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Veröffentlicht am 18.11.2020

Nun ist auch meine Tochter Anne-Fan!

Anne auf Green Gables
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Dieser Klassiker ist über 100 Jahre alt und dennoch ein absoluter Publikumsliebling!

Das ältere, kinderlose Geschwisterpaar Marilla und Matthew Cuthbert bittet über Bekannte, eine andere Bekannte, ihnen ...

Dieser Klassiker ist über 100 Jahre alt und dennoch ein absoluter Publikumsliebling!

Das ältere, kinderlose Geschwisterpaar Marilla und Matthew Cuthbert bittet über Bekannte, eine andere Bekannte, ihnen für die Farmarbeit einen ca. 12 jährigen Jungen aus dem Waisenhaus mitzubringen. Durch ein Missverständnis erwartet den schüchternen, stillen Matthew die rothaarige, lebhafte Anne mit überbordender Fantasie, deren Mund nicht still zu stehen scheint... Anne ist so begeistert, von der Schönheit der Landschaft von Prinz Edward Island und dem unsagbaren Glück, dass jemand tatsächlich sie haben will, trotz ihrer roten Haare, dass Matthew es nicht übers Herz bringt, ihr den Fehler zu gestehen. Seine Schwester ist da deutlich direkter und möchte das Kind gleich umtauschen, doch als sie sieht, welches Schicksal dem Kind andernfalls blüht, bringt sie es doch nicht übers Herz Anne in eine so lieblose Familie zu geben. Anne ist clever, etwas lebensfremd, aber mit einem Herzen das so nach Liebe hungert und bereit ist Liebe zu schenken, dass selbst Marilla verblüfft ist, was dies in ihr auslöst. Dabei hat Anne nie eine gute Erziehung genossen und macht auf Anhieb eine Menge falsch. Doch wie sie betont, macht sie jeden Fehler nur einmal und dank ihrer Fantasie wird es mit ihr nie langweilig!

Trotz ihres Alters hat diese Geschichte nichts von ihrem Zauber und ihrer Schönheit eingebüßt. Anne ist ebenso zauberhaft, chaotisch und hinreißend wie eh und je. Diese ersten vier Jahre seit sie das Waisenhaus verließ und bei Marilla und Matthew endlich ein Heim fand, sind ebenso romantisch, wie witzig und auch traurig. Anne ist für mich immer ein Taschentuchgarant so bewegend und mitreißend finde ich ihre Erlebnisse, obwohl, oder gerade weil sie in einer Zeit ohne Handys, schnelle Autos und technische Geschwindigkeit lebt. Die Gefühle bekommen Zeit und Raum, um sich zu entfalten und dies lebt sie offen aus. Dabei liegt ihr Herz auf der Zunge, eine sehr ungewöhnliche Eigenschaft für das damalige Kanada. Doch ist es wohl ihr freundliches, offenes und überschäumendes Temperament, das die Menschen in ihrer Umgebung ebenso verzaubert, wie die Hörer. Ihre ständigen Pleiten, Pech und Pannen sind einfach unwiderstehlich, auch nach über 100 Jahren noch. Diese bleiben Anne auch noch treu, als sie älter wird, doch wie sie sagt, begeht sie jeden Fehler nur einmal. Darauf kann man sich verlassen! Anne ist eitel und leidet sehr unter ihrer Haarfarbe, ein Phänomen das auch heute noch auf viele Rothaarige zutrifft. Doch hat nicht jeder eine vermeintliche „Schwachstelle“ auf die er seine Eitelkeit fokussiert und mit der zu leben man einfach lernen muss? Auch wenn Anne ihre roten Haare auch später noch ein Dorn im Auge sind, lernt sie es sich auf ihre Stärken zu besinnen. Dabei ist es auch sicherlich hilfreich, dass Gilbert Blythe, der bestaussehende und klügste Junge der Schule, offensichtlich mit ihr befreundet sein möchte, denn er findet schlaue Mädchen interessanter, als hübsche. Dabei ist Anne tatsächlich auch hübsch, nur vielleicht nicht auf die klassische Weise, wie ihre beste Freundin Diana, um deren dunkle Lockenpracht sie sie beneidet. Allerdings ist Anne eine sehr gute Freundin und eine „Busenfreundin“ zu finden, was in Annes Jahren in Pflegefamilien und im Heim stets ihr größter Wunsch war, neben einer anderen Haarfarbe! Dank ihrer Fantasie hat sie sich ihr fröhliches und begeisterungsfähiges Wesen bewahrt. Übrigens ist Anne nicht nur mein Liebling, sondern auch der meiner jüngsten Tochter (11). Was hat sie mit Anne gelitten und gelacht!

Jessica Schwarz liest diese Liebeserklärung an die Fantasie, die Wissbegierde, Loyalität und Romantik mit der passenden Mischung aus Gefühlen. Sie klingt zwar nicht so jung wie Anne und nicht so tolpatschig, aber ebenso charmant und unwiderstehlich. Es macht ihr einfach Spaß zuzuhören und sich von ihr auf die ferne Prince Edward Island, mehr als 100 Jahre zuvor entführen zu lassen.

Trotz 6 h 45 min. Laufzeit sind Annes Erlebnisse leicht gekürzt, aber dennoch sehr nah am Originaltext, wodurch der Zauber erhalten bleibt. Dieser Band ist übrigens Teil der Reihe „Nostalgie für Kinder“ in der auch „Der Trotzkopf“, „Nesthäkchen und ihre Puppen“ und „Heidi“ veröffentlicht wurden, die Heldinnen unserer Kindheit und frühen Jugend. Sehr zu empfehlen um in Erinnerungen zu schwelgen oder wunderschöne Erinnerungen an die eigenen Kinder weiterzugeben.

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Veröffentlicht am 13.11.2020

Total cool, findet meine Tochter!

Das Vermächtnis des Erfinders - Timmi Tobbsons zweites Rätselabenteuer
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Timmi Tobbson und seine Freunde Lilli und Marvin haben gerade ein spannendes Abenteuer hinter sich, in welchen sie die unliebsame Bekanntschaft der Wächter der dunklen Macht gemacht haben.
Zur Erholung ...

Timmi Tobbson und seine Freunde Lilli und Marvin haben gerade ein spannendes Abenteuer hinter sich, in welchen sie die unliebsame Bekanntschaft der Wächter der dunklen Macht gemacht haben.
Zur Erholung liest Timmi gerade sein neuestes Abenteuerbuch, als Lilli aufgeregt mit der Zeitung in sein Zimmer stürmt: der weltberühmte Erfinder James Eckles hat eine Anzeige mit dem Aufruf zu einer Schatzsuche gestartet, um ein geheimes Elixir zu finden. Seither ist er verschwunden! Die Freunde ahnen sofort, dass auch die Wächter der dunklen Macht hinter diesem Geheimnis her sein werden und machen sich gemeinsam mit ihrem Freund Marvin auf den Weg zum Museum, in welchem offensichtlich die Suche startet! Noch während sie sich umschauen, wird der Alarm ausgelöst. Da Marvin alles gezeichnet hat, was er sah, ist ihnen ziemlich schnell klar, wer dahinter steckt. Sie nehmen sofort die Verfolgung auf und folgen den Spuren, die sie entdecken. Mit Walkie-Talkies, Lupe, Spiegel, Taschenlampe und Co. gehen sie allen Hinweisen nach.

Dies ist das zweite Timmi Tobbson Rätselabenteuer und für uns das erste! Unbedingt erforderlich: eine gute Lupe und gutes Licht! Hilfreich: ein Spiegel! Wenn man den ersten Band nicht kennt, macht das nichts, allerdings wird für unseren Geschmack auch nicht so viel über diesen verraten, dass es keinen Sinn mehr macht, anschließend mit diesem zu beginnen. Die Lesereihenfolge ist somit unerheblich.

Bereits beim Betrachten des Klappentextes fiel uns eine kleine weiße Schrift auf und tatsächlich, mit einem Spiegel und von oben nach unten gelesen, wurde ihre Botschaft klar! Das fand meine Tochter (11) schon mal richtig cool gemacht! Letztes Jahr habe ich ihr einen Escape-Room-Adventskalender geschenkt, den sie anfangs auch total cool fand, dessen Rätsel wir dann aber irgendwann so abgedreht fanden, dass uns die Lust verging. Hier war das anders. Der Schwierigkeitsgrad ist mittels einer Lupenanzahl gekennzeichnet und dem Hinweis, dass diese Wahrnehmung aber auch individuell variieren kann. Sollte man die Hinweise trotz Lupe auf den Suchbildern nicht entdecken können, gibt es hinten im Buch kleine Hilfen, die in Spiegelschrift verfasst sind. Meistens hat meine Tochter die gesuchten Merkmale gefunden, wobei man teilweise auch zurückblättern muss, um das aktuelle Bild mit vorherigen zu vergleichen. Die Lösung findet sich dann sofort im Anschluss, zu Beginn des nächsten Kapitels. Sollte man es also mal nicht geschafft haben, macht es nichts, denn die geheimnisvolle Suche ist damit noch nicht zu Ende. Hat der junge Leser richtig gelegen, dann ist das natürlich ein super Erfolgserlebnis, dass Lust macht gleich weiter zu lesen.

Die Geschichte ist witzig und frech geschrieben und schön spannend und kniffelig. Charakterliche Tiefe ist nicht zu erwarten, aber darum geht es ja auch gar nicht! Empfohlen wird dieses Abenteuer Kindern von 9 – 11 Jahren, was wir absolut passend finden. Dafür finde ich die Schrift wirklich sehr klein, aber den Zeilenabstand sehr angenehm. Immerhin haben die Leser ja immer eine Lupe parat für dieses Abenteuer, sollten sie Probleme mit der Schriftgröße haben.

Meine Tochter war vom Cover nicht ganz so angetan, aber das Buch fand sie super. Sie konnte sich mit der Lupe richtig in die Aufgaben verbeißen. Als es am Ende richtig schwierig wurde, hatte sie aber auch keine Hemmungen, die Hilfestellungen in Anspruch zu nehmen, um alle Hinweise aufzufinden. Die Illustrationen sind recht dunkel, da sich viel in Schattenbereichen versteckt, daher ist es wichtig, diese während der Suche gut auszuleuchten, damit die Schatten ihre Geheimnisse leichter preis geben. Sie sind absolut altersgerecht und sowohl für Jungen, als auch Mädchen gleichermaßen ansprechend.

Für junge Detektive richtig aufregend und spannend, aber nicht frustrierend! Damit kann man auch Lesemuffel locken, die aber schon richtig gut lesen können müssen.

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Veröffentlicht am 11.11.2020

Ein früher Visionär!

Fernando Magellan
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Band 3 aus der Reihe: Kinder entdecken berühmte Leute, dieses Mal Fernando Magellan, der vor 501 Jahren als erster Mensch eine erfolgreiche Weltumseglung initiierte und somit bewies, dass die Erde doch ...

Band 3 aus der Reihe: Kinder entdecken berühmte Leute, dieses Mal Fernando Magellan, der vor 501 Jahren als erster Mensch eine erfolgreiche Weltumseglung initiierte und somit bewies, dass die Erde doch keine Scheibe ist! Das alles auf der Suche nach einem Handelsweg zu den fernen Gewürzmärkten. Obwohl er damit die päpstlichen Lehren widerlegte, war er ein überzeugter Christ, der in seinen Seefahrten auch einen Weg zur Christianisierung sah und darin seine Pflicht. Dies wurde ihm letztendlich zum Verhängnis. Doch bis dahin hat er viel erlebt: Demütigen, Hunger, Kälte, Angst, Ruhm und Ehre, Missachtung, Meuterei, Krankheit, glorreiche Siege, Auswanderung nach Spanien, Abenteuer, neue Länder... Einige dieser Länder und Inselgruppen, sowie der Pazifik tragen noch heute die Namen, die dieser portugiesische Landedelmann ihnen gab.

Für Kinder sehr interessant ist, wie früh Fernando, der damals noch Fernao hieß, mit seinem Freund Antonio in die königliche Pagenschule eintrat, um dem König von Portugal zu dienen. Als Kinder der besseren Gesellschaft lernten sie Lesen, Schreiben, aber auch die Seefahrts- und Kampfkunst. Doch wer in jungen Jahren den Dienst auf einem Schiff der königlichen Flotte antrat, muss ganz unten anfangen und gemeinsam mit Landstreichern, Sträflingen und Bettlern die Planken schrubben und das war noch nicht mal das Schlimmste. Allerdings hatten sie auch die Aussicht auf einen Aufstieg und so konnten sie schon auf ihrer ersten Fahrt die Aufgabe des Stundenglas Umdrehens und Zeitansagens übernehmen und vom Krähennest aus die Umgebung im Blick behalten.
So bekommen die Zuhörer einen guten Einblick in den Ablauf einer Jugend vor 500 Jahren und wie viel reifer man in jungen Jahren schon sein musste. Die Lebenserwartung war aber auch deutlich niedriger, vor allem, wenn man zur See fuhr. Dabei finde ich besonders eindringlich die Probleme von Hunger und Skorbut geschildert. Ob da wohl einige Zuhörer sich gleich mal schnell etwas Obst gönnen, wenn sie von diesen Qualen hören? Es werden nicht einfach nur Fakten aneinandergereiht, oder ein aufregendes Entdeckerabenteuer erzählt, sondern auch durchaus kritisch hinterfragt. Zusammenhänge werden hergestellt, so dass man durchaus für einiges ein anderes Verständnis bekommt, z.B. die noch heute bestehende Rivalität zwischen Portugal und Spanien. Wie der christliche Glaube nach Malaysia oder Südamerika kam (nein, es lag nicht alles an Kolumbus!) und eben auch Vergleiche zwischen den Landsleuten Magellan und Kolumbus hergestellt, die beide aus Enttäuschung in den Dienst des spanischen Königs traten und unter seiner Flagge, zu seiner Ehre, das Bild der damals bekannten Welt erweiterten.

Unglaublich hilfreich und anschaulich finden wir die Karten, die im Umschlag den Seeweg Magellans nachzeichnen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Magellanstraße legen. Die Illustrationen von Klaus Ensikat sind für viele Bücher des Verlages ein Markenzeichen. Sie sind nicht nur preisgekrönt, sie zeichnen sich auch durch Reife und Tiefe aus. Das finde ich gerade für ein Kinderbuch mit historischem Thema sehr atmosphärisch und die heute modernen bisweilen „verniedlichenden“ Illustrationsstile für das Thema und das Alter unpassend. Es gibt auf jeden Fall auf den farbigen, oft ganzseitigen Bildern viel zu entdecken und sie erinnern an kolorierte Stiche von alten Entdeckerreisen. Für mich erweckt es einen liebevollen, einheitlich ganzen Eindruck, der Geschichte zum Leben erweckt und dabei sehr hochwertig wirkt.

So wird Geschichte für Kinder lebendig, Interesse geweckt und vor allem ein Verständnis für die Bedeutung von geschichtlichen Ereignissen auch für die heutige Zeit begründet. Von uns erhält dieses reich illustrierte Buch für Kinder ab 8 Jahren, das Prädikat empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 10.11.2020

Der Geist der Weihnacht

Lacroix und die stille Nacht von Montmartre. Sein dritter Fall
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Die hektische Vorweihnachtszeit in Paris scheint zum Erliegen gekommen zu sein, durch ein Wunder: es schneit erstmals seit rund 10 Jahren in Paris! Der dichte Schneefall und die Kälte lassen Plätze und ...

Die hektische Vorweihnachtszeit in Paris scheint zum Erliegen gekommen zu sein, durch ein Wunder: es schneit erstmals seit rund 10 Jahren in Paris! Der dichte Schneefall und die Kälte lassen Plätze und Straßen verwaisen. Lacroix ist langweilig, denn wenn niemand das Haus verlässt, passieren auch keine Verbrechen, die er aufklären kann. Doch dann liest er eine kleine merkwürdige Notiz in der Zeitung: In Montmartre ist die neue, funkelnde und von einem Stromkonzern gesponserte Weihnachtsbeleuchtung des Place du Tertre gestohlen worden! Eigentlich eine Bagatelle, doch sein Bauchgefühl warnt ihn, dass da mehr hinter steckt und als am nächsten Tag die große Weihnachtstanne unterhalb von Sacre Coeur von Unbekannten gefällt wird, bietet er der dortigen, schwer erkälteten Kollegin seine Mithilfe an. Inzwischen interessieren sich auch die großen Zeitungen für diesen vermeintlichen Weihnachtshasser, allen voran die von ihm gefürchtete Reporterin Romy Schneider. Dieser Fall führt den Revierleiter des edlen 7. Arrondissement ins Herz der einstigen Hochburg der Bohème.

Der Kommissar mit Hut, Pfeife und ohne Handy ermittelt wieder, diesmal aus Langeweile und noch dazu in einem fremden Revier. Doch nicht nur die mangelnden Fälle setzen ihm zu, seine Pfeife ist auch irgendwie verschwunden und so ganz ohne, fehlt ihm was. Da er die Métro ablehnt und die Autos auf den verschneiten Straßen ob quer stehen, muss er halt zu Fuß laufen, sehr zum Leidwesen seiner Füße, aber mit viel Muße zum Nachdenken. Während er darüber nachdenkt, wer sich denn an der Beleuchtung oder einem Weihnachtsbaum stören könnte, hört er sich unter den Künstlern um. Der berühmteste und beliebteste unter ihnen ist empört über diese Kommerzialisierung und Verkitschung seines Viertels. Doch reicht diese Wut aus, um auch noch die folgenden, teilweise brutalen Taten zu begehen? Lacroix hat da so seine Zweifel und keine Beweise und nur bedingt Zeugen. Er fühlt sich aufgeschmissen, lässt sich treiben, hört sich in Bistros um und trifft sich mit seiner Frau Dominique, der Bürgermeisterin ihres Quartiers und deren Kollegen von Montmartre auf dem Weihnachtsmarkt auf den Champs Elysées. Wenn man keine Fakten findet, dann hilft es, gut zu zuhören und langsam meldet sich sein Unterbewusstsein, das über Anomalien stolpert....

Auch dieses Mal hat mir der Teilzeit-Wahl-Pariser Autor Alex Lépic wieder einige interessante Infos über Paris geliefert. Ich hatte keine Ahnung, dass die Parischer Bezirksbürgermeister ihr Amt auf Lebenszeit verliehen bekommen oder dass es für das Flair des Viertels von der Stadt besondere Konditionen für die dortigen Künstler gibt. So lebt dieser Krimi wieder sehr von dem geruhsamen Flair dieser eigentlich hektischen Stadt. Er ist atmosphärisch und verzichtet diesmal komplett auf hektische Verfolgungsjagden. Es geht um den Geist der Weihnacht, trotz aller Kriminalfälle und Brutalität gibt es in diesem Fall ein leuchtendes Vorbild, das an die ursprüngliche Bestimmung dieses Festes erinnert und mit Güte und Glauben vergangene Gräueltaten zwar nicht ungeschehen machen kann, aber den Menschen, denen sie begegnet es Vorbild ist für eine bessere Zukunft. Zwischen all der Missgunst und Intrigen, gibt es auch aufrechte Menschen, die die Welt ein bisschen besser machen, jeden Tag, nicht nur zu Weihnachten. So kommt es wohl auch, dass dies der ruhigste der bislang 3 Fälle des neuen Maigret von Paris ist. Aber Vorsicht: Lacroix ist ein Genießer und so könnte es sein, das der Genuss dieses Hörbuchs den Appetit anregt und vielleicht am Besten bei Kaffee oder Rotwein genossen wird.

Felix von Manteuffel verkörpert perfekt den Bonvivant. Er klingt wie der Kommissar nicht mehr ganz jung, aber dafür reif und bloß nicht zu unterschätzen. Den mangelnden Pfeifenrauch, der ihm bisweilen die Freude an der weißen Pracht verdampfen lässt, scheint man seiner Stimme geradezu anzuhören. Seiner angenehm tiefen Stimme zu lauschen ist gefährlich entspannend.

Ein Weihnachtskrimi für Genießer und Parisfans, Thrillerfans werden nicht auf ihre Kosten kommen. Dafür versteckt sich hinter den Taten eine Erinnerung an vergangene Gräuel, an die man nicht oft genug erinnern kann. Dennoch verströmt dieser Krimi den Geist der Weihnacht.

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Veröffentlicht am 04.11.2020

Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!

Drachentochter
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Milla (12) lebt seit ihren Kindertagen als Findelkind im Hause des reichen Kaufmannes Nestan Thornsen. Dort arbeitet sie zwar als Dienstmädchen vor allem in der Küche bei der warmherzigen Josi, aber gleichzeitig ...

Milla (12) lebt seit ihren Kindertagen als Findelkind im Hause des reichen Kaufmannes Nestan Thornsen. Dort arbeitet sie zwar als Dienstmädchen vor allem in der Küche bei der warmherzigen Josi, aber gleichzeitig wächst sie auch als Freundin der ungleichen Zwillinge Tarya und Isak des verwitweten Hausherren auf. Dem norländischen Dienstmädchen Lanys ist dies ein Dorn im Auge, da sie sich für etwas Besseres hält, als die dunkle Milla, die wahrscheinlich sartolanischer Herkunft ist. Aber wer weiß das schon bei einem Findelkind. Während Milla die Zwillinge auf einen Ball im Hause des Herzogs Olwar Refarson vorbereitet, wird sie Zeugin eines heimtückischen Mordes. Der maskierte Mörder kann entkommen und Milla entdeckt, versteckt in einer Baumkrone das, was der Attentäter wohl suchte: vier gut geschützte Dracheneier! Drachen führten einst die Insel Arcosi zu ihrem Wohlstand, doch gelten sie seit vielen Jahren als ausgestorben und der Herzog wünscht sich nichts sehnlicher, als deren Rückkehr unter seiner Herrschaft. Instinktiv spürt Milla, dass sie diese Eier hüten und beschützen muss, notfalls mit ihrem Leben. Doch ihr Geheimnis wird verraten und Nestan übergibt sie als treuer Untertan an den Herzog, mit dessen Sohn Vigo er seine widerspenstige Tochter Tarya vermählen möchte. Eine Fremde vertraut Milla an, dass die Drachenjungen in dieser Nacht schlüpfen werden und sie unbedingt dabei sein muss. Dies gelingt ihr unter großen Opfern, doch als die Jungen schlüpfen und eines Milla auserwählt, weiß sie, dass es das wert war. Zum Ärger des Herzogs, erwählen die Drachenjungen nicht ihn und ein kalter Hass beginnt in ihm zu brodeln, der die Zukunft Arcosis und seine Herrschaft in Gefahr bringen werden.

Die Geschichte startet gleich und unmittelbar, aus der Perspektive von Milla. Nicht die edle Tochter des Hauses steht hier im Mittelpunkt, sondern das Findelkind und Dienstmädchen, dass aber erstaunlich gut in die Familie integriert ist, sehr zum Missfallen des anderen Dienstmädchens. Klar fliegen Milla da gleich die Herzen zu, aber das sind ihr ja auch vorher schon die Herzen der Kinder des Hauses und auch der Hausherr scheint großes Vertrauen in sie zu setzten. Dennoch hält Milla sich nicht für etwas Besonderes, sondern reflektiert über die Gefahren und Ungerechtigkeiten des herzöglichen Systems, in welchem sie lebt. Von da an wird klar, dass es sich um mehr, als nur um Fantasy handelt. Milla ist auch mit den benachteiligten Kindern vom Markt befreundet und hält loyal zu ihnen. Freundschaft ist ein ganz wichtiges Thema, ebenso wie die Spurensuche nach den alten Bewohnern der Insel, die einst aus unbekannten Gründen ihre Heimat verließen. Sind die Sagen und Legenden, die sich um sie ranken wahr? Die Liebe und das Innere Band von Milla und ihren Freunden zu den frisch geschlüpften Drachen finde ich ganz wundervoll beschrieben, sehr detailreich und emotional. Doch spürt man auch die wachsende Politisierung und wie sich ein Kampf anbahnt, der wirklich gefährlich wird. Wer vermeiden möchte, dass seine Kinder kriegerische Geschichten in jungen Jahren kennen lernen, der sollte sich nicht für dieses Abenteuer entscheiden. Doch ist es auch sehr komplex und reflektiert und ermutigt die jungen Hörer sich eigene Gedanken zu machen und nicht nur der öffentlichen Meinung zu folgen. Milla, Tarya und Vigo sind bereit, die Welt die sie kennen in Frage zu stellen. Dabei gefällt mir die Figur des Vigo sehr gut. Er und Isak zeigen, dass es möglich sein muss, seine Meinung auch zu ändern und zu verzeihen. Es ist wichtig jemand nicht direkt auf den ersten Blick zu verurteilen, sondern offen zu sein, um anderen Chancen zum wahren Kennenlernen zu geben. So sind auch die Figuren und ihre Persönlichkeiten klar herausgearbeitet, mit all ihren Fehlern und Stärken.

Dagmar Bittner klingt jung und frisch, was sehr gut zur unerschrockenen Milla passt, aber auch in den übrigen Rollen vermag sie mich zu überzeugen. Sie spricht lebendig und unterhaltsam, ohne je in Übertreibungen zu verfallen, was es sehr angenehm macht ihr zuzuhören. Ihre Stimme spiegelt stets die passenden Emotionen wieder, ohne dass die Kriegsszenen zu brutal würden. Spannend, ist ihre Erzählung aber dennoch...

Das Hörbuch ist sehr liebevoll gestaltet, einschließlich einer Karte von Arcosi, die man aufklappen kann und auf deren Rückseite man eine Übersicht über alle wichtige Personen, Drachen und Begriffe findet, was ich sehr hilfreich finde. Bei 9 Stunden 30 Minuten ist Raum für jede Menge Personen, da sollte man nicht den Überblick verlieren, da selbst Kinder nicht so viele Stunden am Stück hören werden.

Die Altersangabe ab 10 Jahren finde ich hinsichtlich der Komplexität der Themen, die auch unterschwellig sehr politisch sind, sehr mutig. Vordergründig mag die Geschichte ab 10 Jahren geeignet sein, aber es geht auch viel um Krieg, Macht, die Gründung von Reichen, staats- und gesellschaftstragende Prinzipien, Gleichheit, Brüderlichkeit, Freiheit, Diversität, die für Kinder nicht immer so einfach zu durchdringen sind, wie die übrigen Themen: Freundschaft, Herkunft, Loyalität und Mut. Ab 12 Jahren fände ich selbst hinsichtlich des jungen Alters der 13 jährigen Helden durchaus gut begründbar, aber es gibt auch reife 10 jährige.

Ein Drachenabenteuer mit erstaunlichem Tiefgang und Anspruch, dessen Komplexität mich angenehm überrascht hat.

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