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Veröffentlicht am 07.08.2022

Wellen, die über Kieselsteine rollen

Lesereise Ligurien
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Die Küste Liguriens ist reich an Klippen und durch die Berge für die Bewohner keine Gegend, die ein Bewirtschaftung leicht machen. Dennoch schafften und schaffen es die Menschen, in dieser schönen Umgebung ...

Die Küste Liguriens ist reich an Klippen und durch die Berge für die Bewohner keine Gegend, die ein Bewirtschaftung leicht machen. Dennoch schafften und schaffen es die Menschen, in dieser schönen Umgebung zu leben. Die Autorin führt in dieser Lesereise durch die Hauptstadt und andere Orte der Region und lüftet einige Geheimnisse, die einem Touristen sonst verborgen blieben.
Bei den Lesereisen aus dem Picus Verlag handelt sich nicht um gewöhnliche Reiseführer mit Fotos, Kartenausschnitten und Informationen in eigens dafür vorgesehenen Rubriken. In diesen auserlesenen Büchern geben ortskundige Autoren ihre ganz persönlichen Erlebnisse ihrer Lieblingsorte ans interessierte Publikum weiter. Dadurch ist eine Reisevorbereitung ebenso möglich wie eine Reise im Kopf, bei der man bequem zu Hause bleiben kann.
Der Schutzumschlag zeigt ein farbenfrohes Dorf der Cinque Terre, darunter verbirgt sich ein hochwertiger Hardcover-Büchlein mit siebzehn informativen Kapiteln. Die aussagekräftigen Überschriften werden durch die Untertitel noch weiter erklärt, wodurch das Publikum sofort erfahren kann, auf welches Thema man sich freuen kann.
Die Autorin beschreibt in angenehmem Schreibstil Wanderwege, kulinarische Höhepunkte und gibt Hinweise auf magische Geister- und Spukgeschichten. Weitere Tipps beziehen sich auf Veranstaltungen, die an bestimmte Jahres- oder Tageszeiten gebunden sind. Zusätzlich verweist die Autorin auf Künstler, die in ihren Werken ihr Heimatgefühl verarbeitet haben.
Diese feine Kulturreise verdient daher eine absolute Leseempfehlung – nicht nur für Italienliebhaber.

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Veröffentlicht am 05.08.2022

Auf den Spuren des Vaters

Was ich nie gesagt habe (Die Gretchen-Reihe 2)
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Tom Monderaths Vater ist schon vor etlichen Jahren gestorben, seine Mutter Greta dement und er selbst derzeit glücklich verliebt. Als er durch Zufall erfährt, dass er neben einem Halbbruder sogar noch ...

Tom Monderaths Vater ist schon vor etlichen Jahren gestorben, seine Mutter Greta dement und er selbst derzeit glücklich verliebt. Als er durch Zufall erfährt, dass er neben einem Halbbruder sogar noch einige weitere Halbgeschwister hat, beginnt die Suche nach den Hintergründen. Vor allem seine Freundin Jenny und sein Halbbruder Henk versuchen mehr über den umtriebigen Vater Konrad herauszufinden. Dieser geriet als Jugendlicher in amerikanische Gefangenschaft und kam danach nach Heidelberg, wo er sich in Greta verliebt. Ab dieser Zeit beginnt ein Familiengeheimnis, das sich bis in Toms Gegenwart zieht.
Das Cover zeigt die Rückenansicht dreier Personen: einen Mann, der einen kleinen Jungen an seiner Hand hält und etwas abseits eine Frau im karierten Kostüm. Die Kapitel erzählen alternierend die Geschichte Toms und die seines Vaters Konrad. Der Roman ist die Fortsetzung des Buches „Stay away from Gretchen“, kann aber ohne Schwierigkeiten auch ohne Kenntnis des ersten Teils gehört oder gelesen werden.
Das Hörbuch ist 2022 bei Hörbuch Hamburg erschienen und wird von Vera Teltz gelesen. Ganz am Anfang der Geschichte war ihre Stimme etwas gewöhnungsbedürftig für mich, was sich aber sehr schnell legte. Die Sprecherin trifft wirklich immer den richtigen Ton. Egal, ob es sich um gefühlvolle oder ernste Passagen handelt, ob sie Sätze in Kölsch wiedergibt und dabei trockenen Humor in ihren Unterton legt, die Sprecherin schafft es durchgehend großartig, das Publikum vollkommen in ihren Bann und damit mitten in den Sog der spannenden Handlung zu ziehen.
Die Autorin verpackt die Geschichte in lebhafte Dialoge und lässt mit den detaillierten Beschreibungen richtige Bilder entstehen. Die Auflösung der verzwickten Familienverhältnisse ist sicher recht interessant, sehr viel mitreißender sind aber die Rückblenden ins Leben von Toms Vater. Ob es um die gut recherchierte Darstellung der Lebenssituation zur Zeit des zweiten Weltkriegs geht, um die Maßnahmen der NS-Ideologie, die sich in alle Lebensbereiche drängten oder um deren schrecklichen Umgang mit Behinderten als Untersuchungsobjekte, das Buch spricht vielfältige Themen an. Auf die Nachkriegszeit bezogen wird vor allem die Geschlechterrolle und das Eheleben beleuchtet, sowie damit zusammenhängende Komplikationen, so werden auch Reproduktionsmedizin oder Verhütung angesprochen. Der Sprachstil ist größtenteils an die damalige Zeit angenähert ohne aber aufgesetzt zu wirken.
Die Charaktere sind authentisch und deren Handlungen nachvollziehbar. Die Geschichte selbst, so unglaublich sie mit der Anzahl an Halbgeschwistern auch wirken mag, hat in der Realität tatsächlich einige Vorbilder, was sie noch um einiges interessanter macht.

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Veröffentlicht am 05.08.2022

Zwei Frauenleben – aufrüttelnd und beeindruckend

Die Wunder
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Obwohl Maria ihre Großmutter ist, konnte Alicia diese noch nicht kennenlernen. Aus Schande über ein uneheliches Kind ließ Maria ihre Tochter Ende der Sechziger Jahre bei ihrer Familie zurück und lebte ...

Obwohl Maria ihre Großmutter ist, konnte Alicia diese noch nicht kennenlernen. Aus Schande über ein uneheliches Kind ließ Maria ihre Tochter Ende der Sechziger Jahre bei ihrer Familie zurück und lebte seither als Hausangestellte in Madrid, von wo aus sie sich nur durch Geld an der Erziehung des Kindes beteiligte. Auch die Enkelin Alicia flieht aus innerer Unruhe und einer familiären Tragödie in die spanische Hauptstadt. Beiden fehlt es sowohl an Geld als auch an Selbstvertrauen; aber auch am Vertrauen in ihr Heimatland und dessen Veränderungen.
Das Cover zeigt in ruhigem, unaufgeregtem Braun das Gesicht einer jungen Frau, im unteren Viertel Frauen bei einem Protestmarsch. Die Kapitel erzählen verschiedene Zeitabschnitte aus dem Leben von María und Alicia, wobei innerhalb der Kapitel auch abwechselnd von Großmutter und Enkelin berichtet wird. Der Schreibstil ist zunächst gewöhnungsbedürftig; Dialoge sind nicht als solche abgegrenzt, sondern fließen ohne Anführungszeichen in den Text ein. Einige Stellen werden in erster Person von den Frauen, andere aus der Sicht eines Erzählers wiedergegeben. Getrieben, fast hektisch treiben die Wörter die Handlung voran. Doch je mehr man in dieser vorankommt, desto fesselnder wird die Geschichte und man erkennt, dass der Schreibstil für dieses Buch nicht passender sein könnte; vor allem jedoch für die Gedanken der Protagonistinnen, die sich an manchen Stellen förmlich zu überschlagen scheinen.
Elena Medel gelingt mit ihrem Debüt ein großartiger Bildungsroman, der einen genauen Blick auf das Leben und die Stellung – nicht nur – der spanischen Frauen wirft. Sie verfährt dabei aber nicht mit militant-feministischen Parolen, sondern wagt sich sehr gefühlvoll an das Thema heran. Anhand der Protagonistinnen Maria und Alicia erörtert sie, wie unterschiedlich sich Bildung, soziale Herkunft und auch Geld auf Frauen verschiedener Generationen auswirken. Dazu beleuchtet sie auch die politischen Ereignisse Spaniens, die gekonnt mit dem Leben der beiden Frauen verwoben werden. Maria versucht seit ihrer Jugend sich ihre Freiheit zu erkämpfen – etwas anderes bleibt ihr auch nicht übrig. Alicia hätte durch ihre Ausbildung die Möglichkeit, viel mehr aus ihrem Leben zu machen – und verharrt dennoch in ihrer Verschlossenheit.
Die Autorin behandelt in diesem aufrüttelnden Roman die Macht der Männer, die Stellung der Familie und vor allem der Mütter, aber auch die damit zusammenhängende Situation der Frauen und deren Versuch, Freiheiten zu erlangen; es geht um Rechte und Pflichten, und um Stolz, aber vor allem auch um den Mangel an verschiedenen Dingen – allen voran um den Mangel an Geld, mit dessen Vorhandensein die Frauen Emanzipation und Befreiung zu erlangen glauben.

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Veröffentlicht am 19.02.2024

Der Geschmack des Publikums

Das Lächeln der Königin
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Die Büste der Nofretete, die 1913 nach Berlin gelangt, wird nicht nur durch ihre zeitlose Schönheit zur Sensation – auch für James Simon. Er ist Mäzen der Grabungen, angesehener jüdischer Textilunternehmer, ...

Die Büste der Nofretete, die 1913 nach Berlin gelangt, wird nicht nur durch ihre zeitlose Schönheit zur Sensation – auch für James Simon. Er ist Mäzen der Grabungen, angesehener jüdischer Textilunternehmer, Stifter unzähliger Kunstschätze, aber auch Gründer vieler sozialer Einrichtungen. Bei der erstmaligen Ausstellung der Büste im Neuen Museum entbrennt ein Streit zwischen Ägypten, Frankreich und Deutschland und Rückgabeforderungen werden laut. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg kommt es in der Weimarer Republik zunehmend zu nationalistischer und antisemitischer Propaganda.
Das schlichte Cover zeigt das geschäftige Treiben auf den Straßen im Berlin der Zwanziger Jahre. Der Roman ist in zwei Teile mit längeren Kapiteln geteilt. Die Sätze sind oft kurz gehalten, einem Bericht gleich; sie spiegeln die Gedanken des Protagonisten wider, durch häufige Rückblicke entstehen Zeitsprünge, denen man aber gut folgen kann. Die genaue Beschreibung der Nofretete lässt sie vor dem Auge des Lesers entstehen. Ihr Name selbst wird erst im Epilog erwähnt, davor gibt es nur einmal dessen Übersetzung als „Die Schöne ist gekommen“. Ausschnitte aus dem Briefwechsel zwischen dem Grabungsleiter Borchardt und seinem Gönner Simon unterstreichen die Authentizität der Geschichte.
Die Informationen zu den Ausgrabungen, die Katalogisierung, der Umgang mit den Fundstücken, Plünderungen, all das ist überaus interessant gestaltet, ohne jedoch lehrbuchhaft zu klingen. Es steckt dennoch viel mehr in diesem Roman. Die Beschreibung der Lebenssituation im wilhelminischen Zeitalter bietet einen guten geschichtlichen Überblick jener Zeit; bezogen sowohl auf Simons eigene, zunächst privilegierte Situation als auch auf die Schicksale jener Menschen, die er durch seine sozialen Einrichtungen unterstützt. Das Umschlagen der Situation und die vermehrt auftretenden antisemitischen Angriffe sind beklemmend beschrieben. Der Roman richtet sich daher nicht nur an Kunstinteressierte, sondern an alle, die ihren geschichtlichen Horizont erweitern wollen.

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Veröffentlicht am 05.12.2023

Eigentum des Windes

Das Leuchten der Rentiere
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Sámi-Mädchen Elsa wird mit neun Jahren Zeugin am Mord ihres Rentierkalbs und vom Täter zum Schweigen gezwungen. Die Polizei sieht darin Diebstahl und bleibt untätig. Seither plagen Elsa Schuldgefühle gegenüber ...

Sámi-Mädchen Elsa wird mit neun Jahren Zeugin am Mord ihres Rentierkalbs und vom Täter zum Schweigen gezwungen. Die Polizei sieht darin Diebstahl und bleibt untätig. Seither plagen Elsa Schuldgefühle gegenüber ihrem Umfeld. Im Lauf der Zeit steigt die Bedrohung der Sámi und ihrer Rentierherden, aber auch die Gleichgültigkeit der Behörden. Elsa beschließt dagegen anzugehen und sich endlich ihrer Schuld, Wut und Angst vor den brutalen Tätern zu stellen.
Das Cover zeigt eine Rentierherde in der Weite einer winterlichen Landschaft. Das Hörbuch besteht aus drei Teilen, die in kurze Kapitel gegliedert sind. Die Stimme der Sprecherin Jana Marie Backhaus-Tors ist angenehm und belebt die Geschichte. Die Autorin beschreibt die Landschaft, vor allem aber das Leben der Sámi sehr detailliert. Immer wieder sind Begriffe aus deren Sprache eingebaut, deren Bedeutung sich zwar aus dem Geschehen erklärt, für die ein hilfreiches Glossar aber natürlich in der Hörbuchversion leider fehlt. Auch der Übergang in andere zeitliche Abschnitte erfolgt im Hörbuch abrupter und man wünscht sich als Hörer eine bessere Abgrenzung.
Dennoch ist hier eine großartige Geschichte gelungen. Die Diskriminierung der Sámi löst eine Beklemmung aus, die schonungslose Beschreibung der Brutalität an den Rentieren durch Wilderer sogar große Abscheu. Die Ausgrenzung der Samen wird spürbar, aber auch die strengen Regeln innerhalb des Volksstammes. Elsa kämpft daher nicht nur gegen die Feindseligkeit der Bevölkerung an, die fordert auch innerhalb der samischen Dorfgemeinschaft eine eigene Stimme, und will gleichberechtigt gegenüber den Männern auftreten.
Die Geschichte berührt und macht betroffen. Zum nebenbei Hören eignet sich dieses Hörbuch nicht. Im Gegenteil – es fordert Konzentration und Mitdenken.

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