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Ulrike55

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Veröffentlicht am 08.10.2017

Gewissenlose Forscher und ihr Ehrgeiz

M.I.A. - Das Schneekind
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Die Hotelangestellte Sandra hat soeben die Affäre mit ihrem Chef beendet und fährt aufgewühlt über die nächtlichen, eisglatten Straßen in den Schweizer Bergen nach Hause, als ihr ein Wagen entgegenkommt. ...

Die Hotelangestellte Sandra hat soeben die Affäre mit ihrem Chef beendet und fährt aufgewühlt über die nächtlichen, eisglatten Straßen in den Schweizer Bergen nach Hause, als ihr ein Wagen entgegenkommt. Sie hat Glück und kann ausweichen, doch der Wagen auf der Gegenfahrbahn stürzt ab, der Fahrer stirbt, noch während Sandra hinzueilt, und sie nimmt sich des kleinen, verängstigten Mädchens an, das auf dem Rücksicht gesessen hatte. Nachdem die kleine Mia schließlich wohlbehalten bei ihrer eigenartig kalten, distanzierten Adoptivmutter abgegeben worden ist, beginnen sich seltsame Vorfälle in Sandras Umfeld zu häufen: das Haus ihres Nachbarn, dem sie von dem Unfall erzählt hatte, brennt plötzlich bis auf die Grundmauern nieder, eine Leiche wird gefunden, bei der alles darauf hindeutet, dass es die des hilfreichen Nachbarn ist. Sandra wird von schwarzen Autos verfolgt, sie erhält verschlüsselte Warnungen, - und als sie Mia, das Kind, das ihr in jener Schneenacht ans Herz gewachsen ist, besuchen möchte, sagt man ihr, dass die Kleine wegen ihres Gesundheitszustandes in ein Krankenhaus gebracht wurde, das sich sehr bald als Forschungsinstitut herausstellt. Sandras Misstrauen ist geweckt und sie beschließt, auf eigene Faust der rätselhaften Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Ein gefährliches Unterfangen...

Der Thriller lässt sich zugegebenermaßen spannend an und scheint meine aufgrund des Klappentextes in ihn gesetzten Erwartungen in jeder Beziehung zu erfüllen.
Doch in dem Maße, wie sich die Spannung bis zur Hälfte des Buches steigert, häufen sich auch die Unklarheiten und Verwirrungen, die bald überhand nehmen und eine durchaus realistische Geschichte um größenwahnsinnige Forscher, die Gott spielen und denen, um ihr Ziel zu erreichen, nichts heilig und kein Menschenleben achtenswert ist, immer mehr abflachen lassen bis zu einem abrupten, überstürzten und allzu glatten, beschönigenden Ende, bei dem nicht nur viele Fragen, die sich im Laufe der Handlung auftun, unbeantwortet bleiben, sondern das gleichzeitig neue aufwirft und insgesamt wenig befriedigen kann.

Das Thema an sich, Eingriffe in das menschliche Erbgut von einer Art, die zumindest in Deutschland nicht zulässig ist, ist interessant und aktuell, und bis zu einem gewissen Punkt gelingt es den Autoren auch, diese Aktualität und auch Unerhörtheit zu vermitteln. Leider bleiben sie an der Oberfläche, gehen nicht tief genug, um den auf dem Gebiet der Genforschung wenig bewanderten Durchschnittsleser mit den nötigen Informationen zu versorgen, die das Rätsel um die kleine Hauptperson Mia, die bedauernswerterweise nach dem fulminanten Beginn nur noch einmal kurz zum Schluss auftaucht, wirklich zu erhellen.

Die zweite Protagonistin, Sandra, hingegen, begleitet den Leser kontinuierlich. Und dennoch will es mir nicht gelingen, mich ihr anzunähern, mich mit ihr anzufreunden, so blass und unbedeutend, unbedarft und naiv erscheint sie mir während der gesamten Handlung.
Das kann man von ihrer patenten, unkonventionellen Mutter Heide, der sich Sandra schließlich anvertraut, nicht behaupten! Sie ist diejenige Figur in dem Thriller, die diesem ein wenig Spritzigkeit und auch Witz verleiht und die einzige, die nicht so stereotyp gezeichnet ist wie ausnahmslos alle anderen handelnden Personen, die bösen wie die guten. Die einzige auch, die nach dem Lesen noch eine Weile im Gedächtnis des Lesers bleiben mag, während die anderen, sogar das allzu abwesende Schneekind Mia, sich schon bald in immer schwächer werdende graue Schatten verwandelt haben.
Alles in allem kommt mir der Thriller wie der bloße Entwurf für etwas Größeres, Bedeutenderes, Stimmigeres vor, das hier aber leider nur zu ahnen ist. Schade!

Veröffentlicht am 19.09.2017

Gefährdetes Paradies

Die schöne Insel
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Taiwan, von den Portugiesen Formosa, "die schöne Insel", genannt, ist neben der quirligen und bunten, von vielen Ausländern bewohnten Stadt Shanghai um das Jahr 1900 der Schauplatz des neuen Romans von ...

Taiwan, von den Portugiesen Formosa, "die schöne Insel", genannt, ist neben der quirligen und bunten, von vielen Ausländern bewohnten Stadt Shanghai um das Jahr 1900 der Schauplatz des neuen Romans von Tereza Vanek.
Die russischstämmige Heldin Anastassia wird nach dem Tod ihres Vaters von der Stiefmutter verstoßen. Auf sich allein gestellt versucht sie in Shanghai zu überleben. Nachdem sie bei dem deutschen Kaufmann Felix Hoffmann eine Anstellung gefunden hat, begegnet sie der jungen Chinesin Clio, die aus einem Bordell geflohen ist, und nimmt sie unter ihre Fittiche. Clio lehnt den Heiratsantrag des Deutschen ab, da sie bereits versprochen ist - einem jungen Japaner, Nabu, der sich in Formosa befindet, der Insel, die Clio als ihre Heimat betrachtet.
Gemeinsam mit Anastassia macht sie sich unter dem Schutz von Felix auf den Weg zur schönen Insel, um den Verlobten zu finden. Doch gehen ihre Pläne nicht auf und Anastassia nimmt das Angebot des Missionars George Mackay an, ihn auf eine seiner Missionstationen inmitten des Urwaldes zu begleiten und dort bei der Krankenpflege und der Beschulung der Ureinwohner zu helfen. Mit der widerwilligen Clio im Schlepptau erfährt Anastassia eine neue Welt! Nicht nur macht sie die Bekanntschaft mit einer atemberaubend schönen, noch unberührten Natur sondern auch mit den Eingeborenen, ihrer Lebensweise und ihren Bräuchen. Schnell stellt sie jedoch fest, dass diese unbekannte, rätselhafte Welt in all ihrer Schönheit in Gefahr ist. Denn die Japaner, die die schöne Insel besetzt halten, treiben den Fortschritt unaufhaltsam und unbarmherzig voran...

Ja, dieser Roman entführt den Leser in eine vielfach fremde Welt! In eine Welt, die die Europäer und ihre Denkweise zunächst vor ein Rätsel stellt und an die sich anzunähern schwer fällt.
In den beiden Hauptcharakteren Anastasia und Clio prallen West und Ost aufeinander. Die beiden Frauen nähern sich zwar einander in gewissen Punkten an, doch bleibt bis zum Ende des Romans eine Kluft, die nur schwer und vielleicht nie wirklich zu überwinden ist.

Die junge Russin Anastassia stellt sich dieser Kluft. Mit viel Offenheit und Neugierde, die dennoch von ihrer westlichen Erziehung und deren Maxime geprägt ist, lässt sie sich auf die so ungewöhnliche und eigenartige Kultur ein, die ihr auf Formosa begegnet und findet allmählich Zugang zu den Ureinwohnern, taucht gar tief in ihre Welt ein.
Dies will der jungen Chinesin nicht gelingen, die sich deutlich abgrenzt von einer Welt, die, obwohl sie selbst Asiatin ist, nicht die ihre ist, von Menschen, die sie als nicht ebenbürtig betrachtet.
Sie ist arrogant, weitgehend selbstzentriert und erweist sich mehr als nur einmal für die tatkräftige und aufgeschlossene Anastassia als ein Hemmnis.

Der Leser mag sich fragen, warum Anastassia sich mit der Chinesin Clio belastet. Braucht sie sie als sachlich-nüchternen, fatalistisch-hinnehmenden Gegenpol zu ihrer eigenen emotionalen, sich gegen Ungerechtigkeiten aufbäumenden, gewiss nichts hinnehmenden Persönlichkeit? Oder entspricht es einfach ihrer mitfühlenden Natur, ihrem Verantwortungsgefühl, sich um die vermeintlich hilflose Person Clio zu kümmern? Hängt sie ihr aus lauter Einsamkeit an? Ihre Motivation wird bis zum Ende des Romans nicht klar.

Bis zum Schluss auch vermochte ich als Leserin es nicht, mich der Hauptperson wirklich anzunähern. Sie ist, obgleich Europäerin, für mich so wenig durchsichtig wie die allermeisten asiatischen Charaktere, die uns in diesem Buch begegnen. Nie habe ich jenen "hinter das Gesicht" sehen können, nie fand ich Berührungspunkte, die sie mir transparenter hätten machen können.
Ein Nahekommen gelang mir eigentlich nur bei einigen der Ureinwohner, die mir als einzige wirklich lebendig, wirklich echt erschienen, an deren Schicksal ich wahrhaft Anteil nehmen konnte. Hier ist es der Autorin gelungen, die Wärme und echte Herzlichkeit einzufangen, die Anastassia, Clio und alle anderen Charaktere des Romans nicht ausgestrahlt haben.
Und so lässt mich auch ihr weiteres Schicksal indifferent, meine Gedanken verweilen nicht über das Buch hinaus bei ihnen.

Gut gelungen jedoch sind Tereza Vanek zweifellos die Schilderungen sowohl der von Menschen nur so wimmelnden Stadt Shanghai als auch der vergleichsweise menschenleeren Insel Formosa und ihrer wilden Schönheit, an der sich zu vergehen sich die so westlich orientierten und gleichzeitig archaisch auf ihren Sitten beharrenden Japaner gerade anschicken. Trotz des nüchternen, nie Partei ergreifenden Erzählstils der Autorin spürt man die Gefahr, von der die schöne Insel bedroht ist, man fühlt die Vergänglichkeit, das Ende der Unschuld, den Verlust des Paradieses, die über ihr schweben. Und wird unwillkürlich von Traurigkeit gepackt....
Und auch die geschichtlichen Hintergründe, die für das Verständnis der im Roman stattfindenden Ereignisse erhellend sind, lässt die Autorin in ansprechendem Maße einfließen, ohne dass ihre Komplexität und langatmige Ausführlichkeit den Leser erschlägt.

Leser, die an asiatischer Historie, Lebens- und Denkweise und Traditionen interessiert sind, werden Tereza Vaneks Roman ganz gewiss zu schätzen wissen!

Veröffentlicht am 11.06.2017

Reise ohne Wiederkehr

Die Mädchen von der Englandfähre
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Die Dänin Nora Sand ist Journalistin mit Leib und Seele!
Sie arbeitet in London für eine dänische Zeitung und berichtet auch aus aktuellen Krisengebieten.
Außer für ihre Leidenschaft, das Kickboxen, hat ...

Die Dänin Nora Sand ist Journalistin mit Leib und Seele!
Sie arbeitet in London für eine dänische Zeitung und berichtet auch aus aktuellen Krisengebieten.
Außer für ihre Leidenschaft, das Kickboxen, hat sie kaum Zeit außerhalb ihrer Arbeit.
Eines Tages fällt ihr bei einem Trödler ein alter Koffer in die Hände, in dem sie später eine Reihe von Photos junger Frauen entdeckt, auf denen sie zwei Mädchen wiedererkennt, die vor dreißig Jahren von der Fähre zwischen Dänemark und England spurlos verschwanden und bis heute nicht wieder aufgetaucht sind.
Wurden sie die Opfer des Serienmörders Hix, der inzwischen im Gefängnis sitzt?
Fasziniert von dem Rätsel stellt Nora Nachforschungen an, die sie zwischen England und Dänemark hin und her pendeln lassen und die sich sehr mühsam gestalten.
In gleichem Maße schwierig wird Noras Privatleben, nachdem sich Andreas, ihr bester Freund aus der Schulzeit, den sie damals abblitzen ließ, nach vielen Jahren wieder bei ihr meldet und ihre Gefühle Purzelbäume schlagen lässt.
Als Nora, anstatt mit der Polizei und Scotland Yard, die ebenfalls brennendes Interesse an dem nie gelösten Fall haben, zusammenzuarbeiten, im Alleingang mit ihren Ermittlungen vorankommt, merkt sie, als es beinahe schon zu spät ist und sie einem zu allem entschlossenen Killer gegenübersteht, in welche Gefahr sie sich begeben hat....

Kein Zweifel, Lone Theils Erstlingswerk ist spannend! Und gut geschrieben ist es auch! Die Dänin, Journalistin wie ihre Hauptfigur Nora, versteht ihr Handwerk.
Ihr Kriminalroman soll den Auftakt bilden zu einer Serie, in deren Mittelpunkt die wackere, jedoch zu sturem, unüberlegtem Handeln tendierende Nora Sand steht.
Das erklärt vielleicht, warum die Autorin noch sehr verhalten ist, was die Protagonistin und mit ihr alle anderen Charaktere, die zu ihrem Lebens- und Arbeitsbereich gehören, betrifft.
Man bekommt, während die Handlung voranschreitet, immer stärker den Eindruck, dass besagte Figuren nur angerissen sind, dass man ihnen nie richtig nahe kommt, sie eigentlich nicht wirklich kennenlernt und somit auch nicht versteht.

Gerade Noras Handlungsweise ist oft kaum nachvollziehbar. Das mindert zwar nicht die Spannung des Krimis, lässt ihn aber leider verflachen und viele Unstimmigkeiten und Unglaubwürdigkeiten ins Auge fallen, über die man, würde man Nora und ihre Lebensumstände vor und während ihrer Zeit in London besser kennen, womöglich hinweggelesen hätte. Schade!

Auch das Auf und Ab ihrer Gefühle, ihr pubertäres Verhalten, das so gar nicht zu dieser investigativen Journalistin und selbständigen Person passt, ihre unklare Beziehung mit dem Schulfreund und schließlich die - vorläufige - Auflösung kann nicht wirklich überzeugen! Doch scheint mir dieser Handlungsstrang durchaus ausbaufähig in weiteren Bänden.

Der Roman rast schließlich auf ein doch recht unerwartetes, aktionsreiches, gleichzeitig für meinen Geschmack viel zu konstruiertes Ende zu, das den Leser tiefer in die Abgründe der rabenschwarzen Seele eines eiskalten, perversen und entmenschlichten Mörders blicken lässt, als der eine oder andere sich gewünscht hätte, und das mich entsprechend unzufrieden und mit einer Reihe unbeantworteter Fragen und nicht verknüpfter Handlungsfäden zurückließ.
Und aus eben diesem Grunde verspüre ich auch nicht das Verlangen, die Bekanntschaft mit Nora Sand in etwaigen Folgebänden fortzusetzen!

Veröffentlicht am 09.04.2017

Alte Heimat

Altenstein
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Julie von Kessel skizziert in ihrem Roman die Geschichte einer adligen Familie, die ihre Heimat Ostpreußen in den letzten Kriegswochen verlassen muss und über einen weiteren Familienbesitz, Altenstein ...



Julie von Kessel skizziert in ihrem Roman die Geschichte einer adligen Familie, die ihre Heimat Ostpreußen in den letzten Kriegswochen verlassen muss und über einen weiteren Familienbesitz, Altenstein in Brandenburg, schließlich in den Westen gelangt und im Rheinland ansässig wird.

Der Erzählbogen spannt sich vom Jahr 1943 bis 2005, doch geschieht dies nicht chronologisch, sondern findet auf mehreren unterschiedlichen Zeitebenen in ungeordneter Reihenfolge statt.
So ungewöhnlich der Aufbau des Romans ist, was den Lesefluss behindert und dem Leser ein gewisses Maß an geistiger Flexibilität abverlangt und durchaus zu manchen Verwirrungen und Unklarheiten führt, so klar und gewählt ist jedoch die Sprache der Autorin, die sich auf hohem Niveau bewegt.
Nie verliert sie sich im Dramatischen, nie in dessen Gegenteil. Dadurch wird es dem Leser nicht leicht gemacht, sich den Charakteren des Buches zu nähern. Diese bleiben seltsam blass....

Und sie sind überdies von komplizierter, sperriger Natur, allen voran Agnes, das Oberhaupt der Familie von Kolberg, die die Flucht tatkräftig und effizient organisiert wie auch den Neubeginn im Westen. Sie nötigt dem Leser Respekt ab, gewinnt aber kaum seine Zuneigung, da sie von rigoroser Natur ist und trotz aller Bemühungen für ihre Kinder sich selbst immer am nächsten ist.
Die Kinder selbst sind natürlich durch diese dominante Mutter und all die Erlebnisse auf der Flucht geprägt und ihr Leben als Erwachsene nimmt Verläufe, die von Zerrissenheit sprechen.
Julie von Kessel konzentriert sich hauptsächlich auf die beiden jüngsten Sprösslinge der Kolbergs, längst nicht auf alle, was auch in Ordnung ist, denn deren Lebensläufe bewegen sich in weniger dramatischen Bahnen...

Viel Schweres und Trauriges kommt zur Sprache, das manchmal beinahe unerträglich wird.
So geschieht es, dass Konrad, das jüngste Kind der Familie, der eigentlich nie richtig ins Leben gefunden hat, der Vieles ausprobiert, aber im Grunde untüchtig ist, beschließt, nach der Wende den Besitz in Brandenburg, Altenstein, zurückzuerhalten.
Dabei schätzt er nicht nur die Gesetzeslage zur Rückgabe konfiszierter Ländereien und Besitze falsch ein, sondern auch die Bereitschaft seiner Geschwister, seine Bemühungen mitzutragen oder zu unterstützen...
Und so kommt es, wie es kommen muss - und der Leser muss mitansehen, wie eine Familie, die so viel Schweres miteinander durchgestanden hat, langsam auseinanderfällt....

Nein, ein leichtes Buch ist "Altenstein" gewiss nicht! Und auch keines, das man nach dem Lesen befriedigt beiseite legt. Der Roman beunruhigt und macht betroffen - ob man ihn mag oder nicht.
Er wird den Leser weiterbeschäftigen.
Und, so frage ich mich, ist das nicht genau der Effekt, den ein Buch von Qualität beim Leser hinterlassen sollte?

Veröffentlicht am 07.04.2017

Ein rätselhafter Fall

Tod im Nichts
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Allan Ballmann lässt den Leser in seinem Roman zunächst einmal eintauchen in die Traumwelt seines Protagonisten, eines Kriminalkommissars, der aus tiefer Bewusstlosigkeit langsam wieder ins Leben zurückfindet.
Danach ...


Allan Ballmann lässt den Leser in seinem Roman zunächst einmal eintauchen in die Traumwelt seines Protagonisten, eines Kriminalkommissars, der aus tiefer Bewusstlosigkeit langsam wieder ins Leben zurückfindet.
Danach muss er feststellen, dass er sein Gedächtnis verloren hat. Er gewinnt es zwar ganz allmählich wieder zurück, aber die letzten beiden Monate seines Lebens sind wie ausgelöscht.
Damit nicht genug, muss er feststellen, dass er allem Anschein nach in ein Verbrechen verwickelt ist, das für zwei Menschen tödlich endete...
In seinem verzweifelten Versuch, der Sache auf den Grund zu gehen, verstrickt er sich immer tiefer in einen gefährlichen Sumpf, in dem er Bekanntschaft macht mit dem wirklich Bösen, dem organisierten Verbrechen, bei dem sehr viel Geld eine Rolle spielt.
Obwohl sich der Kommissar nicht vorstellen kann, zum Mörder geworden zu sein, erfährt er doch Stück für Stück Dinge über sich und die Kreise, in denen er sich bewegte, die ihn an sich zweifeln lassen - und den Leser mit ihm.
Wer ist er wirklich?
Was hat er in den beiden Monaten, an die er sich nicht erinnern kann, getan? Und warum?
Er begibt sich auf eine einsame, lebensgefährliche Suche nach der Wahrheit, der er, begünstigt durch den Zufall, allmählich auf die Spur kommt...
Diese Suche beschreibt der Autor durchaus spannend, aber auch mit einigen Längen und manchmal, was der Thematik geschuldet sein mag, schwer durchschaubar.
Dabei gibt er Einblick in die Maschinerie der Polizeiarbeit, die er als Mann vom Fach natürlich sehr gut kennt, die aber für Außenstehende ein fremdes Gebiet ist, und deren Mechanismen eigenen Gesetzen unterliegen.
Zudem wagt er sich in die Welt der Finanzen und diesbezüglichen Machenschaften und betrügerischen Transaktionen, an denen die organisierte Kriminalität munter beteiligt ist. Auch dies ist ein Gebiet, auf dem der unbedarfte, nicht informierte Leser schnell ins Straucheln kommt.
Alles in allem ist "Tod im Nichts" ein zwar aufschlussreicher, jedoch durchweg düsterer Krimi, dessen deprimierendes, illusionsloses Ende - oder ist es gar kein Ende? - keineswegs befriedigen kann.