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Veröffentlicht am 06.12.2021

Wie Feuer und Wasser, Erde und Luft – Fantasy, Frauen und Emanzipation

Die Schwestern Grimm
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Wie durch ein schmiedeeisernes Tor im Mondlicht hat auch der Roman mich mit in eine andere Welt genommen – eine Welt mit ihren ganz eigenen Gesetzen, Regeln und vor allem Figuren, welche diese bewohnen.
Und ...

Wie durch ein schmiedeeisernes Tor im Mondlicht hat auch der Roman mich mit in eine andere Welt genommen – eine Welt mit ihren ganz eigenen Gesetzen, Regeln und vor allem Figuren, welche diese bewohnen.
Und so, wie auch die Grimmschwestern von ihrer Herkunft, ihren Fähigkeiten und ihrer Gabe, zwischen Everwhere und dem Hier zu wechseln, etwas Besonderes sind, so ist dies die vorliegende Geschichte auch.
Goldie, Liyana, Scarlet und Bea sind starke Frauen, die sich ihre Stellung in ihrem Leben gegen viele und verschiedene Widerstände hart erkämpfen mussten und dabei vor allem auf sich selbst, ihre Instinkte und die Kraft, die aus der Liebe zu ihren Angehörigen erwächst, gestellt sind. Alleine der Welt und ihren vor allem männlichen Vertretern teils schutzlos ausgesetzt, ist das Band, das sie einst zu einer unbesiegbaren Einheit machte, durch einen Zauber in Vergessenheit geraten. Erinnerungen blitzen lediglich in Form von Bildern, Emotionen und Träumen als kurze Schlaglichter auf – und dies immer häufiger und in ihrer Intensität zunehmend. Denn nicht mehr lang, und an ihrem achtzehnten Geburtstag ist der Bann gebrochen, und in Everwhere erwartet die Schwestern ein Kampf auf Leben und Tod, für das Gute oder das Böse in ihnen und vor allem gegen ihren Vater, den mächtigen Dämon.
Menna van Praag hat einen spannenden, mitreißenden Roman voll Fantasie und fantastischen Elementen geschrieben, der zugleich eine Geschichte des weiblichen Kampfs in einer männlich dominierten Welt, von dem Weg aus der Unterdrückung in die Selbstbestimmung und dem Erlangen von Überlegenheit durch Gemeinschaft ist.
Wie sich die unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Fähigkeiten der vier Schwestern zu einem starken Ganzen vereinen, wie Feuer und Wasser, Erde und Luft zusammen unbezwingbar werden, so zieht auch dieser Roman seine Stärke aus seinen verschiedenen Elementen, Intentionen und Betrachtungsweisen – die ihn zusammen ebenfalls stark und zu einem einzigartigen Leseerlebnis machen.

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Veröffentlicht am 19.09.2021

Wo das Land grün und weit, die Geheimnisse dunkel und schwer sind

Der Sucher
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Irland – das Land der rauen Küsten, der grünen, satten Weiten und nicht zuletzt der wortkargen, dabei jedoch sehr freundlichen Menschen machen die Insel noch heute zum Traum vieler Auswanderer. Doch dieses ...

Irland – das Land der rauen Küsten, der grünen, satten Weiten und nicht zuletzt der wortkargen, dabei jedoch sehr freundlichen Menschen machen die Insel noch heute zum Traum vieler Auswanderer. Doch dieses scheinbare Paradies zeigt Risse, hat dunkle Seiten und tiefe Abgründe, die Tana French auch in ihrem neuen Kriminalroman kunstvoll offenlegt und die Leserin und den Leser damit auf eine spannungsvolle Reise fernab der bekannten Postkartenmotive mitnimmt.
All diese Bilder, Sehnsüchte und Klischees hat möglicherweise auch Cal Hooper im Kopf als er die grüne Insel als Sitz für seinen Ruhestand wählt, um so der Kriminalität, Gewalt und dem Lärm Chicagos zu entkommen. Sein Plan scheint aufzugehen, Ruhe und Einsamkeit umfangen ihn, durchbrochen nur vom Geplauder seines Nachbarn und dem abendlichen Dorfklatsch bei Bier, Musik und Kartenspiel.
Doch die dunkle Seite des Landlebens sucht sich ihren Weg zu ihm und auch, wenn Cal sich ihr zuerst verschließen will, nimmt der Kriminalbeamte in ihm doch bald ihre Spur auf und demontiert so Stück für Stück die vermeintliche Idylle. Was er zu Tage befördert, lässt nicht nur ihn erschauern, sondern gefährdet den Frieden und das Zusammenleben des gesamten Dorfes. Dass dessen Bewohnerinnen und Bewohner dem nicht untätig zusehen, versteht sich fast von selbst.
Weit und ruhig wie das Land hat Tana French auch ihren neuen Roman angelegt – nur nach und nach erhält der Schrecken Einzug in die Geschichte, wird das Grauen sichtbar unter der alles überdeckenden Schönheit der Natur, den vielen Schichten Geheimnis, Lügen, irischem Torf. Auch, wenn ich mir hin und wieder eine schnellere Gangart gewünscht hätte, fühlen sich Fortgang und Tempo für die Erzählung doch stimmig an. Und schon jetzt empfinde ich nicht nur eine Sehnsucht nach diesem wunderschönen und sehr vielschichtigen Land sondern auch nach einem weiteren Roman dieser großartigen Autorin. Hoffentlich bald!

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Ein Leben, das zu einer Suche wird – große Fragen einer großen Erzählerin

Ein erhabenes Königreich
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Das Verhältnis von Religion und Wissenschaft, Ghana und den USA, People of Color und einer von Weißen geprägten Gesellschaft – es sind große, allumfassende Themen, die Yaa Gyasi in den Mittelpunkt ihres ...

Das Verhältnis von Religion und Wissenschaft, Ghana und den USA, People of Color und einer von Weißen geprägten Gesellschaft – es sind große, allumfassende Themen, die Yaa Gyasi in den Mittelpunkt ihres neuen Romans stellt, Themen, die politisch besetzt und emotional aufgeladen sind. Kriegsgebiete für manche, viele. Auch gerade deswegen mag eine sachliche Auseinandersetzung mit diesen oftmals unmöglich erscheinen, zu groß sind die Gräben, die zwischen ihnen bestehen.
Umso größer, vielleicht auch mutiger ist Gyasis Ansatz zu schätzen, ihre Figuren gerade in diesen Fragen auf eine Reise zu schicken, die auch zu einer Suche nach dem Verbindenden, Gemeinsamen im vermeintlich Gegensätzlichen und Unvereinbaren wird. Die Auswirkungen auf ihre Leben sind dabei gravierend, leidvoll, aus Entbehrungen werden Verlust, Trauer. Und auch für mich als Leserin ist es eine emotionale Schwere, die mich durch die Geschichte begleitet, Leichtigkeit und Freude mögen vor allem mit Blick auf den wunderbaren Erzählstil und die in Teilen poetische wie zugleich sezierende, analytische Sprache aufkommen.
Der Glaube an Gott ist das verbindende Element, welches die auseinanderstrebenden Leben der Figuren zumindest eine Zeitlang zusammenzuhalten vermag. Zugleich ist es aber auch die Religion, die insbesondere in Gitsy und Nana Reibung mit dem Vorhandenen erzeugt und mit Blick auf die eigene Gemeinde ihre Sonderposition als Angehörige einer Minderheit – wenn auch zahlenmäßig von einer erheblichen Größe an Mitgliedern – festigt.
Gitsys Konsequenzen aus den erlittenen Verlusten und Traumata sind der Versuch einer Zusammenführung von Religion und Wissenschaft und wiederum die Widmung ihrer Forschung dem Verständnis von Sucht und der Durchbrechung von mit dieser verbundenen Belohnungsstreben. Das ist viel. Zu viel für das Leben einer jungen Frau. Und auch viel für mich als Leserin. Ich fühle mich erschöpft aber zugleich auch bereichert um eine großartige Erzählung und die Auseinandersetzung mit Themen und Fragen, die allzu oft wortlos und unausgesprochen bleiben.

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Veröffentlicht am 18.07.2021

Bis das Blut in den Adern gefriert

Blutkristalle
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Gänsehaut und ein eiskaltes Vergnügen – was gibt es Schöneres an diesem sehr entspannten Sonntag mit viel zu warmen Temperaturen und bei schwül-stickiger Luft!
Das hat Poznanski sich wohl auch gedacht ...

Gänsehaut und ein eiskaltes Vergnügen – was gibt es Schöneres an diesem sehr entspannten Sonntag mit viel zu warmen Temperaturen und bei schwül-stickiger Luft!
Das hat Poznanski sich wohl auch gedacht und mich mit auf einen Ausflug in Kälte und Schnee und eine Gedankenwelt genommen, die mir den Atem stocken und Kälteschauer durch den Körper jagen lässt. Denn das, was Ella erleiden muss, ist wohl der Alptraum vieler: ein Mensch, der in unsere Privatsphäre eindringt, uns auf Schritt und Tritt beobachtet, bedroht und uns durch seine scheinbare Allgegenwärtigkeit jedes Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit nimmt. Auch Ella scheint dieser Situation ohnmächtig ausgeliefert zu sein, nichts ahnend, in welcher Gefahr ihr neues Liebesglück und ihr Freund Paul in persona schweben.
Ein Ausflug in die eiskalte Winterlandschaft soll alles verändern. Mit den Augen Wolframs kämpfen wir uns schmale Bergpfade entlang, balancieren über Abgründe, sind auf der Jagd nach dem menschlichen Opfer. Und Poznanski wäre nicht Poznanski, würde sie die Spannung und die Atemlosigkeit dabei nicht bis ins Unermessliche steigern und den Puls der Leserin und des Lesers ordentlich in die Höhe schießen lassen. Und selbstverständlich wartet am Ende auch wieder eine große Überraschung und ein „Twist“ auf uns, der mich begeistert und trotz der Sommerhitze das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Der einzige Wermutstropfen: 75 Seiten sind nicht viel und bieten der Autorin nur begrenzten Raum, ihr wunderbares Netz zu spannen und Fallen mit Raffinesse auszulegen. Aber lieber der Spatz in der Hand… Oder anders ausgedrückt: Hauptsache wieder ein neuer Poznanski!

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Veröffentlicht am 15.06.2021

In den Schuhen des Vaters: große Fragen, tiefe Konflikte im China der Gegenwart

Im Reich der Schuhe
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Erstaunlich ungewöhnlich! Spencer Wise vermag es, Erwartungshaltungen zu durchbrechen und die Leserinnen und Leser in vielerlei Hinsicht zu überraschen: ein Buch über einen Schuhfabrikanten im fernen China, ...

Erstaunlich ungewöhnlich! Spencer Wise vermag es, Erwartungshaltungen zu durchbrechen und die Leserinnen und Leser in vielerlei Hinsicht zu überraschen: ein Buch über einen Schuhfabrikanten im fernen China, das allein ist schon ein ungewöhnliches Setting! Doch wenn dieser dann noch Jude ist und in seiner religiösen Identität und der Shoah vermeint, Parallelen zur militärischen Diktatur und der Unterdrückung einer gesamten Nation zu erkennen, bin ich tatsächlich erst einmal verblüfft. Und ratlos. Und orientierungslos, da in meinen Denkmustern erschüttert.
Geht das? Darf der das? Ist es zulässig und hinnehmbar, die Ermordung von Millionen von Juden – der wohl tiefste Abgrund in der deutschen Geschichte – mit dem Schicksal des chinesischen Volkes in Bezug und Vergleich zu bringen? Ich weiß es nicht. Und sind Unterdrückung und Ermordung als definierende Merkmale hierfür hinreichend, und zwar ohne die Religion als Dach, Kern und vor allem Begründung für ein schier unfassbares Verbrechen an den Menschen und der Menschlichkeit? Wer vermag das schon zu beurteilen.
Doch vielleicht sind diese Fragen und Irritationen genau das, was Wise im Sinn hatte, als er mit Alex und Ivy ein gar ungewöhnliches Liebenspaar schuf – die beiden stellvertretend für das Leid und den Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung eines gesamten Volkes.
Fedor dagegen scheint diese Bezüge im Gegensatz zu seinem Sohn nicht auszumachen, doch wird er auch dem Vergangenen zugeordnet, der durch sein Beharren auf überholte Denkmuster sich der Zukunft verschließt. Der Vater-Sohn-Konflikt wird damit zu einem Konflikt alt gegen jung, Vergangenheit gegen Zukunft, Eigennutz gegen Menschlichkeit. Und doch ist es auch hier die Liebe, welche die beiden miteinander verbindet – aller Unterschiede zum Trotz.
Wunderbar beschwingt und teil sogar amüsant zu lesen, hat die Geschichte doch so viele Gedanken, Tiefe und Konflikt. Diese vermeintlichen Gegensätze für mich jederzeit in Einklang zu bringen, fiel mir nicht immer leicht – war sogar das eine oder andere Mal eine Herausforderung, der ich mich jedoch gerne gestellt habe. Belohnt wurde ich mit einem ganz und gar ungewöhnlichen Buch und Fragen in meinem Kopf, die ich so zu stellen womöglich nie gewagt hätte.

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