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Veröffentlicht am 20.01.2019

Spannend bis zum Schluss

Flucht in die Schären
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Im neunten Teil der Beststellerreihe widmet sich Viveca Sten einem oft tot geschwiegenen, aber doch sehr erschreckend realem Thema: häusliche Gewalt. Ein gesellschaftliches "Tabu-Thema", dem immer noch ...

Im neunten Teil der Beststellerreihe widmet sich Viveca Sten einem oft tot geschwiegenen, aber doch sehr erschreckend realem Thema: häusliche Gewalt. Ein gesellschaftliches "Tabu-Thema", dem immer noch viele Frauen und auch Männer ausgesetzt sind.

Nora Linda versucht Andreis Kovac als Kopf der Stockholmer Drogenszene wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche zu verhaften. Als dieser seine Frau Mina fast totprügelt, erscheint eine Aussage Minas als fast einzige Möglichkeit Andreis aus dem Verkehr zu ziehen. Die junge Frau flieht in ein Frauenhaus auf die Schären. Doch Andreis ist skrupellos und verfolgt seine Frau unerbittlich. Als ein Mord geschieht, trott Thomas Andreasson als Ermittler auf den Plan. Gemeinsam mit Nora versucht er alles, um Andreis aufzuhalten.

Da es mein erstes Buch der bekannten skandinavischen Autorin war, war ich sehr gespannt auf die Geschichte, die doch einen so aktuellen Bezug hat. Ich fand die Erzählweise der Autorin, den Aufbau der Handlung und auch die immer wieder neuen dramatischen Wendungen sehr packend. Ich habe die Geschichte fast in einem Rutsch durchgelesen. Gerade die Erzählabschnitte aus der Sicht von Mina, die verzweifelt versucht, sich vor ihrem Mann zu verstecken und im Kontrast dazu das fast rücksichtslose Verhalten von Andreis machen den Hauptteil der spannenden Geschichte aus. Beide Handlungsstränge fügen sich sehr gut ineinander und lassen die Ermittlungsversuche von Thomas und Nora fast in den Hintergrund treten. Aber das tut der Geschichte dennoch sehr gut. Denn dadurch gewinnt sie für mich an Dynamik, die mich beim Lesen fesseln konnte. Gerade als Mina ins Haus ihres Mannes zurückkehrt, um sich Kleidungsstücke zu holen und ihr Mann gerade wieder auf dem Rückweg ist... puh... wie habe ich da mit Mina mitgezittert. Viveca Sten versucht zudem, den gewaltätigen Andreis zum "Opfer" zu machen, als er als Kind vor dem Bürgerkrieg und der Gewalt aus dem umkämpften Kroatien fliehen musste. Gleichzeitig wird der Erklärungsversuch unternommen, warum Andreis so gewalttätig geworden ist. Freilich überlässt es die Autorin jedem Leser selbst zu entscheiden, über Andreis zu urteilen. Sicherlich ist sein Schicksal kein Pauschalfallbeispiel für die Entstehung häuslicher Gewalt. Ich bin sicher, das war auch nicht die Absicht der Autorin. Für mich ist die Geschichte dennoch ein echtes packendes Lesevergnügen gewesen, das jeden zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 20.01.2019

Bewegte Geschichte: hautnah, fundiert recherchiert und faszinierend

Queen Victoria
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Endlich! Man möchte ja fast meinen, es gibt schon Biographien über Queen Victoria wie Sand am Meer und gerade durch aktuelle Erfolgs-TV-Serien hat das bewegte Leben einer der bekanntesten Monarchinnen ...

Endlich! Man möchte ja fast meinen, es gibt schon Biographien über Queen Victoria wie Sand am Meer und gerade durch aktuelle Erfolgs-TV-Serien hat das bewegte Leben einer der bekanntesten Monarchinnen britischer Geschichte an Aktualität noch zugenommen. Aber dem ist leider nicht so. Ich bin selbst begeisterte Hobby-Leserin von Biographien, und habe ehrlich gesagt hier wirklich etwas vermisst. Umso erfreulicher, dass sich hier die Autorin Julia Baird an die Materie "getraut" hat und als kleines Fazit kann ich sagen: Es ist ihr wirklich, wirklich sehr gut gelungen.

Zum Leben von Victoria ist vieles bekannt. Sie wächst, vollkommen abgeschottet und isoliert als Halbwaise unter der strengen Blick ihrer Mutter als präsumptive Thronerbin auf. Besonders hart ist dabei der enge Vertraute der Mutter Sir Conroy, der in Victoria nur einen Steigbügel zur Macht sieht und die junge Frau geradezu schikaniert. Ein Umstand, der das Verhältnis zur eigenen Mutter über Jahre hin schwer belasten wird. Aber diese Jugend stählt und formt eine junge Frau heran, die ihren eigenen Willen eisern und diszipliniert durchzusetzen versteht. Das Leben dieser außergewöhnlichen Frau, die an Regierungsjahren derzeit nur von ihrer eigenen Ur-Ur-Enkelin Elizabeth übertroffen wird und unter deren Herrschaft sich Großbritannien zu einem Empire von Weltbedeutung formt - nicht zuletzt auch durch zahlreiche gesellschaftliche Veränderungen geprägt, wie die Industrialisierung und die Veränderung der Frauenrolle bis hin zum Frauenwahlrecht - dieses Leben zeichnet Julia Baird facettenreich in fünf Kapiteln auf 494 Seiten nach.

Es gelingt ihr - zumindest ist es ihr bei mir gelungen- auf eine spannende Reise mitzunehmen. Sie verliert sich nicht in geschichtlichen Untiefen, aus der so mancher Geschichtsfan sich u.U. schnell verliert, nein, sie stellt vor allem den Menschen Victoria in den Vordergrund. Sie betrachtet ihren Charakter, ihr Verhältnis zu ihrem geliebten Albert, dem sie sich geradezu sklavisch unterordnet und von ihm in jeder Lebenssituation abhängig macht. Allein das ist faszinierend, wenn man betrachtet, zu welcher Eigensinnigkeit und zu welchem Machtbewusstsein Victoria mitunter neigte. Aber auch ihr Familienleben und die Beziehung zu allen Premierministern kommt nicht zu kurz. Die Witwenzeit, die ein Großteil ihrer Regentschaft umfasst, erhält ebenfalls eine persönliche Note, durch die umstrittene Beziehung zu John Brown, über dessen Verhältnis zur Queen auch der Leser nur spekulieren kann.

Besonders gefallen hat mir die Art und Weise, wie Julia Baird geschichtliche Fakten zusammenfasst und präsentiert. Ihr Schreibstil ist unterhaltsam und flüssig. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass sie bewusst zwischen einer erzählerischen, romanhaften Perspektive in eine bewertende, distanzierte wechselt. So hatte ich oft das Gefühl, nicht nur ein neutraler Beobachter zu sein, sondern an der Geschichte lebhaft teilzuhaben, wie in einer Art Dokumentation mit gespielten Elementen. Genau das macht Geschichte ja gerade so faszinierend. Dass man eben nicht trocken die Fakten zusammenschreibt und dem Leser Zahlen "um die Ohren haut". Sondern ihn an der Reise - oder hier am Leben von Victoria teilhaben lässt.

Mein Fazit: Absolut lesenswerte Biographie über eine der faszinierendsten Frauen der britischen Geschichte. Fundiert recherchiert, persönlich und unterhaltsam.

Veröffentlicht am 22.10.2018

Lachen ausdrücklich erwünscht

Ich hab’s auch nicht immer leicht mit mir
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Anne Vogd gelingt mit ihrem selbstironischen Blick auf das Leben einer ab Vierzigjährigen wirklich auch sensationell witziges und heiteres Literaturstück. Ich habe selten so sehr gelacht, wie bei der Lektüre ...

Anne Vogd gelingt mit ihrem selbstironischen Blick auf das Leben einer ab Vierzigjährigen wirklich auch sensationell witziges und heiteres Literaturstück. Ich habe selten so sehr gelacht, wie bei der Lektüre von diesem Roman. Ich bin zwar selbst noch ein paar Jahre davon entfernt, aber das eine oder andere Problemchen hat man schon mal im Alltag an sich selbst beobachtet. Um so schöner, dass uns hier die Autorin mit auf den Weg "Du bist nicht alleine damit!". Ich finde es sehr gut gelungen, wie Anne Vogd uns hier mit viel Charme den Spiegel vorhält, und sich dabei selbst eigentlich nicht schont. Denn sie nimmt sich selbst aufs berühmte Korn und erzählt schonungslos von den Tücken des Alltags, von zwischenmenschlichen Beziehungen, der immer auffälligeren Gewichtsprobleme und des Gesundheitswahns, die Kunst, ein Kind zu bekommen und es auch großzuziehen und dabei selbst die Rolle der Mutter im Laufe der Zeit zu verändern und an die neuen Lebensgewohnheiten des Nachwuchses anzupassen. Und nicht zuletzt auch von der Kunst des Älterwerdens und wie man im Berufsleben seine Erfüllung findet. Ich glaube, dieses Buch muss man einfach genießen und sich dabei selbst kritisch hinterfragen, ob es nicht manchmal besser ist, mit viel Humor und Genuss älter zu werden und den Dingen manchmal mit mehr Gelassenheit ihren Lauf zu lassen. Mein Fazit: Betont selbstironischer, lockerer Schreibstil mit einer großen Portion persönlicher Lebenserfahrung der Autorin. Einfach zurücklehnen, genießen und herzhaft lachen.

Veröffentlicht am 22.10.2018

Leben ist...

Ich komme mit
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Vita Maier und Lazy Laval sind ein ungewöhnliches Duo. Sie - 72 Jahre alt, vom Leben enttäuscht und seit 5 Jahren Witwe. Er - 21 Jahre jung, steinreich, aber an Leukämie erkrankt. Beide eint ihr Humor ...

Vita Maier und Lazy Laval sind ein ungewöhnliches Duo. Sie - 72 Jahre alt, vom Leben enttäuscht und seit 5 Jahren Witwe. Er - 21 Jahre jung, steinreich, aber an Leukämie erkrankt. Beide eint ihr Humor und der Wunsch, das Leben hinter sich zu lassen. Was als eine etwas widerwillige Freundschaft mit einigen Hürden beginnt, entwickelt sich zu einer außergewöhnlichen tiefen Freundschaft.

Mit "Ich komme mit" gelingt der Autorin Angelika Waldis aus meiner Sicht ein sehr ungewöhnlicher, aber auch intensiver, kraftvoller Roman über das Leben und die Freundschaft im Spannungsfeld zwischen Lebensmut und -Todessehnsucht. Ich hatte zu Beginn durchaus meine Probleme, da ich die Erzählweise etwas sperrig fand und auch das Thema an sich schon sehr "schwer verdaulich" ist. Dennoch empfand ich die Entwicklung der beiden Charaktere sehr spannend und einfühlsam erzählt. In stetig wechselnder Perspektive kann sich der Leser sehr gut in die Gedanken und Gefühlswelt von Vita und Lazy einfühlen und auch verstehen, warum beide den Schritt bis hin zum Selbstmord wagen wollen. Die Geschichte punktet oft mit skurilem und ich möchte schon sagen Galgen-artigem Humor: Ein Pluspunkt für beide Charaktere, die sich trotz der doch sehr scheinbar ausweglosen Situation immer wieder Mut zusprechen können und sich ihren Sinn für Humor bewahren. Alles in allem ist "Ich komme mit" ein wunderbar feiner, einfühlsam erzählter Roman, der trotz aller Hürden und Entscheidungen seiner Protagonisten dem Sinn und des Lebens einen ganz besonderen Raum gibt.

Veröffentlicht am 16.09.2018

Es ist nie zu spät für einen Neuanfang

Ein unvergänglicher Sommer
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"Mitten im Winter entdeckte ich endlich, dass in mir ein unvergänglicher Sommer ist." - Besser kann man den Inhalt dieses neuen bewegenden Romans von Isabel Allende nicht zusammenfassen. Mitten im tiefsten ...

"Mitten im Winter entdeckte ich endlich, dass in mir ein unvergänglicher Sommer ist." - Besser kann man den Inhalt dieses neuen bewegenden Romans von Isabel Allende nicht zusammenfassen. Mitten im tiefsten Schneesturm in Brooklyn gerät Richard, der etwas eigenbrötlerisch mit seinen drei Katzen lebende Uni-Professor, in einen Auffahrunfall. Alles ein harmloser Unfall? Wohl kaum, denn plötzlich steht das junge guatemaltekische Kindermädchen Evelyn vor seiner Haustür und kann nicht zurück, denn das Auto ist von ihrem Dienstherrn gestohlen, sie lebt ohne Papiere in den USA und im Kofferraum des Autos befindet sich - zum Unglück aller Beteiligten - auch noch die Leiche einer jungen Frau. Schnell wird klar, die Leiche muss weg. Zusammen mit seiner chilenischen Untermieterin, der lebenslustigen Lucia schmiedet er einen Plan, die Leiche zu entsorgen. Auf dem Weg zu einer abgelegenen Hütte nördlich von New York kommt sich die Schicksalsgemeinschaft näher. Ein Kaleidoskop von Schicksalen, mittel- und südamerikanischer Geschichte entfaltet sich...

Wahnsinn! Das Buch von Isabel Allende hat mich sehr bewegt. Und die Autorin beweist hier wiedermal ihre große Erzählkunst. Es ist nicht unbedingt die Geschichte der Leiche, an deren Beseitigung alle drei eher unfreiwillig beteiligt sind. Es sind die Geschichten der drei Hauptcharaktere, die den Leser tief in die Vergangenheit des süd- und mittelamerikanischen Kontinent hineinziehen und diesen mitreißen. Da ist Richard, der einst in Brasilien liebte und lebte und durch einen selbst verschuldeten Schicksalsschlag seine Familie verlor. Da ist Lucia, die in Chile während der Diktatur aufwuchs und nie erfuhr, warum ihr Bruder Enrique spurlos verschwand. Und schließlich Evelyn, die in den grausamen Bandenkriegen ihre Brüder verlor und auf abenteuerlichen Wegen und mit Hilfe von Schleusern die Flucht in die USA antrat. Das sind die eigentlichen ergreifenden Zeugnisse, die mich als Leser zutiefst bewegt und auch beeindruckt haben. Besonders hat mich Lucia emotional berührt. Sie ist eine unglaublich starke Frau, die trotz ihrer schweren Jugend nie die Hoffnung aufgab und auch eine schwere Krankheit und eine zerbrochene Ehe "überlebte". Sie ist eine starke Kämpferin und wenn man so will der zentrale Ankerpunkt der Geschichte. Allende versteht es geradezu mühelos und leicht zu schreiben und mit den oft sehr furchtbaren Schicksalen behutsam umzugehen. In den wechselnden Perspektiven erhält der Leser immer wieder ein Puzzleteil aus der Vergangenheit der drei Protagonisten und kann sich so über deren jetzigen Charakter, der durch diese Vergangenheit geformt wurde, ein sehr gutes Bild machen. Ich habes diese Buch sehr schnell gelesen. Das Cover ist zudem sehr melancholisch, wenn auch leicht pathetisch wirkend gestaltet. Dennoch gibt es einen sehr guten Eindruck wieder von dem, was der Kern der Geschichte ist: Man ist nie zu jung für einen Neuanfang. Mein Fazit: Unbedingt lesen und mitfühlen.