Profilbild von Samtpfote

Samtpfote

Lesejury Star
offline

Samtpfote ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Samtpfote über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.02.2022

Sehr bewegend und wunderschön erzählt

Das Mädchen mit der lauternen Stimme
0

Inhalt:
Als Adunnis Mutter stirbt, ändert sich auf einen Schlag ihr ganzes Leben. Nun kümmert sich ihr Vater um die Finanzen und die Haushaltsführung und vertrinkt die Reserven der Familie. Zuerst ist ...

Inhalt:
Als Adunnis Mutter stirbt, ändert sich auf einen Schlag ihr ganzes Leben. Nun kümmert sich ihr Vater um die Finanzen und die Haushaltsführung und vertrinkt die Reserven der Familie. Zuerst ist kein Geld mehr da, um Adunni in die Schule gehen zu lassen und dann kann ihr Vater auch die Miete nicht mehr bezahlen und verkauft Adunni kurzerhand an den älteren Morufu. Als dessen dritte Ehefrau hat sie noch weniger Rechte als im Haushalt ihres Vaters und als ihr die Flucht nach Lagos gelingt, schöpft sie neue Hoffnung, die aber bald enttäuscht wird. Ihre Arbeit als Hausmädchen der reichen "Big Madame" entpuppt sich nämlich als die Hölle auf Erden.

Black History Month:
Wusstet ihr, dass der Februar traditionell als Black History Month gilt? Seit vielen Jahren werden in diesem Monat Errungenschaften und vor allem auch Kunst und Kultur von PoC besonders aufmerksam gewürdigt, gelesen, gezeigt und gefeiert, damit Schwarze Künstler:innen vermehrt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangen und damit es diesen Monat hoffentlich ganz bald nicht mehr geben muss. "Das Mädchen mit der lauternen Stimme" wollte ich mir eigentlich erst gegen Ende Jahr vornehmen. Angeregt durch die vielen Lehrreichen Posts und Beiträge zum Black History Month habe ich mir meinen SuB einmal ein wenig näher angesehen und jetzt schon zu diesem Buch gegriffen, was sich definitiv gelohnt hat.

Meine Meinung:
Nach wenigen Sätzen bin ich in einer Geschichte angekommen, die mich komplett gefesselt hat. Es gelingt der Autorin, das Schicksal ihrer Protagonistin äusserst intensiv und bildgewaltig zu beschreiben. Adunnis Familiensituation und vor allem die Liebe zu ihrem jüngeren Bruder, den sie im Haus ihres Vaters zurücklassen muss, haben mich tief berührt. Ihr Wille, zur Schule zu gehen, zu lernen und für sich und andere Mädchen und Frauen einzustehen und Chancen zu schaffen, haben mir imponiert. Beim Lesen wird schmerzlich bewusst, wie klein der Wert von Frauen in gewissen Regionen dieser Welt noch immer ist und dass Frauen in diesen Regionen leider oft nur dann geschätzt werden, wenn sie (jung und mit einem reichen Mann) verheiratet sind und Kinder gebären. Adunni will diesen Teufelskreis durchbrechen und kommt vom Regen in die Traufe, als sie es schafft, ihrem Mann davonzulaufen und eine Stelle als Haushälterin einer sehr wohlhabenden und angesehenen Frau in Lagos zu erhalten. Diese aber behandelt Adunni sehr schlecht und Adunni muss erneut um ihr Überleben und für ihren grossen Traum, eine Schule zu besuchen, kämpfen.
Sie hat schon als kleines Kind von ihrer verstorbenen Mutter gelernt, dass man stets hilfsbereit sein und sich anderen Menschen gegenüber aufmerksam und dankbar verhalten soll. Es ist erstaunlich, wie sehr dies Adunni auch in den schwierigsten Situationen gelingt und mit ihrer liebenswürdigen und nicht auf den Mund gefallenen Art schafft sie es immer wieder, die Menschen für sich zu gewinnen und Unterstützung zu erhalten.

Schreibstil:
Besonders beindruckt hat mich, wie sehr es der Autorin und vor allem auch der Übersetzerin - welche sich im Nachwort auch noch dazu äussert - gelungen ist, die Sprache der Protagonistin so gut an deren Situation anzupassen. Anfangs spricht Adunni ein von Dialektworten und grammatikalischen Fehlern geprägtes, sehr umgangssprachliches Englisch. Durch die stetige Ausseinandersetzung mit der Sprache und dem Sprechen an sich, durch ihr Lernen und Entdecken werden ihr Wortschatz grösser und ihre Sätze komplexer und korrekter.
Weiter beschreibt die Autorin Abi Daré ihre Figuren und Landschaften sehr bildhaft. Ihre Sätze sind voller Farben, Gefühle und Eindrücke, welche eine einzigartige Stimmung hervorrufen und sowohl den inneren Monolog von Adunni als auch die zahlreichen erschütternden, bewegenden und beeindruckenden Situationen schildern.

Meine Empfehlung:
Von mir gibt es eine sehr herzliche Empfehlung für dieses bewegende Buch. Es ist definitiv keine leichte Kost, aber um so lesenswerter und lehrreicher.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.01.2022

Toller Lesesnack

Schokolade
0

Inhalt:
In dieser Sammlung finden sich zahlreiche kurze Erzählungen und Auszügen aus längeren Romanen. Von Haruki Murakami befindet sich kein Text in der Sammlung (obwohl Diogenes ihn erwähnt), dafür aber ...

Inhalt:
In dieser Sammlung finden sich zahlreiche kurze Erzählungen und Auszügen aus längeren Romanen. Von Haruki Murakami befindet sich kein Text in der Sammlung (obwohl Diogenes ihn erwähnt), dafür aber ein längerer Auszug aus "Das achte Leben (für Brilka)" von Nino Haratischwili aber auch aus "Schokolade. Eine himmlische Verführung" von Joanne Harris oder aus "Das Versprechen" von Friedrich Dürrenmatt und vielen anderen.
Weitere Texte sind eigens für diese Ausgabe entstanden.
Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich mit dem Genuss von süssen Köstlichkeiten und dem (gefährlichen) Rausch, der durch diesen Genuss entstehen kann, befassen und somit wird auch dieses Buch zu einem zartbitteren Lesevergnügen.

Meine Meinung:
"Schokolade" (und wundervolle Pralinen) habe ich vor einigen Jahren von einer Schülerin geschenkt bekommen und nun endlich gelesen. Die vielen unterschiedlichen Texte haben mich wunderbar unterhalten und mich in köstliche, abenteuerliche, gefährliche und magische Geschichten entführt, welche Lust auf mehr gemacht und mich an bereits vergangene Lesestunden und Lektüren erinnert haben. Natürlich musste ich beim Lesen hin und wieder ein Stück Schokolade naschen Die einzelnen Texte und Textauszüge haben eine sehr angenehme Länge und sind die perfekte Lektüre für Zwischendurch und unterwegs (dann aber bitte den Proviant nicht vergessen).

Meine Empfehlung:
Dieses Buch eignet sich nicht nur wunderbar als Geschenk (das man hervorragend mit köstlichen Pralinen ergänzen kann), sondern auch als Lesesnack zum selber Geniessen. Einige der Auszüge kannte ich bereits, andere haben mich neugierig auf die dazugehörigen Bücher gemacht und ausserdem habe ich neue Autor:innen für mich entdecken können. Von mir gibt es deshalb eine herzliche Leseempfehlung für diese liebevoll zusammengestellte Textesammlung.

Veröffentlicht am 01.12.2021

Ein bewegender und gesellschaftskritischer Klassiker

Ein Baum wächst in Brooklyn
0

nhalt:
In Brooklyn leben Katie und Johnny Nolan und ihre Kinder Francie, die eifrige Leserin und Geschichtenerzählerin und Neeley, der lebensfrohe und hilfsbereite Sänger ein Leben ohne Annehmlichkeiten. ...

nhalt:
In Brooklyn leben Katie und Johnny Nolan und ihre Kinder Francie, die eifrige Leserin und Geschichtenerzählerin und Neeley, der lebensfrohe und hilfsbereite Sänger ein Leben ohne Annehmlichkeiten. Katie und Johnnys Ziel ist, dass es ihre Kinder einmal besser haben werden, als sie selber und so nimmt Katie die Geschicke und Finanzen der Familie in die Hand, lässt ihre Kinder lesen und sparen, schickt sie zur Schule und ist ihnen ein pragmatisches und hart arbeitendes Vorbild. Ihr Mann Johnny ist ein singender Kellner und Tänzer, eine Lebemann, der zwischen Optimismus und Schwermut schwankt und dafür sorgt, dass seine Familie Klavierunterricht erhält und die Freuden und Schönheiten des Lebens kennenlernen darf und schätzen lernt.
Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an die Stadt Brooklyn und das Gefühl, das darin vorherrscht und das Betty Smith so grandios einzufangen vermag. Es schildert den Alltag einer armen Familie und erzählt äusserst gesellschaftskritisch die Geschichte mutiger und emanzipierter Frauen sowie die Geschichte der jungen Francie, welche Schriftstellerin werden will.

Meine Meinung:
Jahrelang stand dieses Buch schon auf meiner Wunschliste und angeregt durch die Erwähnung im Buch "Unorthodox", das ich ebenfalls schon mit Jamie gelesen habe (von dem wir aber leider beide nicht komplett überzeugt waren), machten wir Nägel mit Köpfen und planten diese nächste Leserunde.
"Ein Baum wächst in Brooklyn" habe ich mit einem von Gedanken, Sorgen, Ängsten, Erinnerungen und Vorfreude gefüllten Kopf gelesen, ich habe es inmitten von Umzugskisten am Boden unserer alten Wohnung sitzend und inmitten von Umzugskisten in unserer neuen Wohnung gelesen und letztendlich in der fertig eingerichteten neuen Zuhause beendet. Es hat mich in einer Zeit des Umbruchs unterhalten, inspiriert und vor allem unendlich tief berührt und wird noch lange nachhallen.

Sprache:
Ich weiss nicht genau, wie es der Autorin gelungen ist, aber sie schafft es, Emotionen, Menschen und Orte zum Leben zu erwecken und "Ein Baum wächst in Brooklyn" hat mich sofort nach Brooklyn entführt und am Alltag dieser bunten Familie teilhaben lassen.
Besonders bewegend waren die Schilderungen der traurigen und fröhlichen Weihnachtsfeste sowie der Silvesterfeier 1917, welche Francie und Neeley gemeinsam auf dem Dach ihres Hauses verbringen.
Immer wieder wird klar, wie sehr Katie versucht, ihre Familie und die Finanzen zusammenzuhalten, wie sie noch mehr arbeitet, noch weniger isst, noch mehr spart und immer wieder sehr einzigartige aber äusserst pragmatische Lösungen für jedes noch so abwegige Problem findet, damit es ihren Kindern an nichts mangelt. Auch Johnny als Lebenskünstler und unverbesserlicher Optimist, der trotzdem manchmal in seiner Schwermut versinkt oder die beiden Kinder Francie und Neeley, welche sehr früh selbstständig und ebenso gerissen und lebensklug werden, wie ihre Mutter, haben mich mit ihrer ehrlichen und hilfsbereiten Art eine Achterbahnfahrt der Gefühle mit einigen Tränen und noch mehr Gelächter durchleben lassen. Durch das ganze Buch zieht sich ein Hauch von Wehmut, aber auch eine Aufbruchstimmung, die mich sofort erfasst und inspiriert hat.

Meine Empfehlung:
Das Buch hat mich von Anfang an abgeholt und emotional berührt, sehr gut unterhalten und mir eine wundervolle, von Zusammenhalt und - teilweise - Liebe, aber auch von Träumereien, Mut und Kraft geprägte Familie nähergebracht. Es hat mich wohl genau zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Fuss erwischt und ich gehe sehr inspiriert und um eine Erfahrung reicher aus dieser Leserunde und dieser Leseerfahrung, weshalb ich euch "Ein Baum wächst in Brooklyn", das einfach dieses Brooklyner-Gefühl so wunderbar vermitteln kann, sehr, sehr ans Herz lege.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.11.2021

Ich bin begeistert

Der Dieb
0

Meine Meinung:
Mit angehaltenem Atem bin ich dem Protagonisten Nishimura, einem Taschendieb, der nach strengen persönlichen Prinzipien auf Beutezug geht, durch die Strassen Japans gefolgt. Zuerst habe ...

Meine Meinung:
Mit angehaltenem Atem bin ich dem Protagonisten Nishimura, einem Taschendieb, der nach strengen persönlichen Prinzipien auf Beutezug geht, durch die Strassen Japans gefolgt. Zuerst habe ich ihm nur beim einfachen Taschendiebstahl über die Schultern geschaut und bin dabei in seine Gedankengänge eingetaucht. Dann habe ich beobachtet, wie er sich mit einem kleinen Jungen anfreundet, der von seiner Mutter zum Klauen angestiftet wird. So kommt die Familie zu den alltäglichen Lebensmitteln, was in Nishimura einen starken Beschützerinstinkt weckt. Obwohl es gegen seine Ideale ist, beginnt er den Jungen halbherzig in seine Geheimnisse einzuweihen.
Schliesslich bin ich Nishimura in ein lebensgefährliches Abenteuer gefolgt, das die Geister der Vergangenheit in ihm weckt und ihn tief in die Unterwelt Topkios führt.
Innerhalb von wenigen Stunden habe ich dieses Buch inhaliert, Seite um Seite umgeblättert und mich in eine Welt enführen lassen, die mir komplett fremd ist und die mich bisher (zum Glück) nicht beschäftigt hat. In Zukunft werde ich definitiv die Augen offen halten...

Sprache:
Nakamura hat mich mit seinen Worten gefesselt und es ist eine absolute Meisterleistung des Autors und des Übersetzers, diese zwielichtige Welt des Stehlens, Lügens und Betrügens so fassbar zu machen. Die Beschreibungen des Alltags und der gefährlichen Aufgabe des Protagonisten haben mich auf eine ganz eigene zwischen Traum und Wirklichkeit schwankende Weise gefesselt und in dieser Geschichte versinken lassen. Klare, präzise und emotionslos wirkende Worte entwickeln dabei eine einzigartige Sogwirkung, die mich die Figuren trotzdem und um so besser hat verstehen lassen.

Meine Empfehlung:
Ich wusste überhaupt nicht, worauf ich mich da einlasse und bin absolut und restlos begeistert und werde die anderen Bücher von Fuminori Nakamura hoffentlich schon ganz bald lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.09.2021

Intensiv und unter die Haut gehend

Loyalitäten
0

Inhalt:
Jugendliche, die sich unbeaufsichtigt treffen und dabei riskante Trinkspiele spielen, Erwachsene, die sich nicht um sich selber, geschweige denn um ihre Kinder kümmern, Menschen, die Geheimnisse ...

Inhalt:
Jugendliche, die sich unbeaufsichtigt treffen und dabei riskante Trinkspiele spielen, Erwachsene, die sich nicht um sich selber, geschweige denn um ihre Kinder kümmern, Menschen, die Geheimnisse voreinander haben, Gewalt und Alkoholmissbrauch erlebt haben, Selbstgespräche führen, aber nicht miteinander sprechen... Loyalitäten ist kein Buch für schwache Nerven und erzählt auf wenigen Seiten eine intensive Geschichte voller Traurigkeit und Schmerz.

Meine Meinung:
Daniela vom Blog readeatlive.wordpress.com hat mir dieses Buch geschenkt, weil ich nach dem Lesen ihrer Rezension so begeistert war und das Buch unbedingt ebenfalls lesen wollte. Heute Nachmittag habe ich mich auf unser Sofa gekuschelt und mich in diese intensive, manchmal unangenehme und unter die Haut gehende Geschichte verkrochen.
"Loyalitäten" wird einerseits aus der Sicht der Lehrerin Hélène und der Mutter Cécile, die beide keine einfache Kindheit hatten, erzählt und setzt andererseits die Jugendlichen Théo und Mathis ins Zentrum. So entspinnt sich nach und nach eine Geschichte, die ihren ganz eigenen Sog entwickelt und obwohl sie manchmal emotional ein wenig distanziert bleibt, werden doch äusserst intensive, brutale und schmerzhafte Szenen geschildert. Ich war aber beim Lesen äusserst froh, dass nicht auf die Tränendrüse gedrückt wird, sondern dass sich die Handlung auf natürliche Art und Weise nach und nach entblättert und dabei äusserst unschöne Seiten unserer Gesellschaft aufzeigt.
Neben dem kompletten Versagen von Eltern und Paaren hat mich vor allem Hélènes Sicht auf die Dinge fasziniert. Als Lehrerin bemerkt sie früh, dass es Théo nicht gut geht und setzt alle Hebel in Bewegung, um seinem Geheimnis auf die Schliche zu kommen und ihm zu helfen. Sie rennt dabei aber gegen Mauern und ihre Ohnmacht und die unsinnigen Regeln eines die Täter und Untätigen schützendes Systems sind kritisch und realistisch dargestellt.

Meine Empfehlung:
Ich bin komplett begeistert und immer noch total glücklich, dieses Buch bekommen zu haben. Es hat mir einen spannenden und intensiven Lesenachmittag beschert und ich lege es euch - inklusive Triggerwarnung - ans Herz.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere