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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.09.2018

Hat mich bestens unterhalten

Hawelka & Schierhuber laufen heiß
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Endlich ein langes Wochenende! Josef Hawelka und Josef Schierhuber freuen sich auf ein paar Tage Auszeit. Doch da macht ihnen ein Anruf ihres Vorgesetzten, der sie ins Waldviertel zu einem unklaren Todesfall ...

Endlich ein langes Wochenende! Josef Hawelka und Josef Schierhuber freuen sich auf ein paar Tage Auszeit. Doch da macht ihnen ein Anruf ihres Vorgesetzten, der sie ins Waldviertel zu einem unklaren Todesfall abkommandiert, einen Strich durch die Rechnung. Der nicht sehr beliebte Birnstingl ist in seine Kreissäge gefallen, deren überhitzter Motor dann den Stadl in Brand gesetzt hat.

Die beiden Josefs stammen aus dem Waldviertel und nach Stationen bei Bundesheer und Gendarmerie sind sie nun bei der Wiener Kriminalpolizei. Auf Grund ihrer Herkunft hält sie ihr Chef für bestens geeignet, die Todesumstände aufzuklären.

In Vestenötting, einem kleinen Ort in der Nähe von Waidhofen an der Thaya, angekommen, stoßen sie auf die übliche Dorfverschwiegenheit. Keiner hat was gesehen, keiner weiß was und vor allem … keiner sagt was. So müssen die beiden ganz andere Ermittlungswege einschlagen. Hawelka setzt auf die Dorfsäufervariante und Schierhuber auf die Stammtisch-Version, bei der reichlich Bier und Schnaps fließen und ein Schießwettbewerb stattfindet.

Unterstützt werden sie vom „Auskunftsbüro Berlakovic“, einer mehrköpfigen Damenriege der Wiener Dienststelle, die sie auch fernmündlich mit allen nötigen und unnötigen Informationen versorgt.

Meine Meinung:

Als Wienerin und erklärter Waldviertel-Fan musste ich natürlich zu diesem Krimi greifen und habe mich sofort heimisch gefühlt. Einerseits wegen der Ermittler, die beide um Mitte Fünfzig sind und mit Bierbauch und beginnender Glatze bestens beschrieben sind, und andererseits wegen der eindringlichen Charakterisierung der Dorfbewohner. Der Feuerwehrkommandant, dessen Gesichtsfarbe ständig dem RAL 3000 seines Löschfahrzeuges ähnelt oder der verhaltenskreative Graf, der eigentlich der King of Porno ist oder die Hoferin, die ständig alles und alle beobachtet und nicht zu vergessen die exzentrische Esoterikerin. Alle diese Charaktere sind wie aus dem tatsächlichen Leben gegriffen.

Herrlich auch die kleinen Spitzen auf die (damalige) österreichische Innenpolitik: eine Innenministerin oder einen Landeshauptmann, der einen ähnlichen Breitscheitel wie Hawelka trägt.

Für alle, die mit dem ostösterreichischen Idiom nicht so vertraut sind, findet sich im Anhang ein Verzeichnis der verwendeten Begriffe.

Wer also einen typischen Krimi mit typischen Ermittlern sucht, wo jedes Gespräch und jede polizeiliche Handlung bis ins kleinste Detail beschrieben wird, der ist hier falsch.

Fazit:

Ich habe diesen Krimi genossen. Daher kann ich ihm 5 Sterne und eine Leseempfehlung geben.

Veröffentlicht am 03.09.2018

Beklemmendes Szenario

Mörderisches Schweigen
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Antonia Eichborn, die Tochter des erfolgreichen Textilunternehmers ist als Schauspielerin in den USA grandios gescheitert. Doch nicht nur der Schulden, sondern wegen der plötzlichen schweren Erkrankung ...

Antonia Eichborn, die Tochter des erfolgreichen Textilunternehmers ist als Schauspielerin in den USA grandios gescheitert. Doch nicht nur der Schulden, sondern wegen der plötzlichen schweren Erkrankung ihres Bruders Richard ist sie in ihre Heimatstadt Speyer zurückgekehrt.

Niemand weiß so recht, was Richard fehlt. Er liegt in einer Art Wachkoma und wird von einem Arzt und einer Krankenschwester in seiner Villa betreut. Man gibt Toni ausweichende Antworten und Swetlana, die Ehefrau Richards, stellt unverhohlen Fragen nach dem Vermögen.

Der Aufenthalt wird von Tag zu Tag beklemmender zumal Toni den einzigen Vertrauten, Friedrich Altmann, in seiner Kanzlei niedergeschlagen vorfindet. Außerdem fühlt sich Toni beobachtet. Sie wird von einem silberfarbenen Lieferwagen beinahe niedergefahren. Einen solchen fährt ihr Ex-Freund Mike. Hat der etwas mit der ganzen Sache zu tun? Doch warum?
Leider geht Toni nicht von selbst zur Polizei, um ihre Beobachtungen anzuzeigen. Zu sehr ist sie in ihrem eigenen Lügengebäude verstrickt. Sie hält nämlich die Mär von der erfolgreichen Schauspielerin, die sie seit Jahren pflegt, aufrecht.

Wird es gelingen, diesen Albtraum zu beenden?

Meine Meinung:

Die Idee finde ich sehr gut. Im Zeitalter von Offshore- und Briefkastenfirmen, Designerdrogen und skrupellosen Gangstern, die Firmencomputer knacken, ist das Setting gut gewählt.

Der Schreibstil ist flüssig und lässt sich gut lesen. Die beklemmenden, oft nur kleinen subtilen Ereignisse bauen beinahe Thriller ähnliche Spannung auf. In Einschüben erleben wir Richards Gedanken, der bewegungslos in seinem gemarterten Körper gefangen ist. Zum anderen lernen wir die Gedanken des Rächers kennen. Denn um Rache geht es in diesem Krimi. Eine skrupellose Truppe rächt sich an Richard und Toni. Der Grund wird erst ganz zum Schluss offenbart, was den Krimi sehr spannend macht.

Die Charaktere sind recht gut entwickelt. Toni finde ich allerdings stellenweise naiv und manchmal reagiert sie wie ein trotziges Kind. Ihre ständige Lügerei ist ziemlich anstrengend – auch für sie selbst. Denn wenn sie nicht auf ihr kunstvoll gestricktes Gespinst achten müsste, hätte sie vielleicht schon ein wenig früher, Vertrauen zur Polizei gefasst. Die resolute Mine hat mir besonders gut gefallen.
Ex-Freund Mike ist mir lange Zeit suspekt. Warum er Toni über seine Beziehung oder vielmehr Nicht-Beziehung zu Rose im Unklaren lässt?

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, den ich in zwei Abenden gelesen habe. Gern gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Eine LEseempfehlung

Die abenteuerliche Reise des Pieter van Ackeren in die neue Welt
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Man schreibt das Jahr 1701. Der junge Geistliche Pieter van Ackeren, Kaufmannssohn und Rebell gegen das Elternhaus, muss Amsterdam verlassen, da er Sympathien für die Sekte der Labadisten empfindet und ...

Man schreibt das Jahr 1701. Der junge Geistliche Pieter van Ackeren, Kaufmannssohn und Rebell gegen das Elternhaus, muss Amsterdam verlassen, da er Sympathien für die Sekte der Labadisten empfindet und deswegen als Ketzer angeklagt werden soll. Er flieht auf einem Auswandererschiff nach Suriname, einer niederländischen Kolonie. Schon unterwegs lernt er eine völlig andere Welt kennen. Das Segelschiff ist ein Mikrokosmos für sich. Der Kapitän herrscht absolutistisch. Mit an Bord sind schwarze Sklaven für die Plantagen sowie heiratswillige Frauen, die in der Neuen Welt eine bessere Zukunft suchen. Eine dieser Frauen ist die junge Anna, die auf hoher See einen toten Sohn zur Welt bringt. Dass sich Annas Schicksal wird sich mit dem von Pieter verknüpfen wird, weiß noch niemand.

Pieter will als Missionar arbeiten, gerät aber mehrmals in Gefangenschaft. Er wird vom jeweiligen Machthaber für seine eigenen Zwecke missbraucht. Er flieht und wird erneut gefangen genommen. So lernt der junge Mann die Peitsche von Sklavenhaltern ebenso kennen wie die Fürsorge von Jesuiten, die für ihn eigentlich der Inbegriff der Intoleranz sind.
Neben Niedertracht begegnet er auch manchem freundlich gesinnten Weggefährten.

Meine Meinung:

Mit diesem historischen Roman hat Meinrad Braun ein Meisterwerk der literarischen Sprache geschaffen. Sowohl die Beschreibung der Umstände als auch die Dialoge sind der erzählten Zeit angepasst. Der Leser findet die entsprechende Wortwahl vor, die man sich heute so nicht mehr vorstellen kann. Doch genau dies sorgt entsprechende Flair. Der Leser leidet ebenso wie Pieter. Man kann die tropischen Nächte, voll ungewohnter Geräusche förmlich hören. Die Gefahren des Dschungels, der Flüsse – alles ist so prägnant und präzise beschrieben, als wäre man selbst mit Pieter auf der Flucht.
Wunderbar sind die vielen seemännischen Ausdrücke in die Dialoge eingeflochten. Niemals wirken die Dialoge aufgesetzt oder deplatziert.

Der Roman ist aus der Sicht der Unterlegenen geschrieben. Ist Pieter zu Beginn noch ein zorniger junger Mann, der voller Eifer zu neuen Ufern aufbricht und seine Mission erfüllen will, so verändert ihn das Schicksal nachhaltig. Er lernt Demut kennen und ist um jede noch so kleine Wohltat dankbar.

Sehr interessant sind auch die Schilderungen des herrschenden Feudalsystems und der Ausbeutung von Mensch und Tier auf den großen Plantagen. Wir begegnen brutalen Despoten und der Malerin Sybilla Maria Merian. Gemeinsam mit ihrer Tochter Dorothea befindet sie sich auf einer Forschungsreise.

Die historischen Gegebenheiten sind genau recherchiert und werden dem Leser unaufgeregt und subtil dargeboten. Diese Informationen sind Teil des Romans, der so voller überraschender Wendungen, so abenteuerlich und spannend ist, dass man dieses Buch kaum aus der Hand legen kann.

Fazit:

Ein abenteuerlicher historischer Roman, der einem mit seiner wunderschönen Erzählkunst in den Bann zieht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Eine Krimi-Autorin einmal anders

111 mystische Orte in der Schweiz, die man gesehen haben muss
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Krimi- und Thrillerautorin Monika Mansour entführt uns in eine bislang unbekannte Schweiz. Abseits von Banken, Luxusuhren, Schokolade und mondänen Urlaubsorten existiert eine völlig andere Schweiz.

Archaisch, ...

Krimi- und Thrillerautorin Monika Mansour entführt uns in eine bislang unbekannte Schweiz. Abseits von Banken, Luxusuhren, Schokolade und mondänen Urlaubsorten existiert eine völlig andere Schweiz.

Archaisch, wild, berichten Sagen und Geschichten von Untoten, die auf Erlösung hoffen, von Geisterreitern, die Reisende nächtens erschrecken oder von geheimnisvollen Gewässer, in denen ertrunkene Menschen spuken. Die Berge sind voll mit dem Echo seltsamer Rufe und Teufel lauern auf Brücken.

All diese Geschichten sind von Monika Mansour liebevoll zusammengetragen und fesselnd erzählt. Sie bietet einen gänzlich anderen Einblick in die Mentalität der als trocken und steif bezeichnete Schweizer. Es scheint, als stecke in den Eidgenossen doch mehr als der Glaube an einen starken Franken und steigende Aktienkurse.

Faszinierend auch, wie unaufgeregt und subtil hier Geschichtsunterricht vermittelt wird, ohne, dass der Leser belehrt oder mit Infodump zugeschüttet wird.

Ja, schreiben kann die Autorin.

Dieser Reiseführer macht Lust, die Koffer zu packen und sich Richtung Schweiz aufzumachen und die 111 mystische Orte selbst in Augenschein zu nehmen.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Fesselnd und vielschichtig bis zur letzten Seite

Die Tote im Wannsee
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Das Autoren-Trio Martin LUTZ, Uwe WILHELM und Felix KELLERHOFF entführt die Leser in das Berlin von 1968. Die geteilte Stadt ist Tummelplatz allerlei Geheimdienste und diverser Studentengruppen, die lautstark ...

Das Autoren-Trio Martin LUTZ, Uwe WILHELM und Felix KELLERHOFF entführt die Leser in das Berlin von 1968. Die geteilte Stadt ist Tummelplatz allerlei Geheimdienste und diverser Studentengruppen, die lautstark protestieren. Vor diesem historischen Hintergrund, der gerade einmal fünfzig Jahre her ist, lassen die Autoren ihren jungen Kommissar Wolf Heller ermitteln.

Man findet eine Frauenleiche am Ufer des Wannsees. Die Polizei vermutet, es mit einer der zahlreichen Prostituierten zu tun zu haben. Doch weit gefehlt! Die Tote arbeitet als Anwaltsgehilfin, war verheiratet und Mutter zweier Kinder. Der naheliegende Verdacht, der Ehemann könnte der Täter sein, überzeugt Wolf Heller nicht. Je mehr Details er aus dem Umfeld der Ermordeten erfährt, desto unwahrscheinlicher scheint die Theorie des Gattenmordes. Doch dann erhängt sich der Mann in der U-Haft. Ein Schuldeingeständnis?

Letztlich nimmt der Kriminalfall Dimensionen an, die Heller beinahe das Leben kosten…

Meine Meinung:

Dieser zeitgeschichtliche Krimi hat mich dermaßen gefesselt, dass ich ihn in einem Stück gelesen habe. Fasziniert hat mich vor allem, wie authentisch das Leben Berlins von 1968 dargestellt wird. Die Studentenunruhen, die sich gewalttätig über ganz Europa ausbreiten, der dichte Filz der Nazi-Vergangenheit vieler Staatsbürger. Denn, nur weil jetzt „Bundesrepublik Deutschland“ bzw. „Deutsche Demokratische Republik“ draufsteht, sind die rechten Ideen noch lange nicht passé und verschwunden. Die alten Seilschaften, egal ob im Westen oder Osten funktionieren und machen auch vor der Polizei nicht Halt. Auch die Geheimdienste spielen hier ihr unrühmliches Spiel und gehen buchstäblich über Leichen. Nicht immer ist klar, wer auf der richtigen Seite des Gesetzes steht. Es wird erpresst, was das zeugt hält. Entweder mit der Nazi-Vergangenheit oder mit der Homosexualität, die nach §175 StGB, strafbar ist.

Wir begegnen Menschen, deren Karriere in diesen Tagen ihren Anfang nimmt: So treffen wir Uschi Obermeier und lauschen einem jungen Sänger namens Reinhard Mey. Witzig finde ich den Hinweis auf das Magazin „Emma“, das Louise Mackenzie, die amerikanische Studentin, gründen will. Die Zeitschrift wird erst 1977 von Alice Schwarzer herausgegeben.

Der Krimi ist atmosphärisch dicht. Die Geschichte enthält mehrere Erzählstränge, die parallel verlaufen und sich immer wieder schicksalhaft kreuzen. Gut kommen auch die Lebensumstände im Berlin der 1968 heraus. Die Wohnungsnot scheint noch nicht behoben, sodass Wolf Heller als Untermieter bei einer Witwe mit zwei Kindern wohnt. Das wird dann gleich einmal von seinen Gegnern als Druckmittel verwendet. Man droht der Frau mit dem „Kuppelei-Paragrafen“.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, der die Leser in das Berlin von 1968 entführt. Gerne vergebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Ich hoffe, dass es eine Fortsetzung gibt.