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Veröffentlicht am 03.10.2016

Irreführender Titel

Die Legende der Luna Levi
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Inhalt:

Die Jüdin Blanca Sálom gehört zu den letzten, die während der spanischen Inquisition und Vertreibungswelle das Land verlassen um in der Türkei Aufnahme zu finden. Bei ihr befindet sich die bis ...

Inhalt:

Die Jüdin Blanca Sálom gehört zu den letzten, die während der spanischen Inquisition und Vertreibungswelle das Land verlassen um in der Türkei Aufnahme zu finden. Bei ihr befindet sich die bis vor kurzem rechte Hand des Großinquisitors, Juan García Galán de Olivares, der über Nacht beschließt, dass er eigentlich Jude ist. Er reist unter dem Namen Solomon ben Israel ben Sálom mit Blanca in dei Türkei. Dort werden sie beim Rabbi der jüdischen Gemeinde Galatas aufgenommen. Solomon macht schnell Karriere, war er doch vorher schon ein Ausbund an Gelehrsamkeit.
Für die beiden und ihre vier Kinder läuft alles rund, geht auch die Welt um sie herum mehrmals unter.

Meine Meinung:

Um es vorwegzunehmen: auch wenn der Titel etwas anderes vermuten lässt, es geht nur am Rande um Luna. Inwiefern sie das im Klappentext erwähnte Schicksal der sephardischen Juden mit beeinflusst bleibt völlig offen.
Auch an der dort erwähnten reichen Kultur der sephardischen Juden lässt uns die Autorin nicht wirklich teilhaben, dem Glossar am Ende des Buches kann man da wesentlich mehr entnehmen als dem Buch selbst.

Die Charaktere bleiben einem fremd, von daher kann man auch nicht mit ihnen fühlen. Dafür werden die Klischees sehr schön bedient: der Hafenschreiber Torona ist nicht nur ein Dieb und Halsabschneider mit einem extrem schlechten Charakter, natürlich ist er auch ein Ausbund an Hässlichkeit, während Blanca, die fast heilig wirkt, natürlich wunderschön ist, und auch der reumütige Juan hat alle wunderbaren Attribute die ein Mann haben kann. Das zieht sich durch das ganze Buch: alle 'guten' Menschen sind auch schön, alle anderen sind entweder mittelmäßig oder gar hässlich.

Dem eigentlichen Roman, nämlich der Geschichte Blancas und ihrer Familie wird ein relativ geringer teil des Buches zugestanden, und wenn dann mal was durchblitzt ist es so fantastisch und unglaubwürdig, dass man überlegt, ob man darauf nicht hätte verzichten können. Andererseits bliebe dann lediglich eine Art Geschichtsbuch übrig, und kein besonders interessant geschriebenes, da man mit einer Aneinanderreihung von Namen und Daten regelrecht erschlagen wird.
Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir ein sehr interessantes Buch versprochen, aber keinen Geschichtsunterricht in Reinform, mit ein paar eingestreuten, fantastischen Begebnissen. Auch die Sprache reißt einen nicht mit: gerade am Anfang des Buches gibt es nicht nur sehr viele Fehler, sondern auch derart lange, verschachtelte Sätze, dass selbst ein geübter Leser den Faden verlieren kann und noch mal an den Anfang des Satzes zurückkehren muss, um herauszufinden, worauf das Ganze denn herauslaufen soll.
Ob das an der Übersetzung liegt vermag ich nicht zu sagen, da ich der serbischen Sprache des Originals nicht mächtig bin.

Fazit: wer drögen Geschichtsunterricht mag ist mit diesem Buch gut bedient, wer auf eine ansprechende, mitreißende Familiengeschichte hofft, sollte die Finger davon lassen.

Veröffentlicht am 21.09.2016

Die Gier nach mehr ist so alt wie die Menschheit

Teufelsgold
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Dies Buch bekam ich vom Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt, als Teilnehmerin einer Autoren-begleiteten Leserunde des Verlages.

Wie sich herausstellte, war der Autor nicht wirklich glücklich damit, ...

Dies Buch bekam ich vom Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt, als Teilnehmerin einer Autoren-begleiteten Leserunde des Verlages.

Wie sich herausstellte, war der Autor nicht wirklich glücklich damit, dass der Verlag das Buch als Thriller vermarktet, enthält es doch zu viele fantastische Elemente. Aber zum Buch selbst:


Inhalt:

Hendrik ist ein kleines Licht bei einer großen Finanzfirma. Urplötzlich wird er zum Seminarleiter auserkoren, der Anleger beraten soll. Auf dem Weg zu seinem Hotel besucht er ein Antiquariat, wo er -- Gelegenheit macht Diebe -- ein altes Buch stiehlt. Damit setzt er unversehens eine ganze Lawine von Ereignissen in Gang, an deren Ende er eine folgenschwere Entscheidung treffen muss.

Meine Meinung:

Vermutlich kann man das Buch inhaltlich nicht als Thriller einstufen, von der Spannung her passt es aber.

Durch den Aufbau bedingt wird ein sehr schöner Spannungsbogen aufgebaut und gehalten. Wir springen zwischen Jetztzeit und Vergangenheit hin und her. Die Vergangenheit erfahren wir in Form von Schriftstücken, in der Regel antiquarischen Büchern.

Hendrik selbst ist nicht besonders sympathisch, aber da die Geschichte aus seiner Perspektive wahrgenommen wird, muss man eben da durch. Sein Charakter wandelt sich im Laufe der Geschichte ein paarmal, und man wird eigentlich immer ungeduldiger mit ihm, auch immer zorniger. Eine Leserin drückte es treffend aus:

>>Und Hendrik ist so frei von Hirn eben dies auch zu wollen?? Herje.<<

Hendrik ist ein Charakter an dem man sich gut reiben kann. Natürlich finden wir seine Gier schlimm, und seine Doppelmoral, seine Eifersucht, und, und, und. Letztendlich steckt aber ein bisschen was davon in jedem von uns, wir haben es nur besser im Griff.

Am schlimmsten ist Hendriks ewige Unzufriedenheit. Ich werfe ihm gar nicht vor, dass er nach mehr strebt, sondern dass er zu verblendet ist, zu erkennen was er erreicht hat, und dieses Erreichte zu genießen. Er weiß einfach nicht wann Schluss ist. Hinzu kommt seine Rivalität mit seinem Bruder. Himmel, da müssen seine Eltern gründlich was verkehrt gemacht haben, und Hendrik lastet dies seinem Bruder an. Er ist zu verblendet, um andere Menschen um sich herum anzuerkennen. Auch seine Frau Miriam und Tochter Pia bekommen das zu spüren.

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich ausgearbeitet. Einzig Hendrik hat Tiefen, alle anderen Mitwirkenden bleiben vergleichsweise blass, sind mehr oder weniger Statisten; dabei ist es nicht mal Hendrik, der alles vorantreibt. Über Adalbert hätte ich gerne mehr erfahren, wir lernen ihn nur aus der verzerrten Perspektive Hendriks kennen, und letztendlich bleibt er uns fremd. Eigentlich baut man nur zu Hendrik eine Beziehung auf, und die hat mehr Tiefen als Höhen.

Trotzdem ist das Buch sehr gelungen, und ich habe vor allem die 'historischen' Einschübe sehr genossen. Mal davon abgesehen, dass die Fakten stimmen (wenn sie auch nur als Hintergrund für die Fiktion dienen), ist auch die Sprache der jeweiligen Zeit angepasst. Überhaupt hatte ich den Eindruck. dass hier sehr gut und genau recherchiert wurde, was ich persönlich für wichtig halte, denn wenn ich die ganze Zeit das Gefühl habe, dass die Fakten nicht stimmen, kann ich mich auf die Geschichte nicht einlassen. So wurde ich aber mitgezogen, und viele kleine Details trugen sehr dazu bei, dass das Buch insgesamt überzeugend war. Den fantastischen Teil muss man einfach so hinnehmen, aber da ich sehr gerne Fantasieromane lese, hatte ich damit überhaupt keine Schwierigkeiten.

Im Buch wird sehr schön aufgezeigt, dass sich der Mensch in all den Jahrhunderten nicht wesentlich verändert hat: die Gier nach Macht und Reichtum, nach ewiger Jugend, nach Vollkommenheit, gab es damals wie heute. Der Stein der Weisen, schon immer begehrt, spielt auch im Hier und Jetzt eine große Rolle. Die Alchimie ist noch sehr lebendig, wenn sich ihre Form auch gewandelt hat.

Ein rundum gelungener Roman den ich guten Gewissens weiterempfehlen kann, auch wenn ich ihn nicht direkt einem Genre zuordnen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Spannung
  • Recherche
  • Cover
Veröffentlicht am 15.09.2016

Ich sehe was, was du nicht siehst

Elanus
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Inhalt:

Jona ist ein 17-jähriger Geek der mit großem mathematischen und technischen Wissen aber defizitärem Sozialverhalten. Als er ein Stipendium an einer Elite Uni erhält ist er aufgeregt, wenngleich ...

Inhalt:

Jona ist ein 17-jähriger Geek der mit großem mathematischen und technischen Wissen aber defizitärem Sozialverhalten. Als er ein Stipendium an einer Elite Uni erhält ist er aufgeregt, wenngleich er auf Wunsch seiner Eltern bei einer Familie leben soll, da sie ihm nicht zutrauen, mit seinen Kommilitonen klar zu kommen.

Jona entspricht anfangs den Erwartungen seiner Eltern und fällt an der Uni direkt unangenehm auf, obwohl er sich Mühe gibt, sich in das Familienleben einzufügen. Die Familie wirkt anfangs spießig, aber nach und nach wird sie immer unheimlicher. Jona fühlt sich bald bedroht und ausspioniert, dabei ist er derjenige, der alle anderen ausspioniert, und zwar mit seiner Drohne Elanus.

Zum Glück hat er es geschafft, doch ein paar Freunde zu finden, aber kann er sich auf die verlassen?



Meine Meinung:



Wie in ihren anderen Büchern schafft es die Autorin auch hier, eine bedrohliche, geheimnisvolle Atmosphäre herzustellen, und zwar mit einfachsten Mitteln. Der Spannungsbogen wird die ganze Zeit über aufrecht erhalten, der Leser wird immer tiefer in die Geschehnisse hineingezogen.

Ich muss zugeben, dass es mir nicht leicht fiel, mich in Jona hineinzuversetzen, erstens bin ich aus dem Alter längst raus, zweitens bin ich kein Junge, und drittens bin ich kein Wunderkind. Im richtigen Leben könnte ich mir so einiges nicht vorstellen, was im Buch beschrieben wird, aber bei Fiktion ist mein Maßstab doch wesentlich großzügiger, und wenn man sich darauf einlässt, ist alles irgendwie schlüssig. Jona schießt eben ständig hoch über das Ziel hinaus, aber das ist stimmig mit dem Charakter, den er darstellt.

Die Lösung war vollkommen überraschend. Man hatte zwar die Vermutung, dass eine bestimmte Sache mit allem zusammenhing, aber keinen Schimmer wie, und warum.

Die Charaktere der Hauptdarsteller werden gut beschrieben, und sie alle machen eine Entwicklung durch, insbesondere Jona, der es auch am nötigsten hat. So ist er einem am Schluss nicht mehr ganz so unsympathisch wie am Anfang, aber Lieblingspotential hat er nicht.

Wer nach einem spannenden Jugendbuch sucht kann hier bedenkenlos zugreifen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Gustav Sonate

Und damit fing es an
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Inhalt:


Gustav wächst in einer lieblosen, von Armut geprägten Kindheit auf. Sein einziger Lichtblick ist sein Freund Anton und dessen Familie. Gustav lernt früh, sich zu beherrschen, denn das bläut seine ...

Inhalt:


Gustav wächst in einer lieblosen, von Armut geprägten Kindheit auf. Sein einziger Lichtblick ist sein Freund Anton und dessen Familie. Gustav lernt früh, sich zu beherrschen, denn das bläut seine Mutter ihm beständig ein. Er wächst zu einem genügsamen, freundlichen, mitfühlenden Mann heran der selbst keine Zuneigung erfährt, außer einmal kurz von einem englischen Gast.

Meine Meinung:



Das Buch ist bedrückend, denn Gustav ist sympathisch, und man wünscht ihm auch einmal Glück in seinem Leben, aber die Umstände sind gegen ihn. Seine Mutter ist gefühlskalt und erwartet von Gustav, dass er sich wie ein Erwachsener verhält. Seinen Vater kennt er nicht, da dieser verstarb als Gustav noch ein Säugling war. Die Mutter hebt den Vater auf ein Podest, aber eigentlich war er nur ein (meist) guter Mensch, der zu der falschen Zeit am falschen Ort lebte.

Überraschend für mich waren die Fakten über die Schweiz. Aufgrund ihrer bedrohlichen Lage während des zweiten Weltkrieges traf die Schweizer Regierung ein paar sehr fragwürdige Entscheidungen. Außerdem waren alle so paranoid, dass auf 100% Bewohner 114% Bunkerplätze kommen.

Dass die Schweizer von Nationalstolz erfüllt sind habe ich schon mehrmals bei Besuchen des Landes erlebt, da ist es irgendwie beruhigend zu wissen, dass auch sie moralischen Dreck am Stecken haben, wie in dem Buch deutlich wird.

Es ist kein actiongeladenes Buch, die Geschichte scheint streckenweise vor sich hinzuplätschern, und große Zeiträume werden immer wieder übersprungen. Trotzdem ist die Lektüre fesselnd, wenngleich die Autorin die eine oder andere Antwort schuldig bleibt.

So wird zum Beispiel ein Charakter eingeführt der einen um Gustav bangen lässt -- nur um danach in der Versenkung zu verschwinden.

Es liegt ein Beziehungsgeflecht vor, und keine dieser Beziehungen wirkt sich langhaltig positiv auf Gustav aus, was sehr traurig ist. Glücklicherweise schafft sich Gustav eine Umgebung, in der er weitgehend glücklich ist -- würden nicht immer wieder Leute von außen einbrechen und ihm sein Unglück vor Augen führen.

Die Sprache ist gut, scheint aber der Zeit in der die Geschichte spielt nicht immer angemessen. Möglicherweise ist das aber auf die Übersetzung zurückzuführen, den Originaltext hatte ich leider nicht vorliegen.

Rose Tremain gelingt es, den Leser an Gustavs Geschichte teilhaben zu lassen. Ich finde den Originaltitel (The Gustav Sonata) eigentlich sehr viel treffender und aussagekräftiger als den deutschen Titel, habe aber vor langem aufgehört, mich über die deutsche Titelwahl zu ärgern -- wundern tue ich mich dennoch oft.

Trotz der traurigen Handlung ist es keine schwer verdauliche Lektüre, aber sie regt zum Nachdenken und Nachforschen an.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Großartiger Auftakt

Das Salz der Erde
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Es ist schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe, aber es hat mir sehr gut gefallen. Man wird sofort in das Buch hineingesogen, und man mag es nur ungern wieder verlassen.
Die historische Recherche ...

Es ist schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe, aber es hat mir sehr gut gefallen. Man wird sofort in das Buch hineingesogen, und man mag es nur ungern wieder verlassen.
Die historische Recherche ist sehr gut, man erhält eine Fülle von Informationen der Epoche, in der die Geschichte angesiedelt ist. Die Sprache ist lebendig und bildhaft, die Charaktere wissen zu überzeugen. Ein Buch das Lust auf die Fortsetzungen macht.