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Veröffentlicht am 02.05.2022

Unerhört gut!

Der Markisenmann
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Köln-Hahnwald 2005: Die 15-jährige Kim Papen lebt mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater Heiko und ihrem Halbbruder Jeffrey in Heikos Luxusvilla. Täglich bekommt sie das Gefühl vermittelt, sie sei eine Versagerin ...

Köln-Hahnwald 2005: Die 15-jährige Kim Papen lebt mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater Heiko und ihrem Halbbruder Jeffrey in Heikos Luxusvilla. Täglich bekommt sie das Gefühl vermittelt, sie sei eine Versagerin und nur zum Geld ausgeben gut. Als Heiko sie beim Grillen vor allen Anwesenden bloßstellt, bricht es aus ihr heraus und sie begeht eine nicht wiedergutzumachende Tat. Entsetzt weiß keiner, wie er reagieren soll. Kim erweist sich als therapieunwillig und als die Familie nach Miami in den Urlaub fliegt, wird sie in den Zug nach Duisburg gesetzt, wo sie ihre Ferien bei ihrem Vater verbringen soll. Für sie bricht die Welt erneut zusammen, sie dachte ihr Vater sei verschwunden und würde sich nicht für sie interessieren. Stattdessen ist er ein ganz aufmerksamer und liebvoller Eigenbrötler und noch dazu das totale Gegenteil von Heiko, seinem ehemals bestem Freund: er ist der Markisenmann. Der Vertreter im Direktvertrieb des kompletten Restbestandes des volkseigenen Markisenbetriebs der DDR mit zwei ebenso scheußlichen, wie einzigartigen Dekoren, Diese Welt im Duisburger Gewerbegebiet ist das krasse Gegenteil zum Hahnwald, direkt, ehrlich, unverblümt. Doch nach einer Weile beschließt Kim ihren Vater zu begleiten. Nicht nur mit durchschlagendem Erfolg, sie lernen einander auch besser kennen und sich selbst.

Kims Familie ist so kapitalistisch und ihr gegenüber gefühlskalt, dass es schon beim Zuhören wehtut. Doch Kim ist nicht unbedingt sympathischer, auch wenn ich mit ihr mitlitt. Kein Wunder also, dass sie keine Freunde hat. Obwohl ich sie alle unmöglich fand, hat mich dieses Leben nicht nur abgestoßen, sondern auch genug fasziniert, um weiter zu hören. Es hat sich gelohnt. Ausgerechnet im Duisburger Industriegebiet findet Kim echte Freunde und das Gefühl dazuzugehören! Während sie sich mit dem vierzehnjährigen Alik, der Aushilfe vom Schrottplatz am brackigem Kanal sich die Sonne auf die Nase scheinen lässt und sich ans Meer träumen, fanden die Hormone an zu tanzen und das Leben erhält eine ungeahnte Leichtigkeit. Sie fängt aber auch an, sich für ihren erfolglosen Vater verantwortlich zu fühlen und begleitet ihn auf seine Verkaufstouren, um Zeugin seines erbarmungslosen Scheiterns zu werden. Der Anblick schmerzt sie, immerhin hat sie von Heiko Businesspläne und Verkaufstratgien von Kleinauf eingeimpft bekommen. Sie entwickelt ihr ganz eigenes Konzept und entdeckt dabei nebenher ihr wahres Talent. Unerhört! Denkt ihr Vater, wie bei fast allem. So verbringt Kim den Sommer ihres Lebens und entdeckt die kulinarischen Hightlights des Ruhrgebiets insbesonder die Akropolis-Grills und Eiscafés Venezia, die es hier in jedem Ort gibt. Eine Erfahrung, die für sie prägender wird, als sie ahnt. Doch am Ende heißt es Abschied nehmen und in Köln erwartet Kim eine böse Überraschung. Gereift nach diesem Sommer, weiß Kim sie aber anzunehmen und das Beste darauf zu machen.

Diese Geschichte ist mit so viel Menschlichkeit und Wärme erzählt und voller skurrilem Humor, dass es ein Genuss ist, Kim beim Erwachsenwerden und der Selbstfindung zu zuhören. Ihr Weg ist nicht alltäglich, aber in diesem Sommer mit ihrem Vater, versteht man auch wie es dazu kam. Man versteht die Geschichte, warum Kim 3 Elternteile hat. Es geht um Deutsch-Deutsche-Geschichte selbst im Jahr 2005 noch, eine Geschichte von der Kim bislang zwar eine blasse Vorstellung hatte, für die sie nun aber auch ein Gefühl und ein Gespür erhält. Es geht um das Gefühl lebenslanger Schuld und wie es ein Leben prägt, nicht nur dessen, der diese Schuld zu spüren vermeint, sondern all jener in seiner Umgebung. Auch wenn es vor allem die Geschichte dieses Sommers ist, dürfen die Zuhörer am Ende erfahren, wie Kim ihren Weg findet und worin sie ihre Bestimmung findet. Ein Weg, den dieser Sommer ganz stark mitgeprägt hat und dem sie die schrulligsten und loyalsten Freunde fürs Leben fand. Selbst ihr Stiefvater entpuppt sich letztendlich als kein so übler Kerl.

Jan Weiler zeigt einmal mehr sein erzählerisches Können, sein Gespür für Pubertiere, die Konflikte von Eltern und skurille Pointen. Mit Leichtigkeit erzählt er eigentlich eine tragische Geschichte, die gut endet. Er erzählt, wie eine bockige Jugendliche lernt Veranwortung für ihr Leben und ihre Zukunft zu übernehmen und den Deal ihres Lebens abschließt: ihre Zukunft.

Lisa Hrdina ist eine gute Wahl als Sprecherin, so gerne ich Jan Weiler auch bei seinen eigenen Geschichten zuhöre. Eine Jugendliche hätte er nicht sehr glaubwürdig abgegeben, aber wenn man Lisa Hrdina lauscht, glaubt man Kim selbst zu hören, wie sie schonungslos und ehrlich erzählt, wie es war, in diesem besten Sommer ihres Lebens, der sie zu dem machte, was sie war. Aber Moment, dieser jetzige Sommer beginnt eigentlich auch sehr verheißungsvoll und ihre Stimme hochmotoviert und frisch. Da kann man noch viel von „Kim“ erwarten! Ihre Stimme ist frisch und unverbraucht, so dass sich nicht gleich ein Gesicht vor dem inneren Auge bildet und man sich ganz fallen lassen kann und ihrer abwechslungreichen und ausdrucksstarken Erzählweise lauschen kann.

Eine wirklich faszinierende und sehr ungewöhnliche Geschichte, die mich erstmal eine Playlist zur Geschichte zusammenstellen ließ... Ein echter Genuss, der auf keiner Speisekarte steht. Unerhört wie Ronald Pape sagen würde...

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Liebevoll, fantasiereicher Reihenauftakt!

Die Stoffis - Auf plüschigen Sohlen (Band 1)
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Es ist kalt und ungemütlich draußen, als ein Pappkarton mit der Aufschrift „Bitte mitnehmen“ auf den Bürgersteig gestellt wird. Mitten drin sitzen ausgeliebte Stofftiere, die einst die ganze Freude von ...

Es ist kalt und ungemütlich draußen, als ein Pappkarton mit der Aufschrift „Bitte mitnehmen“ auf den Bürgersteig gestellt wird. Mitten drin sitzen ausgeliebte Stofftiere, die einst die ganze Freude von Kindern waren, die jetzt zu alt für sie geworden sind. Unvorstellbar! Natürlich wird ein Kind sie entdecken und mitnehmen! Doch bei dem Wetter kommt kein Kind vorbei und niemand schaut in den Karton. Also fangen die Tiere an sich zu unterhalten und sich vorzustellen. Als die Müllabfuhr sich nähert wird ihnen klar, dass es Zeit ist, das Weite zu suchen. So schnell sie können machen sich Kater Minnie, Schildkröte Melisande mit Seestern Sternchen, Glitzereinhorn Sunny und Stoffhund Helmut auf ihren unterschiedlich lange Beine. Sie vereint der gemeinsame Traum davon wieder in ein gemütliches Kinderzimmer einziehen zu dürfen. Unterwegs zu ihrem neuen Zuhause, treffen sie auf verschiedene Menschen, die leider gar nicht so nett sind, wie sie gehofft haben, sondern die Nase über die regennassen Freunde rümpfen. Doch es kommt alles ganz anders als gedacht, viel besser und das liegt auch an Piratenbär Rumpel, den sie noch treffen werden und nicht nur ihn.

Alle Kinder lieben Kuscheltiere, doch irgendwann ist diese Phase vorbei, bei den einen früher, bei anderen später und was passiert dann? So manches Kind hat darüber wohl schon nachgedacht und das nicht nur beim Anblick verlorener Stofftiere, oder aussortierter Exemplare auf dem Sperrmüll. Was machen die Tiere eigentlich, wenn man gerade nicht da ist, z.B. im Kindergarten? Haben sie vielleicht doch ihr eigenes Leben? Sabine Städing gibt hier eine ganz klare Antwort: Klar haben die Stoffis eigene Gefühle, eigene Gedanken und ein eigenes Leben. Das kann sogar ganz schön aufregend sein, wenn man sie nur lässt, aber bisweilen auch ganz schön traurig, wenn sie ausgeliebt sind. Am Ende kommt alles ganz anders und es wird klar, dass das Abenteuer erst beginnt!

Mit vielen liebevollen, farbenfrohen und witzigen Bildern von Nadine Reitz lädt dieser Auftaktband ebenso zum Zuhören, wie auch zu ersten Leseerfahrungen ein. Diese Reihe soll sowohl das Vorlesen und Zuhören schulen, als auch das Lesenlernen. Für beides ist es bestens geeignet. Die Sprache ist unkompliziert, aber abwechslungsreich. Dabei sind die Sätze geradlinig und übersichtlich, aber nie monoton. Kurzweilig wird diese fantastische Erkundung der fremden Menschenwelt erzählt! Zur Motivation gibt es einen Stickerbogen und für jedes selbstgelesene Kapitel kann das Kind einen Sticker in die Klappenillustration kleben, oder wo immer die Sticker gerade Freude machen. Das ist wirklich schön gemacht und eine wunderbare Motivationshilfe, damit das Kind ein weiteres Kapitel selbst liest, wenn es das schon schafft. Manchmal sind die liebsten Vorlesegeschichten später auch die schönsten Geschichten, um sie endlich selbst zu lesen, oder den jüngeren Geschwistern vorzulesen (die kritisieren auch nie, wenn man mal was falsch liest und bewundern einen stattdessen!).

Eine fantastische neue Reihe aus der Feder der Schöpferin von Petronella Apfelmus und anderen Kinderlieblingen. Einfach klasse, ab 5 Jahren!

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Wenn die Musik zur Rettung wird...

Ein neuer Himmel
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Würzburg 1933: Die junge Hannah Rosenberg ist Musiklehrerin und Violinistin mit einer jüdischen Großmutter, ein Erbe über das sie bislang nicht groß nachdachte. Doch mit Hitlers Machtergreifung ist es ...

Würzburg 1933: Die junge Hannah Rosenberg ist Musiklehrerin und Violinistin mit einer jüdischen Großmutter, ein Erbe über das sie bislang nicht groß nachdachte. Doch mit Hitlers Machtergreifung ist es dieses Erbe, dass zu dem Verlust ihrer Stelle an einer staatlichen Schule führt. Nun kann sie nur noch privat unterrichten, wie die ebenso begabte, wie liebenswerte Linda. Doch nicht nur Linda liebt Hannah, auch deren Bruder Peter, ein aufstrebender Jurastudent. Als ihr auch diese Stelle, wie alle anderen auch, gekündigt wird, ist Hannah schwanger. Doch Peter steht nicht zu dieser inzwischen unstandesgemäßen Liebe, er muss an seine Karriere denken! Hannah wendet Würzburg enttäuscht den Rücken zu und flieht zu einer alten Freundin ihrer Großmutter aufs Land. Diese ist verstorben, doch ganz in der Nähe auf dem Sandnerhof mit einer Sägemühle, findet sie ein neues Zuhause und Familienanschluß, für sich und ihre kleine Tochter. Doch der örtliche Parteivertreter hat sie stets im Visier. Der Bürgermeister und die Sanders schützen sie so gut es geht und Melina erlebt eine liebevolle und schöne Kindheit. 1943 als die Lage für Deutschland immer schlechter wird, müssen Hannah und ihre Tochter fliehen.

Musik ist Hannahs erste große Liebe und ihrer Geige wird sie das Leben verdanken, denn solange das KZ ein Orchester beschäftigt, bleiben die Musiker am Leben!
Hannahs Leben ist von einem stetigen Auf und Ab geprägt, doch die Liebe zu ihrer Geige begleitet sie und trägt sie.

Schon früh lernt sie, dass es für Parteigetreue nicht auf ihren Charakter, oder ihr Talent ankommt, sondern nur auf ihre Herkunft! Dabei ist Hannah zur Hälfte katholisch, aber das interessiert niemanden, für die Nazis gibt es nur Arier und Nicht-Arier! Da man die Herkunft nicht jedem ansieht, werden erst die Ausweise und dann die Mensche gekennzeichnet, denn mit ihren honigfarbenen Haaren fällt Hannah eigentlich nicht auf. Dank ihres liebenswerten und hilfsbereiten Wesens, sowie ihrer Bereitschaft da anzupacken, wo man sie braucht, Werden sie und ihre Tochter auf dem Sandnerhof herzlich aufgenommen. Das ist alles andere als selbstverständlich und zeugt von dem großen Herz und der Menschlichkeit der Sandners, denn Hannah verstößt nicht nur wegen ihrer Herkunft gegen die herrschenden Regelns, sondern auch wegen ihrer unehelichen Tochter Melina. Doch auch Melina ist ein Sonnenschein, den man sich auf dem Sandnerhof nicht mehr wegdenken mag! Mit dem jüngsten Enkel David verbindet sie trotz des Altersunterschieds eine ganz besonders innige Freundschaft. Als nicht nur die erwachsenen Männer der Familie (bis auf den Großvater Friedrich) im Krieg gefallen oder verschollen sind, müssen auch Hannah und ihre Tochter fliehen. Die Umstände dieser Flucht brechen Hannah fast das Herz, während ihre einstige Liebe Peter einsieht, dass die Politik der Nazi unmenschlich und eine Ehe ohne Liebe freudlos ist.

Sowohl Hannah, als auch ihre Tochter Melina, die Sandners oder Pfarrer Peterson sind unglaublich sympathisch und wirklich plastisch beschrieben, so dass man sie nicht nur ins Herz schließt, sondern sie auch ganz klar vor Augen hat. Da diese Geschichte rund 10 Jahre umspannt, lernt man noch mehr Herzensmenschen für Hannah kennen, doch auf diese einzugehen, würde zu viel verraten. Interessant finde ich, dass man über Peter die Zerrissenheit erlebt. Peter steigt in der Nazihierarchie immer weiter auf, bekommt immer mehr Einblick und obwohl sein Grauen wächst, bleibt er aus Rücksicht auf seine Eltern, seine Frau und seinen Sohn dabei. Es ist halt einfacher dabei zu bleiben.... doch ist er nicht ein rückratloser Mitläufer, sondern folgt ab einem gewissen Punkt seinem Gewissen. Durch ihn bekommt man einen guten Einblick in die verheerenden Machtstrukturen und das Bedürfnis die Effizienz des menschenverachtenden Mordens zu steigern. Nicht alle Charaktere sind sympathisch, einige sind auch zerrissen, während andere nur verachtenswert sind.

Hannahs Geschichte endet nicht mit dem Krieg, denn mit dessen Ende liegt ihre Welt noch weiterhin in Trümmern und auch die Sandners sind noch nicht vollständig. Während sich am Ende für Hannah ein neuer Himmel öffnet (Zitat aus der Offenbarung des Johannes), müssen die Sandners weiter Bangen und Hoffen, bis zum zweiten Band „Ein neuer Horizont – Eine neue Hoffnung 2“, der inzwischen auch schon erschienen ist.

Eine ebenso spannende, wie auch gefühlvolle und mitreißende Geschichte, die mich wirklich berührt und bewegt hat. Die Vertonung von Vera Blümel kann ich übrigens auch nur sehr empfehlen!

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Wärst Du gerne eine Göttin?

Die Jaguargöttin
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Tief im mexikanischen Dschungel liegt das Königreich Elámon, in welchem Tierwandler als Götter verehrt werden. Die Jaguargötter stehen in der Hierarchie der Gottheiten am höchsten, wie es schon ihr prächtiger ...

Tief im mexikanischen Dschungel liegt das Königreich Elámon, in welchem Tierwandler als Götter verehrt werden. Die Jaguargötter stehen in der Hierarchie der Gottheiten am höchsten, wie es schon ihr prächtiger Tempel deutlich macht. Die Jagd wird ihnen erspart, in Audienzen teilen sie mit den Bittstellern, die Opfergaben bringen, ihre göttlichen Fähigkeiten. Jeder Tierwandler verfügt über eine göttliche Fähigkeit, die er auf andere übertragen kann und sie somit teilt. Die junge Kitana verfügt über die Gabe, die Beschenkten über sich selbst hinauswachsen zu lassen. König Yucal hat ein Auge auf das schöne Mädchen geworfen, doch ihr ist der „alte Kerl“ zuwider! Offen zeigt sie ihre Abneigung, was nicht klug ist. Xunan der erste Prister paktiert daher heimlich hinter dem Rücken der Götter und will diese gegen Schlangengötter ersetzen, nach dem Mord an Kitanas Vater. Im Urwald trifft sie den todkranken Pantherwandler Ecco, dessen Leben sie rettet. Obwohl er als Wildtier der Stadt gegenüber misstrauisch ist, willigt er ein, Kitana gegen den Umsturzversuch Xunans zu helfen. Auch ihr Jugendfreund, der junge Sternenpriester Axar steht ihr bei.

Anfangs war das Eintauchen in den mexikanischen Dschungel und ein Reich mit Göttern und Priestern ungewohnt, aber durchaus faszinierend. Es werden parallel die Schicksale von Ecco und Kitana erzählt, bis sich ihre Wege kreuzen.Wechsel der Erzählstränge werden durch Dschungelblatt-Vignetten angezeigt. Das hat meine Tochter anfangs etwas irritiert, aber wir fanden es auch beide gut, dass es nicht an Woodwalkers oder Seawalkers erinnerte, sondern ganz eigenständig ist. Auch ist diese Erzählung in sich abgeschlossen und kein Reihenauftakt. Das Worldbuilding erfolgt hier sehr behutsam und intensiv. Meine Tochter fand aber nicht immer alles ganz logisch und sah mich dann verwundert an, wobei ich über die gleichen Details gestolpert bin. Aber wir hatten viel Spaß gemeinsam über das Buch zu diskutieren. So haben wir auch überlegt, ob wir es gut fänden Götter zu sein, oder Priester? Den Protagonisten geht es zum Teil nicht anders und so haben wir den kleinen rebellischen Echsenwandler Yaddi, der auf keinen Fall ein Gott sein will und eigentlich auch seine menschliche Gestalt meidet, sehr gut verstanden. Sein innerer Monolog zeigt sehr gut die Tragweite dieses Weltbildes. Er sticht völlig aus den übrigen Protagonisten hervor, eben weil er entschieden hat nicht dazuzugehören, sondern lieber alles zu beobachten.

Kitana ist für ihre Welt nun mit 16 Jahren eine junge Frau, dass der König sie zur Frau nehmen will, hat meine Tochter doch etwas entsetzt. Dafür ist sie doch zu jung! Doch für die Liebe ist Kitana nicht zu jung und so stürzt sie dieses Abenteuer in ein Gefühlschaos, dass sie innerlich aus der Bahn wirft. Stets hegte sie zärtliche Gefühle für den jungen Sternenpriester Axar, ihren Freund aus Kindertagen, aber Ecco mit seiner Wildheit, Kraft und dem Reiz des Unbekannten, bringt sie völlig aus dem Konzept und lässt ihr Herz schneller schlagen! Ecco geht es nicht anders, denn eigentlich ist auch er schon gebunden, an Izora, eine stolze Pantherwandlerin seines Clans. Ebenso zerrissen fühlt sie sich zwischen dem Leben in der Stadt und der Wildnis. Bis sie von dem Verrat erfährt, hat sich Kitana noch nie weiter in den Urwald hineingetraut, geschweige denn dort gelebt... Auch wenn ihr hier die Nahrung nicht auf dem Silbertablett serviert wird, fesselt sie die Wildnis und sie erkennt ihren Wert. Die Pläne den Wald zu roden lösen jetzt, da sie den Wald kennt, noch mehr Entsetzen aus. Ihr ist klar, dass die Abholzung des Waldes, das Dürreproblem der angrenzenden Städte noch vergrößern wird, von der Nahrungsknappheit ganz zu schweigen. So kreuzen sich hier mehrere Problemfelder, die ineinandergreifen und auch miteinander verbunden sind. Dadurch wird die Geschichte auch nicht von Problemen überladen, sondern getragen und bauen logisch auch die Spannung auf. Es ist das Spannungsfeld zwischen Kultur und Wildnis, Kopf und Gefühl, das hier für den Kampf der Rivalen und die immer wieder neu aufflammende Spannung sorgt. Am Ende kommt es natürlich zu einem Showdown, der die Geschichte auflöst. So wie das Leben nun einmal ist, löst sich nicht alles in Wohlgefallen auf, aber es gibt einen optimistischen Ausblick in die Zukunft und aktuell ist es die bestmögliche Lösung bei aller Trauer....

Das Buch ist sehr liebevoll und hochwertig gestaltet, was sich nicht nur an dem Hingucker-Cover zeigt, sondern auch an den Übersichtskarten von Elámon und dem Dschungel im Anhang, als auch in der Botschaft der Autorin. Diese ruft zum Schutz der Wälder auf und gibt Tipps, wie auch schon Kinder und Jugendliche dazu beitragen können. Logisch, dass dieses Buch umweltfreundlich hergestellt wurde, in Deutschland gedruckt auf recyceltem Papier und mit blauem Umweltengel.

Empfohlen wird dieses Buch ab 12 Jahren. Aufgrund der romantischen Verwicklungen, die zu Zärtlichkeiten und sogar einer Schwangerschaft führen, ist diese Altersangabe tatsächlich zutreffend. Für Jüngere kommt einfach zu viel Liebe vor, ab zwölf Jahren aber wirklich zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 09.04.2022

Freiheit!

Fräulein Wunder
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1959 die 16 jährige Brit träumt davon auf ihrer Klassenfahrt nach Sylt einen Bikini zu tragen, wie ihre Klassenkameradinnen. Aber für ein anständiges Mädchen aus einer gut gehenden Schreinerei in Riekenbüren ...

1959 die 16 jährige Brit träumt davon auf ihrer Klassenfahrt nach Sylt einen Bikini zu tragen, wie ihre Klassenkameradinnen. Aber für ein anständiges Mädchen aus einer gut gehenden Schreinerei in Riekenbüren kommt das nach Ansicht ihrer tradierten Eltern nicht in Frage! Das Zelten mit der Handelsschule auf der Nordseeinsel verspricht Freiheit und bringt ihr die große Liebe. Hotel Page Arne ist auf den ersten Blick in sie verliebt und versucht alles, um ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Als sie ihn erblickt geht es nicht anders. Diese gemeinsamen Tage werden ihr Leben für immer verändern, denn was sie verbindet ist kein Strohfeuer. Der Abschied naht und Pläne werden geschmiedet. Doch ihre Liebe bleibt nicht ohne Folge und beider Eltern sind gegen diese Verbindung und sind entschlossen das Paar zu trennen. Die Folgen für Brit sind hart, doch sie ist stark und widersetzt sich mit Hilfe von Verbündeten. Sie muss erfahren, dass Arne nicht der war, für den sie ihn hielt, aber auch das bestärkt sie nur darin, dass ihre Zukunft nicht in der Enge der elterlichen Werkstatt liegt. Auf sie wartet die Freiheit, die keine leichte sein wird.

Ja, Ende der 50er waren nicht alle Eltern von Rock'n Roll und der neuen Mode angetan. In Riekenbüren setzt man auf altbewährtes! Als Brit durch eine ungeplante Schwangerschaft als unverheiratete Minderjährige die volle Härte und Ungerechtigkeit dieses Kleinbürgertums zu spüren bekommt, rebelliert alles in ihr und ihr Freiheitsdrang siegt. Allerdings ist so eine Flucht ohne Helfer unmöglich und nur dank echter Verbündeter haben sie und ihr Kind eine Chance. So harsch die Gesellschaft auch mit unverheirateten Müttern damals ins Gericht ging, es gab immer auch Menschen, denen bewusst war, dass ein Kind zwei Elternteile hat und jedes Leben ein Gewinn ist. Auch wenn die meisten Brit verurteilen, die wenigen die ihr helfen, sind es die zählen und ihr helfen durchzuhalten. Die Erinnerung an ihre große Liebe verblasst, die zu ihrem Kind, ihrer Freiheit und Unabhängigkeit jedoch wird immer stärker. Immer wieder gibt es Einblicke, wie das Leben zu Hause in Riekenbüren weitergeht. Ein Leben das für die meisten heutzutage zum Glück völlig unvorstellbar ist!

Liebesgeschichten sind mir oft zu vorhersehbar und platt, deswegen war ich anfangs dann doch ein wenig skeptisch bei so viel großen Gefühlen. Die großen Gefühle ziehen sich durch diese ganze Geschichte, aber ganz anders als gedacht und es wird die Freiheit und Selbstbestimmung gelebt und gefeiert, trotz aller Widrigkeiten. Es geht um starke Frauen, um den Aufbruch in eine Zukunft nach eigenen Regeln. Diese starken Frauen gefallen mir unglaublich gut, aber auch wenn Arne keine gute Figur abgibt, auch Brits Bruder nicht und ihre Väter schon gar nicht, so vergisst Gisa Pauly nie, dass auch starke Frauen bisweilen die Hilfe von starken Männern benötigen, die zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind. Diese Saga zeigt Haltung und Charakter, sie verurteilt Engstirnigkeit, aber nicht Männer allgemein.

Simone Kabst hat mich in dieser Liebeserklärung an Sylt und die Freiheit wirklich berührt. Die Ungerechtigkeit, die Brit und Arne widerfährt hat mich schon beim Zuhören rebellieren lassen. Wirklich gekonnt wechselt sie mit ihrer Stimme die Stimmung und Atmosphäre und passt sie gekonnt an die jeweiligen Szenen an, so daß man richtig in Brits Schicksal eintauchen und Anteil nehmen kann!

Ja, wir haben beim Thema Gleichberechtigung noch so einiges vor uns, aber Gisa Pauly führt uns auch vor Augen, dass schon einiges erreicht ist und wie viel schwerer es noch unsere Mütter hatten! Dabei meine ich jetzt nicht den Mangel an elektrischen Haushaltsgeräten, die die Arbeit erleichtern.

Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung der Sylt-Saga mit „Café Hoffnung“! Ich habe dieses Hörbuch wirklich geliebt!

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