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Venatrix

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Veröffentlicht am 29.06.2022

Kindheitserinnerungen

Bretonisches Lied
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Der Literaturnobelpreisträger von 2008 Jean-Marie Gustave Le Clézio bringt in zwei Essays, nämlich „Bretonisches Lied“ und „Das Kind und der Krieg“ seine Kindheitserlebnisse zu Papier. Geboren am 13. April ...

Der Literaturnobelpreisträger von 2008 Jean-Marie Gustave Le Clézio bringt in zwei Essays, nämlich „Bretonisches Lied“ und „Das Kind und der Krieg“ seine Kindheitserlebnisse zu Papier. Geboren am 13. April 1940 erlebt er als Kind, ohne recht zu verstehen, was um ihn herum passiert, den Zweiten Weltkrieg. Aufgrund von bürokratischen Schikanen erhält die Familie, die aus Mauritius wieder nach Frankreich zurückgekehrt ist, statt der französischen die britische Staatsbürgerschaft. Deshalb werden sie scheel angesehen und müssen als „Nicht-Ansässige“ Paris verlassen und landen in der Bretagne. Dieser rauen Landschaft ist der erste Teil seiner Erinnerungen gewidmet. Dabei beschreibt er in kunstvollen Worten die sozialen Spannungen und das karge Leben der Bretonen.

Im zweiten Teil „Das Kind und der Krieg“ berichtet er über seine Erinnerung an die Kriegsjahre. Wobei er einräumt, vieles davon durch häufige wiederholte Erzählungen verinnerlicht, aber vermutlich nicht selbst erlebt zu haben. So dürfen wir an seiner Kindheit teilhaben. Er erzählt ohne Chronologie von der Besatzung durch die Truppen Mussolinis, die anders als die Deutschen, von weniger Grausamkeit geprägt waren. Als britische Staatsangehörige sitzt die Familie Le Clézio, zumal der Vater in Afrika festsitzt, zwischen allen Stühlen. Von den Deutschen als Feinde klassifiziert und von den Franzosen auch nicht gewollt, sieht sich die Mutter Le Clézios gezwungen, mit den beiden Söhnen und den betagten Eltern mehrmals zu fliehen, bis ihnen in einem kleinen Dorf in den Bergen rund um Nizza selbstlos Zuflucht gewährt wird.

Meine Meinung:

Le Clézios Ausspruch „Kindheitserinnerungen sind langweilig und Kinder haben keinen Sinn für Chronologie“ möchte ich widersprechen. Mag sein, dass die Chronologie von Kindheitserinnerungen fehlt oder sich anders darstellt, aber langweilig sind sie nicht.

Die geschilderten Ereignisse und Eindrücke in beiden Essays haben erstaunliche Aktualität. Zum einen, der Wandel der dörflichen Strukturen in der Bretagne und zum anderen die traumatischen Erlebnisse eines Kindes im Krieg.

Die wunderbare bildhafte Sprache Le Clézios ist ein wahrer Lesegenuss, der durch die Übersetzung von Uli Wittmann sehr gut gelungen ist.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem schmalen Buch, das mit seiner wunderbaren Sprache besticht, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 29.06.2022

Eine gelungene Fortsetzung

Der Duft von Erde nach dem Regen
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Man schreibt das Jahr 1936. Das faschistische Italien drangsaliert die Deutsch sprechenden Südtiroler schlimmer denn je. Der Apfelhof von Franziska und Wilhelm Leidinger floriert allen Unkenrufen zum Trotz. ...

Man schreibt das Jahr 1936. Das faschistische Italien drangsaliert die Deutsch sprechenden Südtiroler schlimmer denn je. Der Apfelhof von Franziska und Wilhelm Leidinger floriert allen Unkenrufen zum Trotz. Neben dem Obstanbau und der Schankwirtschaft vermietet Franziska Fremdenzimmer.

Dann erscheint Unheil von ganz anderer Seite: Ein junger Mann behauptet, Wilhelm sei sein Vater und beansprucht den Apfelhof.

Die Nürnberger Gesetze und die damit verbundene Hetze auf Juden schwappt auch auf Italien über, weshalb Goldschmiedin Leah beschließt, mit ihrer Familie nach Amerika auszuwandern, wo sich Andreas Ponte, Franziskas Bruder bereits eine neue Existenz aufgebaut hat.

Leopold, der andere Bruder und Tunichtgut, hingegen glaubt den Versprechungen von Adolf Hitler, den Südtirolern, die „heim ins Reich wollen“ einen Bauernhof in Deutschland zur Verfügung zu stellen. Die Südtiroler Familien stehen wieder einmal vor einer Spaltung: Optanten gegen Dableiber.

Dann bricht am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg aus ...

Meine Meinung:

Franziska und Wilhelm haben es durch harte Arbeit geschafft, aus dem ziemlich abgewirtschafteten Bauernhof, einen florierenden Betrieb zu machen. Man sollte meinen, sie könnten ihre Leitungen in Ruhe genießen. Doch die Weltpolitik will es anders. Das faschistische Italien übt mehr Druck denn je auf die scheinbar „reichen“ Südtiroler aus. Jeder Nachbar, jeder Gast könnte ein Spitzel und Denunziant sein, weswegen die Leidingers und ihre Freunde mehr als vorsichtig sein müssen.

Die Autorin gibt auch einen Einblick in die rechtliche Stellung der Frauen dieser Zeit: Sie haben kaum welche. Scheidung? Der Ehemann bestimmt alles. Ob die Tatsache, dass Rosel nach wie vor verheiratet ist, als sie dem Druck von Leopold nachgibt und ihn heiratet, auf den Kopf fallen wird? Wer die Autorin kennt, wird vermuten, dass diese scheinbare Nebensächlichkeit noch eine Rolle spielen wird.

Anna Thaler gelingt es, die beiden gegensätzlichen Strömungen also Optanten und Dableiber hautnah zu schildern. Sehr gut ist auch das Schicksal von Leah und ihrer Familie dargestellt.

Ich freue mich schon auf den dritten Band, in dem sich die Fronten rund um die Südtirol-Autonomie weiter verstärken wird. Dann wird es bei zahlreichen Bombenanschlägen Tote geben.

Fazit.

Eine gelungene Fortsetzung der Südtirol-Saga, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 25.06.2022

Ein tolles Sachbuch

Die dunkle Leidenschaft
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Wie schon in seinem vorherigen Buch „Rache“ nimmt sich Österreichs wohl bekanntester Gerichtspsychiater wieder eines Themas an, das zwar von zahlreichen Philosophen, aber weniger von der Wissenschaft untersucht ...

Wie schon in seinem vorherigen Buch „Rache“ nimmt sich Österreichs wohl bekanntester Gerichtspsychiater wieder eines Themas an, das zwar von zahlreichen Philosophen, aber weniger von der Wissenschaft untersucht worden ist - dem Hass.

Prof. Reinhard Haller schöpft aus seinem reichen Erfahrungsschatz. In 15 Kapiteln geht er dem Mythos Hass nach. Ist Hass wirklich „die Leidenschaft, die Leiden schafft“? Oder steckt da anderes dahinter?

Die Meinungen der Philosophen, ob Hass eher als Trieb, Leidenschaft oder gar als Affekt anzusehen sei, gehen hier weit auseinander. Kant sieht im Hass eine Leidenschaft, die aus der tiefen Seele kommt, denn einen Affekt, der ja spontan, unbesonnen und übereilt eintritt.

Wollte man eine Definition für Hass aufstellen, so könnte diese lt. Prof. Haller in etwa so aussehen: „Hass ist die auf Zerstörung ausgerichtete Abneigung, die destruktivste Form der Verachtung. Er ist ein nicht leicht zu beschreibender Gefühlskomplex mit einer sozialen Interaktion, der sich gegen Menschen richtet.“ Hass ist, so Haller, knapp oberhalb der Triebe angesiedelt, da er in seiner „das Gemüt völlig ergreifenden Emotion, die intensive Verfolgung von Zielen“ beinhaltet.

Meistens kommt Hass nicht alleine daher. Zorn, Wut, Verachtung sowie Ekel sind Elemente des Hasses. Zusätzlich paart er sich auch gerne mit Paranoia und Machtbesessenheit. Wie könnte sonst ein einzelner Diktator die ganz Welt mit Krieg überziehen?

Der Autor geht auf den Hass seinen verschiedenen Dimensionen ein - sei es als Selbsthass oder dem Hass zwischen den Geschlechtern oder als Hass gegen die Gesellschaft im Allgemeinen.

Ein besonderes Kapitel ist jenes, mit dem Titel „Aus der Werkzeugkiste des Hassenden“, in dem die vier häufigsten Werkzeuge genannt werden: Schuldzuweisung, Beschämung, Gehirnwäsche und Entmenschlichung.

In den letzten beiden Kapiteln wird aufgezeigt, wie man aus der Spirale des Hasses herauskommen kann.

Meine Meinung:

Wenn man die täglichen Nachrichten liest, wird man mit alltäglichem Hass konfrontiert. Sei es, dass von massiven Sachbeschädigungen, Massakern, Femiziden und Kriegen die Rede ist.

Reinhard Haller zeigt Lösungsansätze auf, die leider nur recht schwer umzusetzen sind, da Hass so allgegenwärtig und bedrohlich daherkommt. Allerdings kann jeder Einzelne ein kleines bisschen dazu beitragen, dem Hass entgegenzutreten. denn sorgfältige Berichterstattung und kritisches Lesen von Nachrichten aus den sozialen Medien können die Mechanismen des Hasses enttarnen. Wenn erkannt wird, was den Hass befeuert, kann man gegensteuern. Wie? Durch Analyse der Ursachen, Aufklärung, Entschärfung der radikalen Sprache, Förderung von Empathie und Wertschätzung den anderen gegenüber.

Das Buch ist trotz des ernsten Themas gut zu lesen, was an seiner klaren Struktur liegt.

Fazit:

Ein Einblick in die Abgründe der Menschen, gekonnt aufbereitet von Prof. Reinhard Haller. Gerne gebe ich dem Buch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 25.06.2022

ein fesselnder 3. Fall für Leo Lang

Wiener Wiederauferstehung
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Wenn ich heute in der Zeitung gelesen habe, dass Amazon mittels künstlicher Intelligenz seine Alexa Bücher von längst verstorbenen Menschen vorlesen lässt, um den Hinterbliebenen das Gefühl zu geben, der ...

Wenn ich heute in der Zeitung gelesen habe, dass Amazon mittels künstlicher Intelligenz seine Alexa Bücher von längst verstorbenen Menschen vorlesen lässt, um den Hinterbliebenen das Gefühl zu geben, der geliebte Tote sei noch anwesend, so ist dieser Krimi von Heidi Emfried fast tagaktuell.

Worum geht’s?

Adrian Stuiber, ein umtriebiger Programmierer, scheint die Schranken zwischen Leben und Tod aufzuheben. Mithilfe von KI ist es ihm gelungen, Verstorbene für ihre Hinterbliebenen virtuell wieder auferstehen zu lassen. Seine Algorithmen gaukeln den Kunden Gespräche mit geliebten Verstorbenen vor. Das Business boomt, als Stuiber plötzlich selbst der Tod ereilt. Er liegt am Fuße einer Aussichtswarte, in der augenscheinlich ein heimlicher Bewohner lebt.
Als Chefinspektor Leo Lang der Ehefrau die betrübliche Nachricht überbringt, staunt er nicht schlecht, als er von ihr erfährt, dass Stuiber schon längst tot und begraben ist.

Nach und nach decken Leo Lang und sein Team das Doppelleben des Toten auf, das sie nach Graz führt und müssen feststellen, dass hier wenig so ist, wie es scheint.

Bei den Recherchen trifft Leo Lang auf einen Vater, der um sein Kind trauert und dessen Ehefrau tief in einer Depression gefangen ist. Auch dieses Paar ist Kunde von Stuiber. Diese Situation erinnert Leo Lang an seine eigene Trauer nach dem Tod seiner Tochter.


Meine Meinung:

Dieser dritte Krimi rund um Chefinspektor Leo Lang aus Wien lässt ein wenig Gänsehautfeeling aufkommen. Sich vorzustellen, dass der verstorbene Partner oder die Partnerin plötzlich vom Bildschirm lächelt und auf Fragen, die gestellt werden antwortet oder sich an Gesprächen beteiligt, klingt schon ziemlich spooky. Dass hier mit der Trauer um einen geliebten Menschen und die damit verbundene Einsamkeit dubiose Geschäfte gemacht werden, versteht sich von selbst.

Neben solider Ermittlerarbeit werden auch die Charaktere von Langs Mitarb
eitern und Lokalkolorit gut beschrieben. So darf Helmut Nowotny, der dienstälteste Kollege mehrfach im breitesten Wiener Dialekt sprechen und mit „De ham olle an Huscher“, das ausdrücken, was die anderen heimlich denken.

Für jene Leser, die mit dem Wiener Dialekt nicht so vertraut sind, gibt es im Anhang ein Glossar. Ein Personenverzeichnis hilft, die zahlreichen Personen, die in diesem Krimi eine größere oder kleinere Rolle spielen, gut einzuordnen.

Leo Langs sorgenvoller Blick auf das Gefühlsleben der Mitmenschen, die von dem durch KI und deren skrupellosen Schöpfern, hervorgerufene Trugbild beeinflusst werden, lässt sich gut nachvollziehen.

Autorin Heidi Emfried hat Informatik studiert, war Leiterin einer IT-Abteilung eines großen Unternehmens und weiß daher, wovon sie spricht. Ihre Erfahrungen aus der IT-Branche lässt sie gekonnt in diesen Krimi einfließen. Geschickt spielt sie mit der Frage, ob die KI eine Möglichkeit zur Unsterblichkeit oder eher eine unheimliche Gefahr darstellt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem fesselnden dritten Fall mit Leo Lang 5 Sterne.

Veröffentlicht am 21.06.2022

ein tolles Buch

Unsere Vogelwelt
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Viele Menschen mögen Vögel am liebsten auf dem Teller: als knusprige Ente, Grillhuhn, Hühnerschnitzel oder als Weihnachtsgans. Dabei vergessen sie, welch wunderbare Geschöpfe Vögel sind - groß oder klein, ...

Viele Menschen mögen Vögel am liebsten auf dem Teller: als knusprige Ente, Grillhuhn, Hühnerschnitzel oder als Weihnachtsgans. Dabei vergessen sie, welch wunderbare Geschöpfe Vögel sind - groß oder klein, bunt oder unscheinbar oder tollpatschig oder majestätisch.

Dieses Buch trägt dazu bei, ein wenig aufmerksamer durch Stadt und Land zu streifen, die Ohren zu spitzen, wenn neben dem Lärm auch Vogelgezwitscher zu hören ist.

Nicht jeder kann einen Adler beobachten, wenn der seine Runden zieht. Aber Amsel, Fink oder Meisen lassen sich auch im Stadtgebiet antreffen. Nicht immer ist es leicht, die verschiedenen Arten der gefiederten Freunde zu unterscheiden. Dieses Buch listet in einem allgemeinen Teil die wichtigsten Fachbegriffe auf. Anschließend wird in fünf Kapiteln allerlei Wissenswertes über Vögel berichtet:

Vögel beobachten
Wald, Park & Garten
Vögel der Alpen
Vielfalt am Wasser
Kulturfolger
Konflikt mit dem Menschen

Autor Leander Khil ist Ornithologe und Fotograf. Man spürt seine Leidenschaft für Vögel in den Texten und in den tollen Fotos. Er zeigt uns die große Vielfalt der Vogelwelt und erklärt, wie man die verschiedenen Arten auseinanderhalten kann.

Eine kleine Kritik muss ich anbringen: Ein Stichwortverzeichnis, bei dem die Vögel alphabetisch angeführt sind, fehlt mir.

Fazit:

Ein umfangreiches Buch, das uns die heimische Vogelwelt näherbringt. Gerne gebe ich dafür 5 Sterne.