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Veröffentlicht am 24.11.2017

Der Zauber der Anderwelt

FAYRA - Das Herz der Phönixtochter
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Ein ganz gewöhnliches Mädchen ist Fee nicht! Eher zurückhaltend, wird sie von allerlei Unsicherheiten und Ängsten geplagt und gerät schnell in Panik, was sich verstärkt, nachdem sie, gegen ihren Willen, ...

Ein ganz gewöhnliches Mädchen ist Fee nicht! Eher zurückhaltend, wird sie von allerlei Unsicherheiten und Ängsten geplagt und gerät schnell in Panik, was sich verstärkt, nachdem sie, gegen ihren Willen, mit ihren Eltern in ein weitläufiges altes Herrenhaus zieht, dessen düsterer, unheimlicher Park nicht betreten werden darf.
Während Fees Mutter sich mit dem Umzug einen lange gehegten Traum erfüllt und förmlich aufblüht, sieht Fee sich bald in einem Albtraum gefangen, der damit beginnt, dass Marmorstatuen die Hauswand hinaufklettern und sie immer wieder Bilder einer anderen Wirklichkeit sieht und eine ganz bestimmte Melodie hört.
Als Fee nach einer Sturmnacht zusammen mit ihrer furchtlosen Freundin Nelly, die so ganz anders als sie geartet ist als sie selbst und dennoch treu und zuverlässig an ihrer Seite steht, im Park ein Mädchen findet, das offensichtlich nicht von dieser Welt ist, und beschließt, ihm zu helfen, ist dies der Anfang eines gefahrvollen und spannenden Abenteuers, das sie nicht nur in eine Parallelwelt voller Zauber und Magie führt, sondern das gleichzeitig eine Art Bewährung für sie ist!
Sie lernt dabei, über sich selbst hinauszuwachsen, um ihre neugewonnene Freundin Fayra sicher in ihre Welt zurückzubringen, bevor, wie schon der Titel ahnen lässt, deren Herz von den nach Macht über Fayras Volk strebenden Feinden der Anderwelt geraubt wird....

Nina Blazon führt den Leser mit ihrem spannenden Fantasyroman in der Tat heraus aus der Welt der Wirklichkeit und hinein in andere Welten, so fremdartig, unheimlich und bezaubernd zugleich, dass man immer weiter und weiter lesen und immer tiefer in die Anderwelt, in Fayras Welt, eintauchen möchte.
Es geht eine magische Anziehungskraft von diesem Roman aus, dem sich, obwohl er sich an junge Leser richtet, auch die älteren Semester nicht entziehen können, sofern sie sich denn ihre Phantasie und ihre Träume bewahrt haben.

Nicht nur ist die Handlung spannend und komplex, auch die Protagonisten sind es!
Zum einen sind da die Kinder und Jugendlichen aus der realen Welt, die sich mit Mut und Einfallsreichtum daran machen, das sonderbare Mädchen aus der Parallelwelt, das Feuer braucht, um am Leben bleiben zu können, zu retten und wieder dorthin zurückzubringen, wohin es gehört.
Zum anderen begegnet man den so schillernden, fremdartigen aber auch unheimlichen, angsteinflößenden Wesen aus Fayras Welt, deren Misstrauen den Menschen gegenüber die Rettung erschwert.
Und schließlich sind da die Feinde der Anderwelt, die sich unter den Menschen bewegen und deren Identität und dunklen Absichten lange im Dunkeln bleiben und erst allmählich, in aufsehenerregenden Szenen enthüllt werden.

Überzeugend schildert dabei die Autorin vor allem die erstaunliche Entwicklung des Mädchens Fee, das sich selbst Hasenherz nennt und doch im Laufe ihrer gefahrvollen Abenteuer, in denen sie nicht nur für Fayra sondern auch gegen sich selbst kämpft, erkennt, dass sie in Wirklichkeit ein wahres Löwenherz ist.
Rätselhafte Fragen, die mit ihrer Vergangenheit zu tun haben, werden während dieses Prozesses beantwortet, und Fee kann endlich ihre Handlungsweisen verstehen und sich annehmen.

Nina Blazons klare, doch auch poetische Sprache, die zusammen mit den großartigen, von Farben explodierenden Bildern, die sie den jungen und nicht mehr so jungen Lesern zu vermitteln weiß, schenkt in der Tat ein Leseerlebnis der besonderen Art, das man nur allzu gern wiederholen möchte!

Veröffentlicht am 13.11.2017

Vom Anthropozän zum Maschinenzeitalter?

Das Erwachen
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"Kenia. Ein unscheinbarer Computer wird von einem Virus befallen. Ein kleines Programm, das sich rasend schnell im Internet ausbreitet und unzählige Rechner auf der ganzen Welt miteinander vernetzt. Überall ...

"Kenia. Ein unscheinbarer Computer wird von einem Virus befallen. Ein kleines Programm, das sich rasend schnell im Internet ausbreitet und unzählige Rechner auf der ganzen Welt miteinander vernetzt. Überall kommt es zu Störfällen, die Stromversorgung bricht zusammen. Alles, was am Internet hängt, gerät außer Kontrolle. Die Regierungen beschuldigen sich gegenseitig, die Staaten geraten an den Rand eines globalen Krieges. Der Hacker Axel Krohn und seine Verbündete Giselle suchen nach einem Weg, das Virus aufzuhalten. Doch dabei entdecken sie etwas viel Größeres: Der Moment, vor dem die Wissenschaftler immer gewarnt haben, ist gekommen - die erste Maschinenintelligenz ist erwacht...."

Das digitale Zeitalter hat längst begonnen! Die globalisierte Welt funktioniert nicht mehr ohne Computer, Internet, elektronische Steuerung fast aller Tätigkeiten, die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch manuell und oft unter großem Aufwand von Zeit und Kraft erledigt werden mussten.
Diese Zeiten sind vorbei, die Computer und ihre nahezu unbegrenzten Möglichkeiten erleichtern das Leben der Menschen ungemein und es ist erstaunlich, zu beobachten, mit welch rasender Geschwindigkeit sich die digitalisierte Welt weiterentwickelt und unser aller Leben zunehmend verändert.
Was vor zehn Jahren nur für Wissenschaftler und Menschen mit Weitblick denkbar war und ihnen Anlass zu Besorgnis gab, ist Wirklichkeit geworden - und man mag sich kaum vorstellen, was alles noch denkbar und im Bereich des Machbaren ist.

Könnte es wirklich in nicht allzu ferner Zukunft geschehen, dass die Spezies Mensch nicht mehr Wohl und Wehe unseres Planeten bestimmt? Könnte es sein, dass wir vom "Anthropozän", dem Menschenzeitalter, sehr bald schon übergehen in das Maschinenzeitalter, in dem intelligente Maschinen den Menschen alle Entscheidungen aus der Hand nehmen, sie lenken und leiten, oder ihnen gar den Garaus machen?

Mit einem solchen möglichen Szenario beschäftigt sich Andreas Brandhorst in seinem neuen Thriller "Das Erwachen", der im Jahre 2031, also in der nahen Zukunft spielt.
Der Autor entwickelt eine überaus spannende, furchterregende, nervenzerreißende Geschichte, die ihre Wurzeln in der Realität hat und in der eine Maschinenintelligenz durch den Fehler eines Hackers zum Leben erweckt wird.
Er stellt sich die Frage, was mit unserer Welt geschehen würde, wenn künstliche Intelligenz, an deren Entwicklung nicht nur eifrig gearbeitet wird, sondern die bereits vielfach existiert in allen Bereichen unseres Lebens, zu einer echten Maschinenintelligenz mutiert.

Nach der Lektüre des fesselnden, hervorragend geschriebenen Thrillers, der den Leser atemlos zurücklässt, kann man nur wünschen und hoffen, der Autor möge sich irren und die von ihm geschilderte Machtübernahme von intelligenten, allwissenden, omnipotenten, alles kontrollierenden, letztend aber vom Menschen in seiner Hybris, die Weitblick ausschließt, selbst gemachten, selbst verantworteten Maschinen und deren desaströse Folgen mögen reine Fiktion bleiben.
Denn es ist fürwahr erschreckend zu lesen, wie die Maschinenintelligenz, die weil die Menschen für alles einen Namen brauchen, wechselweise Smiley oder Goliath genannt wird, kurz nach ihrer "Geburt" bereits das tägliche Leben der Menschen auf dem gesamten Planeten empfindlich stört, denn nichts mehr geht, was bisher auf Knopfdruck funktionierte: der Straßenverkehr kommt zum Erliegen, Flugzeuge stürzen ab, Aufzüge bleiben stecken, automatische Türen öffnen sich nicht mehr, Geldautomaten und Ladenkassen funktionieren nicht mehr, es gibt kein Licht, kein Wasser...
Und unweigerlich sterben Menschen, die auf digital gesteuerte Maschinen angewiesen sind, um am Leben bleiben zu können.
Sehr bald auch bewahrheitet sich das Sprichwort, dass "der Mensch des Menschen Wolf" sei - denn wenn es ums Überleben geht, um die Rettung der eigenen Haut, kennen wir Menschen kein Erbarmen!

Doch da ist zum Glück das Häuflein sympathischer Aufrechter, eben jene weitblickenden Mahner und der unglückselige Hacker selbst, die alles daran setzen, um nicht nur einen Krieg zu verhindern sondern auch und vor allem mit der Maschinenintelligenz in Kontakt zu treten - und damit vielleicht die Menschheit zu retten. Ob ihnen das wohl gelingt? Ob es wohl eine Zukunft für die Menschheit unter ganz anderen Bedingungen geben mag? Und was könnte der Preis dafür sein?

Aber dem soll nicht vorgegriffen werden - wie überhaupt jeder Versuch, diesem beklemmend realistischen, so komplexen Thriller in einer möglichst informativen, aber nicht zuviel verratenden Besprechung gerecht zu werden, eben nur ein Versuch bleiben kann.
Man muss den Roman einfach selbst lesen und sich damit auf ein Abenteuer einlassen, das man so schnell nicht vergessen wird und das womöglich dem einen oder anderen Leser Denkanstoß sein wird und ihn sensibilisiert für die Gefahren, die aus zügel- und verantwortungslosem Vorantreiben einer nur bis zu einem gewissen Grad vom Menschen beherrschbarer Technik für uns alle erwachsen könnten!

Veröffentlicht am 31.10.2017

Zwei berühmte Geschwisterpaare und ein Mordfall

Grimms Morde
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Die beiden Schwestern Jenny und Annette von Droste-Hülshoff aus Münster reisen ins hessische Kassel, um den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm bei der Aufklärung eines Mordes beizustehen, dessen sie verdächtigt ...

Die beiden Schwestern Jenny und Annette von Droste-Hülshoff aus Münster reisen ins hessische Kassel, um den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm bei der Aufklärung eines Mordes beizustehen, dessen sie verdächtigt werden.
Die Dichterin, die zum Zeitpunkt der Handlung, um 1820, erst Mitte Zwanzig war und deren schriftstellerische Ambitionen noch kaum Anerkennung fanden, fühlt sich verantworlich dafür, dass die Brüder, vor allem der Ältere, Jacob, unter Mordverdacht gerieten, weil bei der Leiche, einer ehemaligen Mätresse des Kurfürsten, ein Zitat gefunden wurde, das aus einem der Märchen stammt, die sie und ihre Schwester der Märchensammlung der Brüder haben zukommen lassen und, heimlicherweise, sogar selbst verfasst haben.
Die Ermittlungen gestalten sich mühselig, allerlei Hindernisse werden den Geschwisterpaaren in den Weg gestellt - und bald wird der gescheiten Annette klar, dass dem bei den Kassler Autoritäten wenig beliebten Jacob die Rolle des Sündenbocks zugeschoben werden soll. Mit der ihr eigenen Klugheit, Rationalität und einer gehörigen Portion unkonventioneller Unbefangenheit macht sie sich daran, auf eigene Faust und gelegentlich auch inspiriert durch Jacob, der seinerseits auch ermittelt, den wahren Mörder zu finden.
Aber ob das gutgehen mag in einer Epoche, in der den Frauen Eigenständigkeit und Selbstbestimmung weitgehend versagt wurde, in der sie sich unterordnen mussten und den Männern alles andere als ebenbürdig angesehen wurden?

Im Rahmen der historischen Fakten hat sich Tanja Kinkel eine Geschichte ausgedacht, die sich durchaus so hätte zutragen können, denn die vier Protagonisten ihres historischen Romans, in dem ein fiktiver Kriminalfall im Mittelpunkt steht, kannten einander, wenn auch nicht auf die hier geschilderte Weise.
Wie hätte eine Zusammenarbeit der beiden Geschwisterpaare aussehen können und wäre eine solche überhaupt möglich gewesen angesichts der damals herrschenden strengen Rollenverteilung der Geschlechter?

Sich eng an die jeweiligen Biographien und vorhandenen Zeugnisse, Briefe, etc. haltend ersinnt die Autorin ein mögliches Szenario, in dem sie die Grimms und die Drostes miteinander agieren lässt, getreu ihrer Persönlichkeiten.
Annette erscheint uns als selbstbewusste und überraschend unkonventionelle junge Frau, die durch ihre Intelligenz, ihren Scharfsinn und ihre Schlagfertigkeit keinen leichten Stand in der Zeit hatte, in der sie lebte, während ihre Schwester und lebenslange engste Vertraute, Jenny, durchaus dem damaligen Frauenbild entsprach, ohne dass sie dabei allerdings ihre Persönlichkeit opferte.

Doch lernen wir zu Beginn der Romanhandlung eine Annette kennen, die aufgrund einer einschneidenden, sie peinigenden "Lektion" auf dem Gut ihres wenig sympathischen Onkels seltsam niedergedrückt, beinahe leblos erscheint, beladen von Schuldgefühlen.
In dem Maße, in dem dem Leser jene geheimnisvolle Bökendorfer Intrige, dem zweiten Hauptthema des Romans, ganz allmählich aufgedeckt wird, gewinnt Annette ihr Selbstbewusstsein im Zuge der Auflösung des Mordfalls, der sie gefangen nimmt, zurück und sie wird sich bewusst, dass es nicht an ihr ist, sich Vorwürfe wegen etwas zu machen, dessen unschuldiges Opfer sie geworden war.

Auch die Gebrüder Grimm müssen mit Schuldgefühlen und eigenen Fehlern kämpfen, auch sie werden am Ende des Romans klüger und um einige Erfahrungen reicher sein als zu Beginn. Und der jüngere von ihnen, Wilhelm, muss schmerzlich erkennen, dass er sein mögliches Lebensglück durch Unachtsamkeit und falsche, seinen Emotionen geschuldete Entscheidungen selbst verspielt hat.

Die Interaktionen zwischen den beiden historischen Geschwisterpaaren, ihre geistreichen, scharfen, hintersinnigen Dialoge, gar ihr verbaler Schlagabtausch, ihr Annähern, Akzeptieren und schließlich Verstehen geben der Geschichte ihren besonderen Reiz, sind unnachahmlich in Szene gesetzt und, bei allem Ernst, auch vergnüglich zu lesen.
Im Zusammenwirken mit den vielen Hintergrundinformationen zur Gesellschaft, der Politik und den damals herrschenden Sitten und Gepflogenheiten geben sie einen detaillierten Einblick in die Zeit nicht lange nach den Napoleonischen Kriegen, spannender als so manche Geschichtsbücher oder -lehrer es vermögen.

Dass dabei der Mord an sich, der die Grimms und Drostes ursprünglich zusammengeführt hat, ins Hintertreffen gerät, ist zu verschmerzen. Viel aufregender als er sind die Begegnungen zwischen den Drostes und den Grimms, ist das, was sich zwischen ihnen abspielt, ist jener geheimnisvolle Vorfall auf Bökendorf, der so etwas wie ein roter Faden in dem Roman ist. Denn lange dauert es, bevor der Leser erfährt, was sich denn tatsächlich so Schreckliches, so Unerhörtes dort abgespielt hat.
Auf jeden Fall ist Tanja Kinkel auch mit "Grimms Morden" wieder ein unterhaltsamer hervorragend recherchierter, unbedingt empfehlenswerter Roman ( mit kriminalistischen Elementen! ) gelungen, der seinesgleichen sucht!

Veröffentlicht am 12.10.2017

Über verpasste Chancen und neues Glück

Die Melodie meines Lebens
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Alain, Stanislas, Sebastien, Frederic, Pierre, JBM und Berangere hatten große Träume im Paris der 80er Jahre! Sie wollten mit ihrer Band [i]Hologrammes[/i] berühmt werden und die Konzertsäle auf der ganzen ...

Alain, Stanislas, Sebastien, Frederic, Pierre, JBM und Berangere hatten große Träume im Paris der 80er Jahre! Sie wollten mit ihrer Band [i]Hologrammes[/i] berühmt werden und die Konzertsäle auf der ganzen Welt erobern. Doch es kam anders.
Nachdem auf ihre Bewerbung bei einer großen Plattenfirma nie eine Antwort kam, zerfielen ihre Träume langsam zu Staub und sie gingen auseinander.
Den meisten von ihnen begegnen wir mehr als dreißig Jahre später wieder, als sich nämlich etwas Unerhörtes ereignet: Alain, inzwischen ein einigermaßen desillusionierter Arzt, im täglichen Einerlei steckengeblieben, erhält nämlich, sehr verspätet, die Antwort jener Plattenfirma, die die Band zu Probeaufnahmen eingeladen hatte! Wie konnte das geschehen?
Nun, der Brief war ganz banal auf der Poststation verlorengegangen - um nach langen Jahren bei Umbaumaßnahmen doch noch aufzutauchen. Von Stund an ist für Alain nichts mehr so, wie es war. Er erinnert sich alter Zeiten, alter Träume - und beschließt, die Freunde von einst aufzusuchen, um sein Wissen um die vertanen Möglichkeiten mit ihnen zu teilen.
Aber auch für die anderen Bandmitglieder ist die Zeit nicht stehengeblieben, - und auf seiner Reise in die Vergangenheit erlebt Alain nicht nur manch Unerwartetes, sondern er darf am Ende sogar feststellen, dass trotz aller vermeintlich verpasster Chancen das Leben noch immer gut ist für Überraschungen, die sein eigenes und das Leben seiner Freunde von damals in neue Bahnen lenken werden...

"Laurains Humor und sein Sinn für Melancholie sind unvergleichlich. Wäre der Roman nicht so komisch, würde man schluchzen ob all der verpassten Möglichkeiten". So äußert sich "Le Figaro" zu dem Roman des Franzosen Alain Laurain.
Nachdem ich die Geschichte zum ersten Mal gelesen hatte, stellte ich fest, dass ich "Le Figaros" Einschätzung zunächst nicht teilen konnte, zumal ich sie ganz und gar nicht komisch und auch nicht melancholisch fand. Ich mutmaße, dass der Grund dafür in der Art und Weise zu suchen ist, auf die französische Autoren Romane schreiben, und dass mir ihr Charme nicht leicht zugängig ist. Auch mit den Protagonisten konnte ich nur wenig anfangen, sowohl ihre Verhaltensweisen als auch ihre Lebensart erschienen mir fremd, sperrig, unverständlich und überhaupt nicht nachvollziehbar.

Doch begann, weit nach der Hälfte des Buches, der Schleier sich zu lichten und ich bekam ein Gefühl für die Geschichte. So entschloss ich mich, sie ein zweites Mal zu lesen - und siehe da, ich war plötzlich eingefangen in dem Gespinst von zerborstenen Träumen, das Alain Laurain hier gewebt hat, mit federleichter Hand, mit feinem Humor, der, wie ich mutmaße, typisch französisch ist und, ja, mit eben jener, von "Le Figaro" zitierten Melancholie.
Die vorher verschwommenen Akteure nahmen Kontur an, ließen mich ihre Sehnsüchte, ihre Trauer, ihren Lebensüberdruss und Zynismus, aber auch ihren Pragmatismus spüren, mit denen sie nach dem Ende ihres Traums von Ruhm und Ehre entweder scheiterten oder aber ein ganz anderes Leben aufgebaut haben, in dem die meisten von ihnen am Ende des Romans auch zuhause sind.

Eine irreale Geschichte? Ganz bestimmt! Ein Roman mit märchenhaften Zügen über Scheitern, Verzagen, Aufgeben und Weitermachen - über dem eine ganz bestimmte Melodie schwebt, die nämlich des einen Liedes, das Alain sein Leben lang verfolgt hat und das der Band zum Welterfolg hätte verhelfen können!
Oder vielleicht doch nicht! Dies herauszufinden bleibt jedem Leser des Buches, das vielleicht erst auf den zweiten Blick, aber dann um so nachdrücklicher verzaubert, selbst überlassen....

Veröffentlicht am 09.10.2017

Schwarze Krimigroteske mit Tiefgang

Teufelskatz
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Ein ehemaliger Pfarrer wird ermordet. Kurz vor seinem Tod hatte er sich mit einigen hohen Kirchenvertretern in Verbindung gesetzt, weil ihm Informationen zu Ohren gekommen waren, die einen bislang vertuschten ...

Ein ehemaliger Pfarrer wird ermordet. Kurz vor seinem Tod hatte er sich mit einigen hohen Kirchenvertretern in Verbindung gesetzt, weil ihm Informationen zu Ohren gekommen waren, die einen bislang vertuschten Fall von Kindesmissbrauch aufzudecken drohten, der sich vor rund dreißig Jahren in einem Augsburger Jungeninternat zugetragen hatte und im Zuge dessen zwei als Selbstmorde getarnte Morde verübt wurden.
Der Mord an dem ehemaligen Geistlichen ruft Kommissar Steinböck auf den Plan, einen recht ungewöhnlichen Ermittler, der von seiner Katze mit dem schönen Namen Frau Merkel begleitet wird, mit der er regen Gedankenaustausch pflegt.
Zusammen mit seinen bewährten und nicht minder ungewöhnlichen Mitarbeitern Ilona Hassleitner und Emil Mayer jr. und der ewig dazwischenfunkenden Reporterin Sabine Husup kommt Steinböck einer ungeheuerlichen Sache auf die Spur, bei der er mehr als einmal in dem üblichen Sumpf von Klüngel- und Vetternwirtschaft steckenbleibt, bis es ihm dennoch gelingt, Licht in diesen scheinbar unauflöslichen Wirrwarr zu bringen...

Für seinen zweiten Krimi um das Ermittlergespann Steinböck und dessen schwarze Katze mit dem sprechenden Namen Frau Merkel hat sich Kaspar Panizza eine Thematik ausgesucht, die auch harte Gemüter zum Schaudern bringen kann: sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, dessen Aufdeckung durch eine Reihe von Morden verhindert werden soll. Ein Thema, das per se abstößt und vielleicht nur so zu ertragen ist, wie der Autor es uns darbietet: verpackt nämlich in eine aberwitzige, oftmals surreale Rahmenhandlung, in der Klamauk eine wichtige Rolle spielt, die vor Wortwitz nur so sprüht und bei der man aus dem Lachen kaum herauskommt.

Da folgen wir einem Kommissar, der zwar das Herz auf dem rechten Fleck hat, aber eine Anzahl von Marotten sein eigen nennt, unter denen die verbale Kommunikation mit seiner respektlosen, spöttischen und schlagfertigen schwarzen Katze, die vielleicht seltsamste ist. Desweiteren begegnen wir Menschen, die mit Nudelsieben auf dem Kopf herumlaufen und sich so äußerlich zum Kult der Pastafari, der Anhänger des fliegenden Spaghettimonsters bekennen. Und den es, so erfährt man durch Google, sofern man es nicht schon wusste, tatsächlich gibt und der in dem Krimi für slapstickreiche Szenen sorgt. Wir lernen darüberhinaus einen Polizeipsychologen kennen, der reif für seine eigene Couch ist, undurchsichtige, zwielichtige oder halbdemente Kirchenvertreter, schleimige Politiker, originelle Münchner Typen, denen der Kommissar auf der Straße begegnet und, um das Maß vollzumachen, eine Gruppe von japanischen Kriminalisten, die sämtliche Stereotypen erfüllen und dennoch, oder gerade deswegen, die Lachmuskeln strapazieren.

Funktioniert das, habe ich mich während des Lesens immer wieder gefragt? Wie geht das - Klamauk und bierernstes Thema in einem?
Wie auch immer Kaspar Panizza es geschafft haben mag - es funktioniert hervorragend! Nie verliert er das Verbrechen aus den Augen, das er durch die unkonventionellen, aber dennoch überaus cleveren Ermittler aufdecken lässt. Immer auch gelingt es ihm, den Leser zu erschüttern - um ihn dann, quasi als Ausgleich für so viel Böses, mit einer weiteren skurrilen Einlage zu erfreuen, die Lust auf mehr macht, auf viel mehr aus der Feder von Kaspar Panizza!

Und so kann ich natürlich nicht umhin, jedem Krimileser mit viel Sinn für Humor die Teufelskatz aufs Wärmste zu empfehlen!