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Veröffentlicht am 18.04.2022

Alles nicht so einfach

Simpel mit Sampl
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Das Kochbuch „Simpel mit Sampl“ von Thomas Sampl und Madlen Zeller ist anders als alle Kochbücher, die ich kenne und besitze. Die Informationen zu den Inhaltsstoffen von Obst- und Gemüsesorten sind genauer ...

Das Kochbuch „Simpel mit Sampl“ von Thomas Sampl und Madlen Zeller ist anders als alle Kochbücher, die ich kenne und besitze. Die Informationen zu den Inhaltsstoffen von Obst- und Gemüsesorten sind genauer und detaillierter, als man es gewöhnt ist. Es lohnt sich, sich damit intensiv zu beschäftigen, wenn man seiner Gesundheit etwas Gutes tun will. Ich mag nicht alle Gemüse gern, zum Beispiel Gurken und Kohl deutlich weniger als Fenchel, Tomaten und Kürbis. Kürbis verwende ich jetzt nicht mehr hauptsächlich für Risotto und Marmelade, Quitten nicht nur für Gelee und Marmelade. Walnüsse liebe ich und esse sie fast täglich. Deshalb werden ab sofort auch diese Rezeptvorschläge Teil meines Repertoires. Manche Zutaten sind nicht ohne Weiteres verfügbar oder für mich sogar schwer zu beschaffen, wie zum Beispiel Topinambur oder Pak Choi. Wichtig sind auch die vielen Hinweise zu Lagerung und Zubereitung, interessant die Kombinationsmöglichkeiten. Auf die Idee, Erdbeeren mit Tomaten und Paprika zu mischen, wäre ich sicher nicht von allein gekommen.
Ich nehme aus der Lektüre viele gute Anregungen mit und betrachte das Buch als echte Bereicherung meiner Kochbuch-Bibliothek. Die Sendung „Visite“, die ich ebenfalls noch nicht kannte, werde ich in Zukunft verfolgen.

Veröffentlicht am 24.03.2022

Leiche im Koffer

In einer stillen Bucht
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"In einer stillen Bucht“ ist der dritte Band der Serie um den Inselpolizisten Enrico Rizzi. Er ermittelt zusammen mit seiner Kollegin Antonia Cirillo, die aus Norditalien nach Capri strafversetzt worden ...

"In einer stillen Bucht“ ist der dritte Band der Serie um den Inselpolizisten Enrico Rizzi. Er ermittelt zusammen mit seiner Kollegin Antonia Cirillo, die aus Norditalien nach Capri strafversetzt worden ist. Auf einem Felsvorsprung wird eine Frauenleiche in einem Koffer gefunden. Die Frau wurde brutal erwürgt. Es stellt sich schnell heraus, dass es sich um Maria Grifo, die Leiterin des Konservatoriums von Neapel handelt. Mit ihrer kompromisslosen, resoluten Art hat sie sich nicht nur Freunde gemacht. Hat sie Rivalen, die sie um ihre Stelle beneiden, oder hat sie nicht ausreichend talentierte Schüler durch ihr schonungsloses Urteil verprellt? Rizzi und Cirillo führen auch Vernehmungen in Neapel durch und müssen sich mit den Kollegen der Mordkommission arrangieren, die gewohnheitsmäßig auf die Inselpolizisten herabschauen. Es dauert eine ganze Weile, bis die Ermittlungen von Rizzi und Cirillo zum Erfolg führen – zu einer Auflösung, die der Leser nicht erraten kann.
Mir hat der ruhig erzählte Krimi mit seinen sorgfältig charakterisierten sympathischen Ermittlern gut gefallen, weil er ohne Gewaltorgien auskommt und stattdessen dem italienischen Ambiente, der Kombination von Landschaft und Klima, der Beschreibung von Speisen und Getränken und italienischer Lebensart breiten Raum gibt. Venturas Buch ist sicherlich auch eine empfehlenswerte Urlaubslektüre.

Veröffentlicht am 24.03.2022

Was genau war der große Fehler?

Der große Fehler
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In Jonathan Lees Roman “Der große Fehler“ geht es um einen fast vergessenen großen Amerikaner. Andrew Haswell Green kam 1820 als 7. von 11 Kindern einer armen Farmerfamilie zur Welt. Am 13. November 1903 ...

In Jonathan Lees Roman “Der große Fehler“ geht es um einen fast vergessenen großen Amerikaner. Andrew Haswell Green kam 1820 als 7. von 11 Kindern einer armen Farmerfamilie zur Welt. Am 13. November 1903 wurde er vor seinem Haus in der Park Avenue von dem Farbigen Cornelius Williams erschossen. Lees Roman enthält zwei Erzählstränge. Einmal zeichnet er Greens Lebensweg, zum anderen die Ermittlungen von Inspector McClusky nach, der lange im Dunkeln tappt, obwohl es Zeugen der Tat gibt. Was war das Motiv für den Mord? Ein politisches oder privates oder ein bloßer Zufall aufgrund einer Verwechslung?
Lee erzählt sehr detailliert die Lebensgeschichte eines Mannes aus einfachen Verhältnissen, der mit 15 eine Lehre in einer Firma in New York beginnt, dort unter erbärmlichen Umständen in einem schrankartigen Verschlag mit Ratten und Wanzen lebt und für einen Hungerlohn arbeitet und schließlich mit Hilfe seines Freundes Samuel Tilden, einem Anwalt und späteren Präsidentschaftskandidaten, ebenfalls Anwalt wird. Green erreicht gegen erhebliche Widerstände den Zusammenschluss von fünf Bezirken zu Greater New York, erschafft den Central Park und andere Parks, gründet mehrere Museen und die erste öffentliche Bibliothek und ist am Bau mehrerer Brücken beteiligt. Der Leser erfährt auch einiges über sein Privatleben. In wenigen Schlüsselszenen wird seine nie ausgelebte Homosexualität angedeutet. Auch Samuel Tilden, die Liebe seines Lebens, musste seine sexuelle Orientierung verbergen. In der diskreten Darstellung dieses Aspekts ist der Autor der Zeit der Handlung verpflichtet.
Der gut recherchierte historische Roman mit Krimielementen liest sich nicht schlecht, erfordert aber Ausdauer und Geduld. Die Fragen des Lesers nach dem mysteriösen Fehler und der Bedeutung des Elefanten auf dem Cover werden beantwortet. Man lernt ein anderes als das übliche New York kennen. Mich hat die sorgfältige Charakterisierung des Protagonisten beeindruckt. Sein Ziel war es, den öffentlichen Raum zu verändern, auch ärmeren Mitbürgern den Zugang zu den Parks zu ermöglichen, Brücken und Verbindungen in jeder Bedeutung des Wortes zu schaffen. Er war kein Egomane wie so viele der Mächtigen unserer Zeit. Mir gefällt der Roman, die sprachliche Qualität der Übersetzung allerdings weniger. Dafür enthält der Text bedauerlicherweise zu viele Fehler aller Art und absolut unübliche Formulierungen.

Veröffentlicht am 14.03.2022

Jedes Leben ist lebenswert

Mongo
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Harald Darers Roman “Mongo“ beruht auf der eigenen Familiengeschichte. Als seine Frau Katja schwanger wird, freut sie sich zunächst nicht, denn sie fürchtet, ihr Kind könnte den genetischen Defekt erben, ...

Harald Darers Roman “Mongo“ beruht auf der eigenen Familiengeschichte. Als seine Frau Katja schwanger wird, freut sie sich zunächst nicht, denn sie fürchtet, ihr Kind könnte den genetischen Defekt erben, unter dem auch ihr etwas älterer Bruder Markus leidet: Trisomie 21. Sie hat hautnah erlebt, welche Benachteiligungen für den Betroffenen und seine Familie daraus resultieren und welche Verantwortung den Angehörigen aufgebürdet wird. Der Bruder wurde ausgegrenzt, beschimpft und lächerlich gemacht. Nicht selten wurde geäußert, dass so einer zu nichts nutze sei und vergast gehört.
In vielen ausführlichen Rückblenden wird dem Leser gezeigt, was Markus erlebte und wie seine Familie damit umging. Die Schwiegermutter verhielt sich nicht gerade vorbildlich, aber Katja liebt ihren Bruder, und auch Harry entwickelt ein liebevolles, beschützendes Verhältnis zum Schwager. In vielen Szenen zitiert er ihn mit seiner ganz eigenen Sprache („AH, ICH DENKE WAS“) und zeigt, wie witzig und charmant Markus sein kann. Er ist derjenige, der ihn schließlich nicht dauerhaft im Heim dahinvegetieren lässt und ihm sogar eine Art Sexualleben organisiert.
Der Roman ist aber nicht nur eine Familiengeschichte, sondern vor allem auch eine scharfe Kritik an der Art, wie die sogenannten Normalen mit allen umgehen, die durch geistige und körperliche Behinderungen anders sind und deshalb in einer profitorientierten Gesellschaft nicht von gesellschaftlichem Nutzen sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Autors, dass es auch in Österreich während des Zweiten Weltkriegs Euthanasie gab, und nach dem Krieg kein einziges Verfahren mit einer Verurteilung der Täter endete. „Volk, begnadet für das Schöne, viel gerühmtes Österreich“ (S. 181) merkt der Autor ironisch an und macht seine Position sehr deutlich: Es gibt kein lebensunwertes Leben. Jeder hat die Chance auf Glück.
Ich habe diesen wichtigen Roman gern gelesen, auch wenn die Lektüre durch unzählige Dialektausdrücke und ungewohnte Satzstrukturen nicht mühelos ist. Die Bedeutung vieler Begriffe lässt sich allerdings aus dem Kontext erschließen. Die Sprache des Autors ist auch deshalb besonders, weil er grundsätzlich direkte Rede nicht durch Anführungszeichen markiert und keine Scheu vor drastischen Formulierungen hat. Ein ungewöhnlicher, sehr empfehlenswerter Roman.

Veröffentlicht am 12.03.2022

Die Tell-Sage - neu erzählt

Tell
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Joachim B. Schmidts Roman “Tell“ ist eine neue Version der Tell- Sage, die den meisten aus Schillers Drama bekannt ist. Der Autor kann die Legende verändern und weiterspinnen, weil es keine verbürgten ...

Joachim B. Schmidts Roman “Tell“ ist eine neue Version der Tell- Sage, die den meisten aus Schillers Drama bekannt ist. Der Autor kann die Legende verändern und weiterspinnen, weil es keine verbürgten Quellen gibt, die beweisen, dass es Tell, den Apfelschuss und den Tyrannenmord tatsächlich gegeben hat. Schmidt erzählt seine Geschichte in 100 kurzen Abschnitten, die 10 Kapiteln zugeordnet sind und aus 20 verschiedenen Perspektiven, wobei Tell selbst erst gegen Ende des Romans zu Wort kommt. Wir lernen seine Mutter und Schwiegermutter, seine Frau Hedwig sowie seine Kinder, außerdem Pfarrer Taufer und seine Haushälterin, Landvogt Gessler, den brutalen Schurken Harrer und diverse Soldaten kennen. Tell und seine Angehörigen kämpfen hoch oben in den unwirtlichen Bergen ums Überleben, als die Soldaten ihnen die Vorräte und den Leiterwagen rauben und Tells Mutter umstoßen, die durch ihr Eingreifen ein Massaker verhindert. Die Mutter wird an den Folgen des Sturzes sterben. Als wesentlicher Bestandteil der Legende bleibt der von Gessler als Bestrafung angeordnete Apfelschuss erhalten, den Tells Sohn Walter überlebt. Tell hatte sich geweigert, den von Harrer auf einer Stange befestigten Gesslerhut als Huldigung an den Habsburger König zu grüßen. Tell wird verhaftet und soll hart bestraft werden. Er überlebt als einziger eine Bootsfahrt über den See. Später versucht er, Gessler und Harrer mit der Armbrust zu töten und entkommt schwer verletzt zu Pfarrer Taufer. Von dort verschwindet er in die Berge und ward nie mehr gesehen.
Die Charakterisierung der Figuren ist sehr gelungen. Der anfangs eher unsympathische Tell, ein gewaltbereiter, mürrischer Eigenbrötler, wird im Laufe des Romans sympathischer. Er trauert um die tote Mutter, gibt sich die Schuld am Tod des geliebten jüngeren Bruders Peter, der bei einem Jagdausflug von einem Schneebrett in die Tiefe gerissen wurde und wurde genauso wie Vater Taufer von dessen Vorgänger missbraucht. Auch Gessler ist nicht einfach ein Bösewicht, sondern wird dargestellt als ein willensschwacher, zögerlicher Mann, der Grausamkeit hasst, sich aber vor seinen Soldaten keine Blöße geben darf. Sehr gut finde ich auch die Einbeziehung von Landschaft und Klima und die Darstellung der damaligen Lebensbedingungen der rechtlosen, der Willkür der Obrigkeit ausgesetzten Bauern.
Der geschichtliche Hintergrund – die Auflehnung gegen die Fremdherrschaft der Habsburger und die Gründung der Eidgenossenschaft – wird eher gestreift als vertieft dargestellt. Mir hat der spannende, sehr lesbare Roman dennoch sehr gut gefallen.