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Veröffentlicht am 11.08.2019

Solider Thriller

Schwarzer See
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Obwohl Emma seit Jahren nur ein Motiv zeichnet, hat sie als Künstlerin den Durchbruch geschafft. Mit ihrem Sujet - drei Mädchen, die im Wald verschwinden - verarbeitet sie ein Erlebnis, das sie als Jugendliche ...

Obwohl Emma seit Jahren nur ein Motiv zeichnet, hat sie als Künstlerin den Durchbruch geschafft. Mit ihrem Sujet - drei Mädchen, die im Wald verschwinden - verarbeitet sie ein Erlebnis, das sie als Jugendliche geprägt hat. Während eines Sommercamps verschwanden die Mädchen, mit denen sie eine Hütte geteilt hat, spurlos. Die Ereignisse von damals wiederholen sich jetzt, fünfzehn Jahre später. Und sie machen Emma sehr zu schaffen. Je mehr sie in den Strudel hineingezogen wird, desto weniger kann sie zwischen Realität und Albtraum differenzieren.

Der Leser erlebt die Suche nach der Wahrheit gleichermaßen verzweifelt wie die Hauptprotagonistin selbst. Geschickt zeigt der Autor von den Charakteren nur so viel, wie man als Leser wissen muss, um sich erst einmal sicher zu fühlen. Man fragt sich schon das ein oder andere Mal, für wen dieser oder jener Charakter letztendlich wirklich das Beste will. Riley Sager zeichnet seine Figuren sehr realitätsnah, ohne Ausnahme. An manchen Stellen war das Lesen eben deshalb etwas anstrengend – Teenie-Mädchen sind nicht für ihre Sprachgewandtheit bekannt –, aber das hat die Geschichte für mich authentisch gemacht.

Auch Emmas Entwicklung, beeinflusst von den damaligen Ereignissen, ist gut ausgearbeitet, ihre Wesenszüge fein gezeichnet. Aus einem Mädchen, das in ein gutsituiertes Camp geschickt wurde, ist eine verständige junge Frau geworden.

Der überwiegende Teil der Geschichte wird aus Emmas Perspektive erzählt. Der Autor konzentriert sich hier auf das Wesentliche: Zeitsprünge in die Vergangenheit, die mit der Gegenwart verflochten werden. Die Spannung wurde kontinuierlich aufgebaut. Durch die vielen falschen Fährten, die der Autor legt, sind einige der Wendungen wirklich überraschend und tragen so zum Spannungsaufbau bei. Auch der direkte Schreibstil, ohne Schnörkel und langatmige Beschreibungen, hat mich ständig zum Weiterlesen animiert. Dadurch wurde die ohnehin schon beklemmende Atmosphäre noch ein wenig düsterer.

Hörbuchsprecherin Christiane Marx schafft es, mit ihrer angenehmen und klangvollen Stimme eben diese Atmosphäre zu unterstreichen und lebendig zu machen. Gekonnt setzt sie Betonungen und Pausen, sodass Monotonie hier keinen Platz findet. Jedes Wort sitzt. Dabei verzichtet sie auf Übertreibungen und Zwischentöne wie Seufzer.

Persönliches Fazit: Das Konzept ist nicht neu – Protagonistin mit Geheimnis, welches sie nun einholt. Die Umsetzung überzeugt jedoch auf voller Linie und macht dieses Buch zu einem komplexen und spannenden Thriller!

Veröffentlicht am 05.08.2019

Solide Fortsetzung

Die letzte Witwe
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Das Buch ist bereits der 7. Teil der Reihe. Man sollte die vorherigen Bände gelesen haben, um die Entwicklung der Charaktere und ihre Beziehungen zu verstehen. Ohne diese Vorkenntnisse fehlen einem doch ...

Das Buch ist bereits der 7. Teil der Reihe. Man sollte die vorherigen Bände gelesen haben, um die Entwicklung der Charaktere und ihre Beziehungen zu verstehen. Ohne diese Vorkenntnisse fehlen einem doch erhebliche Zusammenhänge.

So fängt die Geschichte auch bereits ohne große Einleitung an und behandelt die schwierige Beziehung zwischen Sara und Will. Gleiche Situationen sind abwechselnd aus beider Perspektiven erzählt, sodass man als Leser gut verstehen kann, wo die Problematik und Missverständnisse liegen. Und auch Wills Kollegin Faith ist wieder mit von der Partie.

Die Charaktere werden aber nicht zu sehr thematisiert, denn der Spannungsbogen schnellt bereits nach wenigen Seiten nach oben, als plötzlich die Erde zittert und die Situation in kürzester Zeit aus dem Ruder läuft. In der Annahme, Menschenleben zu retten, versuchen Sara und Will zum Ort des Geschehens zu gelangen. Sie treffen auf mehrere Personen, die beim Versuch, sich in Sicherheit zu bringen, einen Autounfall verursacht haben. Sara will nach den Verletzten sehen, die berichten, dass an der Universität eine Bombe hochgegangen ist. Doch augenscheinlich stimmt etwas mit diesen Männern nicht. Als Will und Sara das begreifen, ist es aber bereits zu spät.

Er blickte hinter sich und rechnete damit, Saras Leiche zu entdecken. »Wo …?« »Sie ist fort.« Ein Schluchzen kam aus Cathys Mund. »Will, sie haben sie mitgenommen.« Zitat Position 803

Sara wurde entführt und Will ist körperlich stark angeschlagen. Das GBI (Georgia Bureau of Investigation) versucht verzweifelt, Saras Entführern auf die Spur zu kommen und kreuzt damit FBI Ermittlungen. Die Entführer sind eine rechtsradikale Gruppe, die mit grausamsten Mitteln auf sich aufmerksam machen wollen und dafür das Blut zahlreicher Unschuldiger vergießen. Die behördlichen Ermittlungen gestalten sich meiner Meinung nach dann jedoch viele Seiten lang etwas zäh und es fiel mir schwer, Zusammenhänge der Gruppierung um die es geht sowie Zuständigkeiten des FBI und GBI zu verstehen und nachzuvollziehen.

Weiterhin lässt die Autorin aus verschiedenen Perspektiven erzählen, was der jeweilige Protagonist erlebt. Hier fand ich Saras Erlebnisse teils sehr schockierend. Und endlich begreift man auch, um was es geht. Der Hintergrund der Neonazi-Gruppierung ist äußerst aktuell, interessant und könnte kaltblütiger kaum sein. Die Vorstellung, dass solch ein Szenario Realität würde, lässt einen bedrückt zurück.

Persönliches Fazit: Eine solide Fortsetzung der Reihe und Entwicklung der Hauptfiguren, abgerundet mit einem spannenden und mitreißenden Thema. Ein Muss für eingefleischte Fans, aber auch eine Empfehlung an Liebhaber des Genres, die anspruchsvollere Themen mögen.

© Recensio Online, 2019, Daniela

Veröffentlicht am 31.07.2019

Ausgefeilter Thriller

Silent Victim
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Das Buch beginnt recht harmlos, und beinahe schleichend erfährt man etwas über die schreckliche Kindheit und Jugend von Emma. Prompt wird man in den Strudel ihrer Erlebnisse hineingezogen. Ein wenig britisch ...

Das Buch beginnt recht harmlos, und beinahe schleichend erfährt man etwas über die schreckliche Kindheit und Jugend von Emma. Prompt wird man in den Strudel ihrer Erlebnisse hineingezogen. Ein wenig britisch unterkühlt, aber schon mit Nachdruck versteht es Caroline Mitchell, einem die Gefühlswelt der Figuren näherzubringen.

Erzählt wird die Story aus unterschiedlichen Perspektiven: mal ist es Emma, mal ihr Mann Alex und dann kommt auch der Lehrer Luke zu Wort. Letzterer hat sich an Emma, seiner Schülerin, herangemacht und sie missbraucht. Gerade als Frau leidet man schon sehr mit und möchte ihr helfen. An bestimmten Stellen entfleucht einem doch mal ein „Oh, nein!“ und das Herz schlägt etwas schneller.

Ab diesem Zeitpunkt kann man sich der Geschichte nicht mehr entziehen. Manchmal habe ich mich dabei ertappt, dass ich geflucht habe, wenn wieder ein Perspektivwechsel anstand. Beispielsweise wollte ich aus Emmas Sicht wissen, wie es weitergeht und hätte mir da dann gewünscht, dass ihr Mann mal den Mund hält. Aber es ist klar, dass das von der Autorin so gewollt war. Letztendlich treibt das die Spannungskurve nach oben und hält den Leser im Sog gefangen.

Allein durch die Beschreibung der Location fühlt man sich auf diese einsame Insel versetzt. Man spürt fast körperlich auch den Verfall des elterlichen Häuschens, in dem die junge Familie nun lebt und Emma weiterhin in den trüben Untiefen ihrer Vergangenheit verstrickt ist.

Ich bin ehrlich: Wenn ich nur das Cover gesehen hätte, wäre das Buch nie in meine Finger geraten. So bin ich aber froh, dass ich es lesen und dadurch wieder eine Autorin kennenlernen durfte, die mich mit ihrem Thriller sehr überzeugt hat. Trotz oder gerade aufgrund der britischen Unterkühltheit zu Beginn. Übrigens spielt Caroline Mitchell die Tatsache gut in die Karten, dass sie jahrelang als Polizistin gearbeitet hat und auf Fälle von häuslicher Gewalt und schweren sexuellen Verbrechen spezialisiert war.

Persönliches Fazit: Ausgefeilter Thriller mit dem ganz eigenen britischen Charme, der den Leser nach einem seichten Start schnell in einen Strudel aus Fragen zieht. Empfehlenswert für jeden, der gern miträtselt und -fiebert.


© Recensio Online, 2019, Sabine

Veröffentlicht am 27.07.2019

Toller Roadtrip!

WEST
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Nach dem Lesen bleibe ich ziemlich ratlos zurück. Ist das ein Gleichnis, eine Fabel? Steckt eine versteckte Botschaft in diesem Büchlein? Das Lesen an sich war ebenso ein Abenteuer wie die Reise von Cy ...

Nach dem Lesen bleibe ich ziemlich ratlos zurück. Ist das ein Gleichnis, eine Fabel? Steckt eine versteckte Botschaft in diesem Büchlein? Das Lesen an sich war ebenso ein Abenteuer wie die Reise von Cy Bellmann. Um einem Fund auf die Spur zu gehen, von dem er in der Zeitung gelesen hat, gibt er alles auf. Nicht nur sein Zuhause und seine Farm, sondern auch seine Tochter Bess.

In seinem kleinen Heimatdorf in Pennsylvania bekommt er für sein Vorhaben Gegenwind, doch davon lässt er sich nicht beeindrucken. Einzig seine Tochter glaubt an ihn und kann es kaum erwarten, dass ihr Vater zurückkommt.

„In ihren Augen war er heldenhaft, tapfer und entschlossen. […] Er war ein Mann mit einer Mission […]. Sie zweifelte kein bisschen daran, dass sie ihn wiedersehen würde.“ (Zitat)

Zusammen mit einem Indianer namens „Alte Frau aus der Fremde“ macht er sich auf, die unglaublichen Weiten Amerikas zu erkunden. Was mir besonders gut gefällt, ist dass die Autorin den Leser über Cys Route mehr oder weniger im Unklaren lässt. Wir bekommen keine Anhaltspunkte, wo genau er langreitet, wo er sich befindet, sondern können es lediglich anhand einiger Wegweiser - wie dem Fluss oder dem Gebirge - erahnen. Das macht Amerika in dieser Geschichte größer, als es damals war. Die Suche nach dem Unerreichbaren, die Entfernung zu seiner Tochter, die immer größer wird und die beiden schließlich entfremdet ... das sind zwei der zentralen Themen in diesem Roman.

Begleitet von Davies‘ unglaublich bilderreichem Schreibstil, erfahren wir nicht nur aus Cays Sicht, wie sich die Reise entwickelt, sondern auch von Bess, wie sie während seiner Abwesenheit erwachsen wird. Cys Gedanken haben schon fast etwas Poetisches, genau wie die Beschreibung der Landschaft. Mit wenigen Worten kann die Autorin das karge Land zum Leben erwecken.

Persönliches Fazit: Ein Roadtrip der ruhigeren Art, der es trotz seiner Kürze in sich hat. Eine Empfehlung an jeden, der ein kleines Abenteuer miterleben möchte.

© Recensio Online, 2019, Katharina

Veröffentlicht am 21.07.2019

Niemand kann das Böse aufhalten

Das Dorf der toten Herzen
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Der Titel beschreibt schon sehr treffend, worum es hier geht. Ein Dorf im Süden Spaniens, eine karge Landschaft. Die Bewohner zu sehr darauf konzentriert, am Leben zu bleiben und ihre Geheimnisse zu bewahren. ...

Der Titel beschreibt schon sehr treffend, worum es hier geht. Ein Dorf im Süden Spaniens, eine karge Landschaft. Die Bewohner zu sehr darauf konzentriert, am Leben zu bleiben und ihre Geheimnisse zu bewahren. Die Kargheit der Wüste hat sich in den Herzen der Menschen niedergelassen und macht sie unempfänglich für Mitgefühl. Das hätten Jacobo und seine Familie jedoch dringend benötigt.

Nachdem seine Frau Irene ermordet wurde, landet die gemeinsame Tochter in der Psychiatrie. Den Ermittlungen der Polizei zufolge soll sie den Auftrag gegeben haben, ihre Eltern zu töten. Doch das streitet sie vehement ab. Während Jacobo sich nach und nach zurück ins Leben kämpft, muss er gleichzeitig gegen die Vorurteile der Bewohner von Portocarrero kämpfen. Wurde er anfangs wohlwollend in ihrem Kreis aufgenommen, wird er jetzt nach und nach von dort verdrängt. Dabei kann sich Jacobo nicht sicher sein, wer sein Verbündeter ist. Und auch der Glaube an die Unschuld seiner 14-jährigen Tochter beginnt langsam zu bröckeln.

„Es schnürte ihm die Kehle zu, und er befürchtete, wieder in diesem Meer aus Dunkelheit zu versinken, dem er gerade entkommen war. Aber er wollte durchhalten. Noch ein kleines bisschen durchhalten.“ (Zitat S. 28)

Die wechselnden Perspektiven waren einerseits wirklich gut gewählt, andererseits hielten sie die Charaktere auf Distanz. Die Chatverläufe zwischen Miriam und ihren Freunden wurden sehr gut eingebaut, und auch die Sicht von Nora, Miriams Anwältin, gibt der ganzen Sache eine andere Perspektive. Bei Miriam war ich mir nie sicher, was Sache ist. Konnte sie mich im einen Moment noch von ihrer Unschuld überzeugen, habe ich im nächsten gehofft, dass sie für ihre Taten büßen muss.

Sie war in vielen Dingen reifer als ein Durchschnitts-Teenie, was aber wohl auch damit zusammenhängt, dass sie durch die Arbeitslosigkeit ihres Vaters und dem damit zusammenhängenden Verlust ihres Zuhauses schnell erwachsen werden musste. Der erste Eindruck ist jedoch hängen geblieben: Sie ist ein verwöhntes Mädchen und denkt, ihr gehört die Welt. Sicher ist es schwer, alles hinter sich lassen zu müssen und vom Wohlwollen der Familie und Nachbarn zu leben. Aber kann ein solcher Hass in einem so jungen Menschen wachsen?

„Sie hatte jedes Recht der Welt, alles zu tun, um ihre Freiheit zu erlangen. Oder sollte sie einfach akzeptieren, dass ihr Vater ein Alkoholiker und ihre Mutter nie da war, dass sie in einer beschissenen Bruchbude lebten und ihr alle Türen zum Leben verschlossen blieben?“ (Zitat S. 223)

Die Story wird nicht nur in der Gegenwart erzählt, es finden sich auch Rückblenden. So erfährt der Leser, wie Jacobo und seine Familie in diese missliche Lage gekommen sind. Diese werden in die Geschichte eingestreut und sind nicht gekennzeichnet, sodass ich am Anfang eines Kapitels erst den chronologischen Zusammenhang suchen musste.

Die Hitze, der Staub und die flirrende Luft habe ich beim Lesen spüren können. Der Schreibstil ist, passenderweise, etwas trocken und manchmal auch anstrengend. Nichtsdestotrotz wollte ich immer weiterlesen, konnte das Buch nicht ruhen lassen. Nach „Monteperdido“ ist dem Autor hier wieder ein dichter Thriller gelungen, der mit dem Debüt definitiv mithalten kann.

Persönliches Fazit: Ein deprimierender, atmosphärischer Thriller mit steigender Spannung und irreführenden Wendungen.

© Recensio Online, 2019, Katharina