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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.03.2022

Schriftstellerin trifft Maler

Doppelporträt
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Dieser Roman ist außergewöhnlich, denn zwei höchst unterschiedliche Persönlichkeiten werden miteinander porträtiert: Die Doyenne der Kriminalromane Agatha Christie und der Maler Oskar Kokoschka, dessen ...

Dieser Roman ist außergewöhnlich, denn zwei höchst unterschiedliche Persönlichkeiten werden miteinander porträtiert: Die Doyenne der Kriminalromane Agatha Christie und der Maler Oskar Kokoschka, dessen Porträts manchmal für Kontroversen sorgen.

Mathew Prichard, Agatha Christies Enkelsohn und ihr Ehemann Max Mallowan finden, dass Agatha zu ihrem 80. Geburtstag mit einem Porträt beschenkt werden soll. Der Künstler soll ausgerechnet der 83-jährige Oskar Kokoschka sein.

Agatha Christie weigert sich anfangs, überhaupt porträtiert zu werden, lässt sich allerdings breitschlagen, Kokoschka einmal kennenzulernen.

Die beiden höchst unterschiedlichen Charaktere begegnen sich vorerst abwartend. Da Christie nichts über sich selbst erzählen will, beginnt Oskar Kokoschka. Er gibt einige zutiefst private Dinge aus seinem Leben preis, wie seine Obsession zu Alma Mahler-Werfel, die darin gipfelt, dass er eine lebensgroße Puppe von ihr anfertigen hat lassen, nachdem Alma ihn für einen anderen Mann verlassen hat.

In sechs Sitzungen kommen Agatha Christie und Oskar Kokoschka näher.

Meine Meinung:

Mir hat dieses ungewöhnliche Buch sehr gut gefallen. Obwohl ich üblicherweise mit jenem Schreibstil, der bei der direkten Rede die Redezeichen weglässt, hadere, stört es mich diesmal nicht. Diesmal weiß ich ja, wer gerade spricht, da ich „echte“ Biografien beider Künstler kenne und mich auf die Darbietung konzentrieren kann. Der Schreibstil ist lebendig. Ich kann förmlich die beiden sprechen (und denken) hören. Die Sprache mutet poetisch an.

In diesem Dialog kommen bekannte und weniger bekannte Details aus dem Leben von Agatha Christie (z.B. die elf Tage ihres Verschwindens) und von Oskar Kokoschka ans Tageslicht.

Fazit:


Blitzlichter zweier höchst unterschiedlicher Künstlerleben. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 06.03.2022

Ein fesselnder hist. Krimi aus dem Triest von 1914

Ein Giro in Triest
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Man schreibt den 27. Juni 1914. Ispettore Gaetano Lamprecht trainiert mit seinem Freund und Kollegen Pietro Pirona für den Giro in Triest, als er zur Leiche eines augenscheinlichen Selbstmörders gerufen ...

Man schreibt den 27. Juni 1914. Ispettore Gaetano Lamprecht trainiert mit seinem Freund und Kollegen Pietro Pirona für den Giro in Triest, als er zur Leiche eines augenscheinlichen Selbstmörders gerufen wird. Der Tote ist ein Angehöriger der k. und k. Armee und untersteht somit der militärischen Gerichtsbarkeit. Lamprecht glaubt nicht an Selbstmord und beginnt auf eigene Faust zu recherchieren.
Dann, am nächsten Tag, werden der Thronfolger Österreich-Ungarns, Franz Ferdinands und seine Gemahlin Sophie in Sarajevo ermordet und der tote Soldat gerät beinahe ins Hintertreffen.
Aber nur beinahe, denn Gaetano ermittelt weiter, gerät mehrmals in akute Lebensgefahr und deckt eine riesige Verschwörung auf, deren Machenschaften bis in die höchsten Kreise des Kaisertums reichen ...

Meine Meinung:

Christian Klinger, dessen Krimi-Reihe rund um Marco Martin ich bereits gelesen habe, hat mit „Ein Giro in Triest“ ein fesselnder Krimi aus der Monarchie gelungen. Doch dieses Buch ist nicht nur ein Krimi, sondern auch ein Sittenbild der untergehenden Donaumonarchie.

Die Familie Lamprecht, ursprünglich in Wien beheimatet, muss nach einer unglücklichen Liebe Gaetanos und dem darauffolgenden Skandal nach Triest in die Verbannung. Wobei Gaetanos Verfehlung nicht der einzige Makel in der Familiengeschichte ist, wie sich im Laufe der Handlung herausstellt. Während Vater Franz Lamprecht mit seinem Schicksal hadert, ist seine Ehefrau, eine Triestinerin, nicht ganz so unglücklich.

Geschickt flicht Christian Klinger den Alltag in Triest ein. So dürfen wir in die Kochtöpfe im Hause Lamprecht hineinschauen und begegnen in den zahlreichen Kaffeehäusern historischen Persönlichkeiten.

Die gut konstruierte Krimihandlung spielt sich innerhalb nur weniger Tage, nämlich von Samstag, 27. Juni bis Sonntag, 5. Juli 1914 ab. Kriminalbeamter in der Zeit ohne Internet, Datenbanken, Interpol oder DNA-Vergleiche zu sein, ist ungleich schwieriger. Die Ermittler müssen sich auf Intuition (nicht gerne gesehen), harte Fakten, (oft unter Folter) erzwungene Geständnisse sowie eigene Kombinationsgabe verlassen.

Gaetano schwimmt mit seinen neuartigen Ermittlungsansätzen häufig gegen den Strom. Damit eckt er bei Kollegen und so manchen Chefs gehörig an. Dass er einem ungewöhnlichen Hobby frönt, macht ihn zusätzlich zum Außenseiter: Gaetano ist ein begeisterter Radrennfahrer und will am bekanntesten Radrennen, demGiro in Triest, teilnehmen.

Die Charaktere sind sehr gut gezeichnet und geben Einblick in die politischen Interessen, die oft quer durch die einzelnen Familien gehen. Hier die Monarchietreuen, dort die Irredentisten, die das „Joch der Habsburger-Tyrannei“ abschütteln wollen. Fein beschrieben sind auch die Zentrifugalkräfte, die die Monarchie demnächst in ihre Einzelteile zerreißen werden.

Doch Gaetano Lamprecht ist Polizist - was hat er mit Politik zu tun?

Fazit:

Ein lesenswerter historischer Krimi aus Triest in den Tagen rund um die Ermordung von Franz Ferdinand. Ich hoffe, dass es eine Fortsetzung gibt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 04.03.2022

Mord auf dem Campingplatz

Deichfeuer
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In diesem 18. Fall für KHK Wilderich Große Jäger ist der Polizist mit eingeschworenen Dauercampern konfrontiert, die nicht sehr aufgeschlossen sind. Neuankömmlinge werden scheel angesehen. Das muss auch ...

In diesem 18. Fall für KHK Wilderich Große Jäger ist der Polizist mit eingeschworenen Dauercampern konfrontiert, die nicht sehr aufgeschlossen sind. Neuankömmlinge werden scheel angesehen. Das muss auch Große Jäger erleben, als er sich nach dem Brand eines Wohnmobils, in dem ein Mann zu Tode gekommen ist, als Undercover-Ermittler betätigt.

Eigentlich hätte Große Jäger ja noch Urlaub, aber da die Kollegen des K1 mit einem Doppelmord beschäftigt sind und nur zwei junge, unerfahrene Ermittler verfügbar sind, leiht er sich ein Wohnmobil aus und begibt sich auf diesem einsamen Campingplatz in der Marsch. Hier scheint die Zeit ein wenig still zu stehen. Wenig Komfort, grausliches und überteuertes Essen in der Kantine sowie kaum Handyempfang.

Als Erstes fällt auf, dass vom Feuer erst der Platzwart Heinzi verständigt wird, dann die Campingplatzbesitzerin und zuletzt die Feuerwehr.

Der Tote ist ein alter Mann, der so gar nicht in den Kreis der Dauercamper zu passen scheint, da er kaum die Gesellschaft der anderen sucht.

Was verbergen die Camper?

Meine Meinung:

Hannes Nygaard ist ein fesselnder Krimi gelungen, der gänzlich auf „Action“ verzichtet. Da Große Jäger defacto alleine ermittelt, fehlen diesmal das übliche Geplänkel zwischen den Kollegen.

Mit seinem, oft belächelten, Bauchgefühl und seinem geschulten Verstand geht Große Jäger jedem noch so kleinen und versteckten Hinweis dieser seltsamen Gemeinschaft nach. Er macht sich die Eitelkeit eines ehemaligen Polizisten, der den selbst ernannten Blockwart gibt, zunutze, um Informationen zu erhalten.

Gut gefallen hat mir, wie die einzelnen Charaktere vorgestellt werden. Eigentlich sind alle ziemlich verschroben und wenig sympathisch. Das beginnt bei Heinzi, der sowohl die Gäste als auch seine Chefin betrügt, indem er den einen überteuerte Ware andreht und der anderen die Einnahmen unterschlägt. Oder das ständig betrunkene Ehepaar. Oder die esoterische Spinnerin, die nur ihre eigenen Ansichten gelten lässt.

Grinsen musste ich, wie Große Jäger den einzelnen Personen Spitznamen zuordnet, z.B. „Hosenmatz“ für die unerfahrenen Kollegen.

Ich kenne einige Bücher dieser Reihe und habe sie nicht der Reihe nach gelesen. Durch die schöne, kompakte Schreibweise ist es möglich, auch quer in die Reihe einzusteigen, ohne dass einem etwas fehlt. Notwendige Vorwissen wird kurz und knapp dort eingeflochten, wo es notwendig ist.

Fazit:

Hannes Nygaard ist wieder ein großartiger Krimi gelungen, der tief in menschliche Abgründe blicken lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 02.03.2022

Wie Emotionen unser Essverhalten steuert

Food Feelings
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Cornelia Fiechtl, ihres Zeichens Ernährungspsychologin, nimmt sich eines interessanten Themas an: den Emotionen des Essens.

Wer kennt das nicht? Das Telefon läutet unentwegt, der Chef pocht auf rasche ...

Cornelia Fiechtl, ihres Zeichens Ernährungspsychologin, nimmt sich eines interessanten Themas an: den Emotionen des Essens.

Wer kennt das nicht? Das Telefon läutet unentwegt, der Chef pocht auf rasche Erledigung der Arbeit, das Kind wünscht mehr Aufmerksamkeit und eigentlich will man in Ruhe gelassen werden. Und zur Beruhigung der Nerven greift man zu einer Tafel Schokolade, isst sie nebenbei und bemerkt gar nicht, dass man sich eine 300 Gramm-Tafel so mir nichts dir nichts hineingestopft hat. Das kurzzeitige Gefühl, die Lage wieder in Griff bekommen zu haben, weicht dann dem schlechten Gewissen.

„Essen ist ein einfaches Mittel der Wahl, um unangenehme Emotionen zu bewältigen“. (S.92)

Cornelia Fiechtl erklärt in drei großen Abschnitten wie Emotionen unser Essverhalten bestimmen. Wir erfahren den Unterschied zwischen Heißhunger und Essdrang. Dazu erhalten wir Tipps, wie wir sowohl dem einen als auch dem anderen vorbeugen bzw. entgegenwirken können.

Ein interessanter Ansatz ist auch die Unterscheidung zwischen „Diet First-Typ“ und „Binge-First-Typ“, die auf ihre Weise sich dem Thema Essen widmen.

In ihrem Schlusswort fasst sie die wichtigsten Punkte zusammen. Davor gibt es in den Kapiteln Übungen und Platz für Notizen.

Fazit:

Ein gut gemachter Ratgeber, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 27.02.2022

Eine klare Leseempfehlung

Bombennacht
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Wenn man „Bombardierte Städte in Deutschland“ hört, denken viele an Hamburg und natürlich vor allem an Dresden. Dass zahlreiche andere Städte ebenfalls zahlreichen Bombenangriffen ausgesetzt waren, ist ...

Wenn man „Bombardierte Städte in Deutschland“ hört, denken viele an Hamburg und natürlich vor allem an Dresden. Dass zahlreiche andere Städte ebenfalls zahlreichen Bombenangriffen ausgesetzt waren, ist nicht so präsent. Eine jener Städte, deren Bevölkerung durch das als „moral bombing“ zur Abkehr des NS-Regimes gezwungen werden sollte, ist Würzburg.

Es ist der 16. März 1945. Zahlreiche Flüchtlinge haben in der Stadt Aufnahme gefunden.

Minutiös schildert Autor Roman Rausch in mehreren Handlungssträngen und anhand von verschiedenen Schicksalen die letzten 24 Stunden der unversehrten Stadt.

So verstecken wir uns gemeinsam mit Eugen, einem deutsch-russischen Jungen, vor der SS oder decken mit Krankenschwester Fanny die Machenschaften eines Nervenarztes auf, der Hunderte Patienten in die Tötungsanstalt von Hadamar verlegen hat lassen.

Wir zittern mit dem Juden Paul, der als Klavierbegleitung einer bekannten NS-Sängerin in der Villa des Nervenarztes auftreten soll und gleichzeitig mit Zwangsarbeitern die Flucht vorbereitet. Wird es gelingen, während des rauschenden Festes abzutauchen?

Daneben blicken wir auch Henry, früher Heinrich, einem nach England geflüchteten Freund Pauls, der nun als RAF-Pilot die Bomben über Würzburg abwerfen soll, über die Schulter. Hier erleben wir die Gewissensbisse mit, da Henry genau weiß, dass auch unschuldige Menschen sterben werden. Doch die Kameraden erinnern ihn immer wieder an die Bombardierung von Coventry, die vor allem zivile Opfer gefordert hat.

Obwohl bei Todesstrafe verboten, wird der Feindsender gehört und so mancher wundert sich über die Mitteilung „Heute bringen wir eine Symphonie von Mozart“, denn auch wenn Wolfgang Amadeus Mozart viel komponiert hat, eine Symphonie war nie dabei.

Der gesamte Angriff dauert nur sieben Minuten, sieben Minuten in denen die Stadt dem Erdboden gleich gemacht wurde, sieben Minuten, die Tausenden Menschen das Leben kostete und das Regime nicht zur Aufgabe zwingen konnte.

Fazit:

Ein beeindruckender, sehr gut recherchierter historischer Roman, dem ich gerne eine Leseempfehlung und 5 Sterne gebe.