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Veröffentlicht am 03.01.2024

Ein einfallsreiches, mitreißendes, humorvolles und für mich rundum überzeugendes Krimiabenteuer für Groß und Klein!

Der Spurenfinder
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Als ich mit "Der Spurenfinder" begonnen habe, hatte ich keine Ahnung, worum es genau gehen wird, in welchem Genre sich das Buch bewegt, an welche Zielgruppe es sich richtet und was auf mich zukommen wird. ...

Als ich mit "Der Spurenfinder" begonnen habe, hatte ich keine Ahnung, worum es genau gehen wird, in welchem Genre sich das Buch bewegt, an welche Zielgruppe es sich richtet und was auf mich zukommen wird. Ich wusste nur, dass Marc-Uwe Kling die Geschichte zusammen mit seinen Zwillingstöchtern Johanna und Luise geschrieben hat und das Buch demnach bestimmt gut werden wird. Recht hatte ich: "Der Spurenfinder" hat mir ein lustiges, originelles und fantasievolles erstes Jahreshighlight beschert!

Das Cover ist mit den von Bernd Kissel im Comic-Stil gezeichneten Silhouetten der Hauptfiguren, der im Baumstumpf steckenden blutigen Axt und den starken weiß-rot-Kontrasten sehr passend zur Geschichte gestaltet und auch der Titel "Der Spurenfinder" ist treffend gewählt. Ich habe mir sagen lassen, dass der Roman in Print-Form Illustrationen enthält, welche ich im Hörbuch natürlich leider verpasst habe. Dennoch muss ich Marc Uwe Klings Bücher einfach immer in Hörbuchform konsumieren! Auch hier kann ich die vom Autor vorgelesene Version sehr empfehlen. Nicht nur vermag er es, seine Figuren durch seine geübte Erzählstimme zum Leben zu erwecken, auch Witze wie die Stimme verändernde Stimmonade kommen erst im Hörbuch richtig gut zur Geltung.

Der Autor erzählt hier auf 336 Seiten eine mitreißende und originelle Abenteuergeschichte, die sich rund um einen Kriminalfall mit magischen Elementen aufspannt. Wir lernen den berühmten Spurenfinder Elos von Bergen kennen, der an den entlegensten Ort des Königreichs Dreibrücken - Friedhofen - ausgesucht hat, um mit seinen Kindern Ada und Naru ein ruhiges Leben zu führen. Als dann allerdings der Dorfvorsteher brutal ermordet wird, muss er seine alten Fähigkeiten wieder hervorkramen und beginnt mit den Ermittlungen, die ihn auf einen magischen Jahrmarkt, in einen dunklen Monsterwald und schließlich sogar auf eine lange Reise in ein fernes Königreich führt...

"Spuren suchen kann ja jeder. Auf das Finden kommt es an."


Der Spannungsbogen ist dabei flüssig und logisch aufgebaut mit dem Kriminalfall als roter Faden, der ständig weiterentwickelt wird. Wenn die Rahmenhandlung und das magisch-mittelalterliche Worldbuilding zu Beginn noch recht einfach und kindgerecht wirken, wird mit der Zeit klar, dass doch mehr Gedanken und Komplexität in der Geschichte stecken als zu Beginn gedacht. Immer, wenn ich beim Lesen dachte, den doch recht einfachen Fall durchschaut zu haben, überraschten mich die drei Klings mit einer neuen, unvorhersehbaren Wendung. Und genauso - sobald der Schauplatz etwas zu gemütlich wurde, führte das Autorentrio in ganz neue Gefilde ihrer Fantasywelt. So war ich beim Rätselraten immer auf der Höhe der Figuren, keine der Wendungen war für mich vorhersehbar und auch der Ausflug durch das fantasievolle Land über Dreibrücken bis Syndrakos konnte mich mit jedem Kapitel mehr überzeugen. Kurzum: je mehr ich gelesen habe, desto begeisterter war ich von der Geschichte!

Dabei tut auch der Schreibstil sein Übriges. Die drei Klings schreiben flüssig, kindlich-direkt, leicht lesbar, dabei aber dennoch gewohnt witzig und geistreich. Durch die Mitarbeit von Klings Töchter sind die Perspektiven der Kinder ganz authentisch getroffen. Positiv hervorzuheben ist aber, dass die kindliche Erzählperspektive den beiden jungen Spurensuchern sowie den jugendlichen oder erwachsenen Lesenden viel zutraut und die Geschichte auf so hohem sprachlichen wie auch inhaltlichen Niveau ist, dass auch Erwachsene gut unterhalten werden. Besonders toll ist dabei natürlich auch wieder der typische Kling-Humor, der mit wiederkehrenden Insiderwitzen, Wortspielen, Situationskomik, ironischen Bemerkungen, trockenen Witzen, Popkulturreferenzen (z.B. Zitaten aus Büchern und Filmen, die man sofort wiedererkennt) und vielen kreativen Details (wie zum Beispiel das Glotzoskop, der Schdip oder auch die Stimmonade) regelmäßig zum Lachen bringt. So wird die Geschichte zu einer interessanten Fusion von Fantasy, Krimi und Komödie, die mich ganz wunderbar unterhalten hat.

"Sie sind der schäbigste Spurensucher, von dem ich je gehört habe"
"Aber Sie haben von ihm gehört", sagte Ada nicht ohne Stolz."


Zuletzt konnten mich auch die Figuren sehr überzeugen. Der Spurenfinder Elos ist ein liebevoller Vater, der es mit seinen beiden Zwillingen nicht gerade leicht hat. Trockener Humor, viele "hms" und ein messerscharfer Verstand machen ihn zu einem tollen Charakter, dem man gerne auf ein Abenteuer folgt. Die beiden jüngeren Protagonisten Naru und Ada haben mich aber fast nochmal etwas mehr überzeugen können, als ihr Vater. Sehr gut gefallen hat mir, dass die aufgeweckten, abenteuerlustigen Zwillinge, die zunächst etwas stereotyp gezeichnet wirkten, schnell vielschichtiger werden. So wächst die intelligente, strebsame Ada durch neue Herausforderungen über sich hinaus und stellt sich ihren größten Ängsten, während der sportliche, aber dafür recht denkfaule Naru mit erstaunlich treffsicherer Intuition überrascht, wenn sich scheinbar blödsinnige Theorien als wahr herausstellen. Die beiden bieten auf jeden Fall viel Identifikationspotenzial für große wie kleine LeserInnen und bringen nicht nur viel Leichtigkeit und Frische in die Geschichte, sondern treiben diese auch aktiv voran.

Auch Nebenfiguren wie die Oma Martens, der Dorfvorsteher Emmett, der Zwerg oder die anderen Dorfbewohner sind einprägsam und mit humorvollem Unterton geschrieben und selbst vermeintliche Bösewichte bekommen alle eine differenzierte Betrachtung. Besonders gut gefallen hat mir, dass man die drei Hauptfiguren eigentlich aus ihrer magischen Welt direkt in unsere setzen könnte und eine ganz normale Familie dabei rauskäme. Die dynamischen Interaktionen, die flapsigen Sprüche und nachvollziehbaren Konflikte von Elos und seinen Kindern, lesen sich sehr authentisch und aus dem Leben gegriffen. Gewisse Parallelen zwischen dem realen Schreiber-Trio und dem fiktiven Spurensucher-Trio heranzuziehen fällt nicht schwer und so erscheinen die drei Hauptfiguren durch das Vater-Töchter-Team sehr greifbar und lebensnah. Der Mix aus märchenhaftem Schauplatz und authentischen Figuren schafft eine einzigartige Atmosphäre, die mich in den Bann gezogen hat.

Kritisch sehe ich an der Geschichte eigentlich nur, dass sie mit 336 Seiten sehr schnell gelesen ist, obwohl sie definitiv noch Platz für mehr Erkundung gelassen hätte. Zwar ist der Fall in einer sehr runden Auflösung am Ende dieses Romans abgeschlossen, allerdings macht ein Cliffhanger Lust auf hoffentlich weitere Bände des Trios, denn es gibt noch viel zu Entdecken in den verlorenen Provinzen ...


Fazit:


Ein einfallsreiches, mitreißendes, humorvolles und für mich rundum überzeugendes Krimiabenteuer für Groß und Klein! Marc Uwe Kling und seine beiden Töchter präsentieren in "Der Spurenfinder" eine interessante Fusion aus Fantasy, Krimi und Komödie, die mich ganz wunderbar unterhalten hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.12.2023

Bietet neben einer tollen Lesezeit einen runden Abschluss der Reihe!!!

Wie die Nacht entrinnt
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Genau wie in die Raven Boys-Reihe habe ich mich seit November 2022 auch in die brandneue Sequel-Reihe über meinen Lieblingscharakter Ronan Lynch schockverliebt. Am 1. Dezember 2023 erschien nun der abschließende ...

Genau wie in die Raven Boys-Reihe habe ich mich seit November 2022 auch in die brandneue Sequel-Reihe über meinen Lieblingscharakter Ronan Lynch schockverliebt. Am 1. Dezember 2023 erschien nun der abschließende dritte Band der "Dreamer Reihe". Auf "Wie die Nacht entrinnt" habe ich gleichermaßen begeistert wie ängstlich hingefiebert, da ich befürchtete, dass das Finale kaum so gut sein könnte wie der Rest der Reihe. Doch auch wenn auf den 377 Seiten vieles ganz anders kam als ich dachte, konnte dieses doch überraschend kurze Finale alle meine Fragen beantworten und hat neben einer tollen Lesezeit einen runden Abschluss geboten. Für diese mitreißende und atmosphärisch dichte Geschichte über Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Freundschaft, Hoffnung und Liebe gibt es von mir wohlverdiente 5 Sterne!

Bevor ich mein erneutes Loblied auf Maggie Stiefvaters Fantasie beginne, wie immer ein paar Worte zum Cover. Anders als die kühlblaue Aquarell-Optik der Hauptreihe hat sich der Verlag dieses Mal für eine rot-orangene Farbgebung entschieden, wodurch das Cover weniger verträumt und deutlich dramatischer wirkt. Auf dem Cover von Band 3 kommen nun noch blaue und schwarze Akzente hinzu. Zu sehen sind genau wie auf dem Originalcover drei von Ronans Sonnenhunden, die mit glühenden Augen und loderndem Hund eine unsichtbare Gefahr anknurren, während im Hintergrund eine orangene Sonne über einem brennenden Wald aufgeht. Passend dazu sind die 53 Kapitelanfänge jeweils von einem angedeuteten Wald umgeben. Kurzum: das Gesamtkonzept der Gestaltung ist mal wieder wunderbar passend zur Handlung und einfach ein Eye-Catcher! Allerdings finde ich den deutschen Titel hier anders als bei den beiden Vorgängern etwas sperrig und lange nicht so treffend wie der Originaltitel "Greywaren". Für diesen Abschluss hätte ich mir etwas apokalyptischeres, wie beispielsweise "Wie die Welt in Flammen steht" gewünscht. Aber das nur am Rande...

Erster Satz: "Am Anfang dieser Geschichte, vor vielen, vielen Jahren, fanden zwei Träumer das Paradies."

"Wie die Nacht entrinnt" beginnt wenige Tage nach dem Ende des zweiten Bandes. Nachdem Hennessy gemeinsam mit Farooq-Lane und Lilliana die Ley-Linie unterbrochen hat, um Bryde und Ronan aufzuhalten, sind Millionen von Dingen und Lebewesen in den Schlaf gefallen und ein Kampf um Süßmetalle ist entbrannt. Während sowohl Jordan als auch Hennessy versuchen, eines zu malen, macht sich Declan ebenfalls auf die Suche nach einem der magischen Objekte, um seine beiden Brüder wachzuhalten. Denn seltsamerweise ist nicht nur der geträumte Matthew nach dem Ausschalten der Ley-Linie eingeschlafen, sondern auch der Träumer Ronan. Und ausgerechnet als alle mächtigen Träumer und die Regulatoren ausgeschaltet sind, erhebt sich im Schatten eine neue Bedrohung und der Weltuntergang scheint so nah wie nie zuvor...

Als großes Finale einer komplexen Fantasy-Reihe waren meine Erwartungen sowie die möglichen Hürden für die Geschichte natürlich enorm. Denn in "Wie die Nacht entrinnt" musste Maggie Stiefvater nicht nur alle aufgegriffenen Handlungsstränge zu Ende führen und den Figuren einen runden Abschluss verschaffen, sondern auch alle offenen Fragen aus der Träumer-Reihe und der Raven-Boys-Reihe beantworten. Und das waren einige: Wer sind die Regulatoren wirklich und weshalb schlafen sie? Wer oder was ist Ronan Lynch? Was bedeutet der Titel "Greywaren" wirklich? Was ist das Gespinst? Wie wird ein Süßmetall erschaffen? Was ist Lindenmere/Cabeswater? Wie sind die Lynch-Brüder wirklich miteinander verwandt? Was ist mit Niall und Aurora passiert? Wer ist Mor´O´Corra? Und wer wird den Weltuntergang herbeiführen/verhindern können? Angesichts der Anzahl der offenen Fragen war ich ehrlich gesagt sehr skeptisch, sobald ich gesehen habe, dass die Geschichte mit knapp 377 Seiten deutlich kürzer ist als Band 1 und 2. Doch auf wundersame Weise schaffte es die Autorin mal wieder meine Befürchtungen Lügen zu strafen und ihr komplexes Handlungskonstrukt souverän zu einem runden Abschluss zu bringen.

"Eine Welt der grenzenlosen Gefühle und begrenzten Macht. Eine Welt der grünen Hügel und violetten Berggipfel, der gebrochenen Herzen und leidenschaftlichen Zerwürfnissen, der benzindunstgeschwängerten Nächte und abenteuererfüllten Tage. Grabsteine und Straßengräben, Küsse und Orangensaft, Regen auf der Haut und Sonne in den Augen, leicht verfügbarer Schmerz und hart erkämpfte Wunder."


Mit Bryde, Matthew, Declan, Ronan, Hennessy, Jordan, Liliana und Carmen verfolgen wir hier so viele Erzählperspektiven wie noch nie zuvor und zusätzlich enthält die Geschichte regelmäßige Rückblicke auf die Geschichte der Eltern der Lynch Brüder. Wie sie es auf so wenigen Seiten geschafft hat, so viele Handlungsstränge, Erzählperspektiven und Informationen zu jonglieren und uns dabei trotzdem eine stringente, spannende und emotionale Geschichte zu präsentieren ist mir echt ein großes Rätsel. Wie gewohnt setzt Maggie Stiefvater dabei wieder ein recht geringes Erzähltempo an und auch ihre Handlungsdichte ist zunächst sehr gering. Wie bei ihren Vorgängern lebt auch "Wie die Nacht entrinnt" von den Perspektivwechseln zwischen den Figuren und der Frage, wie alles miteinander verbunden ist.

Es passiert viel zwischen den Zeilen, wir erhalten zu den wichtigsten Figuren viele Rückblicke und Andeutungen verführen zum Rätselraten. Da sich die Figuren in diesem Finale zum Teil auf verschiedenen Metaebenen bewegen - im Traum, in der Realität und in verschiedenen Zwischenstufen wie Visionen, Vorausblicke und anderen Dimensionen - ist es teilweise etwas konfus der Handlung zu folgen. Man braucht definitiv eine lebendige Fantasie und vor allem eine große Toleranz gegenüber dem Absurden und schwer Vorstellbaren, um dieser Geschichte folgen zu können. Wenn man sich allerdings darauf einlässt, bietet diese Geschichte ein wahrlich außergewöhnliches Leseerlebnis. Denn auch wenn ich mir an einigen Stellen ein bisschen mehr Klarheit und Struktur gewünscht hätte, sorgen das surreale Lesegefühl die vielen offenen Fragen wieder für jede Menge Spannung und eine vielschichtige Atmosphäre.

"Das hier konnte nicht real sein. Vielleicht war nichts von alldem passiert, vielleicht war er immer noch auf der Highschool und wälzte sich unruhig in seinem Bett in einem alten Fabrikgebäude, vielleicht war er immer noch ein Kind und wälzte sich unruhig in seinem Bett ein paar Meter von seinen noch lebenden Eltern entfernt, vielleicht war er ein Gott, der davon träumte, ein Baby zu sein, das davon träumte ein Gott zu sein - Was war real?
Er erschuf die Realität. War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?"


Die Atmosphäre ist auch hier wieder von einem deutlich düstereren Einschlag geprägt als die Hauptreihe es war. Wo der Raven Cycle noch humorvoll, spritzig und abenteuerlustig war, ist "Wie Träume bluten" nun melancholisch, blutig, zynisch und apokalyptisch. Die Figuren treffen sehr oft moralisch graue Entscheidungen und müssen mit vielen negativen Emotionen umgehen, während die Grenze zwischen Realität und Traum so stark verwischt wie noch nie zuvor. Trotz all der Unterschiede erkennt man in jeder Zeile der unverwechselbare Schreibstil Maggie Stiefvaters wieder. Mit ruhigen, aber eindringlichen Worten lässt sie die Charaktere und das Setting für einen kurzen Moment wahr werden und schenkt uns einige Stunden voller Fantasie, Magie, Liebe, Freundschaft und düsteren Geheimnissen. In ganz eigener Handschrift schreibt sie mal erklärend, mal kurz angebunden, mal emotional, mal kalt, mal melancholisch, mal locker, mal traurig, mal glücklich, mal wütend, mal resigniert - ein kunterbuntes Durcheinander, das vor allem eines ist: magisch. Dann noch ein paar skurrile Wendungen und überraschende Gedanken und fertig ist die unkonventionelle, magische und einzigartige Geschichte.

Einzigartig auch deshalb, da die Grundidee von Träumern, die Dinge aus ihren Träumen mitnehmen können, auch hier wieder wunderbar funktioniert. In Zeiten von überdimensioniert häufig verwendeten Vampirmythen und Zaubermotiven sind eine Ley-Linie, durch deren Magie erwachende magische Kraftorte, eine Riege von Träumern und eine Gesellschaft, welche diese jagt, um den Weltuntergang zu verhindern eine herrlich originelle und unverbrauchte Idee. Im Fokus der Geschichte steht jedoch auch in diesem Finale nicht die Grundidee oder etwa ein Abenteuer, sondern die Dynamiken zwischen den Figuren. Da Ronan den Großteil der Geschichte schlafend im sogenannten Süßmetallmeer verbringt, konzentrieren wir uns vor allem auf sein Innenleben, verlieren ihn aber als handelnde Figur. Seine Entwicklung vom wütenden Teenager zu einer selbst bestimmten Person, die genau weiß, wer uns was er ist, kommt hier zu einem überraschenden, aber für mich sehr stimmigen Abschluss. dennoch hätte ich gerne noch ein paar mehr gemeinsame Szenen von Adam und Ronan gehabt und auch von den anderen Mitglieder der Gangsey hätte ich gerne mehr gelesen.

"Post tenebrax lux", flüsterte er. Auf Dunkelheit folgt Licht. "Tamquam...", fügte Adam hinzu. Alter idem, antwortete Ronan im Stillen."


In den Vordergrund treten statt Ronan als handelnde Figuren vor allem Declan, Hennessy und Carmen Farooq-Lane. Declan, der bereits in Band 2 ein gleichberechtigter Hauptcharakter war, wird hier zum heimlichen Star der Geschichte - eine Rolle, die ich ihm zu Beginn der Reihe ehrlicherweise niemals zugetraut hätte. Auch seine Entwicklung, in der er die Maske aus Kälte, Professionalität und Langweile langsam ablegt und seine eigenen Träume verfolgt, wird hier äußerst gelungen abgeschlossen. Der dritte Lynch-Bruder Matthew befasst sich unterdessen weiter mit den Auswirkungen der Tatsache kämpft, dass er nicht echt, sondern von Ronan geträumt ist und wird hier deutlich proaktiver als in den vorherigen Bänden. Auch wenn ich ihn vor allem vor dem neu ausgebreiteten Hintergrund der Eltern-Geschichte nun sehr viel besser verstehen konnte, hätte ich aber auch gerne noch mehr von ihm gelesen.

Auch wenn "Wie die Nacht entrinnt" also nochmal verdeutlicht, dass die "Dreamer"-Reihe in erster Linie eine Geschichte über die Lynch-Familie ist, spielen noch weitere Figuren eine große Rolle in diesem Finale. Nach wie vor am spannendsten fand ich die Träumerin Hennessy und ihr Traum Jordan, die in vielerlei Hinsicht zwei unterschiedliche Versionen derselben Person sind und die deshalb eine ganz besonders enge, aber komplizierte Beziehung verbindet. Wie die Autorin es geschafft hat, zwei unabhängige Figuren aus den beiden zu machen, die einem gleichermaßen ans Herz wachsen und in ihren Reibungen zwischeneinander sowohl Chaos als auch große Kunst erschaffen, ist wirklich spannend!

"Er war der Ring am Finger, das Taschentuch in der Westentasche, er war die Schnitzerei und das Werkzeug, das sie geschaffen hatte, aber vor allem war er das, was in diesen Süßmetallen steckte: Er war die Liebe, er war der Hass, er war das Leben, er war der Tod, er war alles, was ein Süßmetall zu einem Süßmetall machte."

Während sich die restlichen Figuren mehr oder weniger um sich selbst, ihre persönlichen Beziehungen und das Erlangen oder Kreieren von Süßmetallen drehen, ist es allerdings die ehemalige Regulatorin Carmen Farooq-Lane, die gemeinsam mit ihrer Visionärin Liliana die eigentliche Handlung voranbringt und das Rätsel um den drohenden Weltuntergang löst. Als Carmen herausfindet, dass die große Bedrohung ausgerechnet aus ihrem eigenen Umfeld stammt, muss sie all ihre Werte in Frage stellen und eine schwerwiegende Entscheidung treffen, die in einem kurzen, aber spektakulären Showdown mündet. Das Ende und vor allem der darauffolgende Epilog hat mich schlussendlich sehr emotional zurückgelassen - weil es so schön war, weil wir so viele Figuren wiedersehen, aber auch weil mein Ausflug in diese Welt nun endgültig vorbei ist...


Fazit:


Wie Maggie Stiefvater es auf so wenigen Seiten geschafft hat, so viele Handlungsstränge, Erzählperspektiven und Informationen zu jonglieren und uns dabei trotzdem eine stringente, spannende und emotionale Geschichte zu präsentieren ist mir echt ein großes Rätsel. Um "Wie die Nacht entrinnt" folgen zu können, braucht man zwar eine lebendige Fantasie und vor allem eine große Toleranz gegenüber dem Absurden und schwer Vorstellbaren. Wenn man sich allerdings darauf einlässt, bietet diese Geschichte ein wahrlich außergewöhnliches Leseerlebnis mit schrägen Figuren, einem abwechslungsreichen Setting, einem unverwechselbaren Schreibstil und einer interessante Grundidee!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.12.2023

Bietet neben einer tollen Lesezeit einen runden Abschluss der Reihe!

Wie die Nacht entrinnt
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Genau wie in die Raven Boys-Reihe habe ich mich seit November 2022 auch in die brandneue Sequel-Reihe über meinen Lieblingscharakter Ronan Lynch schockverliebt. Am 1. Dezember 2023 erschien nun der abschließende ...

Genau wie in die Raven Boys-Reihe habe ich mich seit November 2022 auch in die brandneue Sequel-Reihe über meinen Lieblingscharakter Ronan Lynch schockverliebt. Am 1. Dezember 2023 erschien nun der abschließende dritte Band der "Dreamer Reihe". Auf "Wie die Nacht entrinnt" habe ich gleichermaßen begeistert wie ängstlich hingefiebert, da ich befürchtete, dass das Finale kaum so gut sein könnte wie der Rest der Reihe. Doch auch wenn auf den 377 Seiten vieles ganz anders kam als ich dachte, konnte dieses doch überraschend kurze Finale alle meine Fragen beantworten und hat neben einer tollen Lesezeit einen runden Abschluss geboten. Für diese mitreißende und atmosphärisch dichte Geschichte über Kunst, Träume, Individualität, Weltuntergang, Diebe, Freundschaft, Hoffnung und Liebe gibt es von mir wohlverdiente 5 Sterne!

Bevor ich mein erneutes Loblied auf Maggie Stiefvaters Fantasie beginne, wie immer ein paar Worte zum Cover. Anders als die kühlblaue Aquarell-Optik der Hauptreihe hat sich der Verlag dieses Mal für eine rot-orangene Farbgebung entschieden, wodurch das Cover weniger verträumt und deutlich dramatischer wirkt. Auf dem Cover von Band 3 kommen nun noch blaue und schwarze Akzente hinzu. Zu sehen sind genau wie auf dem Originalcover drei von Ronans Sonnenhunden, die mit glühenden Augen und loderndem Hund eine unsichtbare Gefahr anknurren, während im Hintergrund eine orangene Sonne über einem brennenden Wald aufgeht. Passend dazu sind die 53 Kapitelanfänge jeweils von einem angedeuteten Wald umgeben. Kurzum: das Gesamtkonzept der Gestaltung ist mal wieder wunderbar passend zur Handlung und einfach ein Eye-Catcher! Allerdings finde ich den deutschen Titel hier anders als bei den beiden Vorgängern etwas sperrig und lange nicht so treffend wie der Originaltitel "Greywaren". Für diesen Abschluss hätte ich mir etwas apokalyptischeres, wie beispielsweise "Wie die Welt in Flammen steht" gewünscht. Aber das nur am Rande...

Erster Satz: "Am Anfang dieser Geschichte, vor vielen, vielen Jahren, fanden zwei Träumer das Paradies."

"Wie die Nacht entrinnt" beginnt wenige Tage nach dem Ende des zweiten Bandes. Nachdem Hennessy gemeinsam mit Farooq-Lane und Lilliana die Ley-Linie unterbrochen hat, um Bryde und Ronan aufzuhalten, sind Millionen von Dingen und Lebewesen in den Schlaf gefallen und ein Kampf um Süßmetalle ist entbrannt. Während sowohl Jordan als auch Hennessy versuchen, eines zu malen, macht sich Declan ebenfalls auf die Suche nach einem der magischen Objekte, um seine beiden Brüder wachzuhalten. Denn seltsamerweise ist nicht nur der geträumte Matthew nach dem Ausschalten der Ley-Linie eingeschlafen, sondern auch der Träumer Ronan. Und ausgerechnet als alle mächtigen Träumer und die Regulatoren ausgeschaltet sind, erhebt sich im Schatten eine neue Bedrohung und der Weltuntergang scheint so nah wie nie zuvor...

Als großes Finale einer komplexen Fantasy-Reihe waren meine Erwartungen sowie die möglichen Hürden für die Geschichte natürlich enorm. Denn in "Wie die Nacht entrinnt" musste Maggie Stiefvater nicht nur alle aufgegriffenen Handlungsstränge zu Ende führen und den Figuren einen runden Abschluss verschaffen, sondern auch alle offenen Fragen aus der Träumer-Reihe und der Raven-Boys-Reihe beantworten. Und das waren einige: Wer sind die Regulatoren wirklich und weshalb schlafen sie? Wer oder was ist Ronan Lynch? Was bedeutet der Titel "Greywaren" wirklich? Was ist das Gespinst? Wie wird ein Süßmetall erschaffen? Was ist Lindenmere/Cabeswater? Wie sind die Lynch-Brüder wirklich miteinander verwandt? Was ist mit Niall und Aurora passiert? Wer ist Mor´O´Corra? Und wer wird den Weltuntergang herbeiführen/verhindern können? Angesichts der Anzahl der offenen Fragen war ich ehrlich gesagt sehr skeptisch, sobald ich gesehen habe, dass die Geschichte mit knapp 377 Seiten deutlich kürzer ist als Band 1 und 2. Doch auf wundersame Weise schaffte es die Autorin mal wieder meine Befürchtungen Lügen zu strafen und ihr komplexes Handlungskonstrukt souverän zu einem runden Abschluss zu bringen.

"Eine Welt der grenzenlosen Gefühle und begrenzten Macht. Eine Welt der grünen Hügel und violetten Berggipfel, der gebrochenen Herzen und leidenschaftlichen Zerwürfnissen, der benzindunstgeschwängerten Nächte und abenteuererfüllten Tage. Grabsteine und Straßengräben, Küsse und Orangensaft, Regen auf der Haut und Sonne in den Augen, leicht verfügbarer Schmerz und hart erkämpfte Wunder."


Mit Bryde, Matthew, Declan, Ronan, Hennessy, Jordan, Liliana und Carmen verfolgen wir hier so viele Erzählperspektiven wie noch nie zuvor und zusätzlich enthält die Geschichte regelmäßige Rückblicke auf die Geschichte der Eltern der Lynch Brüder. Wie sie es auf so wenigen Seiten geschafft hat, so viele Handlungsstränge, Erzählperspektiven und Informationen zu jonglieren und uns dabei trotzdem eine stringente, spannende und emotionale Geschichte zu präsentieren ist mir echt ein großes Rätsel. Wie gewohnt setzt Maggie Stiefvater dabei wieder ein recht geringes Erzähltempo an und auch ihre Handlungsdichte ist zunächst sehr gering. Wie bei ihren Vorgängern lebt auch "Wie die Nacht entrinnt" von den Perspektivwechseln zwischen den Figuren und der Frage, wie alles miteinander verbunden ist.

Es passiert viel zwischen den Zeilen, wir erhalten zu den wichtigsten Figuren viele Rückblicke und Andeutungen verführen zum Rätselraten. Da sich die Figuren in diesem Finale zum Teil auf verschiedenen Metaebenen bewegen - im Traum, in der Realität und in verschiedenen Zwischenstufen wie Visionen, Vorausblicke und anderen Dimensionen - ist es teilweise etwas konfus der Handlung zu folgen. Man braucht definitiv eine lebendige Fantasie und vor allem eine große Toleranz gegenüber dem Absurden und schwer Vorstellbaren, um dieser Geschichte folgen zu können. Wenn man sich allerdings darauf einlässt, bietet diese Geschichte ein wahrlich außergewöhnliches Leseerlebnis. Denn auch wenn ich mir an einigen Stellen ein bisschen mehr Klarheit und Struktur gewünscht hätte, sorgen das surreale Lesegefühl die vielen offenen Fragen wieder für jede Menge Spannung und eine vielschichtige Atmosphäre.

"Das hier konnte nicht real sein. Vielleicht war nichts von alldem passiert, vielleicht war er immer noch auf der Highschool und wälzte sich unruhig in seinem Bett in einem alten Fabrikgebäude, vielleicht war er immer noch ein Kind und wälzte sich unruhig in seinem Bett ein paar Meter von seinen noch lebenden Eltern entfernt, vielleicht war er ein Gott, der davon träumte, ein Baby zu sein, das davon träumte ein Gott zu sein - Was war real?
Er erschuf die Realität. War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?
War er wach oder träumte er?"


Die Atmosphäre ist auch hier wieder von einem deutlich düstereren Einschlag geprägt als die Hauptreihe es war. Wo der Raven Cycle noch humorvoll, spritzig und abenteuerlustig war, ist "Wie Träume bluten" nun melancholisch, blutig, zynisch und apokalyptisch. Die Figuren treffen sehr oft moralisch graue Entscheidungen und müssen mit vielen negativen Emotionen umgehen, während die Grenze zwischen Realität und Traum so stark verwischt wie noch nie zuvor. Trotz all der Unterschiede erkennt man in jeder Zeile der unverwechselbare Schreibstil Maggie Stiefvaters wieder. Mit ruhigen, aber eindringlichen Worten lässt sie die Charaktere und das Setting für einen kurzen Moment wahr werden und schenkt uns einige Stunden voller Fantasie, Magie, Liebe, Freundschaft und düsteren Geheimnissen. In ganz eigener Handschrift schreibt sie mal erklärend, mal kurz angebunden, mal emotional, mal kalt, mal melancholisch, mal locker, mal traurig, mal glücklich, mal wütend, mal resigniert - ein kunterbuntes Durcheinander, das vor allem eines ist: magisch. Dann noch ein paar skurrile Wendungen und überraschende Gedanken und fertig ist die unkonventionelle, magische und einzigartige Geschichte.

Einzigartig auch deshalb, da die Grundidee von Träumern, die Dinge aus ihren Träumen mitnehmen können, auch hier wieder wunderbar funktioniert. In Zeiten von überdimensioniert häufig verwendeten Vampirmythen und Zaubermotiven sind eine Ley-Linie, durch deren Magie erwachende magische Kraftorte, eine Riege von Träumern und eine Gesellschaft, welche diese jagt, um den Weltuntergang zu verhindern eine herrlich originelle und unverbrauchte Idee. Im Fokus der Geschichte steht jedoch auch in diesem Finale nicht die Grundidee oder etwa ein Abenteuer, sondern die Dynamiken zwischen den Figuren. Da Ronan den Großteil der Geschichte schlafend im sogenannten Süßmetallmeer verbringt, konzentrieren wir uns vor allem auf sein Innenleben, verlieren ihn aber als handelnde Figur. Seine Entwicklung vom wütenden Teenager zu einer selbst bestimmten Person, die genau weiß, wer uns was er ist, kommt hier zu einem überraschenden, aber für mich sehr stimmigen Abschluss. dennoch hätte ich gerne noch ein paar mehr gemeinsame Szenen von Adam und Ronan gehabt und auch von den anderen Mitglieder der Gangsey hätte ich gerne mehr gelesen.

"Post tenebrax lux", flüsterte er. Auf Dunkelheit folgt Licht. "Tamquam...", fügte Adam hinzu. Alter idem, antwortete Ronan im Stillen."


In den Vordergrund treten statt Ronan als handelnde Figuren vor allem Declan, Hennessy und Carmen Farooq-Lane. Declan, der bereits in Band 2 ein gleichberechtigter Hauptcharakter war, wird hier zum heimlichen Star der Geschichte - eine Rolle, die ich ihm zu Beginn der Reihe ehrlicherweise niemals zugetraut hätte. Auch seine Entwicklung, in der er die Maske aus Kälte, Professionalität und Langweile langsam ablegt und seine eigenen Träume verfolgt, wird hier äußerst gelungen abgeschlossen. Der dritte Lynch-Bruder Matthew befasst sich unterdessen weiter mit den Auswirkungen der Tatsache kämpft, dass er nicht echt, sondern von Ronan geträumt ist und wird hier deutlich proaktiver als in den vorherigen Bänden. Auch wenn ich ihn vor allem vor dem neu ausgebreiteten Hintergrund der Eltern-Geschichte nun sehr viel besser verstehen konnte, hätte ich aber auch gerne noch mehr von ihm gelesen.

Auch wenn "Wie die Nacht entrinnt" also nochmal verdeutlicht, dass die "Dreamer"-Reihe in erster Linie eine Geschichte über die Lynch-Familie ist, spielen noch weitere Figuren eine große Rolle in diesem Finale. Nach wie vor am spannendsten fand ich die Träumerin Hennessy und ihr Traum Jordan, die in vielerlei Hinsicht zwei unterschiedliche Versionen derselben Person sind und die deshalb eine ganz besonders enge, aber komplizierte Beziehung verbindet. Wie die Autorin es geschafft hat, zwei unabhängige Figuren aus den beiden zu machen, die einem gleichermaßen ans Herz wachsen und in ihren Reibungen zwischeneinander sowohl Chaos als auch große Kunst erschaffen, ist wirklich spannend!

"Er war der Ring am Finger, das Taschentuch in der Westentasche, er war die Schnitzerei und das Werkzeug, das sie geschaffen hatte, aber vor allem war er das, was in diesen Süßmetallen steckte: Er war die Liebe, er war der Hass, er war das Leben, er war der Tod, er war alles, was ein Süßmetall zu einem Süßmetall machte."

Während sich die restlichen Figuren mehr oder weniger um sich selbst, ihre persönlichen Beziehungen und das Erlangen oder Kreieren von Süßmetallen drehen, ist es allerdings die ehemalige Regulatorin Carmen Farooq-Lane, die gemeinsam mit ihrer Visionärin Liliana die eigentliche Handlung voranbringt und das Rätsel um den drohenden Weltuntergang löst. Als Carmen herausfindet, dass die große Bedrohung ausgerechnet aus ihrem eigenen Umfeld stammt, muss sie all ihre Werte in Frage stellen und eine schwerwiegende Entscheidung treffen, die in einem kurzen, aber spektakulären Showdown mündet. Das Ende und vor allem der darauffolgende Epilog hat mich schlussendlich sehr emotional zurückgelassen - weil es so schön war, weil wir so viele Figuren wiedersehen, aber auch weil mein Ausflug in diese Welt nun endgültig vorbei ist...


Fazit:


Wie Maggie Stiefvater es auf so wenigen Seiten geschafft hat, so viele Handlungsstränge, Erzählperspektiven und Informationen zu jonglieren und uns dabei trotzdem eine stringente, spannende und emotionale Geschichte zu präsentieren ist mir echt ein großes Rätsel. Um "Wie die Nacht entrinnt" folgen zu können, braucht man zwar eine lebendige Fantasie und vor allem eine große Toleranz gegenüber dem Absurden und schwer Vorstellbaren. Wenn man sich allerdings darauf einlässt, bietet diese Geschichte ein wahrlich außergewöhnliches Leseerlebnis mit schrägen Figuren, einem abwechslungsreichen Setting, einem unverwechselbaren Schreibstil und einer interessante Grundidee!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.11.2023

Ein mitreißendes und vielschichtiges Abenteuer!

Murtagh - Eine dunkle Bedrohung
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Nachdem ich die "Eragon"-Reihe Anfang des Monats anlässlich des lange herbeigesehnten Erscheinungstermin des Spin-Offs nochmal gelesen habe, konnte ich mich nun mit frischer Erinnerung "Murtagh" widmen. ...

Nachdem ich die "Eragon"-Reihe Anfang des Monats anlässlich des lange herbeigesehnten Erscheinungstermin des Spin-Offs nochmal gelesen habe, konnte ich mich nun mit frischer Erinnerung "Murtagh" widmen. Zwar habe ich für die 800 Seiten länger gebraucht als geplant und ich habe auch den ein oder anderen kleinen Kritikpunkt, die Geschichte konnte mich aber wieder unterm Strich sehr mitreißen und ist in meinen Augen eine absolut würdige Ergänzung meiner All-time-Favorite-Reihe!

Das Cover von "Murtagh" fügt sich sehr schön in die Reihe der alten deutschen Cover ein. Auf den vier Bänden meiner Ausgaben der "Eragon"-Reihe sind jeweils die vier wichtigsten vorkommenden Drachen der Geschichte abgebildet: die blaue Drachensame Saphira auf Band 1, Murtaghs roter Drache Dorn auf Band 2, der weise goldene Drache Glaedr auf Band 4 und Aryas grüner Drache Fírnen auf dem Cover des fünften Bandes. Trotz der ansonsten schlichten Gestaltung der Cover in der Farbe des jeweiligen Drachens, war ich schon immer ein Fan der Cover, da sie die jeweilige Persönlichkeit des Drachens gut einfangen. Ich war also mehr als erleichtert zu sehen, dass auf "Murtagh" das Bild von Dorn auf Band 2 übernommen wurde. Zugleich ist "Murtagh" das erste Cover, auf dem auch der Reiter des Drachen zu sehen ist. In diesem Fall Murtagh in einem braunen Reisemantel mit dem roten Schwert Zarr´oc in der Hand und einem der geheimnisvollen Vogelschädel-Amuletten der Hexe Bachel am Gürtel hängend. Zusamemn mit dem dunkelroten, kontrastreichen Hintergrund ergibt sich so ein düsteres, atmosphärisches Cover, das perfekt zur Geschichte passt.

Auch der Rest der Gestaltung ist wieder toll. Genau wie in allen vorherigen Bänden beginnt auch dieses Buch wieder mit einer detaillierten Karte von Paolinis Welt, einem Inhaltsverzeichnis, einer Zusammenfassung der vorhergehenden Geschehnisse und endet mit einem Glossar, einer Runenübersicht und einer Ausspracheübersicht für seine erfundene Sprache. Angesichts der Komplexität des Worldbuildings sind das sehr nützliche Ergänzungen, die ich beim Lesen immer wieder genutzt habe. Zusätzlich beginnt jeder der vier großen Abschnitte der Geschichte, die nach den jeweiligen Handlungsorten Ceunon, Gil´ead, Nal Gorgoth und Oth Orum benannt sind, ebenfalls mit einer illustrierten Karten dieses Ortes.

Erster Satz: "Willst du allein gehen?"

Und damit wären wir auch schon bei der Handlung angelangt. Wir begegnen Murtagh und Dorn zuerst in Ceunon wieder, wo er einer geheimnisvollen Warnung des Drachen Umaroth nachgeht und in einem Wirtshaus eine Gabel verzaubert. Damit nimmt "Murtagh" den Erzählfaden von "Die Gabel, die Hexe und der Wurm" - dem letzten im Eragon-Universum erschienenen Buch - gelungen auf. Nach so langer Funkstille vonseiten des Autors fand ich es sehr beeindruckend, wie mühelos der Autor hier wieder in seine Geschichte einsteigen kann. Paolini gelingt es meisterhaft mit seinem typischen einfachen Stil an seine aufgebaute Welt und die vorgestellten Protagonisten anzuknüpfen und ein neues Abenteuer zu starten, das das Gespann aus Drache und Reiter bis in die Tiefen des Buckels führen, zu einem geheimnisvollen Ort, an dem Schwefel aus der Erde quillt und sich Träume erfüllen...

Genau wie die vorherigen Eragon-Bände ist auch "Murtagh" eher episodisch erzählt und variiert stark im Erzähltempo. Die erste Hälfte der Geschichte eignet sich dabei wunderbar, um gemütlich wieder in die Geschichte einzusteigen, hat aber wie gewohnt ein wenig Überlänge. Der Autor ist dafür bekannt, seine Geschichten sehr langsam aufzubauen und sich dabei auf viele Detailbeschreibungen zu stützen. So kann man die Welt, die Figuren und deren Beziehungen ganz in Ruhe zu erkunden - was angesichts der Komplexität von Paolinis Fantasywelt durchaus keine schlechte Idee ist! Besonders Murtaghs Abenteuer in Gilead rund um den Fisch Schlammschlund und die verschwundenen Werkatzen liest sich fast wie ein eigenständiges Buch mit abgeschlossenem Spannungsbogen. Dementsprechend habe ich die Geschichte während der ersten 400 Seiten immer wieder beiseite gelegt und bin nur eher schleppend vorangekommen.

Aber dennoch zahlen sich all diese Informationen im Verlauf der Handlung immer aus und hat sich der Konflikt erst mal aufgebaut, kann man das Buch kaum aus der Hand legen. So ist die zweite Hälfte der Geschichte, die in Nal Gorgoth spielt, für mich dann zu einem absoluten Pageturner für mich geworden. Murtaghs Aufeinandertreffen mit dem Kult der Träumer und der Hexe Bachel in dem abgeschiedenen Dorf im Buckel empfand ich als so spannend, atmosphärisch und rätselhaft, ich die verbliebenden 400 Seiten in einem Tag verschlungen habe. Auch wenn ich zunächst nicht so recht wusste, was ich von einer neuen Bedrohung nach Galbatorix´ Fall halten soll, durfte ich bald feststellen, dass sich der neue Konflikt wunderbar in die Gesamtgeschichte integriert. Und so bin ich Murtagh und Dorn zitternd auf ihrer düsteren Seelenreise beigestanden und habe gespannt mit ihnen ein Geheimnis erkundet, das älter ist als Alagäesia...

"Achte darauf, wohin du deinen Fuß setzt, Reiter. Diese Hexe ist wie eine Spinne, die in der Mitte eines großen Netzes lauert, und ihr Biss ist giftig."
"Dann ist es gut, dass ich keine Angst vor Spinnen habe."


Apropos Alagaësia... Ich werde wohl nie müde, von dieser vielschichtigen und komplexen Fantasy-Welt zu lesen, die von vielen unterschiedlichen Wesen bevölkert wird. Vor einer mittelalterlichen Kulisse treffen wir hier abermals auf Menschen, Elfen, Zwerge, grobschlächtige Urgals, vogelähnliche Ra'zac, Werkatzen, Geister, Riesenspinnen, verzauberte Fische, Fingerratten und natürlich Drachen und ihre Reiter. All diese unterschiedlichen Völker und Ethnien bekommen wie gewohnt eine eigene Kultur, Politik und Sprache, über die wir bereits im Laufe der vier Bände der Hauptreihe einiges lernen durften und die aufgrund einer eigenen Geschichte und Taten einzelner sowohl Positives als auch Negatives zur Geschichte beitragen. Damit ist die Verteilung von Gut und Böse hier deutlich vielschichtiger als beispielsweise in "Herr der Ringe" und kein Volk entspricht einem klaren Klischee. Das sieht man beispielsweise an den Urgals, die zunächst an monströse Orks erinnern, sich aber als eigenes Volk mit Kultur und Meinungen entpuppen.

Es sind jedoch nicht nur die Bewohner der Welt detailreich ausgearbeitet, sondern auch die Schauplätze. Auf die sehr verwirrenden Namen der Orte und Personen mit vielen Apostrophen hätte ich zwar verzichten können - Gil’ead, Dras-Leona, Farthen Dûr, oder Urû’baen bleiben einfach zu schlecht im Gedächtnis -, durch die einfachen, aber bildhaften Beschreibungen des Autors werden die Landschaften und Städte Alagaësias aber herrlich lebendig. Ob der bergige Buckel, die Küstenstadt Teirm, der Wald Du Weldenvarden, der Hauptstadt der Elfen Ellesméra, den brennenden Steppen Du Völlar, der unnachgiebigen Wüste Hadarac, oder der Schönheit der Zwergenhauptstadt Tronjheim - schon beim Blick auf die Landkarte in der Vorderseite des Buches, kommen viele Erinnerungen zurück! In dieser Geschichte wird das Worldbuilding nochmal erweitert, indem wir bereits bekannte Orte durch ein frisches Paar Augen sehen, aber auch neue Städte und Dörfer besuchen und dabei viele neue Details über Alagäsia kennenlernen. Generell merkt man der Geschichte in jedem Aspekt an, dass Paolini als Autor gereift und erwachsen geworden ist. So auch am Schreibstil, der deutlich direkter und prägnanter geworden ist, sich selbst im Kern aber treu geblieben ist.

"Sing von Sorgen sanft und herb
Wein´, o fliegender Bote, um Sieg und Untergang.
Wer klagt um die Gefallenen, nach blut´ger Schlacht?
Was trösten Tränen, wenn Krähenschar sich senkt?

Die Worte hallten in seinem Geist nach, während er in der Dunkelheit lag. "Vergebt mir", flüsterte er. Er war sich nicht sicher, ob die Worte an die Geister seienr Vergangenheit gerichtet waren oder an die Männer in der Baracke. Doch als er die Augen schloss, sah er das Knochenfeld der Ertrunkenen vor sich."

Auch das Magiesystem des Eragon-Universums hat mir schon immer sehr gut gefallen, denn hier liegt der Schlüssel der Magie in Worten der sogenannten "alten Sprache". Spricht man ein Wort in der alten Sprache aus (z.B. "Brisingr", was "Feuer" bedeutet), erlangt man Macht über das, was es betitelt. Das lässt sich auch auf Personen übertragen: kennt man den sogenannten "wahren Namen" einer Person, hat man Macht über sie - ein Umstand, den der Antagonist der Geschichte, Galbatorix, schamlos ausgenutzt hat, um Murtagh und Dorn zu versklaven. Neu ist hier, dass Murtagh nach dem Showdown von Band 4 den wahren Namen der Magie kennt und somit Macht über die Magie an sich hat. Ich war sehr gespannt, wie sich diese Tatsache auf ihn und seine Macht auswirken würde. Leider kommt er gar nicht dazu, diese wirklich anzuwenden, da seine Gegenspieler gegen die Magie der Worte immun sind. Ich hätte sehr gerne gesehen, wie sich diese Idee weiterentwickelt. Aber vielleicht wird das ja in weiteren Bänden verfolgt...

Neben dem detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Worldbuilding sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Im Vordergrund stehen hier unzweifelhaft Murtagh und sein Drache Dorn. Zum ersten Mal ist der gesamte Roman auf seine Perspektive beschränkt und wechselt sich nicht mit weiteren Handlungssträngen ab. Da er als Erzähler sehr spannend ist und immer genug passiert, tut das der Spannung keinen Abbruch. Schon in der Eragon-Reihe war Murtagh für mich immer ein sehr interessanter und vielschichtiger Protagonist, der zu meinen absoluten Lieblingen gehört hat. Durch seine holprige Vergangenheit, seine schwierige Beziehung zu seinem Vater, die grauenvollen Jahre unter Galbatorix´ Befehl und seine aufgezwungene Rolle in dessen Pläne hat er einiges, was auf ihm lastet. Dadurch ist er von Beginn an deutlich erwachsener und vielschichtiger angelegt als unser jugendlicher Held Eragon es war.

"Nichts im Leben ist einfach", sagte Murtagh in Gedanken, denn der Klang seiner Stimme wäre ihm unerträglich rau vorgekommen. "Warum sollte es einfach sein? Das Leben ist ein Kampf von Anfang bis Ende." Ein grimmiges Lächeln umspielte Murtaghs Mund und er tätschelte Dorn. "Und es ist besser, zu gewinnen, als zu verlieren."


Die Unterschiede zu Eragon zeigen sich auch in den Konflikte und eigenen Herausforderungen, in die er sich hineinmanövriert, sowie in den komplett unterschiedliche Herangehensweisen, mit denen er diese angeht. Auch seine Beziehung zu seinem Drachen, Dorn, kann man nicht mit der von Eragon und Saphira vergleichen. Während die beiden durch eine sehr reine, freundschaftliche Liebe verbunden sind, sind Murtagh und Dorn in erster Linie Leidensgefährten, die durch den gemeinsam durchgestandenen Schmerz und das Verständnis für den jeweils anderen zueinander gefunden haben. Ich habe die Beziehung der beiden zu Beginn nur schlecht greifen können. Gegen Ende konnten die beiden, die zusammen Außenseiter sind, Fehler haben, traumatisiert, aber trotzdem voll von Empathie, Selbstreflexion und Liebe füreinander und andere Lebewesen sind, mich aber sehr berührend und jetzt würde ich gerne noch viel mehr über dieses Gespann lesen!

"Welche Maske würdest du wählen?" Ihm entfuhr ein schnaubendes Lachen. "Keine. Ich trage schon zu viele."
"Nicht bei mir."
"Nein, nicht bei dir."


Neben Murtagh und Dorn kommen nur sehr wenige aus der Hauptreihe bekannte Figuren vor. Neben einigen unbedeutende Nebenfiguren hat eigentlich nur die neue Königin Nasuada einen für meinen Geschmack viel zu kurzen Gastauftritt am Ende. Wer sich auf eine Neuauflage der zurückhaltenden Liebesgeschichte zwischen Murtagh und Nasuada freut, muss seine Erwartungen also stark herunterschrauben. Die Beziehung der beiden bleibt auf der Ebene des Potenzials. Dafür lernen wir einige ausgewählte neue Figuren kennen wie beispielsweise die Dienerin der Träumer Alin oder der Urgal Uvek, welche mir beide sehr ans Herz gewachsen sind. Auch die Hexe Bachel ist eine sehr interessante Figur, über die ich aber gerne noch mehr erfahren hätte.

Nach 800 Seiten gipfelt die Geschichte in einem epischen Showdown, der allerdings etwas abrupt in einem recht knappen Ende mündet. Ich hoffe also sehr, dass der Autor weitere Werke geplant hat, die die offenen Anknüpfungspunkte weiterführen und dass wir auf diese Fortsetzungen nicht nochmal 10 Jahre warten müssen! Es fehlt ja immer noch der versprochene Eragon Teil 5 und der angekündigte zweite Teil der Kurzgeschichten Sammlung steht ja ebenfalls noch aus. Man darf also gespannt bleiben...

"Du kannst die Welt nicht zwingen, so zu sein, wie du sie haben willst."




Fazit:


Eine tolle Fortsetzung, in der sich der Autor in jedem Aspekt gereift zeigt, aber dennoch treu bleibt. Murtagh ist eine stimmige Ergänzung zum Eragon-Universum, aber auch alleinstehend ein mitreißendes und vielschichtiges Abenteuer! Trotz kleiner Kritikpunkte wie leichten Längen oder dem recht abrupten Ende vergebe ich deshalb volle 5 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.11.2023

Ein mitreißendes und vielschichtiges Abenteuer!

Murtagh - Eine dunkle Bedrohung
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Nachdem ich die "Eragon"-Reihe Anfang des Monats anlässlich des lange herbeigesehnten Erscheinungstermin des Spin-Offs nochmal gelesen habe, konnte ich mich nun mit frischer Erinnerung "Murtagh" widmen. ...

Nachdem ich die "Eragon"-Reihe Anfang des Monats anlässlich des lange herbeigesehnten Erscheinungstermin des Spin-Offs nochmal gelesen habe, konnte ich mich nun mit frischer Erinnerung "Murtagh" widmen. Zwar habe ich für die 800 Seiten länger gebraucht als geplant und ich habe auch den ein oder anderen kleinen Kritikpunkt, die Geschichte konnte mich aber wieder unterm Strich sehr mitreißen und ist in meinen Augen eine absolut würdige Ergänzung meiner All-time-Favorite-Reihe!

Das Cover von "Murtagh" fügt sich sehr schön in die Reihe der alten deutschen Cover ein. Auf den vier Bänden meiner Ausgaben der "Eragon"-Reihe sind jeweils die vier wichtigsten vorkommenden Drachen der Geschichte abgebildet: die blaue Drachensame Saphira auf Band 1, Murtaghs roter Drache Dorn auf Band 2, der weise goldene Drache Glaedr auf Band 4 und Aryas grüner Drache Fírnen auf dem Cover des fünften Bandes. Trotz der ansonsten schlichten Gestaltung der Cover in der Farbe des jeweiligen Drachens, war ich schon immer ein Fan der Cover, da sie die jeweilige Persönlichkeit des Drachens gut einfangen. Ich war also mehr als erleichtert zu sehen, dass auf "Murtagh" das Bild von Dorn auf Band 2 übernommen wurde. Zugleich ist "Murtagh" das erste Cover, auf dem auch der Reiter des Drachen zu sehen ist. In diesem Fall Murtagh in einem braunen Reisemantel mit dem roten Schwert Zarr´oc in der Hand und einem der geheimnisvollen Vogelschädel-Amuletten der Hexe Bachel am Gürtel hängend. Zusamemn mit dem dunkelroten, kontrastreichen Hintergrund ergibt sich so ein düsteres, atmosphärisches Cover, das perfekt zur Geschichte passt.

Auch der Rest der Gestaltung ist wieder toll. Genau wie in allen vorherigen Bänden beginnt auch dieses Buch wieder mit einer detaillierten Karte von Paolinis Welt, einem Inhaltsverzeichnis, einer Zusammenfassung der vorhergehenden Geschehnisse und endet mit einem Glossar, einer Runenübersicht und einer Ausspracheübersicht für seine erfundene Sprache. Angesichts der Komplexität des Worldbuildings sind das sehr nützliche Ergänzungen, die ich beim Lesen immer wieder genutzt habe. Zusätzlich beginnt jeder der vier großen Abschnitte der Geschichte, die nach den jeweiligen Handlungsorten Ceunon, Gil´ead, Nal Gorgoth und Oth Orum benannt sind, ebenfalls mit einer illustrierten Karten dieses Ortes.

Erster Satz: "Willst du allein gehen?"

Und damit wären wir auch schon bei der Handlung angelangt. Wir begegnen Murtagh und Dorn zuerst in Ceunon wieder, wo er einer geheimnisvollen Warnung des Drachen Umaroth nachgeht und in einem Wirtshaus eine Gabel verzaubert. Damit nimmt "Murtagh" den Erzählfaden von "Die Gabel, die Hexe und der Wurm" - dem letzten im Eragon-Universum erschienenen Buch - gelungen auf. Nach so langer Funkstille vonseiten des Autors fand ich es sehr beeindruckend, wie mühelos der Autor hier wieder in seine Geschichte einsteigen kann. Paolini gelingt es meisterhaft mit seinem typischen einfachen Stil an seine aufgebaute Welt und die vorgestellten Protagonisten anzuknüpfen und ein neues Abenteuer zu starten, das das Gespann aus Drache und Reiter bis in die Tiefen des Buckels führen, zu einem geheimnisvollen Ort, an dem Schwefel aus der Erde quillt und sich Träume erfüllen...

Genau wie die vorherigen Eragon-Bände ist auch "Murtagh" eher episodisch erzählt und variiert stark im Erzähltempo. Die erste Hälfte der Geschichte eignet sich dabei wunderbar, um gemütlich wieder in die Geschichte einzusteigen, hat aber wie gewohnt ein wenig Überlänge. Der Autor ist dafür bekannt, seine Geschichten sehr langsam aufzubauen und sich dabei auf viele Detailbeschreibungen zu stützen. So kann man die Welt, die Figuren und deren Beziehungen ganz in Ruhe zu erkunden - was angesichts der Komplexität von Paolinis Fantasywelt durchaus keine schlechte Idee ist! Besonders Murtaghs Abenteuer in Gilead rund um den Fisch Schlammschlund und die verschwundenen Werkatzen liest sich fast wie ein eigenständiges Buch mit abgeschlossenem Spannungsbogen. Dementsprechend habe ich die Geschichte während der ersten 400 Seiten immer wieder beiseite gelegt und bin nur eher schleppend vorangekommen.

Aber dennoch zahlen sich all diese Informationen im Verlauf der Handlung immer aus und hat sich der Konflikt erst mal aufgebaut, kann man das Buch kaum aus der Hand legen. So ist die zweite Hälfte der Geschichte, die in Nal Gorgoth spielt, für mich dann zu einem absoluten Pageturner für mich geworden. Murtaghs Aufeinandertreffen mit dem Kult der Träumer und der Hexe Bachel in dem abgeschiedenen Dorf im Buckel empfand ich als so spannend, atmosphärisch und rätselhaft, ich die verbliebenden 400 Seiten in einem Tag verschlungen habe. Auch wenn ich zunächst nicht so recht wusste, was ich von einer neuen Bedrohung nach Galbatorix´ Fall halten soll, durfte ich bald feststellen, dass sich der neue Konflikt wunderbar in die Gesamtgeschichte integriert. Und so bin ich Murtagh und Dorn zitternd auf ihrer düsteren Seelenreise beigestanden und habe gespannt mit ihnen ein Geheimnis erkundet, das älter ist als Alagäesia...

"Achte darauf, wohin du deinen Fuß setzt, Reiter. Diese Hexe ist wie eine Spinne, die in der Mitte eines großen Netzes lauert, und ihr Biss ist giftig."
"Dann ist es gut, dass ich keine Angst vor Spinnen habe."


Apropos Alagaësia... Ich werde wohl nie müde, von dieser vielschichtigen und komplexen Fantasy-Welt zu lesen, die von vielen unterschiedlichen Wesen bevölkert wird. Vor einer mittelalterlichen Kulisse treffen wir hier abermals auf Menschen, Elfen, Zwerge, grobschlächtige Urgals, vogelähnliche Ra'zac, Werkatzen, Geister, Riesenspinnen, verzauberte Fische, Fingerratten und natürlich Drachen und ihre Reiter. All diese unterschiedlichen Völker und Ethnien bekommen wie gewohnt eine eigene Kultur, Politik und Sprache, über die wir bereits im Laufe der vier Bände der Hauptreihe einiges lernen durften und die aufgrund einer eigenen Geschichte und Taten einzelner sowohl Positives als auch Negatives zur Geschichte beitragen. Damit ist die Verteilung von Gut und Böse hier deutlich vielschichtiger als beispielsweise in "Herr der Ringe" und kein Volk entspricht einem klaren Klischee. Das sieht man beispielsweise an den Urgals, die zunächst an monströse Orks erinnern, sich aber als eigenes Volk mit Kultur und Meinungen entpuppen.

Es sind jedoch nicht nur die Bewohner der Welt detailreich ausgearbeitet, sondern auch die Schauplätze. Auf die sehr verwirrenden Namen der Orte und Personen mit vielen Apostrophen hätte ich zwar verzichten können - Gil’ead, Dras-Leona, Farthen Dûr, oder Urû’baen bleiben einfach zu schlecht im Gedächtnis -, durch die einfachen, aber bildhaften Beschreibungen des Autors werden die Landschaften und Städte Alagaësias aber herrlich lebendig. Ob der bergige Buckel, die Küstenstadt Teirm, der Wald Du Weldenvarden, der Hauptstadt der Elfen Ellesméra, den brennenden Steppen Du Völlar, der unnachgiebigen Wüste Hadarac, oder der Schönheit der Zwergenhauptstadt Tronjheim - schon beim Blick auf die Landkarte in der Vorderseite des Buches, kommen viele Erinnerungen zurück! In dieser Geschichte wird das Worldbuilding nochmal erweitert, indem wir bereits bekannte Orte durch ein frisches Paar Augen sehen, aber auch neue Städte und Dörfer besuchen und dabei viele neue Details über Alagäsia kennenlernen. Generell merkt man der Geschichte in jedem Aspekt an, dass Paolini als Autor gereift und erwachsen geworden ist. So auch am Schreibstil, der deutlich direkter und prägnanter geworden ist, sich selbst im Kern aber treu geblieben ist.

"Sing von Sorgen sanft und herb
Wein´, o fliegender Bote, um Sieg und Untergang.
Wer klagt um die Gefallenen, nach blut´ger Schlacht?
Was trösten Tränen, wenn Krähenschar sich senkt?

Die Worte hallten in seinem Geist nach, während er in der Dunkelheit lag. "Vergebt mir", flüsterte er. Er war sich nicht sicher, ob die Worte an die Geister seienr Vergangenheit gerichtet waren oder an die Männer in der Baracke. Doch als er die Augen schloss, sah er das Knochenfeld der Ertrunkenen vor sich."

Auch das Magiesystem des Eragon-Universums hat mir schon immer sehr gut gefallen, denn hier liegt der Schlüssel der Magie in Worten der sogenannten "alten Sprache". Spricht man ein Wort in der alten Sprache aus (z.B. "Brisingr", was "Feuer" bedeutet), erlangt man Macht über das, was es betitelt. Das lässt sich auch auf Personen übertragen: kennt man den sogenannten "wahren Namen" einer Person, hat man Macht über sie - ein Umstand, den der Antagonist der Geschichte, Galbatorix, schamlos ausgenutzt hat, um Murtagh und Dorn zu versklaven. Neu ist hier, dass Murtagh nach dem Showdown von Band 4 den wahren Namen der Magie kennt und somit Macht über die Magie an sich hat. Ich war sehr gespannt, wie sich diese Tatsache auf ihn und seine Macht auswirken würde. Leider kommt er gar nicht dazu, diese wirklich anzuwenden, da seine Gegenspieler gegen die Magie der Worte immun sind. Ich hätte sehr gerne gesehen, wie sich diese Idee weiterentwickelt. Aber vielleicht wird das ja in weiteren Bänden verfolgt...

Neben dem detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Worldbuilding sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Im Vordergrund stehen hier unzweifelhaft Murtagh und sein Drache Dorn. Zum ersten Mal ist der gesamte Roman auf seine Perspektive beschränkt und wechselt sich nicht mit weiteren Handlungssträngen ab. Da er als Erzähler sehr spannend ist und immer genug passiert, tut das der Spannung keinen Abbruch. Schon in der Eragon-Reihe war Murtagh für mich immer ein sehr interessanter und vielschichtiger Protagonist, der zu meinen absoluten Lieblingen gehört hat. Durch seine holprige Vergangenheit, seine schwierige Beziehung zu seinem Vater, die grauenvollen Jahre unter Galbatorix´ Befehl und seine aufgezwungene Rolle in dessen Pläne hat er einiges, was auf ihm lastet. Dadurch ist er von Beginn an deutlich erwachsener und vielschichtiger angelegt als unser jugendlicher Held Eragon es war.

"Nichts im Leben ist einfach", sagte Murtagh in Gedanken, denn der Klang seiner Stimme wäre ihm unerträglich rau vorgekommen. "Warum sollte es einfach sein? Das Leben ist ein Kampf von Anfang bis Ende." Ein grimmiges Lächeln umspielte Murtaghs Mund und er tätschelte Dorn. "Und es ist besser, zu gewinnen, als zu verlieren."


Die Unterschiede zu Eragon zeigen sich auch in den Konflikte und eigenen Herausforderungen, in die er sich hineinmanövriert, sowie in den komplett unterschiedliche Herangehensweisen, mit denen er diese angeht. Auch seine Beziehung zu seinem Drachen, Dorn, kann man nicht mit der von Eragon und Saphira vergleichen. Während die beiden durch eine sehr reine, freundschaftliche Liebe verbunden sind, sind Murtagh und Dorn in erster Linie Leidensgefährten, die durch den gemeinsam durchgestandenen Schmerz und das Verständnis für den jeweils anderen zueinander gefunden haben. Ich habe die Beziehung der beiden zu Beginn nur schlecht greifen können. Gegen Ende konnten die beiden, die zusammen Außenseiter sind, Fehler haben, traumatisiert, aber trotzdem voll von Empathie, Selbstreflexion und Liebe füreinander und andere Lebewesen sind, mich aber sehr berührend und jetzt würde ich gerne noch viel mehr über dieses Gespann lesen!

"Welche Maske würdest du wählen?" Ihm entfuhr ein schnaubendes Lachen. "Keine. Ich trage schon zu viele."
"Nicht bei mir."
"Nein, nicht bei dir."


Neben Murtagh und Dorn kommen nur sehr wenige aus der Hauptreihe bekannte Figuren vor. Neben einigen unbedeutende Nebenfiguren hat eigentlich nur die neue Königin Nasuada einen für meinen Geschmack viel zu kurzen Gastauftritt am Ende. Wer sich auf eine Neuauflage der zurückhaltenden Liebesgeschichte zwischen Murtagh und Nasuada freut, muss seine Erwartungen also stark herunterschrauben. Die Beziehung der beiden bleibt auf der Ebene des Potenzials. Dafür lernen wir einige ausgewählte neue Figuren kennen wie beispielsweise die Dienerin der Träumer Alin oder der Urgal Uvek, welche mir beide sehr ans Herz gewachsen sind. Auch die Hexe Bachel ist eine sehr interessante Figur, über die ich aber gerne noch mehr erfahren hätte.

Nach 800 Seiten gipfelt die Geschichte in einem epischen Showdown, der allerdings etwas abrupt in einem recht knappen Ende mündet. Ich hoffe also sehr, dass der Autor weitere Werke geplant hat, die die offenen Anknüpfungspunkte weiterführen und dass wir auf diese Fortsetzungen nicht nochmal 10 Jahre warten müssen! Es fehlt ja immer noch der versprochene Eragon Teil 5 und der angekündigte zweite Teil der Kurzgeschichten Sammlung steht ja ebenfalls noch aus. Man darf also gespannt bleiben...

"Du kannst die Welt nicht zwingen, so zu sein, wie du sie haben willst."




Fazit:


Eine tolle Fortsetzung, in der sich der Autor in jedem Aspekt gereift zeigt, aber dennoch treu bleibt. Murtagh ist eine stimmige Ergänzung zum Eragon-Universum, aber auch alleinstehend ein mitreißendes und vielschichtiges Abenteuer! Trotz kleiner Kritikpunkte wie leichten Längen oder dem recht abrupten Ende vergebe ich deshalb volle 5 Sterne!

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