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Veröffentlicht am 03.01.2021

Schach

Der Mädchenwald
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Die 13jährige Elissa bricht früh am Morgen gemeinsam mit ihrer Mutter auf zu einem Jugendschachturnier. Während einer Pause verschwindet sie spurlos und gerade in den ersten so wichtigen Stunden kommt ...

Die 13jährige Elissa bricht früh am Morgen gemeinsam mit ihrer Mutter auf zu einem Jugendschachturnier. Während einer Pause verschwindet sie spurlos und gerade in den ersten so wichtigen Stunden kommt Polizistin DI MacCullagh nicht recht voran. Die Chance, das junge Mädchen lebend zu finden, sinkt rapide.

Elijah ist zwölf und wohnt mit seiner Familie abgeschieden in einem dunklen Wald, wo er mangels Internet und Handy seine eigene Welt entwirft, den Orten unterschiedliche Phantasienamen verpasst und sich fast nur allein mit der Natur beschäftigt.

Als er Elissa entdeckt, ist er unsicher, ob er Hilfe holen und damit sein eigenes Leben auf den Kopf stellen soll, oder nicht. Ein gefährliches Spiel beginnt.

Elijah erzählt aus der Ich-Perspektive, über Elissa und Polizistin Mairéad wird in der neutralen Erzählform geschrieben, wodurch in stetem Wechsel der Sichtweisen eine sehr lebendige Geschichte entsteht. Autor Sam Lloyd streut anfangs viele Informationen, die sich nach und nach in der Handlung wiederfinden, geschickt den Einfallsreichtum und die Willenskraft Elissas widerspiegeln. Mit vielen Details ausgeschmückt, lernen wir die beiden Hauptpersonen und ihre Umgebung kennen, dennoch vermag man als Leser lange nicht die ganze Tragweite der Geschichte zu durchschauen. Unerwartetes tritt im Laufe Mairéads Ermittlungen zutage und lässt im zweiten Teil des Thrillers eine komplett neue Wende zu.

Der Schreibstil von Lloyd ist ein angenehmer, lässt Elissa, Elijah und alle anderen zu recht glaubwürdigen Figuren erwachen. Spannend ist der Mädchenwald durch all die Gedankengänge, die das Tun und Handeln begleiten, durch strategische Überlegungen und eingesetzte Taktik. Wird am Ende jemand überleben? Wenn ja, dann wer – und wie?

Ein durch und durch lesenswertes Buch, das Sam Lloyd uns hier präsentiert und das ich sehr gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 29.12.2020

Alles im Fluss

Mädchengrab
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In den rauen Wäldern Westkanadas taucht eine skelettierte Leiche auf. Ist das Moosmädchen die junge Jasmine, die 24 Jahre zuvor im Fluss Nahamish ertrunken sein soll?

Privatdetektivin Angie Pallorino ...

In den rauen Wäldern Westkanadas taucht eine skelettierte Leiche auf. Ist das Moosmädchen die junge Jasmine, die 24 Jahre zuvor im Fluss Nahamish ertrunken sein soll?

Privatdetektivin Angie Pallorino bekommt den Auftrag, so viel wie möglich über die Studentin und ihr Leben kurz vor deren Tod herauszufinden. Auf der Suche nach der Wahrheit stößt Pallorino nicht nur auf das Schweigen der Dorfbewohner, sondern auch an ihre eigenen Grenzen.

Eindrucksvoll und faszinierend stellt sich die kanadische Wildnis mit ihren dunklen Wäldern, einsamen Lichtungen und unzähligen Tierarten dar. „Nebelfinger, die durch die Bäume wehen“ (Pos. 374) und das „unheilvolle Donnern der Plunge Falls“ (Pos. 468) unterstreichen die bildhafte und detaillierte Beschreibung, die sich durch das gesamte Buch zieht. Aber nicht nur Landschaften, nein, auch tiefen Gefühlen gibt Loreth Anne White auf diese Weise Raum, die Natur spiegelt Erinnerungen wider und zwingt die Menschen gleichsam, sich alten aufreißenden Wunden zu stellen.

Allen voran, holt Angie selbst die Vergangenheit ein. Ihre Geschichte wird teils rückblickend aufgerollt, aber gerade nur so viel, wie für das Verständnis nötig ist, wenn man die beiden Pallorino-Bände zuvor nicht gelesen hat. Ihr persönliches Schicksal steht abwechselnd mit der Aufklärung über den Tod von Jasmine immer wieder im Vordergrund und nimmt viel Platz ein. Dennoch tut dies dem Ganzen keinen Abbruch, verschmilzt doch die Motivation der Privatdetektivin gekonnt mit den Geheimnissen, die in den Tiefen Kanadas verborgen sind. So inszeniert die Autorin ein faszinierendes Werk über den Fluss des Lebens, flicht den reißenden Nahamish perfekt in die Geschehnisse heute wie damals ein und beleuchtet die Abgründe, die immer tiefer werden, je länger Angie nachforscht.

Neben der düsteren Herbstlandschaft besticht die Psychologie bei diesem Thriller, die subtil erschaffenen Persönlichkeiten, die Triebfeder, welche jeden Einzelnen genau das tun lässt, was er tut. Fasziniert und neugierig eilt man beim Lesen von einem Kapitel zum nächsten, saugt neue Erkenntnisse auf und ordnet gemeinsam mit Angie Pallorino die Puzzleteilchen, die nur allmählich auftauchen. Als schon das Ende greifbar scheint und Verwunderung einsetzt ob der vielen verbleibenden Seiten, kommt plötzlich eine ganz neue Dynamik auf und beschert ein spannendes Finale.

Als kompletter Neuling in Sachen Pallorino kann ich nur sagen: faszinierende Geschichte, psychologisch perfekt in Szene gesetzt!

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Veröffentlicht am 20.12.2020

Eine Chance für die Zukunft

Kinderklinik Weißensee - Zeit der Wunder (Die Kinderärztin 1)
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Die beiden Waisenmädchen Marlene und Emma bekommen eine einzigartige Chance: sie dürfen eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester in der neu eröffneten Kinderklinik Weißensee beginnen. Die Freude ist ...

Die beiden Waisenmädchen Marlene und Emma bekommen eine einzigartige Chance: sie dürfen eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester in der neu eröffneten Kinderklinik Weißensee beginnen. Die Freude ist groß, die Vorbehalte gegen die zwei aus dem Waisenhaus aber ebenso. Ein anstrengendes Jahr wartet, geprägt von schwerer Arbeit, erster Verliebtheit und Misstrauen durch so manche Kollegen. Standesunterschiede zwischen Ärzten und Pflegerinnen müssen anno 1911 gewahrt werden und ohne väterliche Zustimmung gibt es keine Behandlung. So fällt es den beiden Elevinnen nicht immer leicht, ihre Ziele im Auge und ihre geschwisterliche Zuneigung zueinander aufrechtzuerhalten.

Tränen in den Augen hat man schon beim Prolog, der so traurig und dennoch voll Hoffnung ist. Wunderschön die Sprache von Antonia Blum, die den Leser zurückversetzt um hundert Jahre, in eine Zeit, in der Mädchen wenig wert sind, noch weniger, wenn sie aus dem Waisenhaus stammen. Dennoch vermittelt die Autorin mit ihren Worten Zuversicht und Optimismus. Trotz einiger Rückschläge finden sich auch immer wieder neue Perspektiven.

Begeisterung für die verantwortungsvolle Tätigkeit und schwierige Theoriekapitel über Kinder- und Säuglingspflege werden genauso lebendig geschildert wie Liebe und Enttäuschung unter den jungen Damen. Mit vielen Hintergrundinformationen und durch genaue Recherche wird das anfängliche 20. Jahrhundert lebendig, in dem sich die Kinderheilkunde erst etablieren und von der Erwachsenenmedizin abgrenzen muss. Sehr authentisch werden Ernährung und Pflege der Kleinsten in eine wunderbare Romankulisse verpackt, sodass man wie nebenbei eine Menge an Sachinformationen erhält, während die Geschichte rund um Marlene und Emma voll Spannung und Gefühl erzählt wird. Besonders die einzelnen Charaktere sind durchwegs sehr detailliert gezeichnet, vom Portier bis zum Klinikchef hat man lauter greifbare Figuren vor Augen.

Die Kinderklinik Weißensee verzaubert und berührt von der ersten bis zur letzten Seite. Als Leser kann man gar nicht anders, als gebannt auf die Fortsetzung im September 2021 zu warten.

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Veröffentlicht am 13.12.2020

Das Böse

Wisting und der Atem der Angst
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Der Verbrecher und brutale Frauenmörder Tom Kerr sitzt seit Jahren im Gefängnis. Nun will er mit der Polizei kooperieren und an einer Tatortbegehung teilnehmen. Unglücklicherweise kann Kerr dabei entkommen ...

Der Verbrecher und brutale Frauenmörder Tom Kerr sitzt seit Jahren im Gefängnis. Nun will er mit der Polizei kooperieren und an einer Tatortbegehung teilnehmen. Unglücklicherweise kann Kerr dabei entkommen und die Gerüchte, dass es einen Komplizen geben muss, den „Anderen“, flackern erneut auf. Angst um weitere Opfer breitet sich aus und Wisting gerät unter Verdacht, Fehler begangen zu haben.

Der beste Kommissar Norwegens ermittelt bereits in seinem dritten Cold Case, der diesmal so kalt gar nicht ist. Wer Wisting bereits kennt, freut sich über ein Wiedersehen mit dem sympathischen älteren Herrn, der gern intuitiv und von einem inneren Gespür geleitet, agiert. Auch seine Tochter Line ist ihrer journalistischen Tätigkeit treu geblieben und dreht eine Dokumentation über den grausamen Gefangenen, weswegen sie ebenfalls beim Ortstermin dabei ist. Die Herzlichkeit und Verbundenheit zwischen William und Line wird auch hier unterstrichen, dennoch kommt es zu Interessenskonflikten, darf doch der Kommissar ihr gegenüber keine Details über die Ermittlung bekannt geben. Im Vergleich zu den Vorgängerbänden gibt es in Teil 3 nicht so viel Persönliches, da einigen Lesern die Hintergründe ohnehin schon bekannt sind und Neueinsteiger gut ohne Vorwissen ins Geschehen eintauchen können.

Gewohnt kurzweilig schreibt Jørn Lier Horst ohne Schnörkel und Umschweife, seinem Stil treu bleibend kommt er mit wenigen brutalen Szenen aus und entwirft eine glaubwürdige Handlung, die von der ersten Seite weg direkt an den Schauplatz führt und den Leser gebannt durch die knapp gehaltenen Kapitel fliegen lässt. Läuft wirklich alles korrekt ab oder hat Wisting nicht doch fahrlässig gehandelt? Immer neue Fragen werden aufgeworfen, überraschende Wendungen erhalten den Spannungsbogen konstant aufrecht bis zum atemberaubenden Ende, das man so keinesfalls vorhersehen konnte.

Da sich jeder einzelne Abschnitt logisch in das gut durchdachte Gesamtbild fügt und auch alle Figuren wieder sehr glaubwürdig dargestellt sind, wird das Lesen zu einem reinen Vergnügen. Schön, dass ein neuer „Wisting“ im April 2021 auf uns Leser wartet …

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Veröffentlicht am 09.12.2020

Alles wird gut

Drei Frauen im Schnee
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Weihnachten steht vor der Tür, wie jedes Jahr, aber im Dezember 2012 ist für Sonja dennoch alles anders: ihre Zwillinge Amelie und Lilly reden vom Weltuntergang und vom Abschaffen des Festes, Ehemann Paul ...

Weihnachten steht vor der Tür, wie jedes Jahr, aber im Dezember 2012 ist für Sonja dennoch alles anders: ihre Zwillinge Amelie und Lilly reden vom Weltuntergang und vom Abschaffen des Festes, Ehemann Paul wird von seiner Firma in Beschlag genommen und bietet keinerlei Hilfe, Onkel Leo muss ob seiner aufdringlichen Art ausgeladen werden und Schwiegermutter Irene im oberen Stock will nicht nur ihre gewohnten, Nerv tötenden Rituale beibehalten, sondern darüber hinaus auch noch eine Freundin einladen. Ein friedvolles Miteinander scheint ausgeschlossen, will Sonja sich nicht wieder allen anderen Wünschen beugen und so kommt, was kommen muss: verärgert verlässt sie das Haus im weihnächtlichen Chaos – um unerwartet auf zwei neue Freundinnen zu treffen. Das Leben der drei Frauen nimmt überraschende Wendungen und beschert ihnen heitere wie nachdenkliche Tage auf dem Stoos.

In angenehmer Sprache verfasst kommt Imbodens Wintermärchen daher, beschreibt direkt und unumwunden Sonjas Leben, ihre Wünsche, ihre Träume und alles, was nicht in ihre Vorstellung von Weihnachten passt. Viel ist schnöder Alltag geworden, Schwiegermutter Irene immer wieder auf der Bildfläche, weil sie es „gut meint“. Auch wenn Sonja im Grunde eine Frohnatur ist, wird es ihr diesmal doch zu viel. Weihnachten soll anders werden, und das wird es auch …

Im abgeschiedenen Dorf am Stoos kommt Sonja zum Innehalten, greift Ideen und Gedanken anderer auf und spürt ihrem Innersten nach. Wunderbar umrahmt die Natur mit ihren tief verschneiten Hängen, den Wäldern und der Ruhe diese Geschichte. Alles fügt sich nahtlos ineinander, die Bilder, welche die Autorin so schön in Worte fasst, lassen diesen Roman lebendig werden. Gefühle werden offenbar, glaubhaft und authentisch verhalten sich nicht nur die drei Frauen. So wirkt die ganze Geschichte niemals langweilig oder aufgesetzt, sondern stets dem wahren Leben nachempfunden, bietet Szenen zum Schmunzeln ebenso wie Anregungen zum Nachdenken.

Drei Frauen im Schnee ist ein ruhiger, stimmiger Roman, der Hoffnung sowie Glauben an das Gute in den Mittelpunkt rückt und einfach kuschelige Unterhaltung an gemütlichen Winterabenden bietet.

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