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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.08.2019

Packend und zeitlos

Der Richter
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Inhalt:
Ray und Forrest, die beiden Söhne des schwer kranken Richters Atlee, werden von ihm zu sich nach Hause eingeladen, um gemeinsam das Testament zu besprechen. Beide haben sich vor langer Zeit mit ...

Inhalt:
Ray und Forrest, die beiden Söhne des schwer kranken Richters Atlee, werden von ihm zu sich nach Hause eingeladen, um gemeinsam das Testament zu besprechen. Beide haben sich vor langer Zeit mit ihrem Vater zerstritten. Ray, weil er sich nicht an die Pläne des Richters gehalten und nicht in dessen Kanzlei zu arbeiten begonnen hat und Forrest, weil er mit seiner langjährigen Alkohol- und Drogensucht den Ruf des Richters fast zerstört und dessen ganzes Geld verbraucht hat. Beiden Söhnen hat Richter Atlee nie verziehen und weil beide wissen, dass es mit ihrem Vater wohl bald zu Ende gehen wird, machen sie sich auf den Weg zu ihm. Ray betritt das Haus zuerst und findet seinen Vater tot auf der Couch liegend. Er liest das Testament durch und schaut sich dann ein wenig im Haus um. Zu seinem Entsetzen und seiner Überraschung findet er Geld, sehr viel Geld. Nur merkt er schon bald, dass er nicht der einzige ist, der von dem Geld weiss. Jemand versucht, ins Haus einzubrechen, jemand scheint ihn zu verfolgen und Ray bekommt Drohbriefe. Und bevor er noch Zeit hat, einen Entschluss zu fassen, befindet er sich bereits auf der Flucht. Auf der Flucht vor jemandem, den er nicht kennt, der ihn aber ganz genau zu kennen scheint.

Meine Meinung:
Die Süddeutsche Zeitung sagt über John Grisham: "Warum er so viel besser ist als die Anderen, bleibt sein Geheimnis."
Ich habe eine mögliche Erklärung gefunden, warum er so viel besser ist:
John Grishams Bücher heben sich stark vom teilweise sehr blutig und brutal gehaltenen Mainstream ab. Anstelle von Brutalität treten psychologisches Geschick, genau recherchierte Hintergründe und eine präzise Sprache. Dazu gehört sicher auch, dass er aus mehr als zehnjähriger Erfahrung als Anwalt berichtet. Er beschreibt in erster Linie nicht irgendwelche Gräueltaten, sondern erstellt Psychogramme von Tätern, Opfern und vor allem von Verfolgten und dies alles in einem ausserordentlich durchdachten und sinnvollen Kontext, der sich dem Leser erst am Ende der jeweiligen Geschichte erschliesst. Dies alles macht John Grisham zu einem Autor, welcher sehr zeitnah und zugleich zeitlos schreibt und ich werde auf jeden Fall weitere Bücher von ihm kaufen und lesen.

Veröffentlicht am 17.07.2019

Märchenhaft, fesselnd und romantisch

Der Märchenerzähler
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Inhalt:
Abel ist ganz anders als alle anderen Jungs in seinem Jahrgang. Er ist still, traurig und geheimnisvoll. Und er verkauft auf dem Schulhof Drogen. Aber das ist es nicht, was Anna so fasziniert. ...

Inhalt:
Abel ist ganz anders als alle anderen Jungs in seinem Jahrgang. Er ist still, traurig und geheimnisvoll. Und er verkauft auf dem Schulhof Drogen. Aber das ist es nicht, was Anna so fasziniert. Vielmehr hat Abel eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die so gross und mächtig ist, dass sie über Leben und Tod entscheidet. Eine Geschichte, die zugleich Gefangenschaft und Erlösung bedeutet, Liebe und Hass. Und genau dieser Geschichte will Anna auf den Grund gehen und so kommt es, dass nicht nur Abels Schwester Micha sondern auch Anna dieser Geschichte folgen und in den Bann der märchenhaften Worte geraten.

Meine Meinung:
Es dauerte nicht lange, und das Buch hatte mich gefesselt. Besonders die melancholische und manchmal sehr düstere Grundstimmung hat es mir angetan. Anna lernt Abel und dessen Schwester sowie deren gemeinsame Familiengeschichte besser kennen, was zwar manchmal ein wenig aufgesetzt wirkt, aber insgesamt doch realistisch scheint. Sie erkennt nämlich, wie es ist, wenn man wirklich ganz alleine ist und sich nur noch an einer Geschichte festklammern kann. Sie sieht, wie sehr sich gewisse Menschen ihr Leben schön reden und in ein Märchen verpacken müssen. Dieses Leben ist ihr, welche in einem finanziell starken und gut behüteten Elternhaus aufgewachsen ist, eher fremd. Dies alles ist natürlich schon ein wenig stereotyp dargestellt, weil Anna aber versucht, zu helfen und zu verstehen, verliert sie immer mehr den Bezug zu ihrer eigenen Familie und ihren Freundinnen.

Märchen oder Wirklichkeit?
Erst als Anna schon zu viel weiss, als sie schon Gefühle für Abel entwickelt und dessen Schwester ins Herz geschlossen hat, realisiert sie, dass diese Erzählung mehr mit der Wirklichkeit zu tun hat, als sie alle denken. Dieser starke Sog, in den Anna gerät und die gefährlichen Situationen, in die sie sich begibt, lassen sich irgendwann auch mit Märchen nicht mehr schönreden, was meiner Meinung nach vom Schreibstil toll dargestellt wird.

Meine Empfehlung:
Am Anfang dachte ich, dass dieses Buch eine "ganz normale" und immer gleich ablaufende Geschichte über Teenager, das Erwachsenwerden und die erste grosse Liebe enthalten würde. Nach aber etwa fünfzig Seiten hatte mich die Geschichte von Anna und Abel so sehr gefesselt, dass ich das Buch in einem Zug las. Auch wenn gewisse Dialoge manchmal etwas zu gestelzt oder frühreif daher kamen, so haben mich das märchenhafte und die wunderschöne und sehr gut passende Wortwahl sowie der flüssige Schreibstil vollständig überzeugt. Ein sehr reifes und ehrliches Jugendbuch, welches verzaubert und fesselt.

Veröffentlicht am 30.06.2019

Bewegend und sprachgewaltig

Fluchtstücke
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Inhalt:
Was genau stellt dieses Buch dar? Wie es der Titel vielleicht schon zu umschreiben versucht, handelt es sich bei "Fluchtstücke" um eine Sammlung loser Enden, die zu einer ganzen Geschichte zusammengefügt ...

Inhalt:
Was genau stellt dieses Buch dar? Wie es der Titel vielleicht schon zu umschreiben versucht, handelt es sich bei "Fluchtstücke" um eine Sammlung loser Enden, die zu einer ganzen Geschichte zusammengefügt werden. Flüchtige Gedanken, einzelne Erinnerungsfetzen, Erzählungen, Zitate und Fundstücke. Ob nun Jakob in den ersten, grausam geschilderten Szenen von seinem Überleben und seiner Flucht erzählt, ob er später mit seiner zweiten Ehefrau auf der Suche nach Wurzeln, Antworten und Heimat an die Schauplätze seiner Kindheit zurückkehrt, oder ob Jakobs Freund Ben, dessen Eltern den Holocaust nicht überlebten, sich auf die Suche nach Jakobs Dichtungen macht und sich mit ergreifenden Worten an seinen Freund wendet, dieses Buch bewegt, fesselt, schockiert und umhüllt die Leserschaft mit einer zarten, poetischen, brutalen, kraftvollen Sprache.

Lesegefühl:
Zuerst fiel es mir nicht sehr leicht, die Figuren und ihre Geschichten auseinanderzuhalten, weil die einzelnen Fäden dieses Geflechts so lose zusammengefügt werden, dass immer ein Abschnitt in den anderen übergeht und die Erinnerungen sich sozusagen stetig überlappen und ergänzen. Da werden einerseits äusserst bedrückende und schockierende Szenen mit nüchternen Worten beschrieben und gleichzeitig ist der Rest der Handlung so poetisch und manchmal fast schon schwülstig aufgebaut, dass ich einerseits sehr angetan war von der Schönheit dieses Buches, andererseits aber auch immer wieder aufgerüttelt von der ganzen Brutalität.

Schreibstil und Handlung:
Es lässt sich bei fast jedem Satz (und die meisten davon könnte man sich entweder an den Kühlschrank kleben, in ein Achtsamkeitstagebuch schreiben oder an den Badezimmerspiegel hängen) erkennen, dass die Autorin vor allem Gedichte schreibt. So bildlich und reich an Metaphern und Ausschmückungen der Stil aber auch ist, er wirkt nur ganz selten überladen und meistens einfach nur wunderschön. Dies beisst sich leider ein wenig mit der wirklich tragischen Geschichte, die erzählt wird und hat in mir sehr ambivalente Gefühle für die ganze Handlung, aber auch für die grundsätzliche Notwendigkeit des Erzählens solcher Geschichten geweckt. Was hat sprachliche Schönheit in einer Geschichte über Tod, Schmerz, Verlust, Betrug und rohe Gewalt zu suchen? Und wie kann es überhaupt sein, dass man es liebt, dieses Buch zu lesen, obwohl es zuweilen so grausame Geschichten erzählt? Ich werde keine abschliessenden Antworten auf diese Fragen finden und dies ist wohl auch nicht nötig. Denn wenn das Buch doch auch schwülstig wirken kann, so hat die Schönheit der Sprache zumindest den Zweck erfüllt, dass man mittels all der erzählerischen Bilder noch genauer vor sich hat, was überhaupt beschrieben wird und dass man das Buch vor allem auch unbedingt lesen und trotz allem geniessen und nachher auch darüber sprechen will.

Meine Empfehlung:
Dieses Buch wird mich sicher noch länger beschäftigen und es ist gut, dass ich erst morgen wieder zu einem Buch greifen werde, bis dann hat sich der Sturm in mir sicher sicher ein wenig gelegt. Aber das ist eigentlich ein positiver Sturm, weil er aufwühlt, aufweckt und zum Austausch anregt, weshalb ich euch dieses manchmal zart, manchmal kraftvoll und insgesamt sehr poetisch erzählte Buch sehr gerne ans Herz legen möchte.

Veröffentlicht am 30.06.2019

Fesselnd und nervenaufreibend bis zum Schluss

Die Therapie
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Inhalt:
Schon so viele Ärzte hat Viktor mit mit seiner Tochter zusammen aufgesucht, doch niemand hat herausgefunden, was ihr genau fehlt, welche Krankheit diese immer schlimmer werdenden Symptome hervorruft. ...

Inhalt:
Schon so viele Ärzte hat Viktor mit mit seiner Tochter zusammen aufgesucht, doch niemand hat herausgefunden, was ihr genau fehlt, welche Krankheit diese immer schlimmer werdenden Symptome hervorruft. Viktor ist mit seinem Latein am Ende und nun verschwindet Josy auch noch und niemand wird ihr helfen. Viktor weiss genau, dass er Josy nie wieder sehen wird. Während Viktors Frau viel eher noch Hoffnung bewahrt und erstaunlich ruhig bleibt, zieht er sich in ein Ferienhaus auf einer Insel zurück um dort in aller Ruhe die Interviewfragen einer Zeitung zu beantworten und so vielleicht ein wenig mit seiner Geschichte abschliessen zu können. Doch plötzlich bekommt er Besuch von einer wunderschönen Frau, welche sich von ihm wegen ihrer Schizophrenie behandeln lassen will. Der einstige Experte auf seinem Gebiet praktiziert nicht mehr, was in seiner Situation durchaus verständlich ist. Doch als die Unbekannte immer wieder von einem Mädchen erzählt, welches ihr erscheint, und ausserdem die Empfehlung eines anderen Psychiaters vorweist, bohrt Viktor nach. So findet er immer mehr Paralellen zwischen dem Mädchen, welches die Unbekannte zu verfolgen scheint und seiner eigenen Tochter. Plötzlich beginnt er einige Ereignisse zu verstehen und er beschliesst, die Therapie fortzusetzen und der Sache auf den Grund zu gehen. Was Viktor nicht weiss: manchmal liegen die Dinge ganz anders, als sie scheinen. Doch dies erfährt sowohl er wie auch der Leser erst ganz am Schluss.

Meine Meinung:
Dieser geniale Psychothriller fesselte mich von Anfang an und ich habe ihn in einem Zug gelesen. Ich konnte die Spannung förmlich knistern hören und bin nach wie vor von der durchkomponierten Handlung und ihrer unglaublichen Komplexität begeistert. Die Geschichte ist extrem vielschichtig gebaut und der Leser wird in immer neue Situationen verstrickt. So ist es fast unmöglich, das Verbrechen zu durchschauen und einen Täter zu erkennen. Ausserdem schafft der Erzähler eine sehr düstere und bedrohliche Atmosphäre, welche wunderbar zur Geschichte passt und für Gänsehaut sorgt. Vielleicht sollte man dieses Buch nicht mitten in der Nacht lesen...

Veröffentlicht am 23.06.2019

Bedrückend, nachdenklich stimmend und packend geschrieben

Die Geschichte der Bienen
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Inhalt:
Dieses Buch ist eine Mischung aus Dystopie, Familiendrama, Gesellschaftsroman und Sachbuch. In einem düsteren Grundton wird die Geschichte dreier Menschen erzählt, die - abgesehen von ihrer Arbeit, ...

Inhalt:
Dieses Buch ist eine Mischung aus Dystopie, Familiendrama, Gesellschaftsroman und Sachbuch. In einem düsteren Grundton wird die Geschichte dreier Menschen erzählt, die - abgesehen von ihrer Arbeit, ihrer Faszination für das Leben der Bienen und auch ihrer Abhängigkeit von bestehenden Systemen - nicht viel gemeinsam haben. Wir sind auf drei Kontinenten und werden in drei Familiengeschichten involviert, die zeitlich weit auseinanderliegen. Mit William erleben wir eine Blütezeit, eine Zeit voller Aufschwung und erfahren einiges über das Leben der Bienen. Mit George sind wir mitten in der Krise angelangt, in einer Gegenwart gefangen, die keine positive Prognosen für die Zukunft bieten kann und mit Tao reisen wir in eine beängstigend realistisch anmutende Zukunftsvision, die für Beklemmung sorgt.

Meine Meinung:
"Die Geschichte der Bienen" hat mich mit der komplexen Idee von drei lose zusammenhängenden Strängen und Zeitebenen, sowie mit den sehr unterschiedlich entworfenen Ausgangslagen der jeweiligen Protagonisten für sich einnehmen können. Die kurzen Kapitel, die abwechslungsweise von Erzählstrang zu Erzählstrang springen und dabei dank klaren Kapitelüberschriften und fortlaufend mit dem Namen des aktuellen Protagonisten beschrifteten Seiten sehr übersichtlich bleiben, haben mich das Buch innerhalb weniger Tage verschlingen lassen. Wenn auch die Sprache zuweilen befremdlich nüchtern wirkt, haben mich die einzelnen Familiengeschichten, die allesamt eher dramatisch verlaufen und die wissenswerten, definitiv aufwendig recherchierten Informationen über die Bienenvölker und ihr Leben für sich einnehmen können.

Schreibstil:
Maja Lundes Sprache ist sehr schlicht, manchmal ein wenig monoton und oft ein wenig kindlich anmutend. Trotzdem schafft sie es, durchs Band eine sehr düstere Grundstimmung zu erzeugen, die nachdenklich stimmt und beklemmend wirkt. Vor allem die in der Zukunft spielende Handlung um die Arbeiterin Tao, deren Sohn um sein Leben bangt und deren eigene Existenz von strengen Regeln, Überwachung und Rationierung geprägt ist, bedrückt und zwingt zum Überdenken unserer eigenen aktuellen Lage. Wie geht es mit unserem Klima weiter? Wie viel Sorge tragen wir zu unserem Planeten und der Pflanzen- und Tierwelt? Welche kleinen Schritte können wir im Alltag tun, um zu verhindern, dass wir uns bald in einem solchen Alptraum wiederfinden?

Meine Empfehlung:
"Die Geschichte der Biene" ist definitiv keine leichte Kost, regt aber zum Nachdenken an, berührt und lässt gegen Ende doch ein wenig Hoffnung aufblitzen. Für die spannenden Familienportraits, die wissenswerten Exkursionen rund um das Leben der Bienen und der Bau von Bienenbeuten, sowie für die bedrückende Grundstimmung und die aussergewöhnliche Handlungsidee gibts von mir trotz der zeitweise ein wenig zu nüchternen und simplen Sprache eine ganz klare Leseempfehlung.