Man merkt, dass hier allerlei journalistisches Know-how eingearbeitet wurde. Für all jene, die noch keine Medienluft schnuppern konnten, sicherlich sehr interessant zu lesen.

Fazit: Ein gut konstruierter Plot, Charaktere abseits des Mainstreams und der journalistische Background machen diesen Krimi absolut empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 10.08.2021

Nervenkitzel garantiert!

Neben wem du erwachst
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Stellt euch vor, ihr wacht morgens auf, langt auf die andere Bettseite, um euren Liebsten zu begrüßen, und findet dort plötzlich einen fremden Mann vor. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, ist dieser ...

Stellt euch vor, ihr wacht morgens auf, langt auf die andere Bettseite, um euren Liebsten zu begrüßen, und findet dort plötzlich einen fremden Mann vor. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, ist dieser durch und durch von Blut durchtränkt und mit großer Wahrscheinlichkeit tot. Nichts Geringeres passiert der Hauptprotagonistin Louise, in deren Haut ich absolut nicht stecken wollte. Die Arme hat nicht nur einen Kater, sondern auch keinerlei Erinnerung an die letzte Nacht. Schnell wird klar, dass dies eine überaus brenzlige Situation ist, der sie irgendwie entkommen muss, ohne verdächtig zu wirken. Doch eine Frage brennt dem Leser von Anfang an unter den Nägeln: Ist Louise vielleicht doch eine Mörderin?

Der Plot startet so spannend, dass ich sofort gefesselt war und es kaum erwarten konnte, zu erfahren, was es mit dem toten Mann in Louises Bett auf sich hat. Dabei legt Lodge sehr viel Wert aufs Detail und erzählt ihre Geschichte aus zwei Perspektiven. So begleiten wir u.a. die Ermittler, die hervorragende Arbeit leisten. Kapitelweise wechselt die Perspektive dann zu Louises Gedanken, die zunächst ein wenig in die Vergangenheit blicken, sich jedoch schnell der Gegenwart widmen.

Die Protagonisten wurden gut gezeichnet und ausgearbeitet. Zu Louise konnte ich recht schnell einen Bezug herstellen, was wahrscheinlich daran lag, dass sie mir unglaublich leidtat. Ihre Gefühle und Gedanken waren so real, was mir den Charakter sehr nahegebracht hat. Die Ermittler kannte ich bereits aus den vorherigen Büchern und habe mich über das Wiedersehen gefreut. Auch hier hat die Autorin wieder ihr ganzes Fachwissen rausgehauen, den Leser auf falsche Fährten gelockt und Cliffhanger eingebaut, die das Buch noch spannender machten.

Der Schreibstil konnte mich damals schon begeistern, weil er eloquent und flüssig ist. Lodge schafft es auch in diesem Werk, den Spannungsbogen konstant oben zu halten und den Leser immer wieder durch geschickte Plottwists an die Handlung zu fesseln. Hierbei lief mein Kopfkino auf Hochtouren.

Die Auflösung zum Schluss war großartig und für mich der perfekte Abschluss für diese nervenaufreibende Story.

Persönliches Fazit: Ein sympathisches und kompetentes Ermittlerteam trifft auf eine mutige und authentische Protagonistin, die verzweifelt versucht, die vergangene Nacht zu rekonstruieren. Wer auf Nervenkitzel steht, ist mit diesem Krimi bestens beraten.

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Veröffentlicht am 30.07.2021

Inhaltlich gelungener Kontrast

Unter dem Sturm
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Steckt das Böse erblich bedingt in uns? Ist es wirklich eine genetische Veranlagung? Sind Sohn und Enkel automatisch gewalttätig, weil der Vater beziehungsweise Großvater ein narzisstischer, herrischer ...

Steckt das Böse erblich bedingt in uns? Ist es wirklich eine genetische Veranlagung? Sind Sohn und Enkel automatisch gewalttätig, weil der Vater beziehungsweise Großvater ein narzisstischer, herrischer und aufbrausender Charakter ist? Ich meine Nein! Es sind doch immer auch die Umwelteinflüsse, denen wir ausgesetzt sind, die ebenfalls auf unser Verhalten einwirken, oder? Doch dieses kleine schwedische Dorf, in dem es in „Unter dem Sturm“ geht, scheint dies ganz anders zu sehen.

Christoffer Carlsson schildert in seinem Kriminalroman erschreckend ehrlich, wie Vorurteile zu einer wahren Hetzjagd auf den jungen Isak und dessen Familie werden, die weitreichende Folgen auf die gesamte Dorfgemeinschaft haben wird. Die Idee hinter diesem Roman ist einfach genial. Endlich mal ein Kriminalroman, bei dem es nicht stur um die Ermittlungsarbeit der Polizei geht. Leider konnte mich der Roman im Ganzen nicht vollends überzeugen.

Erzählt wird die Story aus zwei Perspektiven in drei zeitlichen Abschnitten, beginnend mit dem Brand 1994. Einerseits wächst Isak mit Fortschreiten der Handlung zu einem erwachsenen Mann heran. Carlsson zeichnet Isak als unsicheren, innerlich zerrissenen Charakter, der Zeit seines Lebens unter den Anfeindungen der Dorfgemeinschaft zu leiden hat. Mit ihm hebt Carlsson die Geschichte auf eine persönliche Ebene, die beängstigend schildert, was der Mordfall für die Familie des vermeintlichen Täters bedeutet. Und dieser Teil der Story ist unumstritten wirklich gelungen.

Andererseits schildert Carlsson die Geschehnisse aus der Sicht des Polizisten Vidar. Je älter dieser wird, umso kritischer steht er den Ermittlungen gegenüber und hinterfragt Ergebnisse, die er als junger Mann als gegeben hingenommen hat. Leider weisen diese Teile der Erzählung einige Längen auf. Immer wieder steht Vidars Privatleben im Mittelpunkt, das sicherlich zur glaubwürdigen Darstellung der Gesellschaftsstruktur beiträgt, mich aber streckenweise ziemlich gelangweilt hat. Hier hätte man die Handlung für meinen Geschmack gern etwas straffen können. Alles in allem gelingt es Carlsson aber, den eigentlichen Kriminalfall mit der nötigen Spannung in einem wohl durchdachten Finale enden zu lassen.

Auf sprachlicher Ebene konnte mich der Autor dann aber doch noch rundum begeistern. Mit einer klaren, berichtenden, beinahe objektiven Sprache schafft er einen gelungenen Kontrast zum inhaltlich sehr dramatisch aufgeladenen Geschehen und hebt so seine psychologische Gesellschaftsstudie auf ein wirklich hohes Niveau.

Persönliches Fazit: Mit „Unter dem Sturm“ liefert Christoffer Carlsson einen Krimi, der mit einer grandiosen Idee grundsätzlich überzeugen kann, mich allerdings aufgrund einiger Längen nicht vollends begeisterte. Trotzdem empfehle ich dieses Buch allen Krimifans, weil es eben nicht einfach um die üblichen Ermittlungsarbeiten, sondern um viel mehr geht: nämlich die Abgründe eines ganzen Dorfes.

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