Profilbild von Wordworld_Sophia

Wordworld_Sophia

Lesejury Star
offline

Wordworld_Sophia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Wordworld_Sophia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.05.2020

Lässt mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurück...

Verity (Verity)
0

Auch wenn ich ein großer Fan von Colleen Hoovers Geschichten bin und beinahe alle gelesen habe, hatte ich nicht viel von "Verity" erwartet, weil es die Leserschaft als wirkliches Schock-Buch angepriesen ...

Auch wenn ich ein großer Fan von Colleen Hoovers Geschichten bin und beinahe alle gelesen habe, hatte ich nicht viel von "Verity" erwartet, weil es die Leserschaft als wirkliches Schock-Buch angepriesen hat und mich nicht mehr viel schockieren kann. Mittlerweile habe ich ein gutes Gespür für Wendungen und kann häufig den Verlauf von Geschichten vorhersagen. Auch bei diesem Roman dachte ich nach wenigen Seiten, ich hätte die Story durchschaut. Doch da habe ich meine Rechnung ohne die Autorin gemacht....

Das Cover ist mit den rosafarbenen Wolken, dem babyblauen Himmel, dem Schwarm winzig klein wirkender Wolken und dem großen, hervorstechenden Titel der Inbegriff einer nichtssagenden Coverschönheit, wie man sie mittlerweile genreübergreifend immer häufiger findet. Versteht mich nicht falsch - ich mag die Gestaltung wirklich sehr - aber angesichts der Abgründe, die die Autorin hier offenlegt, hätte ich etwas erwartet, was weniger "Liebesgeschichte" schreit. Letztendlich ist es aber wohl genau der Schrecken hinter der schönen Verpackung, welcher das Buch so spannend macht und gerade weil man von der Queen of Hearts keine Psychothriller-ähnliche Geschichte erwarten würde, erwischt die Dunkelheit zwischen den Seiten einen so eiskalt. Dass der Titel, der gleichzeitig Name der Frau ist, die Dreh- und Angelpunkt der Geschichte darstellt, und durch die Bedeutung - nämlich ironischerweise "Wahrheit" - den Hauptkonflikt vorwegnimmt, finde ich einfach nur genial.


Erster Satz: "Erst höre ich das Geräusch seines berstenden Schädels, dann spritzt mir sein Blut entgegen."


Schon der Beginn des ersten Kapitels wird alle verstören, die hier ganz dem Cover zufolge eine seichte Liebesgeschichte erwarten. Als hätte die Autorin es darauf angelegt, gleich ein Statement zu setzen und schon aus dem ersten Satz möglichst viel Schockpotential herauszuholen, starten wir mit einem blutigen Unfall auf den Straßen Manhattans ins Geschehen. Wen das abschrecken sollte, dem sein versichert: genau in diesem Stil geht die Geschichte auch weiter. Dass Lowen ihren neuen Auftraggeber Jeremy ausgerechnet mit der Gehirnmasse eines Unfallopfers bespritzt kennenlernt, scheint zwar ein denkbar schlechtes Omen zu sein, ist aber nichts im Vergleich zu dem Schrecken, der auf sie zu kommt, als sie das Angebot, die Thrillerreihe seiner verunglückten Frau Verity weiterzuschreiben, annimmt und in das Haus einer Familie zieht, die einiges durchmachen musste. Bald schon zweifelt die Jungautorin daran, dass die Crawfords einfach nur unglückliche Chroniker sind. Ist es ein Zufall, dass beide Töchter Harper und Chastin kurz hintereinander verunglückt sind und auch Verity nach einem Unfall nicht mehr ansprechbar ist, oder steckt etwas anderes hinter den Unglücksfällen? Neugierig geworden liest sie Veritys Autobiografie, die sie in einer Kiste in ihrem Arbeitszimmer findet und dabei entdeckt sie eine dunkle Wahrheit. Eine Wahrheit, die ihr neues Glück als erfolgreiche Autorin und ihre Liebe zu Jeremy zerstören wird...


"Die meisten Leute, die nach New York kommen, legen es darauf an, entdeckt zu werden. Wir Übrigen kommen hierher, um uns zu verstecken."



Leider kann ich euch nicht viel über den Verlauf der Handlung erzählen, weil ich sonst Wichtiges vorwegnehmen müsste. Fest steht nur, dass diese Geschichte ganz anders aufgezogen ist, als die emotionalen Liebesromane, die wir sonst von Colleen Hoover kennen. Hier entblößt die Autorin Abgründe, verdreht Wahrheiten, lockt auf falsche Fährten und zeigt keinerlei Erbarmen, sodass wir bald das Gefühle bekommen, einen waschechten Psychothriller vor uns zu haben. Auch wenn wir vor allem Lowens Gedanken und Gefühle aus der Ich-Perspektive verfolgen und durch sie als neugierige Eindringling in die Welt der Crawfords eintauchen, bekommen wir durch eingeschobene Kapitel aus Veritys Autobiografie, die wir parallel zu Lowen lesen können, eine weitere interessante Perspektive präsentiert. Dass diese Kapitel es ganz schön in sich haben, wird bald nicht nur Lowen klar und wir erleben, wie Lowens Sicht auf die Dinge durch einige wenige Worte komplett auf den Kopf gestellt wird. Besonders spannend ist, dass Colleen Hoover mit Lowens Reaktionen auf Veritys Kapitel meine eigenen Reaktionen als Leser erstaunlich treffsicher vorhergesagt und ins Buch miteinfließen lassen hat, sodass die Geschichte auf gruselige Art und Weise die Erzählgrenzen immer wieder durchbricht.

Auch wenn auf der reinen Handlungsebene nicht viel passiert - eigentlich durchstöbert Lowen nur Veritys Arbeitszimmer, isst mit Jeremy zu Abend und liest ab und an ein Kapitel aus Veritys Manuskript - steigt die Spannung mit jedem Kapitel mehr an. Ein beinahe leeres Geisterhaus, eine gruselige geistig abwesende Frau und ein dunkles Geheimnis, das Stück für Stück gelüftet wird - Colleen Hoover weiß ganz genau, wie sie den Leser durch geschickt platzierte Häppchen, neue Wendungen und schockierende Geheimnissen bei Stange halten muss und so ist es kein Wunder, dass ich den Roman an einem Mittag verschlungen habe. Die Autorin trifft mit ihrer gezielten Verwendung der Neugierde, der Sensationsgeilheit und der Faszination für menschliche Abgründe des Lesers voll ins Schwarze. Sobald man mit dem Lesen begonnen hat, will man unbedingt hinter die Wahrheit kommen und verspürt genau wie Verity auch eine krankhafte Neugier und Faszination für Veritys Abgründe, in die wir Kapitel für Kapitel tiefer hinabsteigen...


"Die jetzt folgenden Seiten werden teilweise so widerwärtig und bitter schmecken, dass ihr sie ausspucken möchtet, aber ihr werdet sie dennoch schlucken. Die Wörter werden zu einem Teil von euch werden, einem Teil eures Innersten, und dieser Prozess wird schmerzhaft sein. Und doch weiß ich, dass ihr sie euch - meiner großzügigen Warnung zum Trotz - weiter einverleiben werdet, weil ihr nun mal seid, was ihr seid.
Menschen.
Neugierig."


Auch hier schaffte Colleen Hoovers Schreibstil wieder, dass ich in einem Wechselbad der Gefühle gefangen war. Diesmal waren es jedoch keine Verliebtheit, Bewunderung, Enttäuschung, Sehnsucht oder andere hübsche Gefühle, wie bei ihren Liebesromanen zuvor. Stattdessen war ich abwechselnd angeekelt, entsetzt, schockiert, zutiefst traurig und gleichzeitig wütend auf die Geschichte, die Protagonisten und die Autorin, die uns treuen Lesern so etwas antut. Teilweise sehr explizite Szenen in vulgärer Sprache wechselten sich mit einfühlsamen Emotionsbeschreibungen ab, sodass ich ständig zwischen Ekel, Fassungslosigkeit, Mitgefühl und Bewunderung für Colleen Hoover schwankte. Diese Geschichte ist spannend, emotional, verstörend, brutal und noch vieles mehr - mir fallen noch endlos viele Adjektive zum Beschreiben ein, am besten trifft es jedoch "krass". Durch die beklemmende Situation Lowens im Haus der Crawfords, die vielen Geheimnisse und auch ihre eigene Altlasten, die sie nicht gerade zu einer Sonnenschein-Protagonistin machen, ist die Atmosphäre Großteils düster. Teilweise setzt die Autorin jedoch auch sehr subtile aber wirkungsvolle Horrorelemente ein, die die brodelnde Atmosphäre weiter einheizen.

An einer Stelle lässt Colleen Hoover ihre Protagonistin und gefeierte Psychothriller-Autorin Verity Crawford selbst schreiben, der Autor habe seine Aufgabe gut gemacht, wenn der Leser nach dem Lesen ein unbehagliches Gefühl von Abneigung gegenüber den Protagonisten empfindet - und genau das hat Frau Hoover hier geschafft. Immer wieder wollte ich das Buch weglegen und nicht mehr weiterlesen, weil ich vor allem von Veritys Kapiteln genau wie Lowen emotional sehr mitgenommen wurde. Gleichzeitig mag man Lowen und Jeremy, auch wenn sie absolut keine Identifikationsfiguren oder Sympathieträger sind, wie Colleens andere Protagonisten. Während Lowen unsicher, zynisch und alles andere als emotional gefestigt ist, kann man als Leser Jeremy bis zum Schluss nicht zu 100% trauen, auch wenn er auf den ersten Blick wie der perfekte Ehemann und liebevolle Vorzeigevater erscheint. Deshalb bleibt auch die sich entwickelnde Liebesgeschichte der Beiden sehr im Hintergrund - auch der Autorin schien klar zu sein, dass man sich noch nicht auf die Beiden einlassen kann, solange man noch nicht weiß, was tatsächlich in dem großen, dunklen Haus der Crawfords vor sich geht.


"An dem Ort, an den ich mit euch gehen werde, ist kein Licht. Und das war meine letzte Warnung.
Dunkelheit voraus."


Dichte Thriller-Atmosphäre, schwierige Protagonisten, ein fesselnder Schreibstil, sehr heftige Szenen und ein undurchsichtiger Plotaufbau - all das schätze ich an "Verity", was mich aber zu einem wirklichen Fan der Geschichte gemacht hat, war das Ende. Denn dieses beinhaltet eine 180 Grad Wendung, die man der Geschichte nicht zugetraut hätte, die jedoch schockiert zurück lässt. Das Ende ist frustrierend offen, faszinierend mehrdeutig und hassenswert unbefriedigend, weshalb es sicherlich auch nicht allen Lesern gefallen wird. Mit viel Spielraum für Interpretationen und großem Schockpotential hat es meiner Meinung nach jedoch der sowieso schon ungewöhnlichen Geschichte eine Krone aufgesetzt und diesen Roman zu meinem ersten echten Jahreshighlight 2020 werden lassen.

Meine Rezension beenden will ich mit einem Zitat, das Lowen über Veritys Manuskript schreibt, aber auch meine Erfahrung mit "Verity" ziemlich genau auf den Punkt bringt:

"So entsetzlich ich das finde, was sie schreibt, kann ich doch nicht aufhören, es zu lesen. Es ist wie ein schreckliches Zugunglück, von dem man den Blick nicht abwenden kann."




Fazit:


"Verity" ist düster, vielschichtig, schockieren, spannend, emotional und lässt mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurück. Colleen Hoover Autorin trifft mit ihrer gezielten Verwendung der Neugierde, der Sensationsgeilheit und der Faszination für menschliche Abgründe des Lesers voll ins Schwarze und hat hier eine beeindruckende Thriller-Romanze geschrieben, die ich sobald nicht mehr vergessen werde.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.05.2020

Lässt mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurück...

Verity
0

Auch wenn ich ein großer Fan von Colleen Hoovers Geschichten bin und beinahe alle gelesen habe, hatte ich nicht viel von "Verity" erwartet, weil es die Leserschaft als wirkliches Schock-Buch angepriesen ...

Auch wenn ich ein großer Fan von Colleen Hoovers Geschichten bin und beinahe alle gelesen habe, hatte ich nicht viel von "Verity" erwartet, weil es die Leserschaft als wirkliches Schock-Buch angepriesen hat und mich nicht mehr viel schockieren kann. Mittlerweile habe ich ein gutes Gespür für Wendungen und kann häufig den Verlauf von Geschichten vorhersagen. Auch bei diesem Roman dachte ich nach wenigen Seiten, ich hätte die Story durchschaut. Doch da habe ich meine Rechnung ohne die Autorin gemacht....

Das Cover ist mit den rosafarbenen Wolken, dem babyblauen Himmel, dem Schwarm winzig klein wirkender Wolken und dem großen, hervorstechenden Titel der Inbegriff einer nichtssagenden Coverschönheit, wie man sie mittlerweile genreübergreifend immer häufiger findet. Versteht mich nicht falsch - ich mag die Gestaltung wirklich sehr - aber angesichts der Abgründe, die die Autorin hier offenlegt, hätte ich etwas erwartet, was weniger "Liebesgeschichte" schreit. Letztendlich ist es aber wohl genau der Schrecken hinter der schönen Verpackung, welcher das Buch so spannend macht und gerade weil man von der Queen of Hearts keine Psychothriller-ähnliche Geschichte erwarten würde, erwischt die Dunkelheit zwischen den Seiten einen so eiskalt. Dass der Titel, der gleichzeitig Name der Frau ist, die Dreh- und Angelpunkt der Geschichte darstellt, und durch die Bedeutung - nämlich ironischerweise "Wahrheit" - den Hauptkonflikt vorwegnimmt, finde ich einfach nur genial.


Erster Satz: "Erst höre ich das Geräusch seines berstenden Schädels, dann spritzt mir sein Blut entgegen."


Schon der Beginn des ersten Kapitels wird alle verstören, die hier ganz dem Cover zufolge eine seichte Liebesgeschichte erwarten. Als hätte die Autorin es darauf angelegt, gleich ein Statement zu setzen und schon aus dem ersten Satz möglichst viel Schockpotential herauszuholen, starten wir mit einem blutigen Unfall auf den Straßen Manhattans ins Geschehen. Wen das abschrecken sollte, dem sein versichert: genau in diesem Stil geht die Geschichte auch weiter. Dass Lowen ihren neuen Auftraggeber Jeremy ausgerechnet mit der Gehirnmasse eines Unfallopfers bespritzt kennenlernt, scheint zwar ein denkbar schlechtes Omen zu sein, ist aber nichts im Vergleich zu dem Schrecken, der auf sie zu kommt, als sie das Angebot, die Thrillerreihe seiner verunglückten Frau Verity weiterzuschreiben, annimmt und in das Haus einer Familie zieht, die einiges durchmachen musste. Bald schon zweifelt die Jungautorin daran, dass die Crawfords einfach nur unglückliche Chroniker sind. Ist es ein Zufall, dass beide Töchter Harper und Chastin kurz hintereinander verunglückt sind und auch Verity nach einem Unfall nicht mehr ansprechbar ist, oder steckt etwas anderes hinter den Unglücksfällen? Neugierig geworden liest sie Veritys Autobiografie, die sie in einer Kiste in ihrem Arbeitszimmer findet und dabei entdeckt sie eine dunkle Wahrheit. Eine Wahrheit, die ihr neues Glück als erfolgreiche Autorin und ihre Liebe zu Jeremy zerstören wird...


"Die meisten Leute, die nach New York kommen, legen es darauf an, entdeckt zu werden. Wir Übrigen kommen hierher, um uns zu verstecken."



Leider kann ich euch nicht viel über den Verlauf der Handlung erzählen, weil ich sonst Wichtiges vorwegnehmen müsste. Fest steht nur, dass diese Geschichte ganz anders aufgezogen ist, als die emotionalen Liebesromane, die wir sonst von Colleen Hoover kennen. Hier entblößt die Autorin Abgründe, verdreht Wahrheiten, lockt auf falsche Fährten und zeigt keinerlei Erbarmen, sodass wir bald das Gefühle bekommen, einen waschechten Psychothriller vor uns zu haben. Auch wenn wir vor allem Lowens Gedanken und Gefühle aus der Ich-Perspektive verfolgen und durch sie als neugierige Eindringling in die Welt der Crawfords eintauchen, bekommen wir durch eingeschobene Kapitel aus Veritys Autobiografie, die wir parallel zu Lowen lesen können, eine weitere interessante Perspektive präsentiert. Dass diese Kapitel es ganz schön in sich haben, wird bald nicht nur Lowen klar und wir erleben, wie Lowens Sicht auf die Dinge durch einige wenige Worte komplett auf den Kopf gestellt wird. Besonders spannend ist, dass Colleen Hoover mit Lowens Reaktionen auf Veritys Kapitel meine eigenen Reaktionen als Leser erstaunlich treffsicher vorhergesagt und ins Buch miteinfließen lassen hat, sodass die Geschichte auf gruselige Art und Weise die Erzählgrenzen immer wieder durchbricht.

Auch wenn auf der reinen Handlungsebene nicht viel passiert - eigentlich durchstöbert Lowen nur Veritys Arbeitszimmer, isst mit Jeremy zu Abend und liest ab und an ein Kapitel aus Veritys Manuskript - steigt die Spannung mit jedem Kapitel mehr an. Ein beinahe leeres Geisterhaus, eine gruselige geistig abwesende Frau und ein dunkles Geheimnis, das Stück für Stück gelüftet wird - Colleen Hoover weiß ganz genau, wie sie den Leser durch geschickt platzierte Häppchen, neue Wendungen und schockierende Geheimnissen bei Stange halten muss und so ist es kein Wunder, dass ich den Roman an einem Mittag verschlungen habe. Die Autorin trifft mit ihrer gezielten Verwendung der Neugierde, der Sensationsgeilheit und der Faszination für menschliche Abgründe des Lesers voll ins Schwarze. Sobald man mit dem Lesen begonnen hat, will man unbedingt hinter die Wahrheit kommen und verspürt genau wie Verity auch eine krankhafte Neugier und Faszination für Veritys Abgründe, in die wir Kapitel für Kapitel tiefer hinabsteigen...


"Die jetzt folgenden Seiten werden teilweise so widerwärtig und bitter schmecken, dass ihr sie ausspucken möchtet, aber ihr werdet sie dennoch schlucken. Die Wörter werden zu einem Teil von euch werden, einem Teil eures Innersten, und dieser Prozess wird schmerzhaft sein. Und doch weiß ich, dass ihr sie euch - meiner großzügigen Warnung zum Trotz - weiter einverleiben werdet, weil ihr nun mal seid, was ihr seid.
Menschen.
Neugierig."


Auch hier schaffte Colleen Hoovers Schreibstil wieder, dass ich in einem Wechselbad der Gefühle gefangen war. Diesmal waren es jedoch keine Verliebtheit, Bewunderung, Enttäuschung, Sehnsucht oder andere hübsche Gefühle, wie bei ihren Liebesromanen zuvor. Stattdessen war ich abwechselnd angeekelt, entsetzt, schockiert, zutiefst traurig und gleichzeitig wütend auf die Geschichte, die Protagonisten und die Autorin, die uns treuen Lesern so etwas antut. Teilweise sehr explizite Szenen in vulgärer Sprache wechselten sich mit einfühlsamen Emotionsbeschreibungen ab, sodass ich ständig zwischen Ekel, Fassungslosigkeit, Mitgefühl und Bewunderung für Colleen Hoover schwankte. Diese Geschichte ist spannend, emotional, verstörend, brutal und noch vieles mehr - mir fallen noch endlos viele Adjektive zum Beschreiben ein, am besten trifft es jedoch "krass". Durch die beklemmende Situation Lowens im Haus der Crawfords, die vielen Geheimnisse und auch ihre eigene Altlasten, die sie nicht gerade zu einer Sonnenschein-Protagonistin machen, ist die Atmosphäre Großteils düster. Teilweise setzt die Autorin jedoch auch sehr subtile aber wirkungsvolle Horrorelemente ein, die die brodelnde Atmosphäre weiter einheizen.

An einer Stelle lässt Colleen Hoover ihre Protagonistin und gefeierte Psychothriller-Autorin Verity Crawford selbst schreiben, der Autor habe seine Aufgabe gut gemacht, wenn der Leser nach dem Lesen ein unbehagliches Gefühl von Abneigung gegenüber den Protagonisten empfindet - und genau das hat Frau Hoover hier geschafft. Immer wieder wollte ich das Buch weglegen und nicht mehr weiterlesen, weil ich vor allem von Veritys Kapiteln genau wie Lowen emotional sehr mitgenommen wurde. Gleichzeitig mag man Lowen und Jeremy, auch wenn sie absolut keine Identifikationsfiguren oder Sympathieträger sind, wie Colleens andere Protagonisten. Während Lowen unsicher, zynisch und alles andere als emotional gefestigt ist, kann man als Leser Jeremy bis zum Schluss nicht zu 100% trauen, auch wenn er auf den ersten Blick wie der perfekte Ehemann und liebevolle Vorzeigevater erscheint. Deshalb bleibt auch die sich entwickelnde Liebesgeschichte der Beiden sehr im Hintergrund - auch der Autorin schien klar zu sein, dass man sich noch nicht auf die Beiden einlassen kann, solange man noch nicht weiß, was tatsächlich in dem großen, dunklen Haus der Crawfords vor sich geht.


"An dem Ort, an den ich mit euch gehen werde, ist kein Licht. Und das war meine letzte Warnung.
Dunkelheit voraus."


Dichte Thriller-Atmosphäre, schwierige Protagonisten, ein fesselnder Schreibstil, sehr heftige Szenen und ein undurchsichtiger Plotaufbau - all das schätze ich an "Verity", was mich aber zu einem wirklichen Fan der Geschichte gemacht hat, war das Ende. Denn dieses beinhaltet eine 180 Grad Wendung, die man der Geschichte nicht zugetraut hätte, die jedoch schockiert zurück lässt. Das Ende ist frustrierend offen, faszinierend mehrdeutig und hassenswert unbefriedigend, weshalb es sicherlich auch nicht allen Lesern gefallen wird. Mit viel Spielraum für Interpretationen und großem Schockpotential hat es meiner Meinung nach jedoch der sowieso schon ungewöhnlichen Geschichte eine Krone aufgesetzt und diesen Roman zu meinem ersten echten Jahreshighlight 2020 werden lassen.

Meine Rezension beenden will ich mit einem Zitat, das Lowen über Veritys Manuskript schreibt, aber auch meine Erfahrung mit "Verity" ziemlich genau auf den Punkt bringt:

"So entsetzlich ich das finde, was sie schreibt, kann ich doch nicht aufhören, es zu lesen. Es ist wie ein schreckliches Zugunglück, von dem man den Blick nicht abwenden kann."




Fazit:


"Verity" ist düster, vielschichtig, schockieren, spannend, emotional und lässt mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurück. Colleen Hoover Autorin trifft mit ihrer gezielten Verwendung der Neugierde, der Sensationsgeilheit und der Faszination für menschliche Abgründe des Lesers voll ins Schwarze und hat hier eine beeindruckende Thriller-Romanze geschrieben, die ich sobald nicht mehr vergessen werde.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.05.2020

Lässt mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurück...

Verity
0

Auch wenn ich ein großer Fan von Colleen Hoovers Geschichten bin und beinahe alle gelesen habe, hatte ich nicht viel von "Verity" erwartet, weil es die Leserschaft als wirkliches Schock-Buch angepriesen ...

Auch wenn ich ein großer Fan von Colleen Hoovers Geschichten bin und beinahe alle gelesen habe, hatte ich nicht viel von "Verity" erwartet, weil es die Leserschaft als wirkliches Schock-Buch angepriesen hat und mich nicht mehr viel schockieren kann. Mittlerweile habe ich ein gutes Gespür für Wendungen und kann häufig den Verlauf von Geschichten vorhersagen. Auch bei diesem Roman dachte ich nach wenigen Seiten, ich hätte die Story durchschaut. Doch da habe ich meine Rechnung ohne die Autorin gemacht....

Das Cover ist mit den rosafarbenen Wolken, dem babyblauen Himmel, dem Schwarm winzig klein wirkender Wolken und dem großen, hervorstechenden Titel der Inbegriff einer nichtssagenden Coverschönheit, wie man sie mittlerweile genreübergreifend immer häufiger findet. Versteht mich nicht falsch - ich mag die Gestaltung wirklich sehr - aber angesichts der Abgründe, die die Autorin hier offenlegt, hätte ich etwas erwartet, was weniger "Liebesgeschichte" schreit. Letztendlich ist es aber wohl genau der Schrecken hinter der schönen Verpackung, welcher das Buch so spannend macht und gerade weil man von der Queen of Hearts keine Psychothriller-ähnliche Geschichte erwarten würde, erwischt die Dunkelheit zwischen den Seiten einen so eiskalt. Dass der Titel, der gleichzeitig Name der Frau ist, die Dreh- und Angelpunkt der Geschichte darstellt, und durch die Bedeutung - nämlich ironischerweise "Wahrheit" - den Hauptkonflikt vorwegnimmt, finde ich einfach nur genial.


Erster Satz: "Erst höre ich das Geräusch seines berstenden Schädels, dann spritzt mir sein Blut entgegen."


Schon der Beginn des ersten Kapitels wird alle verstören, die hier ganz dem Cover zufolge eine seichte Liebesgeschichte erwarten. Als hätte die Autorin es darauf angelegt, gleich ein Statement zu setzen und schon aus dem ersten Satz möglichst viel Schockpotential herauszuholen, starten wir mit einem blutigen Unfall auf den Straßen Manhattans ins Geschehen. Wen das abschrecken sollte, dem sein versichert: genau in diesem Stil geht die Geschichte auch weiter. Dass Lowen ihren neuen Auftraggeber Jeremy ausgerechnet mit der Gehirnmasse eines Unfallopfers bespritzt kennenlernt, scheint zwar ein denkbar schlechtes Omen zu sein, ist aber nichts im Vergleich zu dem Schrecken, der auf sie zu kommt, als sie das Angebot, die Thrillerreihe seiner verunglückten Frau Verity weiterzuschreiben, annimmt und in das Haus einer Familie zieht, die einiges durchmachen musste. Bald schon zweifelt die Jungautorin daran, dass die Crawfords einfach nur unglückliche Chroniker sind. Ist es ein Zufall, dass beide Töchter Harper und Chastin kurz hintereinander verunglückt sind und auch Verity nach einem Unfall nicht mehr ansprechbar ist, oder steckt etwas anderes hinter den Unglücksfällen? Neugierig geworden liest sie Veritys Autobiografie, die sie in einer Kiste in ihrem Arbeitszimmer findet und dabei entdeckt sie eine dunkle Wahrheit. Eine Wahrheit, die ihr neues Glück als erfolgreiche Autorin und ihre Liebe zu Jeremy zerstören wird...


"Die meisten Leute, die nach New York kommen, legen es darauf an, entdeckt zu werden. Wir Übrigen kommen hierher, um uns zu verstecken."



Leider kann ich euch nicht viel über den Verlauf der Handlung erzählen, weil ich sonst Wichtiges vorwegnehmen müsste. Fest steht nur, dass diese Geschichte ganz anders aufgezogen ist, als die emotionalen Liebesromane, die wir sonst von Colleen Hoover kennen. Hier entblößt die Autorin Abgründe, verdreht Wahrheiten, lockt auf falsche Fährten und zeigt keinerlei Erbarmen, sodass wir bald das Gefühle bekommen, einen waschechten Psychothriller vor uns zu haben. Auch wenn wir vor allem Lowens Gedanken und Gefühle aus der Ich-Perspektive verfolgen und durch sie als neugierige Eindringling in die Welt der Crawfords eintauchen, bekommen wir durch eingeschobene Kapitel aus Veritys Autobiografie, die wir parallel zu Lowen lesen können, eine weitere interessante Perspektive präsentiert. Dass diese Kapitel es ganz schön in sich haben, wird bald nicht nur Lowen klar und wir erleben, wie Lowens Sicht auf die Dinge durch einige wenige Worte komplett auf den Kopf gestellt wird. Besonders spannend ist, dass Colleen Hoover mit Lowens Reaktionen auf Veritys Kapitel meine eigenen Reaktionen als Leser erstaunlich treffsicher vorhergesagt und ins Buch miteinfließen lassen hat, sodass die Geschichte auf gruselige Art und Weise die Erzählgrenzen immer wieder durchbricht.

Auch wenn auf der reinen Handlungsebene nicht viel passiert - eigentlich durchstöbert Lowen nur Veritys Arbeitszimmer, isst mit Jeremy zu Abend und liest ab und an ein Kapitel aus Veritys Manuskript - steigt die Spannung mit jedem Kapitel mehr an. Ein beinahe leeres Geisterhaus, eine gruselige geistig abwesende Frau und ein dunkles Geheimnis, das Stück für Stück gelüftet wird - Colleen Hoover weiß ganz genau, wie sie den Leser durch geschickt platzierte Häppchen, neue Wendungen und schockierende Geheimnissen bei Stange halten muss und so ist es kein Wunder, dass ich den Roman an einem Mittag verschlungen habe. Die Autorin trifft mit ihrer gezielten Verwendung der Neugierde, der Sensationsgeilheit und der Faszination für menschliche Abgründe des Lesers voll ins Schwarze. Sobald man mit dem Lesen begonnen hat, will man unbedingt hinter die Wahrheit kommen und verspürt genau wie Verity auch eine krankhafte Neugier und Faszination für Veritys Abgründe, in die wir Kapitel für Kapitel tiefer hinabsteigen...


"Die jetzt folgenden Seiten werden teilweise so widerwärtig und bitter schmecken, dass ihr sie ausspucken möchtet, aber ihr werdet sie dennoch schlucken. Die Wörter werden zu einem Teil von euch werden, einem Teil eures Innersten, und dieser Prozess wird schmerzhaft sein. Und doch weiß ich, dass ihr sie euch - meiner großzügigen Warnung zum Trotz - weiter einverleiben werdet, weil ihr nun mal seid, was ihr seid.
Menschen.
Neugierig."


Auch hier schaffte Colleen Hoovers Schreibstil wieder, dass ich in einem Wechselbad der Gefühle gefangen war. Diesmal waren es jedoch keine Verliebtheit, Bewunderung, Enttäuschung, Sehnsucht oder andere hübsche Gefühle, wie bei ihren Liebesromanen zuvor. Stattdessen war ich abwechselnd angeekelt, entsetzt, schockiert, zutiefst traurig und gleichzeitig wütend auf die Geschichte, die Protagonisten und die Autorin, die uns treuen Lesern so etwas antut. Teilweise sehr explizite Szenen in vulgärer Sprache wechselten sich mit einfühlsamen Emotionsbeschreibungen ab, sodass ich ständig zwischen Ekel, Fassungslosigkeit, Mitgefühl und Bewunderung für Colleen Hoover schwankte. Diese Geschichte ist spannend, emotional, verstörend, brutal und noch vieles mehr - mir fallen noch endlos viele Adjektive zum Beschreiben ein, am besten trifft es jedoch "krass". Durch die beklemmende Situation Lowens im Haus der Crawfords, die vielen Geheimnisse und auch ihre eigene Altlasten, die sie nicht gerade zu einer Sonnenschein-Protagonistin machen, ist die Atmosphäre Großteils düster. Teilweise setzt die Autorin jedoch auch sehr subtile aber wirkungsvolle Horrorelemente ein, die die brodelnde Atmosphäre weiter einheizen.

An einer Stelle lässt Colleen Hoover ihre Protagonistin und gefeierte Psychothriller-Autorin Verity Crawford selbst schreiben, der Autor habe seine Aufgabe gut gemacht, wenn der Leser nach dem Lesen ein unbehagliches Gefühl von Abneigung gegenüber den Protagonisten empfindet - und genau das hat Frau Hoover hier geschafft. Immer wieder wollte ich das Buch weglegen und nicht mehr weiterlesen, weil ich vor allem von Veritys Kapiteln genau wie Lowen emotional sehr mitgenommen wurde. Gleichzeitig mag man Lowen und Jeremy, auch wenn sie absolut keine Identifikationsfiguren oder Sympathieträger sind, wie Colleens andere Protagonisten. Während Lowen unsicher, zynisch und alles andere als emotional gefestigt ist, kann man als Leser Jeremy bis zum Schluss nicht zu 100% trauen, auch wenn er auf den ersten Blick wie der perfekte Ehemann und liebevolle Vorzeigevater erscheint. Deshalb bleibt auch die sich entwickelnde Liebesgeschichte der Beiden sehr im Hintergrund - auch der Autorin schien klar zu sein, dass man sich noch nicht auf die Beiden einlassen kann, solange man noch nicht weiß, was tatsächlich in dem großen, dunklen Haus der Crawfords vor sich geht.


"An dem Ort, an den ich mit euch gehen werde, ist kein Licht. Und das war meine letzte Warnung.
Dunkelheit voraus."


Dichte Thriller-Atmosphäre, schwierige Protagonisten, ein fesselnder Schreibstil, sehr heftige Szenen und ein undurchsichtiger Plotaufbau - all das schätze ich an "Verity", was mich aber zu einem wirklichen Fan der Geschichte gemacht hat, war das Ende. Denn dieses beinhaltet eine 180 Grad Wendung, die man der Geschichte nicht zugetraut hätte, die jedoch schockiert zurück lässt. Das Ende ist frustrierend offen, faszinierend mehrdeutig und hassenswert unbefriedigend, weshalb es sicherlich auch nicht allen Lesern gefallen wird. Mit viel Spielraum für Interpretationen und großem Schockpotential hat es meiner Meinung nach jedoch der sowieso schon ungewöhnlichen Geschichte eine Krone aufgesetzt und diesen Roman zu meinem ersten echten Jahreshighlight 2020 werden lassen.

Meine Rezension beenden will ich mit einem Zitat, das Lowen über Veritys Manuskript schreibt, aber auch meine Erfahrung mit "Verity" ziemlich genau auf den Punkt bringt:

"So entsetzlich ich das finde, was sie schreibt, kann ich doch nicht aufhören, es zu lesen. Es ist wie ein schreckliches Zugunglück, von dem man den Blick nicht abwenden kann."




Fazit:


"Verity" ist düster, vielschichtig, schockieren, spannend, emotional und lässt mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurück. Colleen Hoover Autorin trifft mit ihrer gezielten Verwendung der Neugierde, der Sensationsgeilheit und der Faszination für menschliche Abgründe des Lesers voll ins Schwarze und hat hier eine beeindruckende Thriller-Romanze geschrieben, die ich sobald nicht mehr vergessen werde.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.11.2019

1104 Seiten pure Spannung, Epos und Leidenschaft - der absolute Wahnsinn!

Throne of Glass 7: Herrscherin über Asche und Zorn
0


"Es war einmal, in einem Land, das längst zu Asche verbrannt ist, eine junge Prinzessin, die ihr Königreich liebte..."

Ich habe diesen siebten Teil gleich nach der Erscheinung gekauft, mich ganz lange ...


"Es war einmal, in einem Land, das längst zu Asche verbrannt ist, eine junge Prinzessin, die ihr Königreich liebte..."


Ich habe diesen siebten Teil gleich nach der Erscheinung gekauft, mich ganz lange aber nicht herangetraut da ich auf der einen Seite die Vorfreunde noch ein wenig herauszögern wollte, auf der anderen Seite aber auch Angst vor einer Enttäuschung hatte. Das wies sich als total unbegründet heraus - Sarah J. Maas setzt uns hier mal wieder ein ultimatives Fantasy-Epos vor, das an Bildgewalt, emotionaler Tiefe und Plotkonstruktion kaum noch zu übertreffen ist. Ich kann gar nicht sagen wie sehr ich diese Welt und ihre Bewohner liebe und wieder jeden Lesemoment genossen habe! Mein Herz platzte vor lauter Gefühlen fast und ich habe die 1104 Seiten in drei Tagen weggelesen, weil ich einfach nicht aufhören konnte. Wir werden auf eine unglaublich epische Achterbahnfahrt gefüllt mit den unterschiedlichsten Facetten und Farben mitgenommen: eine Geschichte, die an Genialität, Gefühlen, Atmosphäre, Nervenkitzel und purem Lesevergnügen nicht mehr zu übertreffen ist (außer vielleicht durch weitere Bände der Autorin, die hoffentlich bald kommen werden...)!


Erster Satz: "Er suchte nach ihr, seit man sie ihm geraubt hatte."

Doch bevor ich meine Lobeshymne beginnen will, erst noch ein paar Bemerkungen zur Gestaltung. Auch der siebte Teil reiht sich wieder in die Gestaltung ein und wenn ich am Anfang den "mangamäßigen" Motiven noch sehr kritisch gegenüberstand, muss ich echt sagen, dass sie mir mit jedem Band besser gefallen. Denn auch hier kann man sofort Aelin wiedererkennen: stark, unerschrocken, in eine imposante Rüstung gekleidet, kämpferisch mit dem Schwert in der Hand und mächtig mit ihren Flammen und ihrer Wassermagie - eine dunkle Königin und mächtige Magierin! Schön sind auch die vielen passenden Details wie der rote Rubin von Goldryn oder wehende Umhang in den Farben Terrasens. Wieder ist der Hintergrund weiß und unsere Lieblingsprotagonistin wird von ihrer Feuermagie umgeben. Mit seinen 1104 Seiten ist dieser Band der längste der Reihe - die Länge hat zusammen mit der Qualität und der Bandnummerierung zugenommen - und somit als Taschenbuch äußerst schwierig zu lesen. Ich bin aber sehr dankbar, dass der Verlag nicht auf die Idee gekommen ist, den Band geteilt herauszubringen. Mit sieben Bänden ist die Reihe umfangreich genug! Die vorangestellte Karte von Erilea hilft mal wieder sehr, den Überblick über die etlichen Handlungsorten zu behalten, vor allem da die Protagonisten hier gerade zu Beginn viel herumreisen und sich an den unterschiedlichsten Ecken und Enden der Königreiche aufhalten. Für all die Leser, bei denen (wie bei mir) die Lektüre der vorangegangenen Bände schon eine Weile zurückliegt, hätte sich vielleicht ein Glossar angeboten. Die Geschichte ist mit ihren vielen Protagonisten und Nebenfiguren, Handlungsorten, Bündnissen, Intrigen und der langen Zeitspanne der Erzählung doch sehr komplex und ich hätte es sehr hilfreich gefunden, ab und zu einen Begriff nachschlagen zu können. Ein Glück gibt es ja ein umfangreiches "Throne of Glass"-Wiki...


„Während alle anderen Sternbilder vorbeigezogen waren, war der Herr des Nordens geblieben, und der unsterbliche Stern zwischen den Ästen seines Geweihs wies den Weg nach Hause. Nach Terrasen. "Sag ihm, dass er kämpfen muss. Er muss Terrasen retten und sich an die Schwüre halten, die er mir geleistet hat." Die Zeit war nicht auf ihrer Seite, wegen Maeve, wegen des Krieges, der erneut auf ihrem eigenen Kontinent entbrannte. Aber er hatte nicht die Absicht, ohne sie zurückzukehren, ganz gleich, worum sie ihn zum Abschied gebeten hatte, ungeachtet der Eide, die er bei der Heirat mit ihr geschworen hatte, Terrasen zu bewachen und zu regieren. "Und sag ihm danke - dass er diesen dunklen Pfad mit mir zurück ins Licht gegangen ist." Es war ihm eine Ehre gewesen. Von Anfang an war es ihm eine Ehre gewesen, die größte seines unsterblichen Lebens."


Nach zwei vorangestellten Prologen aus der Sicht des "Prinzen" (Rowan) und der "Prinzessin" (Aelin) starten wir in den ersten und umfangreichsten der beiden Teile "Armeen und Verbündete".
Ich muss zugeben, auch wenn ich gefühlsmäßig sofort wieder in der Handlung war und gepackt wurde, hatte ich schon wieder viele Details und Einzelheiten der an eben jenen nicht besonders armen vorhergegangenen Bänden vergessen, sodass ich immer eine ganze Weile gebraucht habe, um Zusammenhänge und Anspielungen zu verstehen. Da spielte ebenfalls mit hinein, dass die anfänglichen Beziehungsprobleme zwischen Elide und Lorcan sowie Aedion und Lysandra etwas gekünstelt nicht notwendig erschienen. Ein weiterer Punkt, der mir den Einstieg in die Geschichte erschwert hat, ist dass ich es leider verpasst habe, Chaols Geschichte zu lesen, welche zwischen Band "Sturmbringerin" und "Herrscherin über Asche und Zorn" spielt. Da ich Chaol eigentlich immer als recht langweilige Randfigur empfunden hatte, befand ich es nicht für notwendig, den Zwischenteil zu lesen, doch das habe ich im ersten Drittel dieses Bandes bald bereut. Zwar wird die Wissenslücke über Yrene, Chaol, die Armee des Großkhanats und die Ruk-Reiter im Laufe der Geschichte langsam gefüllt, es verbleibt aber trotzdem ein unbefriedigendes Loch im Gesamtkonstrukt, wenn man "Throne of Glass 6 - Der verwundete Krieger" nicht gelesen hat.

Wieder bekommen wir die Gesamtgeschichte aus verschiedenen Perspektiven an verschiedenen Orten vermittelt. Während Gavriel, Lorcan, Elide und Rowan in Wendlyn nach Aelin suchen, kämpfen Lysandra, Aedion mit den Truppen Terrasens gegen die Truppen Moraths um ihre Heimat während der Abwesenheit ihrer Königin zu schützen. Mindestens genauso unmöglich ist Manons, Dorians Ziel, die zusammen mit der Dreizehn in den White Fangs unterwegs sind um den dritten Wyrdschlüssel zu suchen und eine die verfeindeten Crochans und Ironteeth zu einer Armee zu vereinen. Derweil reisen Chaol und seine Frau Yrene mit der Armee des Großkhanats durch das Land und versuchen, Ardalans Städte auf dem Weg nach Terrasen vor Moraths Truppen zu schützen. Dabei sind alle der Handlungsstränge so spannend und berührend entwickelt, dass ich diesmal gar nicht wusste, welchen ich am spannendsten fand und sich bei einem Perspektivwechsel Bedauern und Vorfreude die Hand gaben.


"Das Licht der Krone tanzte über Manons Gesicht, als sie sie über ihren Kopf hob und sie sich auf ihr offenes, weißes Haar setzte. (...) Manon leuchtete, als pulsierten die Sterne auf ihrem Kopf durch ihren Körper. Eine wundersame und mächtige Schönheit wie keine andere auf der Welt. Wie keine, die je existiert hatte oder je wieder existieren würde. Die Crochan-Königin, neu gekrönt."


Die Fokussierung der Erzählweise hat genau wie die Handlungsorte, die Charaktere und der Schreibstil einen deutlichen Wandel über die Bände hinweg hinter sich. Nachdem wir Celeana zuerst im harten Wettkampf als kaltherzige Assassine kennenlernten, der zweite Teil sich dann eher auf die Intrigen am Hof des Königs konzentrierte, "Throne of Glass - Erbin des Feuers" eine eher dunkle, düstere und magische Fortsetzung war, die sehr viel mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere spielt, sich der vierten Teil vor allem auf die globalen Entwicklungen im Mächteverhältnis in Erilea durch viele epische Szenen und Action konzentrierte und wir im fünften Teil unsere Protagonisten auf ihrer Suche nach Verbündeten für den großen Kampf begleiteten, kommt es hier nun endlich zum großen Endkampf aller Parteien, der über sechs Bände hinweg vorbereitet wurde. Dazu reisen wir wieder durch ganz Erilea, lernen viele neuen Parteien kennen, treffen alte Bekannte wieder, erfahren mehr über die Vergangenheit des Kontinents und ihrer Bewohner und sehen zu, wie sich das komplexe Netz aus Intrigen, Beziehungen und Macht immer weiter zuzieht bis sich sowohl Erawans dunkle Armee, Maeves Fae, Manons Hexen, Chaols Großkhanat und Aelins Verbündete zu der wohl epischsten Schlacht seit der Welt der Bücher vor den Toren Orynths treffen. Dadurch dass die Protagonisten immer in Bewegung sind und sich Schritt für Schritt wieder treffen, bietet sich natürlich die ein oder andere Gelegenheit für eine epische Schlacht oder eine überraschende Wendung, welche die gute alte Sarah natürlich immer bis zum Anschlag ausnutzt: wieder und wieder hat mich das Buch eiskalt erwischt und aufs Neue entsetzt und begeistert!

Mir gefällt es, wie die ganze Geschichte lebt. Manche Fantasy-Welten werden einmal aufgebaut und dann spielt sich die Handlung in diesem statischen Bühnenbild ab. Doch nicht bei dieser Reihe: Ständig verändert sich der Fokus, der Blickwinkel, der Handlungsort der Geschichte, es werden neue Dinge aufgenommen, bestehende ändern sich - eine stetige Entwicklung, die die Geschichte so perfekt und schlüssig erweitert, dass aus dem roten Fanden, ein rotes Band wird. Das ist eine Fähigkeit, für die ich Sarah J. Maas immer bewundern werde: ihre zusammenhängende Darstellung der Welt, die immer komplexer, verschachtelter und geheimnisvoller wird, mit jedem Charakter und Handlungsstrang der dazukommt. Dabei verliert sie nie das Wesentliche aus den Augen und überlädt die Story auch nicht - sie pickt sich einzelne interessante Aspekte gekonnt heraus, welche dann weiter gesponnen und vernetzt werden, bis ein umwerfendes Gesamtergebnis entsteht! Dazu trägt auch ihr außergewöhnlicher Schreibstil bei. Wie für die ganze Reihe gibt es ein Wort, das ihr erstaunliches Talent, Worte in Sätzen so zu platzieren, dass sie der Geschichte alleine durch den Schreibstil ein imposantes Auftreten verleihen, super beschreibt: EPISCH. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und ihre intensiven Szenenbeschreibungen, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft - Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern natürlich


"Er hatte auf der ganzen Welt gemordet; er war öfter, als er sich erinnern mochte, in den Krieg gezogen und daraus heimgekehrt. Und trotz all dem, trotz des Zorns, der Verzweiflung und des Eises, die um sein Herz lagen, hatte er Aelin gefunden. Jeder Horizont, zu dem er geschaut hatte, unfähig und unwillig, während jener Jahrhunderte zu rasten; jeder Berg und jeder Ozean, den er gesehen und bei dem er sich gefragt hatte, was dahinterlag... es war sie gewesen. Es war Aelin gewesen und der stumme Ruf des Seelenbundes hatte ihn angetrieben. Sie hatten zusammen diesen dunklen Pfad zurück ins Licht beschritten. Er würde nicht zulassen, dass der Weg hier endete."


Das ganz besondere Herzstück der Geschichte, das diese Fantasy-Geschichte von vielen anderen im High-Fantasy-Bereich abhebt, sind jedoch die Protagonisten. Sobald epische Schlachten, ganze Königreiche und unendliche Macht ins Spiel kommen, neigen Autoren dazu, nur noch über die "großen Themen" zu schwafeln und ihre Protagonisten dabei zu Statisten verkommen zu lassen. Hier ist das jedoch eher umgekehrt: die Anzahl an Charaktere, die ich nie wieder vergessen werde, wächst mit jedem Buch weiter an und meine Verbindung zu ihnen wird immer tiefer. Durch die Aufteilung der Handlungsstränge kommen die einzelnen Protagonisten noch besser zur Geltung und so lässt sich kaum mehr sagen, wer denn nun der Hauptprotagonist ist. Aelin, Rowan, Lysandra, Aedion, Gavriel, Lorcan, Elide, Fenrys, Manon, Dorian, Chaol und Yrene - ich habe selten eine Geschichte gelesen, in der so viele fast gleichberechtigte Protagonisten in den Fokus der Geschichte rücken und ihre kleine Nische bekommen, um sich weiterzuentwickeln. Besonders toll dabei ist, dass die Saga nun einen Zeitpunkt erreicht, an dem fast alle wichtigen, mächtigen Persönlichkeiten, die elementar über die Geschicke Erileas entscheiden weiblich sind. Dadurch, dass sich aus unseren Protagonistinnen starke Königinnen, clevere Anführerinnen und integre Ladies entwickeln, bekommt die Geschichte nebenbei (als bräuchte ich noch einen Grund, diese Saga zu lieben) noch eine deutlich feministische Note.

Aelin Ashryver Whitethorn Galathynius alias Caleana Sardothien ist eine ganze besondere Protagonistin, über die ich sehr gerne lese und die in jedem Teil ein neuer Teil ihrer Persönlichkeit zu entdecken scheint. In den vergangenen Bänden ist schon so viel mit ihr passiert und obwohl sie immer wieder zwischen verschiedenen Rollen und Identitäten stand und eine unglaubliche Entwicklung durchlaufen hat, kann man in ihr immer noch das sture, starke Mädchen mit dem Feuerherz erkennen, das wir in Band 1 kennengelernt haben. Von der Sklavin zur Assassine, zur Prinzessin, zur Fae, zur Gefangenen, zum Opferlamm, zur Königin. Ich habe mit sehr viel Bewunderung diesen Weg mitverfolgt und zugesehen, wie jede Spur von Unsicherheit und Verantwortungslosigkeit bei ihr verschwindet und sie ganz zu der großen Magierin, Kämpferin und Königin geworden, die nötig ist, um eine Chance im Kampf gegen Erawan und Maeve zu haben. Mit ihrer direkten und stürmischen Art, ist sie mir wirklich ans Herz gewachsen - enger als kaum eine andere Protagonistin je zuvor - und ihre Stärke, ihr Durchhaltevermögen, ihre Intelligenz, ihr Mut, ihr Beschützerinstinkt, ihre Autorität und ihre Güte haben mich immer wieder inspiriert. Ihre Fähigkeit, aus jeder Situation das Beste zu machen und mindestens ein Ass in jedem Ärmel zu haben und ihre schier bodenlose Macht machen sie außerdem zu einer Protagonistin, die immer wieder für eine Überraschung gut ist. Im letzten Teil musste ich leider kritisieren, dass sie leider zur übermächtigen Super-Heldin wird, und mit ihrer ewigen Steigerung die Grenzen des Wahrscheinlichen deutlich überstrapaziert. Dadurch dass sie nun aber zu Beginn der Geschichte als Gefangene Maeves Folter und Erniedrigung ertragen muss, bekommt ihre Überheldinnen-Rolle einen Knacks und sie kann durch die Beschäftigung mit inneren Dämonen und ihrer Verantwortung wieder mehr Tiefe und Authentizität erreichen. Das ist wohl das erste Mal in der Geschichte eines Buches, in der ich der Folterung einer Protagonistin einen positiven Effekt abgewinnen kann (auch wenn ich mich etwas schlecht deswegen fühle... )

"Ihr Name war Aelin Ashryver Whitethorn Galathynius. Und sie würde keine Angst haben."


An ihrer Seite sabber, schmacht, seufz steht unverrückbar, mächtig, liebend und aufopferungsvoll der unsterbliche Fae-Prinz mit dem knallharten Krieger-Körper, dem tätowierten Gesicht und dem weichen, verletzten Herzen: Rowan Whitethorn. Auch er hat in seiner Vergangenheit traumatische Erfahrungen durchlitten und kämpft immer noch mit seinen inneren Narben, hat sich aber für Aelin und die ganze Truppe zu einem verlässlichen Fels in der Brandung entwickelt. Ohne ihn mit seiner pragmatischen, sarkastischen und draufgängerischen Art könnte ich mir die Geschichte nicht vorstellen und dass die beiden sich endlich voll und ganz aufeinander einlassen können (natürlich mit der ein oder anderen schönen Szene) hat mir sehr gut gefallen. Irgendwie seltsam sind die beiden mit ihren ewigen Besitzansprüchen und ihrem ewigen Rumgeknurre aber schon, sodass sie ihre Rolle als Dream-Pairing leider verloren haben (ob an Manon und Dorian oder an Lorcan und Elide kann ich mich nicht so ganz entscheiden...).

Wie konnte ich nur denken, dass Dorian Havilliard langweilig sei? Nachdem er von einem Valgprinzen besessen zuvor weit ins Reich der Schatten zurückgetreten war, hat er sich ins Licht zurückgekämpft und ist vom verwöhnten Prinzen zum Bad-Ass-König geworden, dessen unverblümte Art ich sehr zu schätzen gelernt habe. Sein erlittener Schmerz, seine neue Verantwortung und seine neuentdeckte Macht haben ihn zu einem neuen Menschen gemacht, den man erstmal neu kennenlernen muss, der sich aber wunderbar in das Handlungsgefüge einfindet. Es ist sehr interessant und amüsant zu lesen, wie er sich immer mehr seiner Magie und Manon annähert. Die beiden unabhängigen Sturköpfe, die sich sehr schwer tun, sich ihre Gefühle füreinander einzugestehen muss man einfach als Paar lieben!

Ein weiteres Paar, das jedes Leserherz erweichen wird, ist die verkrüppelte Halbhexe Elide Lochan und der unsterbliche, todbringende Fae-Krieger Lorcan Salvaterre. Erstere besitzt eigentlich keine besonderen Fähigkeiten außer einem wachen Geist und ihrer Empfindsamkeit, wodurch sie einen frischen Wind in den Kreis an alteingesessenen Charakteren bringt, die alle durch besondere Macht bestechen können. Gerade weil sie nichts Besonderes an sich hat, kann man einfach nicht anders, als die Stärke und Klugheit zu bewundern, die in ihr stecken. Dass gerade der eiskalte, todbringende Fae Lorcan sich in sie verlieben würde, nachdem sie sich in den unwirtlichen Weiten des Oakwald Forests zu einer unliebsamen Zweckgemeinschaft zusammenschlossen, war außerdem eine wirklich unvorhersehbare Wendung.


"Seid die Brücke, seid das Licht. Wenn Eisen schmilzt, wenn Blumen aus blutgetränkten Feldern sprießen - lasst das Land Zeuge sein und kehrt nach Hause zurück."


Die Gestaltwandlerin Lysandra Ennar ist mir schon in Band 4 und in Band 5 so fest ans Herz gewachsen, dass ich schon fast vergessen habe, dass sie noch gar nicht von Beginn an Teil der Truppe um Aelin war. Mir war die schlagfertige und listige Kurtisane sofort sympathisch, da sich hinter ihrer attraktiven Fassaden eine innere Stärke verbirgt, die ich zu Beginn nicht vermutet hätte. In ihr stecken außerdem eine Menge Überraschungen, denn als Gestaltwandlerin, die nach den Jahren ohne Magie immer mehr von ihren Möglichkeiten ausprobiert, stehen ihr viele Wege offen... Außerdem ist sehr interessant, wie sich die anbahnende Beziehung zwischen ihr und Aedion Ashryver weiterentwickelt, mit dem ich leider immer noch nicht so viel anfangen kann, da er hier übergangslos vom laufender Eifersuchtsbolzen mit übersteigertem Beschützerinstinkt zum Kriegsheld und Kommandanten wird. Spannend ist an seiner Entwicklung aber vor allem die Beziehung zu seinem Vater Gavriel, dem "goldenen Löwen von Doranelle", der seit Jahrhunderten an Rowans Seite zusammen mit Fenrys Moonbeam kämpft. Letzterer war zuvor noch etwas blass, bekommt aber durch das gemeinsam mit Aelin durchgestandene Leid in Doranelle mehr Farbe.

Wer sich seit einigen Hundert Seiten zu meiner absoluten Lieblingsperson gemausert hat, ist Manon Blackbeack, vormalige Schwarmführerin der Ironteeth Hexen, Erbin der Krone der Ironteeth und letzte Nachfahrin von Rhiannon Crochan. Nachdem ich schon in Band 4 sehr überrascht war, wie mir diese gefühlslose, kalte und grausame Hexe so ans Herz wachsen konnte, habe ich sie im Laufe des fünften Teiles immer mehr lieben gelernt. Denn sie, die doch immer so diszipliniert und autoritär war, hat sich langsam gegen Moraths brutale Kriegsmaschinerie aufgelehnt und sich schließlich für den Kampf für eine bessere Welt entschieden. Man kann die vielen Risse fast durch die Seiten fühlen, die ihre gute Taten in ihrem todbringenden und grausamen Image entstehen ließen und als sie schließlich akzeptiert, dass sie nicht als Monster geboren sondern zum Monster gemacht wurde und sich aus freien Stücken für die Freiheit entscheidet, wurde sie für mich endgültig zur Heldin. Zusehen, wie sie hier mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft gegen ihre ehemaligen Schwestern kämpft und zwei zutiefst verfeindete Völker als Kind des Friedens anstatt des Krieges zusammenbringt ist einfach wunderschön! An ihrer Seite stehen unverrückbar ihre Dreizehn und ihr Flugwyvern Abraxos, der Manon erst den Weg in mein Herz geöffnet hat. Denn diesen großen Krieger mit viel Mut, Liebe, Mitgefühl und einer Vorliebe für Blumen, in die er immer seine Nase steckt, muss man als Fantasy-Liebhaber einfach lieben!


"Es gibt eine bessere Welt dort draußen", wiederholte sie. "Und ich werde für diese Welt kämpfen." Sie drehte Abraxos herum. "Was werdet ihr tun?"
Sie war kein Kind des Krieges.
Sondern des Friedens."


Ein letzter Handlungsstrang, der ebenfalls ausschlaggebend für den Verlauf der Handlung ist, erzählt die Geschichte von Chaol Westfall und Yrene Towers, welche wir schon beide aus dem ersten Teil in Rifthold kennen. Der verkrüppelte Kommandant und die mächtige Heilerin haben sich im Zwischenteil "Der verwundete Krieger" gefunden und kehren nach einem spannenden Abenteuer zusammen mit einer großen Armee nach Erilea zurück. Auch wenn mir dadurch dass ich den Zwischenteil nicht gelesen habe, essenzielle Informationen gefehlt haben, sind mir die beiden sehr ans Herz gewachsen.

Ihr seht also, diese Geschichte ist mal wieder unglaublich komplex, brutal, schonungslos, herzbrechend, wunderschön, magisch, liebevoll, bildgewaltig, detailreich und episch! Wenn man es genauer bedenkt ist eigentlich die ganze Reihe eine krasse Steigerung. Sobald man denkt, dass man schon auf dem allerhöchsten Level ist, kommt wieder eine epische Schlacht, die alles noch einmal toppt. Alles wird größer, mächtiger, epischer, spannender, herzzerreißender, gefährlicher, leidenschaftlicher und ich weiß nicht wo das hinführen soll. Wie soll ich jemals andere Fantasy lesen und nicht angesichts des riesigen Unterschieds verzweifeln? Mein absolutes Highlight dieser Geschichte ist definitiv der letzte Teil "Götter und Tore", der sowohl die spannende Endschlacht vor den Toren Orynths als auch die Frage nach dem Opfer zum Verschluss der Wyrdtore enthält. Die ultrakomplexe Endschlacht mit den vielen Parteien wurde durch die Tatsache, dass die verschiedenen Armeen im Laufe der 1104 Seiten immer wieder unabhängig voneinander auf Moraths Truppen treffen, erfolgreich entzerrt, was das Ende jedoch nicht weniger episch macht.


"Ein Meer aus Sternen - in dieser Höhle. Schönheit. Es gab immer noch Schönheit in dieser Welt. Immer noch konnten Sterne leuchten, konnten noch hell brennen, selbst tief unter der Erde begraben. Die Sterne ins Wanken bringen. Sie hatte versprochen, das zu tun. Es gab noch Schönheit - und sie würde dafür kämpfen."


Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal ein Buch so unter Strom gesetzt hat. Emotionen sind die eine Sache - Spannung und krasse Dramatik die andere. Die letzten Seiten waren so außergewöhnlich mitreißend, überraschend, spannend, actionreich, richtungsändernd und eindrucksvoll, sodass ich es wahrscheinlich nie vergessen werde. Alleine für dieses Finale sollte diese Reihe von allen Fantasy-Liebhabern der Welt gelesen werden! Eine Wendung jagt die nächste, man hat eigentlich durchgängig Gänsehaut, Tränenausbrüche und unkontrollierte Zuckungen, sodass ich bestimmt die Gehirnströme einer Epileptikerin hatte, als die letzten Seiten durch mein Hirn jagten. An einigen Stellen konnte ich auch tatsächlich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Spätestens ab jetzt ist diese Reihe zu meiner "all time favourite Geschichte" geworden und ich konnte dem actionreichen, dramatischen und unglaublich tragischen Schluss nur gebannt folgen. Auch das typische "plötzlich-kommen-Verbündete-aus-dem-Nichts-und-retten-alle"-Phänomen, das leider bei allen epischen Schlachten auftritt, konnte nicht mehr verhindern, dass die Endschlacht zu meiner Lieblingsschlacht überhaupt wurde (sogar noch vor "Herr der Ringe" und "Game of Thrones" und das muss etwas heißen!). Das wirkliche Ende, vor dem ich zugegebenermaßen ein wenig Angst hatte, ist dann genauso wundervoll und stimmig, wie sich mein Leserherz das gewünscht hat. Natürlich tut es unfassbar weh, die Protagonisten zu verlassen, die ich nun über so viele Lesejahre begleitet habe, doch ich hätte mir alles in allem nichts anderes für meine Lieblinge gewünscht.



"Sie - sie hat keine Magie mehr übrig." Die Stimme der Gestaltwandlerin brach. "Sie hat nichts mehr." Trotzdem hob Aelin ihr Schwert. Flamen züngelten über die Klinge. Eine Flamme gegen die gesammelte Dunkelheit. Eine Flamme, um die Nacht zu erhellen. Aelin hob ihren Schild und Flammen umgaben auch ihn. Hell brennend, unerschrocken. Eine Vision von etwas Uraltem, das wiedergeboren war. Der Ruf ging über sämtliche Wehrgänge der Burg, durch die Stadt, an den Mauern entlang. Die Königin war endlich nach Hause gekommen."



Fazit:



1104 Seiten pure Spannung, Epos und Leidenschaft - der absolute Wahnsinn! Eine Geschichte, die an Genialität, Gefühlen, Atmosphäre, Nervenkitzel und purem Lesevergnügen nicht mehr zu übertreffen ist!

Veröffentlicht am 08.11.2019

1104 Seiten pure Spannung, Epos und Leidenschaft - der absolute Wahnsinn!

Throne of Glass – Herrscherin über Asche und Zorn
1


"Es war einmal, in einem Land, das längst zu Asche verbrannt ist, eine junge Prinzessin, die ihr Königreich liebte..."

Ich habe diesen siebten Teil gleich nach der Erscheinung gekauft, mich ganz lange ...


"Es war einmal, in einem Land, das längst zu Asche verbrannt ist, eine junge Prinzessin, die ihr Königreich liebte..."


Ich habe diesen siebten Teil gleich nach der Erscheinung gekauft, mich ganz lange aber nicht herangetraut da ich auf der einen Seite die Vorfreunde noch ein wenig herauszögern wollte, auf der anderen Seite aber auch Angst vor einer Enttäuschung hatte. Das wies sich als total unbegründet heraus - Sarah J. Maas setzt uns hier mal wieder ein ultimatives Fantasy-Epos vor, das an Bildgewalt, emotionaler Tiefe und Plotkonstruktion kaum noch zu übertreffen ist. Ich kann gar nicht sagen wie sehr ich diese Welt und ihre Bewohner liebe und wieder jeden Lesemoment genossen habe! Mein Herz platzte vor lauter Gefühlen fast und ich habe die 1104 Seiten in drei Tagen weggelesen, weil ich einfach nicht aufhören konnte. Wir werden auf eine unglaublich epische Achterbahnfahrt gefüllt mit den unterschiedlichsten Facetten und Farben mitgenommen: eine Geschichte, die an Genialität, Gefühlen, Atmosphäre, Nervenkitzel und purem Lesevergnügen nicht mehr zu übertreffen ist (außer vielleicht durch weitere Bände der Autorin, die hoffentlich bald kommen werden...)!


Erster Satz: "Er suchte nach ihr, seit man sie ihm geraubt hatte."

Doch bevor ich meine Lobeshymne beginnen will, erst noch ein paar Bemerkungen zur Gestaltung. Auch der siebte Teil reiht sich wieder in die Gestaltung ein und wenn ich am Anfang den "mangamäßigen" Motiven noch sehr kritisch gegenüberstand, muss ich echt sagen, dass sie mir mit jedem Band besser gefallen. Denn auch hier kann man sofort Aelin wiedererkennen: stark, unerschrocken, in eine imposante Rüstung gekleidet, kämpferisch mit dem Schwert in der Hand und mächtig mit ihren Flammen und ihrer Wassermagie - eine dunkle Königin und mächtige Magierin! Schön sind auch die vielen passenden Details wie der rote Rubin von Goldryn oder wehende Umhang in den Farben Terrasens. Wieder ist der Hintergrund weiß und unsere Lieblingsprotagonistin wird von ihrer Feuermagie umgeben. Mit seinen 1104 Seiten ist dieser Band der längste der Reihe - die Länge hat zusammen mit der Qualität und der Bandnummerierung zugenommen - und somit als Taschenbuch äußerst schwierig zu lesen. Ich bin aber sehr dankbar, dass der Verlag nicht auf die Idee gekommen ist, den Band geteilt herauszubringen. Mit sieben Bänden ist die Reihe umfangreich genug! Die vorangestellte Karte von Erilea hilft mal wieder sehr, den Überblick über die etlichen Handlungsorten zu behalten, vor allem da die Protagonisten hier gerade zu Beginn viel herumreisen und sich an den unterschiedlichsten Ecken und Enden der Königreiche aufhalten. Für all die Leser, bei denen (wie bei mir) die Lektüre der vorangegangenen Bände schon eine Weile zurückliegt, hätte sich vielleicht ein Glossar angeboten. Die Geschichte ist mit ihren vielen Protagonisten und Nebenfiguren, Handlungsorten, Bündnissen, Intrigen und der langen Zeitspanne der Erzählung doch sehr komplex und ich hätte es sehr hilfreich gefunden, ab und zu einen Begriff nachschlagen zu können. Ein Glück gibt es ja ein umfangreiches "Throne of Glass"-Wiki...


„Während alle anderen Sternbilder vorbeigezogen waren, war der Herr des Nordens geblieben, und der unsterbliche Stern zwischen den Ästen seines Geweihs wies den Weg nach Hause. Nach Terrasen. "Sag ihm, dass er kämpfen muss. Er muss Terrasen retten und sich an die Schwüre halten, die er mir geleistet hat." Die Zeit war nicht auf ihrer Seite, wegen Maeve, wegen des Krieges, der erneut auf ihrem eigenen Kontinent entbrannte. Aber er hatte nicht die Absicht, ohne sie zurückzukehren, ganz gleich, worum sie ihn zum Abschied gebeten hatte, ungeachtet der Eide, die er bei der Heirat mit ihr geschworen hatte, Terrasen zu bewachen und zu regieren. "Und sag ihm danke - dass er diesen dunklen Pfad mit mir zurück ins Licht gegangen ist." Es war ihm eine Ehre gewesen. Von Anfang an war es ihm eine Ehre gewesen, die größte seines unsterblichen Lebens."


Nach zwei vorangestellten Prologen aus der Sicht des "Prinzen" (Rowan) und der "Prinzessin" (Aelin) starten wir in den ersten und umfangreichsten der beiden Teile "Armeen und Verbündete".
Ich muss zugeben, auch wenn ich gefühlsmäßig sofort wieder in der Handlung war und gepackt wurde, hatte ich schon wieder viele Details und Einzelheiten der an eben jenen nicht besonders armen vorhergegangenen Bänden vergessen, sodass ich immer eine ganze Weile gebraucht habe, um Zusammenhänge und Anspielungen zu verstehen. Da spielte ebenfalls mit hinein, dass die anfänglichen Beziehungsprobleme zwischen Elide und Lorcan sowie Aedion und Lysandra etwas gekünstelt nicht notwendig erschienen. Ein weiterer Punkt, der mir den Einstieg in die Geschichte erschwert hat, ist dass ich es leider verpasst habe, Chaols Geschichte zu lesen, welche zwischen Band "Sturmbringerin" und "Herrscherin über Asche und Zorn" spielt. Da ich Chaol eigentlich immer als recht langweilige Randfigur empfunden hatte, befand ich es nicht für notwendig, den Zwischenteil zu lesen, doch das habe ich im ersten Drittel dieses Bandes bald bereut. Zwar wird die Wissenslücke über Yrene, Chaol, die Armee des Großkhanats und die Ruk-Reiter im Laufe der Geschichte langsam gefüllt, es verbleibt aber trotzdem ein unbefriedigendes Loch im Gesamtkonstrukt, wenn man "Throne of Glass 6 - Der verwundete Krieger" nicht gelesen hat.

Wieder bekommen wir die Gesamtgeschichte aus verschiedenen Perspektiven an verschiedenen Orten vermittelt. Während Gavriel, Lorcan, Elide und Rowan in Wendlyn nach Aelin suchen, kämpfen Lysandra, Aedion mit den Truppen Terrasens gegen die Truppen Moraths um ihre Heimat während der Abwesenheit ihrer Königin zu schützen. Mindestens genauso unmöglich ist Manons, Dorians Ziel, die zusammen mit der Dreizehn in den White Fangs unterwegs sind um den dritten Wyrdschlüssel zu suchen und eine die verfeindeten Crochans und Ironteeth zu einer Armee zu vereinen. Derweil reisen Chaol und seine Frau Yrene mit der Armee des Großkhanats durch das Land und versuchen, Ardalans Städte auf dem Weg nach Terrasen vor Moraths Truppen zu schützen. Dabei sind alle der Handlungsstränge so spannend und berührend entwickelt, dass ich diesmal gar nicht wusste, welchen ich am spannendsten fand und sich bei einem Perspektivwechsel Bedauern und Vorfreude die Hand gaben.


"Das Licht der Krone tanzte über Manons Gesicht, als sie sie über ihren Kopf hob und sie sich auf ihr offenes, weißes Haar setzte. (...) Manon leuchtete, als pulsierten die Sterne auf ihrem Kopf durch ihren Körper. Eine wundersame und mächtige Schönheit wie keine andere auf der Welt. Wie keine, die je existiert hatte oder je wieder existieren würde. Die Crochan-Königin, neu gekrönt."


Die Fokussierung der Erzählweise hat genau wie die Handlungsorte, die Charaktere und der Schreibstil einen deutlichen Wandel über die Bände hinweg hinter sich. Nachdem wir Celeana zuerst im harten Wettkampf als kaltherzige Assassine kennenlernten, der zweite Teil sich dann eher auf die Intrigen am Hof des Königs konzentrierte, "Throne of Glass - Erbin des Feuers" eine eher dunkle, düstere und magische Fortsetzung war, die sehr viel mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere spielt, sich der vierten Teil vor allem auf die globalen Entwicklungen im Mächteverhältnis in Erilea durch viele epische Szenen und Action konzentrierte und wir im fünften Teil unsere Protagonisten auf ihrer Suche nach Verbündeten für den großen Kampf begleiteten, kommt es hier nun endlich zum großen Endkampf aller Parteien, der über sechs Bände hinweg vorbereitet wurde. Dazu reisen wir wieder durch ganz Erilea, lernen viele neuen Parteien kennen, treffen alte Bekannte wieder, erfahren mehr über die Vergangenheit des Kontinents und ihrer Bewohner und sehen zu, wie sich das komplexe Netz aus Intrigen, Beziehungen und Macht immer weiter zuzieht bis sich sowohl Erawans dunkle Armee, Maeves Fae, Manons Hexen, Chaols Großkhanat und Aelins Verbündete zu der wohl epischsten Schlacht seit der Welt der Bücher vor den Toren Orynths treffen. Dadurch dass die Protagonisten immer in Bewegung sind und sich Schritt für Schritt wieder treffen, bietet sich natürlich die ein oder andere Gelegenheit für eine epische Schlacht oder eine überraschende Wendung, welche die gute alte Sarah natürlich immer bis zum Anschlag ausnutzt: wieder und wieder hat mich das Buch eiskalt erwischt und aufs Neue entsetzt und begeistert!

Mir gefällt es, wie die ganze Geschichte lebt. Manche Fantasy-Welten werden einmal aufgebaut und dann spielt sich die Handlung in diesem statischen Bühnenbild ab. Doch nicht bei dieser Reihe: Ständig verändert sich der Fokus, der Blickwinkel, der Handlungsort der Geschichte, es werden neue Dinge aufgenommen, bestehende ändern sich - eine stetige Entwicklung, die die Geschichte so perfekt und schlüssig erweitert, dass aus dem roten Fanden, ein rotes Band wird. Das ist eine Fähigkeit, für die ich Sarah J. Maas immer bewundern werde: ihre zusammenhängende Darstellung der Welt, die immer komplexer, verschachtelter und geheimnisvoller wird, mit jedem Charakter und Handlungsstrang der dazukommt. Dabei verliert sie nie das Wesentliche aus den Augen und überlädt die Story auch nicht - sie pickt sich einzelne interessante Aspekte gekonnt heraus, welche dann weiter gesponnen und vernetzt werden, bis ein umwerfendes Gesamtergebnis entsteht! Dazu trägt auch ihr außergewöhnlicher Schreibstil bei. Wie für die ganze Reihe gibt es ein Wort, das ihr erstaunliches Talent, Worte in Sätzen so zu platzieren, dass sie der Geschichte alleine durch den Schreibstil ein imposantes Auftreten verleihen, super beschreibt: EPISCH. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und ihre intensiven Szenenbeschreibungen, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft - Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern natürlich


"Er hatte auf der ganzen Welt gemordet; er war öfter, als er sich erinnern mochte, in den Krieg gezogen und daraus heimgekehrt. Und trotz all dem, trotz des Zorns, der Verzweiflung und des Eises, die um sein Herz lagen, hatte er Aelin gefunden. Jeder Horizont, zu dem er geschaut hatte, unfähig und unwillig, während jener Jahrhunderte zu rasten; jeder Berg und jeder Ozean, den er gesehen und bei dem er sich gefragt hatte, was dahinterlag... es war sie gewesen. Es war Aelin gewesen und der stumme Ruf des Seelenbundes hatte ihn angetrieben. Sie hatten zusammen diesen dunklen Pfad zurück ins Licht beschritten. Er würde nicht zulassen, dass der Weg hier endete."


Das ganz besondere Herzstück der Geschichte, das diese Fantasy-Geschichte von vielen anderen im High-Fantasy-Bereich abhebt, sind jedoch die Protagonisten. Sobald epische Schlachten, ganze Königreiche und unendliche Macht ins Spiel kommen, neigen Autoren dazu, nur noch über die "großen Themen" zu schwafeln und ihre Protagonisten dabei zu Statisten verkommen zu lassen. Hier ist das jedoch eher umgekehrt: die Anzahl an Charaktere, die ich nie wieder vergessen werde, wächst mit jedem Buch weiter an und meine Verbindung zu ihnen wird immer tiefer. Durch die Aufteilung der Handlungsstränge kommen die einzelnen Protagonisten noch besser zur Geltung und so lässt sich kaum mehr sagen, wer denn nun der Hauptprotagonist ist. Aelin, Rowan, Lysandra, Aedion, Gavriel, Lorcan, Elide, Fenrys, Manon, Dorian, Chaol und Yrene - ich habe selten eine Geschichte gelesen, in der so viele fast gleichberechtigte Protagonisten in den Fokus der Geschichte rücken und ihre kleine Nische bekommen, um sich weiterzuentwickeln. Besonders toll dabei ist, dass die Saga nun einen Zeitpunkt erreicht, an dem fast alle wichtigen, mächtigen Persönlichkeiten, die elementar über die Geschicke Erileas entscheiden weiblich sind. Dadurch, dass sich aus unseren Protagonistinnen starke Königinnen, clevere Anführerinnen und integre Ladies entwickeln, bekommt die Geschichte nebenbei (als bräuchte ich noch einen Grund, diese Saga zu lieben) noch eine deutlich feministische Note.

Aelin Ashryver Whitethorn Galathynius alias Caleana Sardothien ist eine ganze besondere Protagonistin, über die ich sehr gerne lese und die in jedem Teil ein neuer Teil ihrer Persönlichkeit zu entdecken scheint. In den vergangenen Bänden ist schon so viel mit ihr passiert und obwohl sie immer wieder zwischen verschiedenen Rollen und Identitäten stand und eine unglaubliche Entwicklung durchlaufen hat, kann man in ihr immer noch das sture, starke Mädchen mit dem Feuerherz erkennen, das wir in Band 1 kennengelernt haben. Von der Sklavin zur Assassine, zur Prinzessin, zur Fae, zur Gefangenen, zum Opferlamm, zur Königin. Ich habe mit sehr viel Bewunderung diesen Weg mitverfolgt und zugesehen, wie jede Spur von Unsicherheit und Verantwortungslosigkeit bei ihr verschwindet und sie ganz zu der großen Magierin, Kämpferin und Königin geworden, die nötig ist, um eine Chance im Kampf gegen Erawan und Maeve zu haben. Mit ihrer direkten und stürmischen Art, ist sie mir wirklich ans Herz gewachsen - enger als kaum eine andere Protagonistin je zuvor - und ihre Stärke, ihr Durchhaltevermögen, ihre Intelligenz, ihr Mut, ihr Beschützerinstinkt, ihre Autorität und ihre Güte haben mich immer wieder inspiriert. Ihre Fähigkeit, aus jeder Situation das Beste zu machen und mindestens ein Ass in jedem Ärmel zu haben und ihre schier bodenlose Macht machen sie außerdem zu einer Protagonistin, die immer wieder für eine Überraschung gut ist. Im letzten Teil musste ich leider kritisieren, dass sie leider zur übermächtigen Super-Heldin wird, und mit ihrer ewigen Steigerung die Grenzen des Wahrscheinlichen deutlich überstrapaziert. Dadurch dass sie nun aber zu Beginn der Geschichte als Gefangene Maeves Folter und Erniedrigung ertragen muss, bekommt ihre Überheldinnen-Rolle einen Knacks und sie kann durch die Beschäftigung mit inneren Dämonen und ihrer Verantwortung wieder mehr Tiefe und Authentizität erreichen. Das ist wohl das erste Mal in der Geschichte eines Buches, in der ich der Folterung einer Protagonistin einen positiven Effekt abgewinnen kann (auch wenn ich mich etwas schlecht deswegen fühle... )

"Ihr Name war Aelin Ashryver Whitethorn Galathynius. Und sie würde keine Angst haben."


An ihrer Seite sabber, schmacht, seufz steht unverrückbar, mächtig, liebend und aufopferungsvoll der unsterbliche Fae-Prinz mit dem knallharten Krieger-Körper, dem tätowierten Gesicht und dem weichen, verletzten Herzen: Rowan Whitethorn. Auch er hat in seiner Vergangenheit traumatische Erfahrungen durchlitten und kämpft immer noch mit seinen inneren Narben, hat sich aber für Aelin und die ganze Truppe zu einem verlässlichen Fels in der Brandung entwickelt. Ohne ihn mit seiner pragmatischen, sarkastischen und draufgängerischen Art könnte ich mir die Geschichte nicht vorstellen und dass die beiden sich endlich voll und ganz aufeinander einlassen können (natürlich mit der ein oder anderen schönen Szene) hat mir sehr gut gefallen. Irgendwie seltsam sind die beiden mit ihren ewigen Besitzansprüchen und ihrem ewigen Rumgeknurre aber schon, sodass sie ihre Rolle als Dream-Pairing leider verloren haben (ob an Manon und Dorian oder an Lorcan und Elide kann ich mich nicht so ganz entscheiden...).

Wie konnte ich nur denken, dass Dorian Havilliard langweilig sei? Nachdem er von einem Valgprinzen besessen zuvor weit ins Reich der Schatten zurückgetreten war, hat er sich ins Licht zurückgekämpft und ist vom verwöhnten Prinzen zum Bad-Ass-König geworden, dessen unverblümte Art ich sehr zu schätzen gelernt habe. Sein erlittener Schmerz, seine neue Verantwortung und seine neuentdeckte Macht haben ihn zu einem neuen Menschen gemacht, den man erstmal neu kennenlernen muss, der sich aber wunderbar in das Handlungsgefüge einfindet. Es ist sehr interessant und amüsant zu lesen, wie er sich immer mehr seiner Magie und Manon annähert. Die beiden unabhängigen Sturköpfe, die sich sehr schwer tun, sich ihre Gefühle füreinander einzugestehen muss man einfach als Paar lieben!

Ein weiteres Paar, das jedes Leserherz erweichen wird, ist die verkrüppelte Halbhexe Elide Lochan und der unsterbliche, todbringende Fae-Krieger Lorcan Salvaterre. Erstere besitzt eigentlich keine besonderen Fähigkeiten außer einem wachen Geist und ihrer Empfindsamkeit, wodurch sie einen frischen Wind in den Kreis an alteingesessenen Charakteren bringt, die alle durch besondere Macht bestechen können. Gerade weil sie nichts Besonderes an sich hat, kann man einfach nicht anders, als die Stärke und Klugheit zu bewundern, die in ihr stecken. Dass gerade der eiskalte, todbringende Fae Lorcan sich in sie verlieben würde, nachdem sie sich in den unwirtlichen Weiten des Oakwald Forests zu einer unliebsamen Zweckgemeinschaft zusammenschlossen, war außerdem eine wirklich unvorhersehbare Wendung.


"Seid die Brücke, seid das Licht. Wenn Eisen schmilzt, wenn Blumen aus blutgetränkten Feldern sprießen - lasst das Land Zeuge sein und kehrt nach Hause zurück."


Die Gestaltwandlerin Lysandra Ennar ist mir schon in Band 4 und in Band 5 so fest ans Herz gewachsen, dass ich schon fast vergessen habe, dass sie noch gar nicht von Beginn an Teil der Truppe um Aelin war. Mir war die schlagfertige und listige Kurtisane sofort sympathisch, da sich hinter ihrer attraktiven Fassaden eine innere Stärke verbirgt, die ich zu Beginn nicht vermutet hätte. In ihr stecken außerdem eine Menge Überraschungen, denn als Gestaltwandlerin, die nach den Jahren ohne Magie immer mehr von ihren Möglichkeiten ausprobiert, stehen ihr viele Wege offen... Außerdem ist sehr interessant, wie sich die anbahnende Beziehung zwischen ihr und Aedion Ashryver weiterentwickelt, mit dem ich leider immer noch nicht so viel anfangen kann, da er hier übergangslos vom laufender Eifersuchtsbolzen mit übersteigertem Beschützerinstinkt zum Kriegsheld und Kommandanten wird. Spannend ist an seiner Entwicklung aber vor allem die Beziehung zu seinem Vater Gavriel, dem "goldenen Löwen von Doranelle", der seit Jahrhunderten an Rowans Seite zusammen mit Fenrys Moonbeam kämpft. Letzterer war zuvor noch etwas blass, bekommt aber durch das gemeinsam mit Aelin durchgestandene Leid in Doranelle mehr Farbe.

Wer sich seit einigen Hundert Seiten zu meiner absoluten Lieblingsperson gemausert hat, ist Manon Blackbeack, vormalige Schwarmführerin der Ironteeth Hexen, Erbin der Krone der Ironteeth und letzte Nachfahrin von Rhiannon Crochan. Nachdem ich schon in Band 4 sehr überrascht war, wie mir diese gefühlslose, kalte und grausame Hexe so ans Herz wachsen konnte, habe ich sie im Laufe des fünften Teiles immer mehr lieben gelernt. Denn sie, die doch immer so diszipliniert und autoritär war, hat sich langsam gegen Moraths brutale Kriegsmaschinerie aufgelehnt und sich schließlich für den Kampf für eine bessere Welt entschieden. Man kann die vielen Risse fast durch die Seiten fühlen, die ihre gute Taten in ihrem todbringenden und grausamen Image entstehen ließen und als sie schließlich akzeptiert, dass sie nicht als Monster geboren sondern zum Monster gemacht wurde und sich aus freien Stücken für die Freiheit entscheidet, wurde sie für mich endgültig zur Heldin. Zusehen, wie sie hier mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft gegen ihre ehemaligen Schwestern kämpft und zwei zutiefst verfeindete Völker als Kind des Friedens anstatt des Krieges zusammenbringt ist einfach wunderschön! An ihrer Seite stehen unverrückbar ihre Dreizehn und ihr Flugwyvern Abraxos, der Manon erst den Weg in mein Herz geöffnet hat. Denn diesen großen Krieger mit viel Mut, Liebe, Mitgefühl und einer Vorliebe für Blumen, in die er immer seine Nase steckt, muss man als Fantasy-Liebhaber einfach lieben!


"Es gibt eine bessere Welt dort draußen", wiederholte sie. "Und ich werde für diese Welt kämpfen." Sie drehte Abraxos herum. "Was werdet ihr tun?"
Sie war kein Kind des Krieges.
Sondern des Friedens."


Ein letzter Handlungsstrang, der ebenfalls ausschlaggebend für den Verlauf der Handlung ist, erzählt die Geschichte von Chaol Westfall und Yrene Towers, welche wir schon beide aus dem ersten Teil in Rifthold kennen. Der verkrüppelte Kommandant und die mächtige Heilerin haben sich im Zwischenteil "Der verwundete Krieger" gefunden und kehren nach einem spannenden Abenteuer zusammen mit einer großen Armee nach Erilea zurück. Auch wenn mir dadurch dass ich den Zwischenteil nicht gelesen habe, essenzielle Informationen gefehlt haben, sind mir die beiden sehr ans Herz gewachsen.

Ihr seht also, diese Geschichte ist mal wieder unglaublich komplex, brutal, schonungslos, herzbrechend, wunderschön, magisch, liebevoll, bildgewaltig, detailreich und episch! Wenn man es genauer bedenkt ist eigentlich die ganze Reihe eine krasse Steigerung. Sobald man denkt, dass man schon auf dem allerhöchsten Level ist, kommt wieder eine epische Schlacht, die alles noch einmal toppt. Alles wird größer, mächtiger, epischer, spannender, herzzerreißender, gefährlicher, leidenschaftlicher und ich weiß nicht wo das hinführen soll. Wie soll ich jemals andere Fantasy lesen und nicht angesichts des riesigen Unterschieds verzweifeln? Mein absolutes Highlight dieser Geschichte ist definitiv der letzte Teil "Götter und Tore", der sowohl die spannende Endschlacht vor den Toren Orynths als auch die Frage nach dem Opfer zum Verschluss der Wyrdtore enthält. Die ultrakomplexe Endschlacht mit den vielen Parteien wurde durch die Tatsache, dass die verschiedenen Armeen im Laufe der 1104 Seiten immer wieder unabhängig voneinander auf Moraths Truppen treffen, erfolgreich entzerrt, was das Ende jedoch nicht weniger episch macht.


"Ein Meer aus Sternen - in dieser Höhle. Schönheit. Es gab immer noch Schönheit in dieser Welt. Immer noch konnten Sterne leuchten, konnten noch hell brennen, selbst tief unter der Erde begraben. Die Sterne ins Wanken bringen. Sie hatte versprochen, das zu tun. Es gab noch Schönheit - und sie würde dafür kämpfen."


Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal ein Buch so unter Strom gesetzt hat. Emotionen sind die eine Sache - Spannung und krasse Dramatik die andere. Die letzten Seiten waren so außergewöhnlich mitreißend, überraschend, spannend, actionreich, richtungsändernd und eindrucksvoll, sodass ich es wahrscheinlich nie vergessen werde. Alleine für dieses Finale sollte diese Reihe von allen Fantasy-Liebhabern der Welt gelesen werden! Eine Wendung jagt die nächste, man hat eigentlich durchgängig Gänsehaut, Tränenausbrüche und unkontrollierte Zuckungen, sodass ich bestimmt die Gehirnströme einer Epileptikerin hatte, als die letzten Seiten durch mein Hirn jagten. An einigen Stellen konnte ich auch tatsächlich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Spätestens ab jetzt ist diese Reihe zu meiner "all time favourite Geschichte" geworden und ich konnte dem actionreichen, dramatischen und unglaublich tragischen Schluss nur gebannt folgen. Auch das typische "plötzlich-kommen-Verbündete-aus-dem-Nichts-und-retten-alle"-Phänomen, das leider bei allen epischen Schlachten auftritt, konnte nicht mehr verhindern, dass die Endschlacht zu meiner Lieblingsschlacht überhaupt wurde (sogar noch vor "Herr der Ringe" und "Game of Thrones" und das muss etwas heißen!). Das wirkliche Ende, vor dem ich zugegebenermaßen ein wenig Angst hatte, ist dann genauso wundervoll und stimmig, wie sich mein Leserherz das gewünscht hat. Natürlich tut es unfassbar weh, die Protagonisten zu verlassen, die ich nun über so viele Lesejahre begleitet habe, doch ich hätte mir alles in allem nichts anderes für meine Lieblinge gewünscht.



"Sie - sie hat keine Magie mehr übrig." Die Stimme der Gestaltwandlerin brach. "Sie hat nichts mehr." Trotzdem hob Aelin ihr Schwert. Flamen züngelten über die Klinge. Eine Flamme gegen die gesammelte Dunkelheit. Eine Flamme, um die Nacht zu erhellen. Aelin hob ihren Schild und Flammen umgaben auch ihn. Hell brennend, unerschrocken. Eine Vision von etwas Uraltem, das wiedergeboren war. Der Ruf ging über sämtliche Wehrgänge der Burg, durch die Stadt, an den Mauern entlang. Die Königin war endlich nach Hause gekommen."



Fazit:



1104 Seiten pure Spannung, Epos und Leidenschaft - der absolute Wahnsinn! Eine Geschichte, die an Genialität, Gefühlen, Atmosphäre, Nervenkitzel und purem Lesevergnügen nicht mehr zu übertreffen ist!