Profilbild von claudi-1963

claudi-1963

Lesejury Star
offline

claudi-1963 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit claudi-1963 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.11.2021

Einblick in die verletzte Seele eines Kindes

Das Schweigen brechen
0

"Der Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Kinder können sich nicht zur Wehr setzen und leiden meist ein Leben lang unter den Folgen sexuellen Missbrauchs." ...

"Der Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Kinder können sich nicht zur Wehr setzen und leiden meist ein Leben lang unter den Folgen sexuellen Missbrauchs." (Dr. Christine Bergmann)
Autorin Gisela Föllmi hat in diesem Buch ihre eigenen Lebenserfahrungen von Kindesmissbrauch und Misshandlungen aufgeschrieben. Wer allerdings Schwierigkeiten hat, über Gewalt bei Kindern zu lesen, der sollte lieber Abstand nehmen. Den sie beschönigt hier nichts, was man ihr als Kind wirklich angetan hat. Gisela ist gerade sieben Jahre alt, als sie das erste Mal durch ihren Stiefvater an dessen Arbeitskollegen angeboten wird. Diesem kann er momentan kein Gehalt zahlen und deshalb lässt er es zu, dass dieser Gisela sexuell berührt. Gisela, die ein gut erzogenes Kind ist, gehorcht dem Vater allerdings mit einem unguten Gefühl. Dass diesem Erlebnis viele weitere und noch schlimmere folgen werden, dazu noch mit anderen fremden Männern, ahnt sie da noch nicht. Allerdings am schwersten ist für Gisela, dass sie durch ihre Eltern nicht geschützt wird, im Gegenteil, sie vergehen sich ebenfalls an ihr. Als abhängiges Kind muss sie schweigen, sonst droht ihr Strafe in Form von Prügel oder Liebesentzug. Nach und nach nimmt dabei ihre Seele großen Schaden. Um das Ganze zu verkraften, steckt Gisela alles in den Schlimme-Dinge-Schrank. Dieser öffnet sich erst langsam, als sie 46 Jahre alt wird. Fortan erfährt Gisela, woher ihre ganzen Probleme in ihrem Leben kommen oder warum es ihr bei bestimmten Gerüchen, Begebenheiten oder Begegnungen oft nicht gut geht. Nun wird ihr nach und nach klar, warum sie sich mehrmals das Leben nehmen wollte, ihre Ehe zerbrach und sie keine Kinder bekam. Was Gisela erleben muss, ist so ungeheuerlich und unfassbar, dass es mir an manchen Stellen fast das Herz zerreißt. So kann ich dieses Buch nur lesen, weil ich immer wieder unterbrechen muss, um das Gelesene zu verdauen. Und trotzdem finde ich es wichtig, was die Autorin hier zu Papier gebracht hat. Es ist ein Zeugnis der kleinen Gisela, das sie hier niedergeschrieben hat. Den ihre Vergangenheit kann sie nur eintauchen, wenn sie die Finger auf die Tastatur legt. Dann schreibt ihr Innerstes nieder, was damals geschah. Dass sie beim Lesen danach oft selbst entsetzt ist, was sie da zu Papier gebracht hat, kann ich gut nachvollziehen. Wie viel Kraft es der Autorin abverlangt hat, dieses Buch zu schreiben, kann ich dabei nur erahnen. Die Traumen der Vergangenheit anzusprechen kostet wirklich viel Mut und Energie, doch sie tut es, um endlich ein besseres Leben führen zu können. Den ohne Offenbaren kann die Seele nicht heilen.

Fazit:
Ein Buch, das nicht nur der Autorin, sondern auch dem Leser alles abverlangt. Doch zu sehen, was aus der kleinen Gisela wird, hat mich neugierig gemacht. Es zeigt, wie grausam Eltern sein können. Schade nur, dass der Preis für dieses Buch viel zu hoch ist, so werden diese Erfahrungen nur von sehr wenigen gelesen werden. Trotzdem finde ich, dass es ein sehr wichtiges Buch ist, weil wir einen Einblick in die Seele eines verletzten Kindes blicken dürfen. Ein wirklich starkes Zeugnis von einer mutigen Frau erwartet den Leser.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.11.2021

Wen das nächtliche Dresden für Frauen zur Gefahr wird

Verlorene Engel
0

"Vergewaltigung ist eines der schrecklichsten Verbrechen der Welt. Und es passiert alle paar Minuten." (Kurt Cobain)
Eine Serie von Vergewaltigungen erschüttert 1956 die Stadt Dresden. Max Heller und sein ...

"Vergewaltigung ist eines der schrecklichsten Verbrechen der Welt. Und es passiert alle paar Minuten." (Kurt Cobain)
Eine Serie von Vergewaltigungen erschüttert 1956 die Stadt Dresden. Max Heller und sein Team kommen dem Täter nicht auf die Schliche, vor allem weil er immer an anderen Stellen in der Stadt seine Opfer findet. Ist es Zufall oder beobachtet der Täter seine Opfer zuvor? Außerdem werden zwei russischen Soldaten vermisste nach ihrer Flucht. Ob sie was mit den Vergewaltigungen zu tun haben? Die Bevölkerung ist zusehends beunruhigt, besonders als man eine tote Frau in der Elbe findet. Als letzter Ausweg wollen sie mit einer Freiwilligen dem Täter eine Falle stellen, auch wenn Max weniger begeistert ist. Doch der Plan geht auf und sie fassen einen entstellten Verdächtigen, der jedoch den Mord nicht zugibt. Max größte Sorgen sind, als Anni nach einem Streit verschwindet. Ist sie einfach nur abgehauen oder gar in der Gewalt des Täters?

Meine Meinung:
In dem vorletzten Band dieser Reihe spürt ich zusehends die Veränderung von Staat und Menschen in der DDR. Immer mehr Bürger flüchten aus der DDR in den Westen, um dort ein besseres Leben zu finden. Max und Karin dagegen haben ihre Fluchtpläne wegen Erika und ihrem Enkelkind Sylvia aufgegeben. Doch die Beziehung zu Sohn Klaus ist weiter angespannt. Zwar ist Max nach einer Operation am Fuß endlich schmerzfrei, jedoch spürt man hier, dass er inzwischen im gesetzten Alter und kurz vor der Pension ist. Doch nach wie vor opfert sich Max ganz für seinen Beruf als Ermittler auf. Nächtliche Observationen stecken er und Kollege Oldenbusch zwar nicht mehr so einfach weg wie früher. Allerdings ist es gerade jetzt umso wichtiger, da ein Verbrecher in der Nacht Frauen auflauert und sie vergewaltigt. Die Suche nach zwei russischen Soldaten gestaltet sich ebenfalls als schwierig. Als ob das nicht reicht, kommen noch die Sorgen und Probleme mit der 13-jährigen Pflegetochter Anni dazu. Wieder einmal lässt Frank Goldammer den Leser sehr lebendig am Alltag und den Sorgen im DDR-Staat teilhaben. Ob es das Abhören von Bürgern ist, die Maßregelung von Vorgesetzten und Parteigenossen des MfS. Zwar hat der parteilose Max bisher durch Klaus und Niesbach immer noch etwas Rückendeckung erhalten, doch die bröckelt zusehends. Niesbach ist inzwischen pensioniert und Klaus bekommt immer mehr Druck von oben. Natürlich sind dabei die Westpakete von Erwin der Partei ebenfalls ein Dorn im Auge. Ob ihre damalige Entscheidung wirklich eine gute Wahl war? Vor allem Karin kommt immer mehr ins Grübeln. Dass einfache russische Soldaten aus der Armee türmen, weil sie hungern oder einfach nur noch nach Hause möchten, kann ich gut nachvollziehen. Kein Wunder, wenn der Staat seine eigenen Leute so schlecht behandelt. Umso tragischer, wen diesen jungen Männern die Todesstrafe droht. Mich hat dieser Krimi wieder sehr gut unterhalten und total überzeugt. Nicht nur, weil es um Vergewaltigung, Deserteure und Politik geht, sondern auch um die vielen kleinen Probleme rund um die Familie Heller. Etwas gewundert hat mich, dass man in der DDR zwar prinzipiell Frauenarbeit begrüßt, jedoch bei der Polizei und Kripo damit sehr zaghaft ist. Schade, dass diese Reihe mit demnächst zu Ende geht. Von mir gibt es erneut eine Leseempfehlung und 5 von 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.11.2021

Also am Kopp hot der Bu nix

Immer im Rampenlicht
0

"Ich will versuchen mich so anzunehmen, wie ich bin, weil Gott mich angenommen hat." (Buchauszug)
Das Cover zeigt schon gleich Bernd R. Hocks Beeinträchtigung, mit der er leben muss. Er wird 1968 mit einer ...

"Ich will versuchen mich so anzunehmen, wie ich bin, weil Gott mich angenommen hat." (Buchauszug)
Das Cover zeigt schon gleich Bernd R. Hocks Beeinträchtigung, mit der er leben muss. Er wird 1968 mit einer körperlichen Behinderung geboren. Zu dieser Zeit gab es noch nicht so genaue Untersuchungsmöglichkeiten während der Schwangerschaft. Aber wer weiß, vielleicht würde sonst Bernd gar nicht leben. Doch so erfreut er sich an seinem Leben, das zwar etwas eingeschränkt, doch ansonsten absolut lebenswert wert ist. Schon seine Geburt beschreibt er hier recht humorvoll, obwohl es für seine Eltern damals sicher ein großer Schock war. Für ihn steht allerdings fest: "Genau so muss es gewesen sein damals, als Gott wollte, dass ich lebe!". Bernd ist ein Kämpfer, selbst wenn er viel Hänselei in der Schule und einige Rückschläge im Leben mitmachen musste. Es gab öfters Stellen, wo ich herzhaft lachen oder schmunzeln muss. Dennoch erzählt er genauso ehrliche und tiefgründige Erlebnisse aus seinem Leben, die mir durchaus zu Herzen gehen. Ob es das Kennenlernen seiner Frau Kerstin ist, mit der er dann eine Familie gründet. Die ersten Auftritte im Rampenlicht als Bühnenmensch. Seinen Glaubensweg und über seine Einschränkungen im Alltag. Aber niemals spüre ich dabei, dass Bernd diese Probleme als schwierig ansieht. Im Gegenteil, gerade durch seine lebensbejahende Einstellung nimmt er vieles mit Humor oder schafft es irgendwie. Er spürt schon recht früh seine Liebe zu Schauspielern und dem Rampenlicht. Allerdings nimmt er mit der Zeit war, dass Traurigkeit im Hause Hock gerne unter den Teppich gekehrt wurde. Es gab sie einfach nicht und sehr schnell musste man wieder funktionieren. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er in seinem Leben durchaus auch unter Depressionen litt. Dass er sogar Heilungspredigern nachreist, die mit ihren Gebeten nichts an Bernds körperlichen Einschränkungen ändern konnten, kann ich gut verstehen. Gott ist eben für Vielfalt in unserer Welt und da gehören eben genauso kranke und behinderte Menschen dazu. Mit "Jetzt erst recht!", läutet Bernd seine zweite Lebenshälfte ein und möchte noch viel erleben.

Fazit:
Der flüssige, unterhaltsame Schreibstil hat mich in dieser Biografie sofort angesprochen. Man spürt, dass Bernd ein durch und durch positiver Mensch ist, was sicher an seiner positiven Einstellung und seinem Glauben liegt. Ausgeschmückt wird das Ganze noch mit schönen Bildern in der Buchmitte. Von mir gibt es für diese eindrucksvolle Biografie 5 von 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.10.2021

Deutschlands neue schockierende Verbrechen

True Crime International / TRUE CRIME DEUTSCHLAND 2
0

"Aus Habsucht entstehen alle Verbrechen und Übertaten." (Cicero)
Deutschlands bekannter und bester True Crime-Bestsellerautor Adrian Langenscheid bringt hier nach seinem Erstlingswerk 2019 den zweiten ...

"Aus Habsucht entstehen alle Verbrechen und Übertaten." (Cicero)
Deutschlands bekannter und bester True Crime-Bestsellerautor Adrian Langenscheid bringt hier nach seinem Erstlingswerk 2019 den zweiten Band über wahre Verbrechen in Deutschland. Es ist inzwischen sein siebtes Buch über Kriminalfälle aus der ganzen Welt. In 10 atemberaubenden Kapiteln lässt er zusammen mit dem Thrillerautor Benjamin Rickert den Leser an diesen Kriminalfällen teilnehmen. Ihre Informationen erhalten sie vorwiegend aus Gerichtsverhandlungen, Akten, psychologischen Gutachten, Verhören und Ermittlungsprotokollen. Zwar war diesmal der eine oder andere Fall bekannt für mich jedoch so detailliert, wie sie hier ausgearbeitet wurden, waren sie wieder ein wahres Leseerlebnis. Erneut zeigt sich, wie viel Arbeit sich der Autor mit den jeweiligen Geschichten gemacht hat. Dazu wurde das Ganze noch verziert mit passenden Zitaten, die der Autor vor jedes der zehn Kapitel setzt. Interessant sind für mich vor allem die vielen Informationen rund um den Fall der Unternehmerfamilie Oetker, die in "Ein Anruf zu Hause" ausführlichst behandelt wird. Zwar kenne ich dieses Verbrechen aus dem Jahr 1987, doch sehr viele Informationen waren absolut neu für mich. Ebenso bekannt müsste einigen der Kriminalfall um den Kaufhauserpresser Dagobert sein, in das bei "Ein Katz-und-Maus-Spiel" näher eingegangen wird. Ebenfalls dürfte mehreren die Geschichte "Kleider machen Leute" bekannt sein, den die wurde 1956 mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle als Hauptmann von Köpenick verfilmt. Schockiert hat mich besonders "Bauer sucht Frau", bei dem ein Ehepaar Frauen misshandelt, missbraucht und tötet. Reichlich bekannt wird auch die Geschichte "Sattelzug" sein, die mich damals geschockt hat, als in den Nachrichten berichtet wurde. Hier handelt es sich nämlich um den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt 2016 in Berlin, bei dem elf Menschen sterben und viele schwer verletzt wurden. Wie es zu dem Verbrechen kam und wer der Täter war, das ist wirklich interessant für mich gewesen. Besonders erschütternd dabei fand ich den Tod des LKW-Fahrers, der eine Frau und Kind hinterlässt. Diese und weitere mehr finden sich im neuen True Crime Buch. Gerade seine real dargestellte Schreibweise weckt in mir immer wieder Emotionen, besonders wenn ich lese, wie die Opfer massiv leiden mussten. Dass es immer wieder zu solchen brutalen Verbrechen kommt und dies selbst in Deutschland schockiert mich doch sehr.

Fazit:
Ein Buch, das keiner verpassen sollte, der mehr über wahre, echte Verbrechen in Deutschland erfahren und sich näher damit befassen möchte. Deshalb gibt es von mir eine Leseempfehlung und 5 von 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2021

Zwischen Hoffen und Bangen im Umbruch der Zeit

Die Schwestern vom Ku'damm: Ein neuer Morgen
0

"Etwas wünschen und verlangen. Etwas hoffen muss das Herz, etwas zu verlieren, bangen und um etwas fühlen Schmerz." (Friedrich Rückert)
Berlin 1966: Die Stadt steckt in einem Umbruch und das Modekaufhaus ...

"Etwas wünschen und verlangen. Etwas hoffen muss das Herz, etwas zu verlieren, bangen und um etwas fühlen Schmerz." (Friedrich Rückert)
Berlin 1966: Die Stadt steckt in einem Umbruch und das Modekaufhaus Thalheim bleibt vor diesem ebenfalls nicht verschont, mit einem neuen Konzept entsteht Thalheim City. Chefdesignerin Miriam Feldmann hat einen guten Draht zu ihrem Vater Friedrich Thalheim, weshalb sie gebeten wird, ihm den Umbruch in Sachen Mode nahezulegen. Aus Amerika kommt die Hippiezeit mit ihren knalligen Farben und kurzen Röcken in die Modewelt. Ebenso läuft privat alles bestens, seit sie und Schani Jenny adoptiert haben, sind sie eine kleine Familie geworden. Niemals hätte Miri für möglich gehalten, dass sie mit Anfang vierzig noch schwanger werden könnte. Nach ersten Verunsicherungen überwiegt doch irgendwann die Freude auf das Baby. Ein Wiedersehen von Moritz Schwarz, den sie aus Kriegszeiten kennt, katapultiert Miri in die schwierigsten Zeiten ihres Lebens zurück.

Meine Meinung:
Nach den drei Bänden über die Thalheim Schwestern kommt nun der vierte Band und es ist wie das ankommen in einer Familie für mich. Mit Miriam Feldmann (Miri) kommt eine vierte Schwester dazu. Diese hat erst recht spät erfahren, das Friedrich Thalheim ihr Vater ist. In die Familie aufgenommen wurde sie ja schon länger, schließlich war ihre Mutter Ruth schon damals die Designerin des Kaufhauses. Jedoch als Jüdin hat sie im Krieg schwierige Zeiten mitgemacht. Nicht nur, dass sie den Verlust ihrer Mutter verkraften musste, von der sie sich nicht mal verabschieden konnte. Zusätzlich konnte sie nur mithilfe vieler netter Menschen die Kriegszeit überleben. U-Boot nannte man diese Juden, die damals unsichtbar während des Krieges überlebt haben. Man schätzt, dass so über 1500 Juden allein in Stadt Berlin überlebt haben. Doch diese Zeit war keine einfache, wie ich aus diesem Buch entnehme, den ständig musste sie in Angst leben und immer wieder neue Identitäten annehmen. Gerade diese Zeit schildert die Autorin noch eindrucksvoller und bewegender als in den anderen Büchern, was sicher an Miris jüdischen Hintergrund liegt. Dabei wechseln die beiden Handlungsstränge jeweils zwischen Gegenwart und Miris Vergangenheit. Auch mich treffen emotional besonders Miris Vergangenheit und vereinzelte Situationen in der Gegenwart. Wie immer in ihren Büchern lässt die Autorin wieder den Zeitgeist nicht nur in die Modewelt einfließen, sondern ebenso das Geschichtliche. Dadurch erfahre ich, was die 60er-Jahre in Deutschland und speziell in Berlin zu jener Zeit bewegt hat. Da wäre zum einen die Hippiezeit mit dem Woodstock-Festival und den ersten Konzerten von Jimi Hendrix, für den besonders Jenny schwärmt. Ebenso geht es wieder politisch heiß her mit Rudi Dutschke und den Studentenprotesten, wie man heute weiß, sollen diese dann mit dem Terrorismus der RAF unter Baader, Meinhof und Ensslin einhergehen. Alle geschichtlichen Ereignisse zwischen 1966-1971 hat die Autorin eindrucksvoll am Buchende zusammengefasst. Ebenfalls angerissen werden Themen wie Rassismus, Antisemitismus und Homosexualität. Man spürt hier einfach den Einfluss von Brigitte Riebes Geschichtsstudium, das sie immer charmant und ausführlich in ihre Bücher miteinfließen lässt. Ganz besonders nahebringen mit ihren Gedichten möchte sie den Lesern eine Jüdin, die viel zu jung sterben musste. Von ihr ist dieser eindrucksvolle Ausschnitt aus ihrem Gedicht "Poem":

Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen.
Und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein.
Nein. (Selma Meerbaum-Eisinger)

Gerade wegen diesen historischen Ereignissen habe ich nie groß den Eindruck, dass es eine fiktive Geschichte ist. Zum besseren Verständnis möchte ich die komplette Tetralogie der Thalheim-Schwestern aus Berlin wärmstens empfehlen und gebe für dieses Buch erneut 5 von 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere