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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.09.2021

Lost Places - Spurensuche wider das Vergessen

Lost Places in der Alpen-Adria-Region
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„Lost Places“ entdecken erfreut sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Dieses Buch führt uns in die Alpen-Adria-Region, also ein Gebiet, das eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat. Sei es, ...

„Lost Places“ entdecken erfreut sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Dieses Buch führt uns in die Alpen-Adria-Region, also ein Gebiet, das eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat. Sei es, dass es mehrmals Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen oder wirtschaftlichen Aufschwung mit späterem Niedergang erleben musste.

Wir begleiten die Autoren Georg Lux & Helmuth Weichelsbraun nach Kärnten (Österreich), in das Kanaltal (Italien) und in den Karst des ehemaligen Jugoslawien.

Hier werden die unterschiedlichsten „Lost Places“ und ihre Geschichte vorgestellt. Ein kleiner Auszug:

Alte Verkehrswege wie der verfallende Bahnhof „Tarvisio Centrale“ oder der Karawankenbahntunnel oder die Strada Napoleonica
Wehrhafte Gemäuer wie die beiden Fort Hensel bzw. Fort Beisner oder die Burgruine Hochkraig
Verlassene Industrieanlagen wie die Stärkefabrik Chiozza oder die Torpedofabrik Whithead
Vergangene Vergnügungen wie das Baseballstadion Prosecco oder das mondäne Hotel Haludovo

Nicht verschwiegen werden Eingriffe in die Natur, die sich bis heute verheerend auf die Menschen und die Landschaft auswirken: Talsperren, geflutete Dörfer und ins Rutsche gekommene Berghänge, die den allzu technikgläubigen Investoren das Fürchten lehr(t)en.

Fazit:

Anders als in anderen Büchern über „Lost Places“, wird in diesem nicht nur das Offensichtliche, sondern auch das Verschwundene beleuchtet. Nicht nur brillante Fotos, sondern auch Hintergrundinformationen bereichern diese abenteuerliche Spurensuche wider das Vergessen. Dieses Buch verdient 5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.09.2021

Eine österreichische Familiengeschichte

Der Jahrhundertelefant
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Hanna Molden, Journalistin und Schriftstellerin, ist Witwe nach Fritz Molden (1924-2014). Sie hat in diesem Buch die wechselhafte Geschichte der Familie Molden aufgezeichnet. Im Mittelpunkt steht die Figur ...

Hanna Molden, Journalistin und Schriftstellerin, ist Witwe nach Fritz Molden (1924-2014). Sie hat in diesem Buch die wechselhafte Geschichte der Familie Molden aufgezeichnet. Im Mittelpunkt steht die Figur des Elefanten Jakob, der einst von ihrem Schwiegervater Ernst Molden, erfunden wurde.

Die Geschichte des fiktiven Elefanten begleitet Fritz Molden seit seiner Kindheit durch alle Lebensabschnitte. Für seine eigenen Kinder hat er die Gedanken weitergesponnen.

Jakob und der kleine Bub
Jakob und der wilde Kerl
Jakob und der alte Mann
Der Jahrhundertelefant

In wohlgesetzten, geschliffenen Worten erzählt die Autorin aus dem Leben der Familie Molden. Fritzens Eltern sind Ernst Molden und Paula von Preradović, die 1947 den Text der österreichischen Bundeshymne verfasst hat.

Bereits als 14-Jähriger - kurz nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland - engagiert er sich als Mitglied des katholischen Untergrunds an Aktionen gegen den Nationalsozialismus, landet mehrere Male im Gefängnis und überlebt seine Versetzung zu einem Strafbataillon an die russische Ostfront, wo er sich zu Partisanen nach Italien absetzen kann. Nach seiner Flucht in die Schweiz wird er Mittelsmann der Österreichischen Widerstandsbewegung "O5" zu den Alliierten.
Später wird er Autor und Verleger. Der Verlag schlittert trotz zahlreicher Bestseller 1982 in den Konkurs. Fritz Molden verliert bis auf den Familienwohnsitz in Tirol alles. Dennoch lässt er sich nicht unterkriegen und gründet den Verlag 1995 neu. 2005 verkauft er den Verlag Molden an die Styria-Gruppe in der das vorliegende Buch auch erschienen ist.

Das Buch erscheint in einer gediegenen Aufmachung: silbergraues Hardcover mit einem roten Lesebändchen. Auf dem Cover ist der Titel gebende, aus Buchstaben zusammengesetzte Elefant in elegantem Zinnoberrot aufgedruckt. Dieser Elefant findet sich auch im Buch immer wieder.

Fazit:

Wer sich für österreichische Familiengeschichten interessiert, ist hier genau richtig. Gerne gebe ich für die Biografie des Widerstandskämpfers, Verlegers und Vorbilds 5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.09.2021

Eine Hommage an jene, die nicht nach Hitlers Pfeife tanzten

Die Edelweißpiratin
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In ihrem neuen Buch wendet sich Michaela Küpper einer Personengruppe zu, über die nicht allzu viel bekannt ist: die sogenannten „Edelweißpiraten“, eine Gruppe von jungen Männern und Frauen, die nicht nach ...

In ihrem neuen Buch wendet sich Michaela Küpper einer Personengruppe zu, über die nicht allzu viel bekannt ist: die sogenannten „Edelweißpiraten“, eine Gruppe von jungen Männern und Frauen, die nicht nach Hitlers Pfeife tanzen wollen.

Die Autorin nimmt uns auf eine Zeitreise in das Jahr 1933 mit. Hitler ist seit Ende Jänner Reichskanzler und sogleich beginnen die Repressalien gegen Juden und politisch andergesinnte wie Sozialisten und Kommunisten. Die Jugendlichen zwischen 14 und 17 sollen in der Hitlerjugend (HJ) zu willigen Helfern des Regimes geformt werden. Dagegen lehnen sich zahlreiche Jugendgruppen wie eben die „Edelweißpiraten“ oder die „Swing-Jugend“ auf. Sie wollen weiter eigenständig denken und agieren.

Von einem dieser unerschrockenen Mitglieder handelt dieses Buch - Gertrud „Mucki“ Kühlem. Muckis Eltern sind Gertrud, eine Apothekerin, und Peter Kühlem, der Kommunist. Sie wächst in einem offenen Elternhaus auf und hat schon früh gelernt, zu ihrer Meinung zu stehen.

Als der Vater im Sommer 1933 verhaftet und zuerst in das „braune Haus“ gebracht wird, um 1942 im KZ Esterwegen ermordet zu werden, lässt man Mucki und ihre Mutter anfangs in Ruhe. Je restriktiver die Gestapo mit andersdenkenden umgeht, desto entschlossener wird Mucki. Sie schließt sich den Kölner „Edelweißpiraten“ an. Zunächst nur, um den ungeliebten Nachmittagen beim BDM auszukommen. Je länger das Regime die Menschen unterdrückt, desto gewagter die Aktionen von Mucki und ihren Kollegen. Sie beschreibt mit Schulkreide Zäune und Hauswände.

Schließlich wird sie 1942 verhaftet, als sie Flugblätter von der Kuppel des Kölner Hauptbahnhof regnen lässt. Sie wird in das Gefängnis Brauweiler eingeliefert, mehrfach gefoltert, in Einzelhaft gehalten und kommt nur durch ein Versehen frei.

Mucki und ihrer Mutter gelingt die Flucht aus Köln. In Sigmaringen finden sie Unterschlupf.

Meine Meinung:

Michaela Küpper hat die Lebensgeschichte von Gertrud Kühlem (verehelichte Koch) penibel recherchiert und sehr gut erzählt. So können sich Leser, die noch nie von Widerstandsgruppen abseits von Stauffenberg & Co gehört haben, ein Bild davon machen, dass es sehr wohl Widerstand gegen das Nazi-Regime gab.
Alles musste im Geheimen ablaufen, niemand konnte vertraut werden, denn das Spitzelwesen war äußerst perfide angelegt.

Sehr gut sind auch die Lebensumstände der Zeit dargestellt. Zunächst bleibt vieles beim Alten, dann als die Mutter ihre Arbeit in der Apotheke verliert, müssen die beiden Frauen aus der schönen, großen Wohnung ausziehen und in eine kleine Dachkammer umziehen. Die bedrohlichen Razzien der Gestapo, bei denen alles kurz und klein geschlagen wurde, machen klar, dass weder Recht noch Ordnung herrschen, sondern nur das, was die Schlägertrupps dafür halten.

Dieser historische Roman ist auch deswegen bemerkenswert, da es nur ganz wenige Frauen zu einiger Bekanntheit geschafft haben.

Mit viel Mühe und Not überleben Mutter und Tochter Kühlem die NS-Herrschaft in Sigmaringen. Als die französische Armee Sigmaringen erreicht, wird sie für einige Zeit Bürgermeisterin. Gertrud „Mucki“ Koch stirbt hochbetagt im Juni 2016.

Michaela Küpper hat, wie schon in ihrem anderen historischen Roman „Der Kinderzug“ Fakten und Fiktion sehr gut verknüpft.

Fazit:

Gertrud „Mucki“ Koch und ihren Weggefährten kann nicht genug Tribut gezollt werden, dass sie sich dem NS-Regime entgegengestellt haben. Hätte es doch mehr solcher Menschen mit Zivilcourage gegeben! Gerne gebe ich dieser Hommage an die „Edelweißpiratin“ 5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.09.2021

Fesselnder Krimi, der in die Vergangenheit der Schweiz reicht

Wenn die Schatten sterben
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Dieser Krimi von Christof Gasser ist eine Art Prequel zur Reihe rund um Dominik Dornach. Wir erleben ihn hier etwa zehn Jahre vor seiner eigenen Krimiserie.

Worum geht’s?

Rebecca „Becky“ Kolberg reist ...

Dieser Krimi von Christof Gasser ist eine Art Prequel zur Reihe rund um Dominik Dornach. Wir erleben ihn hier etwa zehn Jahre vor seiner eigenen Krimiserie.

Worum geht’s?

Rebecca „Becky“ Kolberg reist gemeinsam mit ihrem zehnjährigen Sohn aus ihrer Heimat Kiel nach Solothurn, um Abstand von ihrem bisherigen Leben zu gewinnen. Der Unfalltod ihres Ehemanns hat Becky traumatisiert. Hier in Solothurn, woher ihre adeligen Großeltern ursprünglich stammen, will sie einen Neuanfang wagen.

Als beim Renovierungsarbeiten im Schloss der Großeltern ein eingemauertes Skelett entdeckt wird, muss sie sich der Vergangenheit ihrer Vorfahren stellen, die sie bislang nicht wirklich interessiert hat. Anders als in Deutschland oder Österreich verjährt ein Mord in der Schweiz bereits nach 30 Jahren, weshalb Dominik Dornach, ihr Nachbar, keine offiziellen Ermittlungen anstellen darf.

Doch dann sterben ein alter Mann und seine Pflegerin einen gewaltsamen Tod und der leitende Staatsanwalt verdächtigt Becky. Nun schlägt Dornachs Stunde, denn er kann den ehrgeizigen Staatsanwalt, der ewig gestrige Ansichten pflegt, nicht leiden.

Nach und nach kommen Teile der Familiengeschichte derer von Colberg ans Tageslicht. Eine Familiengeschichte, die nicht gänzlich frei von Schuld ist.

Meine Meinung:

Christof Gasser ist ein sehr spannender Krimi gelungen. Wir dürfen uns tief in die Geschichte der Schweiz begeben, die vor und während des Zweiten Weltkrieges ein nicht besonders rühmliches Verhalten an den Tag gelegt hat. Aus Angst vor dem Überrolltwerden des Landes wie das neutrale Belgien oder die Niederlande paktiert man mit Hitler-Deutschland. Dass dabei auch handfeste wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, ist auch verständlich. Die Schweiz ist abhängig von der Zulieferung von Rohstoffen, insbesondere von Kohle.

So können wir hier einen Krimi in zwei Zeitebenen erleben, der durch das unselige Gedankengut des Herrenmenschentums verbunden ist: Der gegenwärtige Teil rund um Becky und der andere Handlungsstrang aus 1940 rund um die couragierte Emma.

Geschickt flicht Christof Gasser die historischen Ereignisse ein. Der Leser erfährt Dinge, die ihm (so wie mir) nur rudimentär geläufig waren/sind. Schön unterschwellig in der Handlung, sodass Niemandem ausschließlich trockene Fakten an den Kopf geworfen werden. Das gefällt mir persönlich sehr gut. Natürlich muss ich, weil historisch sehr interessiert, einiges recherchieren. Gute Bücher, egal welchen Genres, verleiten mich immer, einer geschilderten Sache nachzugehen und mehr darüber wissen zu wollen.

Der Krimi selbst ist fesselnd und die Figuren fein herausgearbeitet. Zugeben finde ich Emma interessanter und sympathischer als Becky, die mir ein wenig oberflächlich erscheint. Gut, dass Dominik Dornach nicht auf ihre unterschwelligen Avancen anspringt. Ihr Sohn hingegen wirkt sehr sympathisch, da er Dominiks achtjährige Tochter Pia aus ihrem selbst gewählten Schneckenhaus herausholt.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, der so manches Geheimnis aus der Vergangenheit birgt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.09.2021

Eine Leseempfehlung

Als Deutschland erstmals einig wurde
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Bruno Preisendörfer hat mit diesem Buch ein detailliertes Werk zur Einigung der zahlreichen deutschen Kleinstaaten, Freistädten und den beiden Königreichen Bayern und Preußen zu einem Kaiserreich geschaffen. ...

Bruno Preisendörfer hat mit diesem Buch ein detailliertes Werk zur Einigung der zahlreichen deutschen Kleinstaaten, Freistädten und den beiden Königreichen Bayern und Preußen zu einem Kaiserreich geschaffen. Die Königswürden von Bayern und Preußen blieben unangetastet. Der preußische König erhielt zusätzlich den Titel „Deutscher Kaiser“.

In folgenden Kapiteln geht er auf die damalige Situation ein und analysiert sie.

Einleitung in den Spiegelsaal der Geschichte
Am Anfang die Revolution
Besuch in der neuen Hauptstadt
Kapellmeister Piefke und die Einigungskriege
Gründerzeit - Gründerkrach
Die alte Gesellschaft
Das neue deutsche Leben
Errungenschaften
Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger
Große Fragen
Große Männer
Am Ende der Abstieg

Den Abschluss bildet dann noch ein Bildteil sowie ein ausführliches Quellenverzeichnis.

Manches, was den deutschen Lesern heute selbstverständlich erscheint, ist eine Errungenschaft des auch immer wieder geschmähten Otto von Bismarck, der eine schillernde Figur dieser Einigung und der späteren Jahre war.

Besonders interessant finde ich die Passagen um den deutschen Kolonialismus, der ja bekanntlich erst sehr spät so um 1884 einsetzt. England, Frankreich, die Niederlande sowie Spanien und Portugal haben sich die Welt bereits längst unter sich aufgeteilt. Nur ein paar Flecken in Afrika und Ozeanien sind noch „zu haben“. Bismarck war kein Freund dieser imperialistischen Bestrebungen, die ursprünglich von privaten Vereinen und/oder Handelshäusern angestrebt worden sind.

Otto von Bismarck kann getrost als Vater der Einigung Deutschlands bezeichnet werden, einem Deutschland, das 1918 und dann 1945 wieder geteilt wurde. Lange Jahre bestehen zwei deutsche Staaten. Erst der deutsch-deutsche Einigungsvertrag von 1990 vereint die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik wieder. Ob das Bismarck gefallen würde?

Fazit:

Das Buch ist ein tolles Nachlesewerk, wenn wieder eine kniffelige Frage auftaucht. Gerne gebe ich hier eine Leseempfehlung und 5 Sterne.