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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.12.2020

Einfach zum Nachdenken

Eine kurze Geschichte der Zukunft
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Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien. In diesem Buch beleuchtet die gläubige Wissenschaftlerin das gespannte Verhältnis der Menschheit zur Natur.

In drei Teile ...

Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien. In diesem Buch beleuchtet die gläubige Wissenschaftlerin das gespannte Verhältnis der Menschheit zur Natur.

In drei Teile bringt sie uns ihre Gedanken zur Zukunft näher. Der Mittelteil „Die Zukunft - Verstehen“ ist in viele Unterkapitel geteilt.

Gebeshuber zeigt bereits bekannte Möglichkeiten, die Zukunft lebenswerter zu gestalten auf. Dazu zählt der Einkauf regionaler und saisonaler Produkte. Oder die Einsicht, dass „Menschen nicht die Herrscher der Natur sind, sondern ein Teil von ihr. Ein Teil, der sich nahezu unlösbaren Problemen gegenübersieht, der aber noch eine gute Chance hat, die Dinge zum Positiven zu verändern.“ (S. 8).

Richtig erkannt hat sie, dass „Ein Problem der politischen Entscheidungsträger ist ihr Fokus auf die kurzen Perioden, für die ihnen die Bürger ihre Stimme geben. Sie können in der kurzen Regierungszeit keine wirklich effektiven Schritte anstoßen, da in deren Folge die Belastungen der Staatsbürger zunehmen würden und ein weiterer Wahlsieg unwahrscheinlich erscheint. Vor allem auf der globalen Ebene und dem Verhältnis zu den ärmeren Staaten und der Natur tut sich hier ein Dilemma auf.“ (S. 227)

Doch gerade das von der Covid-19-Pandemie gebeutelte Jahr 2020 und die Einsamkeit durch die Isolation, birgt auch zusätzliche Gefahren:

„Unsere derzeitige Isolation macht es den professionellen Meinungsbildnern sehr leicht, uns zu beeinflussen und vor allem unsere Träume zu beschränken.“

Dennoch keimt verhaltene Hoffnung auf, dass sich die Menschen eines Besseren belehren lassen. Aus einer Stimme gegen ungerechte Verteilung der Ressourcen müss(t)en nur viele Stimmen werden.

„Die Welt hat genug Reichtum für alle Menschen, und es ist möglich, dass wir alle im Einklang mit der Natur leben können. Es bedarf nur eines gemeinsamen Wollens und des Hintanstellens der so kurzsichtigen Egoismen.“

Ob das wenigstens in kleinem Rahmen gelingen kann?

Fazit:

Eine interessante Vision, die Stoff zum Nachdenken bietet. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 27.12.2020

Ein vielschichtiger Krimi

Die Tränen der Vögel
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Geschwisterpaare spielen hier eine große Rolle, denn zum einen hat ein Brüderpaar diesen Krimi gemeinsam geschrieben und zum anderen stehen die Geschwister Karsten und Karola Bartsch hier im Mittelpunkt. ...

Geschwisterpaare spielen hier eine große Rolle, denn zum einen hat ein Brüderpaar diesen Krimi gemeinsam geschrieben und zum anderen stehen die Geschwister Karsten und Karola Bartsch hier im Mittelpunkt. Er, ein ehemaliger Drogenfahnder, sie die ermittelnde Kommissarin in einem seltsamen Mordfall.

Sven Seidelmann, Forscher in einer Pharmafirma wird ermordet aufgefunden. Einziger Zeuge ist eine Nachtschwalbe mit blutigem Schnabel. Schnell ist klar, dass das Blut am Vogel nicht vom Toten stammt. Doch von wem dann?

Meine Meinung:

Der Krimi ist in die faszinierende und gleichzeitig unspektakuläre Welt der Vogelkundler eingebettet. Die Ornithologen - so der Fachbegriff - sind auch im wirklichen Leben eine verschworene Truppe, die sich untereinander gut kennt. So auch hier in diesem Krimi. Wie gut, stellt sich im Laufe der Zeit heraus.

Sowohl Karsten als auch Karola haben traumatische Erlebnisse der Vergangenheit noch nicht wirklich verarbeitet. Karola führt deswegen ein Doppelleben. Gut ist das Spannungsfeld in der Polizeidienststelle beschrieben. Da ist Laurenz, der Sohn eines Börsengurus, der ein wenig gegen Karola intrigiert, dort Jannik und Lotte, die das Verwandtschaftsverhältnis von Karsten und Karola entdecken, aber vorerst nichts sagen.

Die Krimi-Handlung ist spannend, doch für mich persönlich treiben sich ein wenig zu viele sinistre Gestalten herum. Dass der Ex-Polizist von seiner Vergangenheit als Drogenfahnder eingeholt wird, wäre Stoff (sic!) für einen eigenen Krimi. Mir hätte der Handlungsstrang Karsten als D’Artagnan der Vogelkundler genügt, den dafür ein wenig plastischer ausgestaltet. Das Verhältnis zwischen der Witwe Seidelmann und Karsten hätte durchaus mehr in den Mittelpunkt gerückt werden können, die Drogenmafia dafür ein wenig vernachlässigt werden können. Das ist aber nur mein persönliches Empfinden.

Interessant finde ich den Ausflug in die Welt der Ornithologen, auch wenn mein Schwerpunkt eher auf Grillhuhn und Knuspriger Ente liegt. Die Autoren haben zahlreiche (97) verschiedene Vögel durch das Buch flattern lassen.

Fazit:

Ein gelungener Krimi, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 27.12.2020

Wer hat den Rauscher entführt?

Der Hofer und der letzte Schnee
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Andreas Hofer ist ein ehemaliger Polizist, der nun als Gastronom in der Stadt Salzburg Furore macht. Seine Wurzeln hat er aber in Bad Gastein, einer ehemaligen Hochburg des Tourismus, die seit längerem ...

Andreas Hofer ist ein ehemaliger Polizist, der nun als Gastronom in der Stadt Salzburg Furore macht. Seine Wurzeln hat er aber in Bad Gastein, einer ehemaligen Hochburg des Tourismus, die seit längerem im Dornröschenschlaf liegt. Man bemüht sich um Wiederbelebung des Tourismus und daher ist es nur opportun, dass Hofer das Catering für eine Promi-Party übernimmt. Der Knalleffekt dieser Party ist nicht das köstliche Essen, sondern die Entführung des Miroslav Rauscher, eines in der Salzburger Schickeria gut vernetzten Promis.

Andi Hofer gerät unversehens in den Kriminalfall, wird in U-Haft genommen und versucht, aus der Zelle erstens seine Unschuld zu beweisen und zweiten das Verbrechen aufzuklären. Beides gestaltet sich nicht so einfach, denn der mit den Ermittlungen betraute Chefinspektor ist dem Hofer-Andi nicht wohl gesonnen. Damit beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn ein abgetrennter Finger wird der Polizei zugespielt. Ist der vom Rauscher?

An Hofers Seite stehen seine Freunde Bob und der ehemalige Kollege Fran Ferdinand Baum, die sich mit den drängendsten Fragen beschäftigen: Wer hat Rauscher entführt? Und warum? Und was hat Hofers Schwester Michaela mit alle dem zu tun?

Meine Meinung:

Der Krimi ist eher in dunklen Farben gehalten. Die Geschwister Hofer, Baum und auch Bob ergehen sich häufig in Erinnerungen an alte Zeiten. Man erfährt von zahlreichen Sauftouren, Schicksalsschlägen und Traumata, die nach wie vor nicht aufgearbeitet sind. Diese Stimmung passt wunderbar in das Ambiente von Bad Gastein, das leicht morbide vor sich hin bröckelt. Ursprünglich als Sommerfrische und Kurbad für das vermögende Bürgertum ausgelegt, verfallen die ehemaligen Belle-Epoque-Nobelhotels zusehends, da man verpasst hat sich den neuen Tourismusgepflogenheiten, nämlich dem Wintertourismus anzupassen. Die reich ausgestatteten Hotels waren nur unzureichend auf einen Winterbetrieb vorbereitet. Viel junge Menschen wandern ab - Bonjour Tristesse. Was bleibt, sind die Alten wie die Nonna und die Erinnerung an bessere (?) Zeiten.

Die Charaktere wie die Hofers, der Baum, die Nonna oder Bob und der Rauscher sind gut ausgearbeitet, haben jeweils eine interessante Vorgeschichte und ähneln in gewisser Weise den Hotels in Bad Gastein. Geschickt sind diese Viten in die Krimihandlung eingeflochten.

Fazit:

Ein interessanter Krimi, der noch ein klein wenig Luft nach oben hat. Die Fortsetzung „Die Tote von Salzburg“ liegt schon bereit. Gerne gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 27.12.2020

Tagebuch eines CIneasten

Licht und Schatten
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Wer sich für die Geschichte des Tonfilms und der NS-Zeit interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Victor Klemperer, geboren 1881 als Sohn eines Rabbiners, wird 1935 wegen seiner jüdischen Herkunft ...

Wer sich für die Geschichte des Tonfilms und der NS-Zeit interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Victor Klemperer, geboren 1881 als Sohn eines Rabbiners, wird 1935 wegen seiner jüdischen Herkunft aus dem Staatsdienst entlassen.

Als der Tonfilm den Stummfilm langsam ablöst, ist Klemperer skeptisch. Können sich bewegte Bilder mit Ton durchsetzen? Bald sind seine Vorbehalte zerstreut und er mausert sich zu einem fast fanatischen Kinogeher, bis ihm das NS-Regime diese Freude des Alltags verbietet. Doch das kann einen echten Cineasten nicht aufhalten ...

Meine Meinung:

Dem Tagebuch ist eine Einführung des Filmjournalisten Knut Elstermann vorangestellt.

Neben Klemperers Rezensionen zu den Filmen erfahren wir einiges über die Zustände in Deutschland zwischen 1929 und 1945.

Klemperer gibt Zeugnis darüber, wie das Medium Film vom Regime für Propagandazwecke missbraucht wird. Er beschreibt die Filme, die er gesehen hat, urteilt über Regie, Schauspieler und Inhalt. Manchmal sind diese Filmkritiken kürzer oder länger. Für die Leser ist es ein Wiedersehen mit Filmgrößen wie Marlene Dietrich, Greta Garbo, Emil Jannings, Fritz Kortner und Pola Negri.

Auch internationale Filme kann Klemperer (noch) sehen. So beeindruckt ihn Charlie Chaplins „Großstadtlichter“ oder „Im Westen nichts Neues“.

Wer gerne alte Filme sieht, wird hier „alte Bekannte“ treffen, die aus der Sicht eines Cineasten und kritischen Intellektuellen beschrieben sind.

Die Tagebücher sind nahezu unverändert herausgegeben, was hin und wieder nicht einfach zu lesen ist. Nicht alles ist ausformuliert, manchmal hat Victor Klemperer nur Stichworte notiert und hat einige Abkürzungen benützt.


Fazit:

Wer sich für die Geschichte des Tonfilms und der NS-Zeit interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 24.12.2020

Als Dichter grandios, als Mensch schwierig

Der lange Weg nach Weimar
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Udo Weinbörner lässt uns in seinem zweiten Schiller-Buch am weiteren Leben des Schriftstellers teilhaben.

Nachdem Friedrich Schiller nun als Regiments-Medicus die Herzogliche Pflanzschule, wie man die ...

Udo Weinbörner lässt uns in seinem zweiten Schiller-Buch am weiteren Leben des Schriftstellers teilhaben.

Nachdem Friedrich Schiller nun als Regiments-Medicus die Herzogliche Pflanzschule, wie man die Militärakademie gemeinhin nannte, absolviert hat, und seinen Dienst in der Herzoglich Württembergischen Armee tut, flieht er 1782 gemeinsam mit Andreas Streicher aus Württemberg, weil ihm der Herzog, wegen mehrmaligen unerlaubten Entfernens von der Truppe, mit Schreibverbot und Festungshaft droht.

Andreas Streicher wird im Leben Schillers noch mehrmals eine große Rolle spielen, den er unterstützt den Dichter wo und wie immer es möglich ist. Nach weiteren Stationen der Flucht - Schiller gilt als ja fahnenflüchtig - findet er nun in Bauerbach ein wenig Ruhe, um seine „Luise Millerin“ zu beenden und „Don Karlos“ zu beginnen.
Schiller ist de facto mittellos und immer abhängig von spendablen Freunden.

Erst in den Jahren 1789-1799 gelingt ihm eine wirtschaftliche Konsolidierung. Die Heirat mit Charlotte von Lengenfeld ermöglicht den sozialen Aufstieg. Dennoch gibt er mehr Geld aus als er verdient, wird Vater von mehreren Kindern und schreibt unentwegt an seinen Stücken. Sein ohnehin angegriffener Gesundheitszustand - er leidet an Malaria und Tuberkulose - wirft ihn mehrfach nieder. 1805 stirbt er in Weimar.

Meine Meinung:

Udo Weinbörner hat hier den Menschen Friedrich Schiller in den Mittelpunkt gestellt. Einen Menschen, der auf mich nicht sehr sympathisch wirkt. Er ist rücksichtslos, schroff und stößt einige wohlwollende Zeitgenossen vor den Kopf. Wie er mit Andreas Streicher oder den Wolzogens umgeht, ist eigentlich unmöglich. Er häuft Schulden über Schulden an, immer in der Hoffnung bzw. Gewissheit, dass sie von irgendjemanden beglichen werden. Mehrmals kann er sich nur mit Mühe dem Schuldturm entziehen. Immer wieder findet er einen Gönner, der ihm mit Geld aushilft.

Auch seinem Verhalten Frauen gegenüber kann ich wenig abgewinnen. Er geht mehrere Verhältnisse mit verheirateten Frauen ein. Es mag der Zeit geschuldet sein, in der Frauen wie ein Stück Ware an ihre (meist) vermögenden Ehemänner verschachert werden, egal ob eine Zuneigung besteht oder nicht. Schiller nützt die Gunst der einsamen Herzen weidlich aus.

Interessant ist sein zwiespältiges Verhältnis zu Goethe dargestellt. Es hat den Anschein, dass Schiller auf seinem Kollegen die Herkunft aus wohlhabendem Haus und seine Anstellung als Geheimrat (mit entsprechendem Salär) neidisch ist. Einerseits will er ihn kennenlernen und heischt nach dessen Aufmerksamkeit, andererseits spricht er verächtlich über ihn, weil es lange zu keinem Zusammentreffen kommt. Das erinnert mich ein wenig an die Fabel „Der Fuchs und die Weintrauben“.

Das Buch zeigt von penibler Recherche. Viele Zitate und Auszüge aus überlieferten Briefen bringen uns Zeit und Zeitgeist näher. Zahlreiche Abbildungen ergänzen diesen historischen Roman rund um Friedrich Schiller und seinem langen Weg nach Weimar.

Fazit:

Udo Weinbörner entwirft ein Bild eines zerrissenen, eines unsteten Menschen, der hinter dem großartigen Dichter steckt. Ehrlich, als Mensch ist mir Friedrich Schiller nach der Lektüre dieses Buchs nicht sehr sympathisch, als Dichter finde ich ihn nach wie vor großartig. Gerne gebe ich diesem Buch 4 Sterne.