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Veröffentlicht am 10.11.2017

Volksverdummung auf der Basis grausiger Träume eines Möchte-gern-Welthegemons.

Die Welt im Jahr 2035
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Der Bericht ist gut strukturiert: zwei Teile, die in kürzere Kapitel, meist nur paar Seiten, aufgeteilt worden sind. Teil I widmet sich hpts. den globalen Trends, Teil II hat zwei Unterabteilungen „Die ...

Der Bericht ist gut strukturiert: zwei Teile, die in kürzere Kapitel, meist nur paar Seiten, aufgeteilt worden sind. Teil I widmet sich hpts. den globalen Trends, Teil II hat zwei Unterabteilungen „Die nächsten fünf Jahre nach Regionen“ und „Wichtige globale Trends“, s. auch Inhaltsverzeichnis. Einige Diagramme/Grafiken verdeutlichen das Geschriebene. Zeitungsmeldungen, wie sie in den nächsten Jahren in den Medien auftauchen könnten, sind vermutlich zur Auflockerung da, z.B. „Eine Zeitungsmeldung aus dem Jahr 2019… China kauft unbewohnte Fidschi-Insel, um Militärbasis zu bauen.“ S. 74. Aber insg. ist es eine ziemlich trockene Angelegenheit.
U.a. von den Auswirkungen des Klimawandels ist die Rede, von der wachsenden Bedrohung durch Terrorismus, von steigenden Spannungen weltweit, etc.
Wer seine Meinung zu politischen Ereignissen in der Welt den Leitmedien entnimmt, der wird diesen Report vermutlich als eine Art Dystopie lesen können.
Wer aber kritisch diese offiziell genehmigten Interpretationen wahrnimmt, sich vorher anderweitig informiert und womöglich noch eigene Erfahrungen gesammelt hat, der wird aus den Zeilen des Berichts noch ganz andere Dinge herauslesen, die einem eher Unbehagen bescheren und Zukunftssorgen aufkommen lassen. Vor allem wird man die Scheinheiligkeit erkennen können, die hier an den Tag gelegt wurde, wenn es um die Beschreibung bestimmter Trends der Zukunft geht, z.B. die Entwicklung von Terrorismus. Hierzu gibt es ein Kapitel von ca. 20 Seiten.
Wer über die Entstehung des IS, z.B. „Schwarze Flaggen“ von Joby Warrick, „Wer den Wind sät“ von Michael Lüders oder „Nur wenn du allein kommst“ von Souad Mekhenet, oder auch „Wer beherrscht die Welt“ von Noam Chomsky, „Illegale Kriege“ von Daniel Ganser gelesen hat, der weiß, wie ich es meine. Im Report wurde der Sachverhalt so präsentiert, als ob alles, was an Gewalt und Terror passiert, aus freien Stücken geschieht, dass es keine handfesten Ursachen hierfür gäbe, keine Unmengen von US Steuergeldern in die Destabilisierung diverser Regionen geflossen wären, etc., und lediglich den bösen Kräften im Nahen Osten und Asien und einigen anderen Regionen zu verdanken ist. Ich musste an solchen Stellen an Volksverdummung denken, die Michael Lüders in „Die den Sturm ernten“, ein sehr lesenswertes Buch übrigens, so beschrieben hat: „Die Machtpolitik Moskaus, Teherans oder Pekings ist im Zweifel jedoch nicht mehr und nicht weniger skrupellos als die des Westens. Sie in den Kategorien von „gut“ und „böse“ zu verorten, wobei „wir“ natürlich zu den Guten rechnen, das grenzt an Volksverdummung.“ S. 167. Diese wird auch in diesem Werk aktiv betrieben, denn die Verfasser stellen sich ja als die Guten hin. In Moskau soll übrigens ein westenfreundlicher Präsident kommen. Wer die o.g. Werke gelesen hat, kann sich vorstellen, wie es vonstattengehen soll und was das im Klartext bedeutet.
Sehr klar liest sich heraus, dass die Rolle der Weltpolizei und der Möchte-gerne-federführender-Weltmacht auch weiterhin von USA beansprucht wird. Wenn man weiß, wie die Politgeschichte bisher gelaufen ist, und wer für viel Leid, Armut und Tod in vielen Ecken der Welt gesorgt hat, näheres dazu in o.g. Quellen, dem wird bei dieser Ankündigung anders zumute. Im Grunde nichts Neues. Aber grausig genug.
An mehreren Stellen wird von „autoritären Regimes“ in Russland und China berichtet. Sie stehen als Feinde Nr. 1 und 2 da, da sie sich die Freiheit herausnehmen, ihre eigenen politischen Interessen zu haben und diese auf der Weltbühne auch zu verteidigen wissen. Diese Regierungen würden, nach Meinung von CIA, für Identitätskonflikte und noch viel schlimmere Dinge sorgen:„Russland und China betreiben beispielsweise die Entwicklung von Waffensystemen, die in der Lage sind, Satelliten im Orbit zu zerstören, was in Zukunft eine starke Gefährdung für die Satelliten der USA und anderer Staaten bedeuten würde.“ S. 49. Dass all diese Entwicklungen nichts anderes als Reaktionen auf die Politik des Weltaggressors Nr. 1 sind, ist hier quasi „out of scope“.
„Steigendes Selbstbewusstsein in China und Russland“, S. 73, wird v.a. als etwas Negatives hingestellt, da die Verfasser die geopolitischen Interessen der USA dadurch als gefährdet ansehen. Da gibt noch es mehr ähnlicher „Visionen“ im Teil II, wenn es um die Entwicklung der Regionen geht. Diese Sicht der Dinge ließ mich, pardon, an die Beichte eines psychopathischen Despoten denken, der überall Feinde sieht, wohin er schaut, ein klarer Fall von Projektion eigener Ängste und Psychosen insg., jemanden, der seit Ewigkeit unter Verfolgungswahn und argen Wahnvorstellungen leidet, dabei aber fest an seinen eigenen Machtansprüchen hält, koste, was es wolle, denn das ist Sinn und Inhalt seines bedauernswerten Lebens.
Hier, und auch an vielen anderen Stellen, musste ich an die antizipierte Zielgruppe denken, an die sich dieses Werk ggf. richtet. Wer wird/kann sich von diesen aalglatten, wohl ausformulierten Sätzen blenden lassen? Hpts. diejenigen, ihre Meinung über die polit. Geschehnisse in der Welt aus den Leitmedien erfahren. Und diese, wie Peter Scholl-Latour noch in 2014 in „Der Fluch der bösen Tat“ geschrieben hat, sind längst in der Hand des Lieblingsfreundes hinter dem großen Teich. Also wurde hier viel Hoffnung auf die seit Langem laufende Propaganda gelegt, steter Tropfen höhlt den Stein, und weitere Werbekampagne für CIA Sicht der Dinge in die Welt gesetzt.
Zum Schluss gibt es auch „Methodologische Anmerkungen“, die mich kaum überzeugen konnten. Für die angepeilte Zielgruppe wird es gut genug sein, vermuteten wohl die Verfasser. Ein Glossar versucht einige Begriffe, wie z.B. Flüchtling, Wirtschaftsnationen, Globalisierung, etc. zu erklären.
Fazit: Für Liebhaber düsterer Dystopien ist es vllt eine interessante Lektüre, die zum Grübeln anregt, aber insg. kaum etwas Neues bietet. MMn stellt dieser Report v.a. die Imagepflege dar und Stipulation antizipierter Federführung auch auf diesem Gebiet. Da hat sich jmd Nutzen in der Verbreitung dieser Weltbilder erhofft.
Wer noch nicht genug anti-chinesischer und anti-russischer Propaganda wie Volksverdummung insg. abbekommen hat, hier ist die beste Adresse dafür. Wer diese identifizieren und außen vor lassen kann, was zugegebenermaßen viel Arbeit bedeutet, bekommt eine Version möglicher Entwicklungen in der Welt, die man sich größtenteils selbst vorstellen kann. Dabei muss man aber bedenken, dass diese Vision auf Annahmen über Annahmen aufgebaut worden ist. Und wenn eine oder zwei nicht zutreffen, oder gar etwas Unvorhergesehenes eintritt, bricht das Ganze wie ein Kartenhäuschen zusammen. Bis dahin sind es grausige Träume eines Möchte-gern-Welthegemons.

Veröffentlicht am 09.11.2017

Kann man getrost vergessen.

Zerbricht der Westen?
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So verlockend die Kapitelüberschriften und der Titel erscheinen, so fad und nichts Neues sagend präsentiert sich leider der Inhalt.
Der Anfang war so vielversprechend, aber nach und nach lösten sich die ...

So verlockend die Kapitelüberschriften und der Titel erscheinen, so fad und nichts Neues sagend präsentiert sich leider der Inhalt.
Der Anfang war so vielversprechend, aber nach und nach lösten sich die spannenden Ansätze im bloßen Nacherzählen der politischen Ereignisse der letzten 5-7 Jahre auf, die man als Tagesgeschehen zeitnah den Leitmedien entnehmen konnte.
Platituden und Allgemeinplätze, insb. in der zweiten Hälfte, statt spannender Analysen, Aufdeckung unterliegender Verhaltensmuster, die die Demokratie im Westen in schwere Krise gebracht haben und plausibler Vorschläge, wie man die Probleme lösen könnte, die ich hier eigentlich erwartet habe.
Selbst dort, wo es sein müsste, im Fazit, sucht man nach derartigen Inhalten vergeblich. Man bekommt lediglich die offizielle, für breite Massen vorbereitete Meinung, die man den größeren Zeitungen und ÖR-Sendern entnehmen konnte. Zudem wurde es so getan, als ob dort der Wahrheit letztes Wort stünde. Dass es dem nicht so ist, dass diese Art der Berichterstattung lediglich der fromme Wunsch ist, die breite Masse auf einen bestimmten Kurs zu bringen und bestimmte Ansichten in deren Köpfe zu pflanzen, weiß jeder kritisch denkender Leser. Konkrete Beispiele gibt es in Neuerscheinungen wie „Eiszeit“ von Gabriele Krone Schmalz, in „Ein Leben ist zu wenig“ von Gregor Gysi, etc.
Auch was die Beschreibung der Konflikte angeht, z.B. in Syrien, in der Ukraine, blieb der Autor bei offiziell genehmer Meinung, predigte gebetsmühlenartig von Krim-Annexion, dämonisierte Putins Russland, wie man es aus den Leitmedien gewohnt ist, verteufelte Trump &Co., von Erdogan und Assad ganz zu schweigen. Ganz sicher war ihm z.B., dass es Assad war, der Giftgasangriff auf eigene Bevölkerung „… in einem von Rebellen kontrollierten Gebiet“ (sehr „präzise“ Angabe, muss man sagen) in 2013 verübte, S. 235. Auf welche Quelle sich diese Behauptung stützt, ließ Winkler im Ungewissen. Ich kenne eine gute Quelle, die das Thema glaubwürdig darlegt, da steht es aber anders, s. „Die den Sturm ernten“ von Michael Lüders.
Auch an anderen Stellen fehlten die Quellenangaben, z.B. S. 175-176. Woher die Zahlen kommen, auf die der Autor seine Argumentation stützt? Oder geht es davon aus, dass man ihm aufs Wort glaubt?
Die Frage: Warum lese ich das eigentlich? Tauchte schon recht oft auf. Es ist Schnee von gestern, trocken und ohne wahrnehmbaren Mehrwert dargelegt noch dazu. Aber ich konnte/wollte nicht glauben, dass es tatsächlich schon alles sein wird. Da müsste doch noch das Eigentliche kommen, die Substanz, so meine Hoffnung. Leider war es nicht der Fall.
Winkler beschreibt die Ereignisse größtenteils neutral, mit paar Ausnahmen, s.o. Mir fehlte aber auf der gesamten Strecke das Denken in Zusammenhängen, die Hintergründe, die Frage, warum das eine oder andere geschehen ist und mögliche Interpretationen hierzu samt Vorschlägen, wie man die Situation entschärfen könnte. z.B.: Warum sah sich Putin gezwungen, in der Ukraine so vorzugehen? Vllt weil die Politik des Westens der letzten fünfzehn Jahre ihn dazu gebracht hat? Vllt wurden da die geopolitischen Interessen Russlands missachtet? Mehr dazu z.B. in „Eiszeit“ von Gabriele Krone Schmalz. Und was ist mit Syrien und angrenzenden sowie arabischen Ländern? Vllt war da einiges schiefgelaufen, da die Aggression vom Westen her ausging und man nun die Früchte dieser Politik präsentiert bekommt? Mehr dazu in „Schwarze Flaggen“ von Joby Warrick, „Die den Sturm ernten“ von Michael Lüders, „Nur wenn du allein kommst“ von Souad Mekhenet, ferner „Illegale Kriege“ von Daniel Ganser, uvm.
Aber nein, nichts dergleichen war den Ausführungen hier zu entnehmen.
Da klang es schon fast nostalgisch, dass die Zeitungen ihre Deutungshoheit zugunsten des Internets verloren haben. Warum? Fehlte wieder hier mal. Vllt weil die Menschen verstanden haben, dass sie dort hpts. indoktriniert werden und haben keine Lust mehr dazu, auch weil es mit dem Selbstverständnis einer funktionierenden Demokratie nicht vereinbar ist, wie Frau Krone Schmalz sehr treffend in „Eiszeit“ sagt, oder auch weil sie nicht mehr ein Teil der Volksverdummung mehr sein wollen, von der Michael Lüders in seinem o.g. Buch spricht:
„Eigentlich wäre es höchste Zeit, innezuhalten und sich neu zu sortieren. Eine Weltordnung zu begründen, die um Ausgleich und Kompromiss unter den jeweiligen Akteuren bemüht ist, einen Dialog auf Augenhöhe führt. Die vom Zenit abgleitende Weltmacht USA sucht genau diesen Ausgleich nicht. Sie ist bestrebt, eigene Interessen auf Kosten anderer durchzusetzen, notfalls mit Gewalt. Und nicht zuletzt mit Hilfe einer auch medial betriebenen Dämonisierung des gegenwärtigen Hauptgegners Russland. Die Machtpolitik Moskaus, Teherans oder Pekings ist im Zweifel jedoch nicht mehr und nicht weniger skrupellos als die des Westens. Sie in den Kategorien von „gut“ und „böse“ zu verorten, wobei „wir“ natürlich zu den Guten rechnen, das grenzt an Volksverdummung.“ S. 167.
Wenn ich an Winklers „Zerbricht der Westen?“ denke, kommt mir genau diese Verdummung in den Sinn. Genauso wie die Worte von Frau Krone Schmalz aus dem o.g. Buch:
„Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich zudem das journalistische Selbstverständnis gewandelt hat. Es geht nicht mehr in erster Linie darum zu informieren, sondern darum, die Menschen auf den „richtigen“ Weg zu bringen. Eine solche Haltung, zu der sich manche sogar ausdrücklich bekennen, scheint mir grenzwertig. Auf welches Recht könnten sich Journalisten in pluralistischen demokratischen - und nicht diktatorisch geführten – Gesellschaften dabei berufen? … Demokratie ist auf ein breites Meinungsspektrum angewiesen und darauf, dass angstfreie Debatten möglich sind. Es ist ein Jammer, dass dieser Luxus einer Demokratie von zwei Seiten in die Zange genommen wird. Auf der einen wettern rechte Demagogen und hasserfüllte Wutbürger, auf der anderen intolerante Mainstream-Journalisten und überhebliche Expertokraten, die alles zu wissen meinen, in den letzte Jahren immer wieder spektakulär danebenlagen.“ S. 259.

Fazit: Wer es geschafft hat, dem polit. Geschehen, v.a. deren Interpretation der Leitmedien zu entkommen, die durch alle großen überregionale Zeitungen und Fernsehen gegeistert hat, wenn man z.B. a lá Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel die letzten 5-7 Jahre verbracht hat, der könnte evtl. Nutzen aus diesem Buch ziehen. Sonst kann man die kostbare Lesezeit viel spannderen Werken widmen, s.o. Auch „Die Krise der Demokratie und wie wir sie überwinden“ von Ch. Lammert und B. Vormann ist eine sehr gute Adresse, wie wertvolle Denkanstoße von Helmut Schmitt in „Was ich noch sagen wollte“.
Ich kann mich hier nicht mal zu 3 Sternen durchringen. Meine persönliche Goldene Himbeere in Sachen Bücher über Politik geht in diesem Jahr an dieses Werk.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Kann man vergessen.

Der letzte Zar
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Ich bin mit großer Vorfreude an dieses Werk rangegangen, da ich die Sachbücher aus dem Hause C. H. Beck sehr schätze. Sie haben mir oft viel Lesevergnügen bereitet und eine Menge Spannendes und Wissenswertes ...

Ich bin mit großer Vorfreude an dieses Werk rangegangen, da ich die Sachbücher aus dem Hause C. H. Beck sehr schätze. Sie haben mir oft viel Lesevergnügen bereitet und eine Menge Spannendes und Wissenswertes berichtet. Über jede Neuerscheinung freue ich mich sehr.
Dieses Buch erwies sich leider als die erste Ausnahme. Auch weil es deutlich hinter meinen Erwartungen geblieben ist, was Qualität solcher Werke anbelangt. Spätestens ab der Hälfte beschlich mich die im Klappentext versprochene Beklemmung, aber aus einem ganz anderen Grunde: Dieser nachlässige Umgang mit Daten, Fakten und Quellen, peinliche Sachfehler, die geringschätzige, von oben herab Attitüde gegenüber den beiden letzten russischen Herrschern, ihrem Hof und anderen Akteuren der rus. Geschichte insg., sowie der deutlich durchschimmernde Zynismus mit dem Hang zum Pietätlosen zum Schluss hinterließen bei mir, milde gesagt, keinen positiven Eindruck.
Gleich am Anfang ließ mich folgende Darstellung stutzen: „Nikolaj II. erklomm nun den Thron einer Dynastie, die im Zeitraum ihrer Herrschaft seit 1613 dem Russischen Reich die unterschiedlichsten Zaren beschert hatte: den westlich orientierten Reformer Peter I., die aufgeklärte, mit Voltaire korrespondierende Monarchin Katharina II., dann Alexander I., der Bezwinger Napoleons, der durch die Heilige Allianz die europäische Politik mitbestimmte. Schließlich folgten der Erzreaktionär Nikolaj I., sowie einige kurzlebige Übergangsherrscher, darunter Peter II., und Paul I., die von großfürstlichen Rivalen entmachtet bzw. ermordet wurden.“ S. 19. Der letzte Satz stimmt nicht. Peter II. und Paul I. folgten keineswegs. Sie waren Vorfahren vom Nikolaus I., der in den Jahren von 1825-1855 regierte. Das steht klar in jedem Werk zum Thema mit einer Zeittafel, bzw. Stammbaumdiagramm der Romanows, die in diesem Buch übrigens komplett fehlen. Hier dachte ich noch, gut, es ist vllt unglücklich formuliert, aber was dann für peinliche Sachfehler kamen, da mochte ich meinen Augen nicht glauben. S. 114: „Diese Post zirkulierte zwischen den Kinderzimmern im Erdgeschoss und dem Wohnraum der Mutter im ersten Stock des Schlosses in Zarskoje Selo. So schreibt die Älteste, die sechzehnjährige Tatjana, im Januar 1909… Die zwei Jahre jüngere Olga beschwerte sich ebenfalls über die Abwesenheit der Mutter…“ Zwei Fehler hier: Die älteste Tochter, das erste Kind von Alix und Nikolaus II., war Olga. Sie wurde 1895 geboren. In 1897 kam Tatjana. (Quellen hier: E. Almendingen „Die Romanows“, C. Erickson „Alexandra Romanowa“, uvm.) Somit kann Tatjana keine 16 Jahre im Januar 1909 gewesen sein und die Älteste schon gar nicht. Der Witz ist: Paar Seiten später wird Olga als die älteste Tochter bezeichnet, s. S. 132, Mitte.
Wohlwollend dachte ich noch: Gut, der Autor hat’s mit dem Familiären nicht so, was aber schon recht peinlich ist, da leicht nachzuprüfen, was die Pflicht und Professionalität hätten eigentlich mit sich bringen sollen. Aber weitere Ausrutscher wie bloße Unterstellungen, da die Quellen fehlen, Ungenauigkeiten und dergleichen ließen mein Lesevergnügen in Keller sinken.
Was zu Rasputin und Anna Wyrubowa, der Zofe und Vertrauten der Zarin, gesagt wurde, ähnelt stark einer bösen Posse. Ganz grob kommt es hin, aber der Teufel steckt im Detail. Natürlich durfte hier bei der Charakterisierung Rasputins sein auch woanders viel zitiertes Auftreten im Restaurant „Jar“ im Jahr 1915 nicht fehlen. Englischer Historiker Douglas Smith aber in seiner wohl recherchierten Rasputin Biographie „Und die Erde wird zittern“ (2017) schreibt, dass die „Jar“-Geschichte schlicht erfunden und ein Teil der Verleumdungskampagne war, die Rasputin, sowie Zarenhof insg., in diesen Jahren plagte. Dalos übernahm das äußerst Negative zu Rasputin aus anderen, weniger gut recherchierten Quellen.
Auf S. 117 wurden die Tagebucheinträge von Nikolaus II. erwähnt, der über die Treffen mit Rasputin berichten. Die Quellenangaben fehlen wieder mal.
Negative Darstellungen der Russen insg. musste der Autor unbedingt noch reinbringen. Als Quelle soll hier ein namenloser Informant des franz. Diplomaten dienen, s. S. 161, was auch herzlich wenig zu der Glaubwürdigkeit solcher Ausführungen beiträgt. Die Frage ist: Was möchte der werte Autor mit solchen Darstellungen erreichen? Wenn er seine Russophobie zur Schau stellen wollte, so ist es ihm zweifelsohne gelungen.
Hinten im Buch gibt es Literatur, bestehend aus gerade mal 20 Titeln. In respektablen Werken erstrecken sich Literaturhinweise über dutzende von Seiten. Hier nicht.
Das gleiche gilt für Bildnachweise: kryptische Angaben, die gar nicht weiterhelfen können, wenn man wissen will, wo, in welchen Jahr die Fotos aufgenommen wurden, in welchen hist. Quellen sind die Originale zu finden, etc. Da steht einfach: Sämtliche Abbildungen: so und so Images, Berlin.
Dass so ein Umgang mit Quellen überhaupt als annehmbar erachtet wurde, erzählt Bände über seine Professionalität und untergräbt die Reste seiner Glaubwürdigkeit.
Ja, es gibt paar gelungene Erläuterungen zu den Hintergründen der europäischen Politik der damaligen Zeit, z.B. das Verhältnis zw. Wilhelm II. und Nikolaus II. und wie es zur Beteiligung Russlands im Krieg von 1914 kam, oder auch zur Rolle von Queen Victoria. Dabei sieht man, dass Politik eher die starke Seite des Autors ist. Der Rest lässt zu wünschen übrig.
Die Struktur hat bei mir auch keine Jubelrufe hervorbringen können. Erst habe ich angenommen, es wäre Nikolaus‘ Biographie, aber nein. Es ist eine Ansammlung von Aufsätzen von etwa 20 Seiten zu den in den Überschriften genannten Themen wie „Krieg mit Japan“, „Allein mit der Revolution“, „Der Zar in der Julikrise“ usw., in zehn Kapitel geordnet. Klar schildert das Ganze den Untergang der Romanows, wie der Untertitel verspricht, aber die Art und Weise stürzte mich in tiefe Verzweiflung.
Zum Schluss wurde der Ton herablassender und insg. einfach grässlich und pietätslos, s. z.B. S. 200.
Fazit: Dieses Pamphlet hat die Welt nicht gebraucht. Allein die von oben herab Attitüde gegenüber den historischen Persönlichkeiten, ob es um Nikolaus, Alix, Rasputin oder anderen geht, wie auch zum erzählten Stoff insg., hat mein Lesevergnügen gleich Null gesetzt. Hinzu kommen die peinlichen Sachfehler, zu lässiger Umgang mit Quellen, wie auch Zitate und Übersetzungen des nicht nachvollziehbaren Ursprungs, sowie die anti-russische Grundstimmung insg. Zwei Sterne mit viel Wohlwollen erscheinen mir hier realistisch.
Das Coverbild ist auch irreführend. Man könnte meinen, dies wäre die ganze Familie des letzten Zaren. Alexej fehlt. Der Thronfolger, der noch lange vor seiner Geburt das Verhalten des Zarenehepaares stark beeinflusst hat.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Ein Möchte-gerne-Thriller für Dummies.

Das Einstein Enigma
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Klappentext hat mich neugierig gemacht, v.a. der versprochene Beweis: „Kairo, 2006.
Der portugiesische Kryptanalyst Tomás Noronha soll ein Geheimmanuskript Albert Einsteins entschlüsseln: „Die Gottesformel“ ...

Klappentext hat mich neugierig gemacht, v.a. der versprochene Beweis: „Kairo, 2006.
Der portugiesische Kryptanalyst Tomás Noronha soll ein Geheimmanuskript Albert Einsteins entschlüsseln: „Die Gottesformel“ – die vermeintliche Bauanleitung für eine billige Atombombe, mit der Israel das Physik-Genie einst beauftragt habe. So gerät Tomás zwischen die Fronten von Iran und CIA.
Tatsächlich geht es jedoch um die fundamentalen Fragen nach der Entstehung des Universums, dem Sinn des Lebens und Gott. Eine spannende Reise in die Welt von Wissenschaft und Religion. Denn im Rahmen seiner Ermittlungen kommt Tomás einem der größten Rätsel der Welt auf die Spur: dem wissenschaftlichen Beweis für die Existenz Gottes.“
Leider entpuppte sie der vermeintlich spannende Thriller als erstklassiger Ersatz für Schlafmittel. Nach nur paar Seiten konnte ich jedes Mal wunderbar einschlafen. Baldrian& Co. können von so einer Wirkung nur träumen. Entspr. dauerte es, bis ich die 600 Seiten doch noch mal irgendwann durchhatte. Ich musste, da Rezi-Pflicht. Dazwischen gab es etliche tolle Bücher, die mich diesen Mumpitz mit nötiger Portion Humor und Gelassenheit aufnehmen ließen.
Zu oft tauchte der Gedanke auf: für wie dumm hält der Autor seine Leser? Die Antwort lautet leider: für sehr dumm und völlig bildungsfern. Die Art, wie er sein Werk gestaltet hat, die marionettenhaften Figuren, der unglaubwürdige Plot lassen keine Zweifel daran. Der Stoff wird umständlich erzählt, alles bis ins Kleinste wie für Hirnamputierte erklärt, oft wiederholt und nochmals zusammengefasst. Der Autor wollte hpts. die Leser belehren, ihnen sein Bild der Welt aufs Auge drücken. Alles andere ist zweitrangig und wird auch entspr. stiefmütterlich behandelt worden. Der Witz ist, der werte Autor hat nicht mal eigene Inhalte. Es sind Zusammenfassungen der geborgten Werke, stark vereinfacht, von Einstein, Heisenberg und anderen Wissenschaftlern aus den Bereichen der Mathe, Physik, Astronomie, etc., sowie Lehren mancher Religionen. Sein größter Verdienst ist, dass er komplexe Sachverhalte aus o.g. Bereichen für bildungsferne Schichten zusammengetragen und aufs Wesentliche reduziert hat. Das ist aber Recherche und Kürzung. Das, was den eigenen Part darstellt, fadenscheinige Handlung und klischeehafte Figuren, sind schlicht nicht der Rede wert, denn so etwas gibt es in jedem drittklassigen Werk, der keine müde Mark wert ist.
Seitenlang, in langwierigen Dialogen, erklärt der „schlaue“ Professor dem Tomás die Welt, dabei erzählt er viel Unsinn, seine Argumentation ist oft zum Lachen, er widerspricht auch eigenen Ausführungen, denn das Gespräch ist ja lang, da hat er vergessen, was er am Anfang gesagt hat. Im Großen und Ganzen wird hier Dataismus propagiert, sonst gibt es nichts Neues: Von menschlicher Intelligenz auf den nächstgelegenen Galaxien hat man schon in den achtziger Jahren des letzten Jh. gelesen. Dem Tomás fällt all der Humbug gar nicht auf. Der läuft eh wie ein Dummy durch den Roman und stolpert zuverlässig von einer Falle in die nächste. All diese Geheimdienstagenten und ihr Getue sind reine Staffage, die jeder Glaubwürdigkeit entbehrt und kaum etwas zur Spannung beiträgt, denn die Agenten liefern auch langwierige Dialoge, bei denen man perfekt einschlafen kann. Die sehr dürftige Schreibe zeichnet sich auch noch aus von ständigen Wortwiederholungen und regem Gebrauch von Hilfsverben: „war“ wohin das Auge reicht. Warum nach Worten rangen, wenn es so einfach geht?
Fazit: Leider habe ich keinen guten Eindruck von diesem Roman gewinnen können. Es handelt sich hier um das Werk eines Graphomanen, der weder Talent noch das Handwerk, noch eigene Inhalte hat, um lesenswerte Werke zustande bringen zu können. Figuren wie Plot sind unterdurchschnittlich, da die Figuren eher blass und schematisch sind, die Handlung oft unglaubwürdig und behelfsmäßig zusammengeschustert, die Art der Stoffdarbietung ist ebenfalls unterdurchschnittlich, denn das Ganze in ellenlange Dialoge zu packen ist kein Weg, der zu einem gelungenen Thriller führt, hier also auch max. zwei Sterne. Zudem wurde kein Klischee, das typisch für drittklassige Werke sind, ausgelassen. Das stark vereinfachte wissenschaftliche Teil verdient evtl. drei Sterne, aber diese Inhalte liest man doch lieber in guten Sachbüchern. Alles insg. zwei Sterne mit viel Wohlwollen und bitte nicht nochmal so etwas in der Art. Hab gesehen, dass da schon das nächste Werk des werten Autors angeschlagen ist. Dem sollte man sein Laptop entführen, damit er keinen weiteren möchte-gerne-Romane produzieren kann.

Veröffentlicht am 14.03.2017

Hopsgegangen.

Hopsgegangen
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„Hopsgegangen“ wurde als humorvoller Krimi voller Situationskomik angepriesen. Humorige Regio- Krimis lese ich sehr gerne und war auf eine entsprechende Lektüre gespannt. Leider, leider kam es anders. ...

„Hopsgegangen“ wurde als humorvoller Krimi voller Situationskomik angepriesen. Humorige Regio- Krimis lese ich sehr gerne und war auf eine entsprechende Lektüre gespannt. Leider, leider kam es anders. Das Buch entpuppte sich als starke Konkurrenz zu den gängigen Schlafmitteln: Ich konnte jedes Mal nach paar Seiten zuverlässig einschlafen. Phänomenal. Und somit wären wir beim Thema. Manipulationen im Pharmabereich ist nichts Neues. Dieses dankbare Feld wurde seit einigen Jahrzehnten von Thriller- und Krimiautoren oft und ausgiebig beackert. Auch in den TV- Berichten gaben es zu später Stunde hin und wieder haarsträubende Enthüllungsstories aus dieser Ecke. Aber gut, das Thema ist das Eine.
Auf das Wie kommt es in humorigen Krimis sehr stark an und hier konnte mich leider rein gar nichts überzeugen. Das erzählerische Können ist eher auf dem Möchte-gerne-Niveau. Das Ganze erinnerte mich an Malen nach Zahlen, wobei der Versuch, vom Masterplan abzuweichen, um mehr Komplexität zu gewinnen in einer Kaskade aus Unglaubwürdigkeiten und Absurditäten mündete. Der Plot wirke auf mich insg. zu konstruiert, zu „gemacht“ und herzlich wenig authentisch.
Die Figuren blieben leider eindimensional und schemenhaft. Mit dem „Helden“ der Geschichte, dem Privatdetektiv Lukas Born konnte ich nichts anfangen. Für die Heldenrolle taugt er nicht. Er ist nicht nur ein Pechvogel, sondern dümmlich noch dazu. Er braucht seinen Freund Uwe, der ihm erstmal erklären muss, was Sache war, und welche Rolle ihm, Born, in den Machenschaften der Pharma-Haie zugeteilt wurde. Glaubwürdigkeitsfragen, die in regelmäßigen Abständen auftauchten, sowohl bei den Figuren und erst recht bei der Handlung, sowie die peinlichen Flüchtigkeitsfehler, zahlreiche Klischees, der proletenhafte Sprech des Erzählers, etc. ließen mich das Buch oft genug aus der Hand legen. So etwas wie gelungene Situationskomik oder humorvolle Momente, bei denen man auflacht oder zumindest dauerhaft schmunzelt, ließen sich leider nicht entdecken. So etwas wie das Baden des Helden in den Kamellenexkrementen und derartige Dinge riefen bei mir bloß Kopfschütteln hervor.

Fazit: Mir war bei dieser Lukas Born Geschichte die Lust an humorigen Krimis „hopsgegangen“. Viel gewollt und wenig gekonnt. Mehr als zwei Sterne sind meiner Meinung nach nicht drin.