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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.08.2018

Eine LEseempfehlung

Die abenteuerliche Reise des Pieter van Ackeren in die neue Welt
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Man schreibt das Jahr 1701. Der junge Geistliche Pieter van Ackeren, Kaufmannssohn und Rebell gegen das Elternhaus, muss Amsterdam verlassen, da er Sympathien für die Sekte der Labadisten empfindet und ...

Man schreibt das Jahr 1701. Der junge Geistliche Pieter van Ackeren, Kaufmannssohn und Rebell gegen das Elternhaus, muss Amsterdam verlassen, da er Sympathien für die Sekte der Labadisten empfindet und deswegen als Ketzer angeklagt werden soll. Er flieht auf einem Auswandererschiff nach Suriname, einer niederländischen Kolonie. Schon unterwegs lernt er eine völlig andere Welt kennen. Das Segelschiff ist ein Mikrokosmos für sich. Der Kapitän herrscht absolutistisch. Mit an Bord sind schwarze Sklaven für die Plantagen sowie heiratswillige Frauen, die in der Neuen Welt eine bessere Zukunft suchen. Eine dieser Frauen ist die junge Anna, die auf hoher See einen toten Sohn zur Welt bringt. Dass sich Annas Schicksal wird sich mit dem von Pieter verknüpfen wird, weiß noch niemand.

Pieter will als Missionar arbeiten, gerät aber mehrmals in Gefangenschaft. Er wird vom jeweiligen Machthaber für seine eigenen Zwecke missbraucht. Er flieht und wird erneut gefangen genommen. So lernt der junge Mann die Peitsche von Sklavenhaltern ebenso kennen wie die Fürsorge von Jesuiten, die für ihn eigentlich der Inbegriff der Intoleranz sind.
Neben Niedertracht begegnet er auch manchem freundlich gesinnten Weggefährten.

Meine Meinung:

Mit diesem historischen Roman hat Meinrad Braun ein Meisterwerk der literarischen Sprache geschaffen. Sowohl die Beschreibung der Umstände als auch die Dialoge sind der erzählten Zeit angepasst. Der Leser findet die entsprechende Wortwahl vor, die man sich heute so nicht mehr vorstellen kann. Doch genau dies sorgt entsprechende Flair. Der Leser leidet ebenso wie Pieter. Man kann die tropischen Nächte, voll ungewohnter Geräusche förmlich hören. Die Gefahren des Dschungels, der Flüsse – alles ist so prägnant und präzise beschrieben, als wäre man selbst mit Pieter auf der Flucht.
Wunderbar sind die vielen seemännischen Ausdrücke in die Dialoge eingeflochten. Niemals wirken die Dialoge aufgesetzt oder deplatziert.

Der Roman ist aus der Sicht der Unterlegenen geschrieben. Ist Pieter zu Beginn noch ein zorniger junger Mann, der voller Eifer zu neuen Ufern aufbricht und seine Mission erfüllen will, so verändert ihn das Schicksal nachhaltig. Er lernt Demut kennen und ist um jede noch so kleine Wohltat dankbar.

Sehr interessant sind auch die Schilderungen des herrschenden Feudalsystems und der Ausbeutung von Mensch und Tier auf den großen Plantagen. Wir begegnen brutalen Despoten und der Malerin Sybilla Maria Merian. Gemeinsam mit ihrer Tochter Dorothea befindet sie sich auf einer Forschungsreise.

Die historischen Gegebenheiten sind genau recherchiert und werden dem Leser unaufgeregt und subtil dargeboten. Diese Informationen sind Teil des Romans, der so voller überraschender Wendungen, so abenteuerlich und spannend ist, dass man dieses Buch kaum aus der Hand legen kann.

Fazit:

Ein abenteuerlicher historischer Roman, der einem mit seiner wunderschönen Erzählkunst in den Bann zieht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Eine Krimi-Autorin einmal anders

111 mystische Orte in der Schweiz, die man gesehen haben muss
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Krimi- und Thrillerautorin Monika Mansour entführt uns in eine bislang unbekannte Schweiz. Abseits von Banken, Luxusuhren, Schokolade und mondänen Urlaubsorten existiert eine völlig andere Schweiz.

Archaisch, ...

Krimi- und Thrillerautorin Monika Mansour entführt uns in eine bislang unbekannte Schweiz. Abseits von Banken, Luxusuhren, Schokolade und mondänen Urlaubsorten existiert eine völlig andere Schweiz.

Archaisch, wild, berichten Sagen und Geschichten von Untoten, die auf Erlösung hoffen, von Geisterreitern, die Reisende nächtens erschrecken oder von geheimnisvollen Gewässer, in denen ertrunkene Menschen spuken. Die Berge sind voll mit dem Echo seltsamer Rufe und Teufel lauern auf Brücken.

All diese Geschichten sind von Monika Mansour liebevoll zusammengetragen und fesselnd erzählt. Sie bietet einen gänzlich anderen Einblick in die Mentalität der als trocken und steif bezeichnete Schweizer. Es scheint, als stecke in den Eidgenossen doch mehr als der Glaube an einen starken Franken und steigende Aktienkurse.

Faszinierend auch, wie unaufgeregt und subtil hier Geschichtsunterricht vermittelt wird, ohne, dass der Leser belehrt oder mit Infodump zugeschüttet wird.

Ja, schreiben kann die Autorin.

Dieser Reiseführer macht Lust, die Koffer zu packen und sich Richtung Schweiz aufzumachen und die 111 mystische Orte selbst in Augenschein zu nehmen.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Fesselnd und vielschichtig bis zur letzten Seite

Die Tote im Wannsee
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Das Autoren-Trio Martin LUTZ, Uwe WILHELM und Felix KELLERHOFF entführt die Leser in das Berlin von 1968. Die geteilte Stadt ist Tummelplatz allerlei Geheimdienste und diverser Studentengruppen, die lautstark ...

Das Autoren-Trio Martin LUTZ, Uwe WILHELM und Felix KELLERHOFF entführt die Leser in das Berlin von 1968. Die geteilte Stadt ist Tummelplatz allerlei Geheimdienste und diverser Studentengruppen, die lautstark protestieren. Vor diesem historischen Hintergrund, der gerade einmal fünfzig Jahre her ist, lassen die Autoren ihren jungen Kommissar Wolf Heller ermitteln.

Man findet eine Frauenleiche am Ufer des Wannsees. Die Polizei vermutet, es mit einer der zahlreichen Prostituierten zu tun zu haben. Doch weit gefehlt! Die Tote arbeitet als Anwaltsgehilfin, war verheiratet und Mutter zweier Kinder. Der naheliegende Verdacht, der Ehemann könnte der Täter sein, überzeugt Wolf Heller nicht. Je mehr Details er aus dem Umfeld der Ermordeten erfährt, desto unwahrscheinlicher scheint die Theorie des Gattenmordes. Doch dann erhängt sich der Mann in der U-Haft. Ein Schuldeingeständnis?

Letztlich nimmt der Kriminalfall Dimensionen an, die Heller beinahe das Leben kosten…

Meine Meinung:

Dieser zeitgeschichtliche Krimi hat mich dermaßen gefesselt, dass ich ihn in einem Stück gelesen habe. Fasziniert hat mich vor allem, wie authentisch das Leben Berlins von 1968 dargestellt wird. Die Studentenunruhen, die sich gewalttätig über ganz Europa ausbreiten, der dichte Filz der Nazi-Vergangenheit vieler Staatsbürger. Denn, nur weil jetzt „Bundesrepublik Deutschland“ bzw. „Deutsche Demokratische Republik“ draufsteht, sind die rechten Ideen noch lange nicht passé und verschwunden. Die alten Seilschaften, egal ob im Westen oder Osten funktionieren und machen auch vor der Polizei nicht Halt. Auch die Geheimdienste spielen hier ihr unrühmliches Spiel und gehen buchstäblich über Leichen. Nicht immer ist klar, wer auf der richtigen Seite des Gesetzes steht. Es wird erpresst, was das zeugt hält. Entweder mit der Nazi-Vergangenheit oder mit der Homosexualität, die nach §175 StGB, strafbar ist.

Wir begegnen Menschen, deren Karriere in diesen Tagen ihren Anfang nimmt: So treffen wir Uschi Obermeier und lauschen einem jungen Sänger namens Reinhard Mey. Witzig finde ich den Hinweis auf das Magazin „Emma“, das Louise Mackenzie, die amerikanische Studentin, gründen will. Die Zeitschrift wird erst 1977 von Alice Schwarzer herausgegeben.

Der Krimi ist atmosphärisch dicht. Die Geschichte enthält mehrere Erzählstränge, die parallel verlaufen und sich immer wieder schicksalhaft kreuzen. Gut kommen auch die Lebensumstände im Berlin der 1968 heraus. Die Wohnungsnot scheint noch nicht behoben, sodass Wolf Heller als Untermieter bei einer Witwe mit zwei Kindern wohnt. Das wird dann gleich einmal von seinen Gegnern als Druckmittel verwendet. Man droht der Frau mit dem „Kuppelei-Paragrafen“.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, der die Leser in das Berlin von 1968 entführt. Gerne vergebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Ich hoffe, dass es eine Fortsetzung gibt.

Veröffentlicht am 14.08.2018

Das imperiale Wien und seine Schattenseiten

Halbseidenes kaiserliches Wien
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Der dritte Band aus der Serie "Halbseidenes Wien" beschäftigt sich mit dem Fin de Siècle und dem bevorstehenden Untergang der Donaumonarchie.
In zwölf echten bzw. fiktiven Kriminalfällen gelingt es Autor ...

Der dritte Band aus der Serie "Halbseidenes Wien" beschäftigt sich mit dem Fin de Siècle und dem bevorstehenden Untergang der Donaumonarchie.
In zwölf echten bzw. fiktiven Kriminalfällen gelingt es Autor Günther Zäuner die Stimmung der Bevölkerung gut einzufangen. Die bittere Armut der sogenannten "Ziegelbem" (=Arbeiter in den Ziegelwerken) und als Gegensatz dazu die Eskapaden eines Erzherzog Ottos, der nur mit einem Säbel bekleidet im Hotel Sacher randaliert.
Dieser Band gefällt mir außerordentlich gut. Jeder Kriminalfall beginnt mit einer Jahresübersicht von historisch Bedeutsamen. Sei es, dass eine hist. Persönlichkeit geboren oder verstorben ist. Toller Einfall! So lassen sich die Krimi bestens in die Zeit eintakten.
Sprachlich wie immer gut gelungen, besticht dieser Band durch eine Fülle historischer Details, die geschickt in die einzelnen Fälle eingewoben sind, ohne belehrend zu wirken.

Veröffentlicht am 13.08.2018

Eine ausführliche Biografie einer streitbaren Frau

Herrscherin im Paradies der Teufel
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Ursprünglich sollte Maria Carolinas ältere Schwester Maria Josepha (1751-1767) den neapolitanischen Kronprinzen heiraten. Doch leider starb sie kurz vor der Hochzeit.
Also bestimmte Maria Theresia dann ...

Ursprünglich sollte Maria Carolinas ältere Schwester Maria Josepha (1751-1767) den neapolitanischen Kronprinzen heiraten. Doch leider starb sie kurz vor der Hochzeit.
Also bestimmte Maria Theresia dann die nächstälteste Tochter Maria Carolina (1752–1814) Königin von Neapel zu werden. »Sie sind Opfer der Politik«, sagte Maria Theresia über ihre Töchter. Wie auch bei Marie Antoinette sollte sich dieser Seufzer der Mutter bewahrheiten.

Maria Theresia rät allen ihren Töchtern sich von der Politik fern zu halten, obwohl sie das beste Beispiel einer Herrscherin abgibt. Nicht alle beherzigen diesen Rat. An der Seite des ungehobelten, kindischen und ausschließlich an der Jagd interessierten Thronfolgers, muss sie in einem rückständigen kleinen Königreich leben. Die Ratschläge der Mutter werden in den Wind geschlagen und Maria Carolina mischt nach der Entlassung des greisen Ministerns Tanucci 1776 selbst in der Politik mit. Dabei mag ihr die eigene Mutter als Vorbild erschienen sein. Leider umgibt sich Neapels Königin mit falschen Beraten, und wird für ihre Bemühungen, dem Land Fortschritt und Wohlstand, zu bringen, wie es die Verwandtschaft in der Toskana zuwege gebracht hat, gedemütigt und als herrschsüchtig abgekanzelt.
Ihr infantiler Gemahl spielt hier natürlich auch eine intrigante Rolle.
Maria Carolinas Bestreben eine fortschrittliche Monarchin zu sein, ändert sich mit der Französischen Revolution und der Ermordung ihrer jüngeren Schwester Marie Antoinette um 180 Grad. Aus der glühenden Bewunderin der Freimaurer wird eine fanatische Reaktionärin, die alle Reformen rückgängig macht. Zweimal wird sie aus Neapel vertrieben und muss mit ihrer Familie nach Sizilien fliehen, während Napoleon seiner Schwester Caroline und deren Ehemann Joachim Murat als Herrscher von Neapel einsetzt.
Hilfe findet sie zeitweilig bei den Engländern, die Neapel und dann später Sizilien als Operationsbasis für ihre Flotte im Mittelmeer brauchen. Doch ihre Sprunghaftigkeit, die durch übermäßigen Opiumkonsum bedingt ist, vergrätzt auch diesen Bündnispartner. Von ihrem Vetter und Schwiegersohn, dem Kaiser Franz I. in Wien kann sie auch keine Hilfe erwarten. Der hat andere Sorgen, kämpft er doch mit seinen Truppen in jeweils wechselnden Koalitionen gegen Napoleon Bonaparte. Nach dem verlorenen 5. Koalitionskrieg muss er seine Tochter Marie Louise mit Napoleon verheiraten. Das Blöde ist nur: Die Braut ist nicht nur Franzens Tochter, sondern gleichzeitig die Enkelin von Maria Carolina, deren Tochter wiederum die 2. Frau von Franz ist. Die Königin von Neapel ist, wie sie selbst so treffend sagt „des Teufels (=Napoleons) Großmutter“.
1813 erzwingen die Briten die Abreise der Königin nach Wien, wo sie nicht wirklich willkommen ist. Sie versucht weiter mit völlig untauglichen Mitteln ihr Königreich zu retten. Das endgültige Ende ihres Erzfeindes Napoleons wird sie nicht mehr erleben.

Meine Meinung:

Friederike Hausmann präsentiert eine sehr schwungvolle und farbige Biografie einer intelligenten und selbstbewussten Frau. Mit einem Mann, wie ihrem Vater Franz Stephan, an ihrer Seite hätte sie das rückständige Königreiche Neapel bzw. Sizilien aus ihrem Dämmerschlaf holen können. Mit dem infantilen und an Regierungsgeschäften desinteressierten Ehemann ist leider kein Staat zu machen – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit ein wenig mehr Fingerspitzengefühl und Einbindung der alteingesessenen Familien, wäre es vielleicht gelungen, dem Königreich trotz der widrigen Umstände ein wenige Wohlstand zu bringen. Dazu hat es Maria Carolina eindeutig an politischem Einfühlungsvermögen gefehlt.

Ihre Feinde (vor allem jene im eigenen Land) stellen sie als Inbegriff einer anmaßenden und herrschsüchtigen Frau, die nur Unheil anrichtet und ihr Land ins Unglück stürzt. Dabei ist das kleine Königreich Neapel nie mehr als ein Spielball der europäischen Mächte. Eine eigenständige Außenpolitik konnte das Königreich nicht betreiben.

Die Biografie ist bestens recherchiert. Die Rollen und Charaktere anderer historischer Persönlichkeiten wie Horatio Nelson, Lord und Lady Hamilton oder des Nachfolgerkönigspaares Murat sind vortrefflich gelungen.

Diese Biografie gibt einen guten Einblick in die Heiratspolitik der Habsburger, in das Leben einer jungen Erzherzogin, die mit einem völlig ungeeigneten Mann verheiratet wurde. Einer jungen Frau, die voller Tatendrang das alte, verkrustete Feudalsystem ihrer neuen Heimat aufbrechen wollte und letzten von allen gemieden, einsam und opiumsüchtig in Wien verstorben ist.

Fazit:

Mir hat diese Biografie über Königin Maria Karolina von Neapel sehr gut gefallen. Die Autorin hat vielfältige Literatur und Quellen verarbeitet. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.