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Veröffentlicht am 28.07.2023

Die Einsamkeit im Leben, Schaffen, Sterben – New Yorker Kunstschaffende

Die einsame Stadt
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Was ist Einsamkeit? Olivia erfährt dies hautnah – am eigenen Leib und Psyche, als sie sich auf den Weg nach New York zu ihrem Freund macht. Und die Beziehung noch vor dem Start in ein gemeinsames Leben ...

Was ist Einsamkeit? Olivia erfährt dies hautnah – am eigenen Leib und Psyche, als sie sich auf den Weg nach New York zu ihrem Freund macht. Und die Beziehung noch vor dem Start in ein gemeinsames Leben in die Brüche geht.
Was folgt, ist eine intensive Auseinandersetzung mit einem Gefühl, das viele von uns fürchten. Und doch so häufig durchleben und durchleiden. Im Zuge der Auf- und Verarbeitung begibt sich Olivia auf eine Spurensuche danach, wie New Yorker Künstler ihre Stunden, Lebensabschnitte oder gar ihre gesamte Existenz in Einsamkeit verbracht haben. Und wie sich dieser Zustand auf ihr Schaffen und Werk ausgewirkt hat.
Die Biographien, die Laing vor diesem Hintergrund den Leser*innen ausrollt, sind nicht nur überaus interessant und ergiebig, sondern auch ein wilder Ritt durch die vergangenen Jahrzehnte der Kunstszene einer Stadt, die Quelle des Schaffens, Schöpfens, Gebärens ist. Und das in Teilen unter Qual und Schmerzen.
Und eben diese vermittelt Laing in eindringlicher und bedrückender Genauigkeit in ihrer Kontextualisierung: der Ausbruch der Aids-Pandemie, die hiermit einhergehende Stigmatisierung der Betroffenen und gesamter Bevölkerungsgruppen sowie das menschenverachtende Reden und Handeln der Regierung Reagans. Gelitten und gestorben wurde ausgegrenzt von der Gesellschaft, der Unmoral und der eigenen Schuldhaftigkeit bezichtigt, in Isolation, unter Schmerzen. In Einsamkeit.
Bereits im Jahre 2016 ist „The Lonely City“ erschienen und damit noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Möglichkeit, Aussagen bezüglich der Ausbreitung des HI-Virus, den hiermit verbundenen Ängsten, Ausgrenzungen, Quarantänen in einen aktuellen Kontext zu stellen und diesbezüglich in ihrer Gültigkeit und einem möglichen Nicht-Begreifen-Können zu überprüfen, bestand somit nicht. Umso mehr hätte ich mir gewünscht, dass vor den erschreckenden Erfahrungen der vergangenen Jahre der Text vor seinem Erscheinen im Deutschen redaktionelle Anmerkungen bzw. Überarbeitungen erfahren hätte.
Und doch: Ich bin sehr bereichert aus dieser für mich überraschenden und eher ungewöhnlichen Lektüre hervorgegangen. Denn wer sich einen fiktionalen Text erhofft, wird bei „Die einsame Stadt“ nicht fündig werden. Wer sich allerdings dem Leben und Schaffen der bedeutendsten bildenden Künstler der Moderne öffnen und die Auseinandersetzung mit einem der wohl grundlegendsten Gefühle der Menschheit nicht scheuen möchte, sollte sich von Laing durch die Straßen und Schluchten New Yorks führen lassen.

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Veröffentlicht am 25.06.2023

Ein Sommerroman über Liebe, Trauer und eine Insel, die glücklich macht

Wo du mich findest
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Rügen ist auch für Dich ein Sehnsuchtsort? Ein Platz zum Träumen, Ankommen und Lieben?
Dann geht es Dir womöglich wie Sophie. Sophie selbst ist in tiefer Trauer, ihr Leben liegt in Scherben. Denn die letzten ...

Rügen ist auch für Dich ein Sehnsuchtsort? Ein Platz zum Träumen, Ankommen und Lieben?
Dann geht es Dir womöglich wie Sophie. Sophie selbst ist in tiefer Trauer, ihr Leben liegt in Scherben. Denn die letzten Jahre haben ihr viel genommen: ihren Vater, ihre beste Freundin Tessa, und auch ihre Beziehung mit Thomas befindet sich in einer Sackgasse. Momente des Glücks und der Hoffnung versprechen einzig und allein die Nächte und ihre Träume mit einem an sich fremden Mann in der Hauptrolle, einer Zufallsbegegnung auf Rügen.
Die Sehnsucht nach dem Unbekannten es dann auch, die sie unvermittelt die Koffer packen und die Flucht aus ihrem bisherigen Leben, die Suche nach Glück und einer großen Liebe möglich werden lässt. Was sie erwartet? Vielmehr als Sophie je zu hoffen gewagt hätte! Denn gerade als Traum und Wirklichkeit sich zu vermischen drohen, kommt es zu Neuem und Überraschendem – und so vollkommen anders als Sophie es sich in ihren kühnsten Träumen hätte ausmalen können.
Was allerdings ganz sicher ist: Dieser Roman liest sich wie ein wunderbar entspannter Tag am Strand, wie ein Spaziergang mit Füßen im Meer und fühlt sich nicht nur im Reisegepäck sehr wohl. Zurück lässt uns die Geschichte mit einer tröstlichen Erkenntnis: „Die Liebe hat viele Gesichter.“ Und gemeinsam mit Sophie können wir zahlreiche von ihnen entdecken.

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Veröffentlicht am 20.06.2023

Ein Fangirl in guten wie in schlechten Zeiten

Idol in Flammen
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Das Idol brennt! Und nicht nur das, auch Akaris Herz steht in Flammen. Und zwar ganz anders, als ich es kenne. Erahnt habe. Mir vorstellen konnte. Denn Akari ist ein Fan – mit jeder Faser ihres Herzens, ...

Das Idol brennt! Und nicht nur das, auch Akaris Herz steht in Flammen. Und zwar ganz anders, als ich es kenne. Erahnt habe. Mir vorstellen konnte. Denn Akari ist ein Fan – mit jeder Faser ihres Herzens, ihrem gesamten Geist, Körper, jedem einzelnen Yen, den sie mühevoll verdient.
Und damit ist Akari nicht allein. Denn Masaki ist Mitglied einer Idolband, und um dem eigenen Star nahe zu sein, ist voller Einsatz gefragt – in einem System, das vor allem auf der finanziellen Ausbeutung seiner zumeist Anhängerinnen aufgebaut ist. Seien es Beliebtheitswahlen unter den Bandmitgliedern, deren Stimmabgabe von den Fans teuer erkauft ist, sei es ein ausgefeiltes Merchandising, das hohe Geldausgaben ermöglicht und einfordert – auch die japanische und die europäische Popkultur unterscheiden sich bei allen Gemeinsamkeiten.
Das dürfte wenig überraschen, doch erscheint aus dem europäischen und eurozentristischen Blick K-Pop in seinem Fandasein intensiver, extremer und womöglich auch gefährlich. Für Akari ist es dies zumindest, denn ihr eigenes Leben und Sozialleben sind kaum noch existent, werden von ihr selbst für den Support von Masaki zurückgestellt. Und als in Folge eines Skandals ihr Idol „in Flammen steht“, ist Akari bereit, ihr Letztes zu geben, um seine Beliebtheit zu retten.
Rin Usami gestattet uns einen Einblick in die Psyche eines jungen Menschen, der Halt und Orientierung verloren hat und sich an einen Popstar klammert, um Sinnhaftigkeit in der eigenen Existenz zu erfahren. So fremd und verstörend die Geschichte ist, so bedrückend und traurig wirkt sie auf mich. Und hat mich mit vielen Fragen und auch Neugier auf eine für mich wenig bekannte Kultur zurückgelassen. Ein wenig mehr Tiefe – das hätte ich mir an der einen oder anderen Stelle erhofft, doch dafür ermöglichen die 125 Seiten ein kompaktes, zentriertes Leseerlebnis. Kürzer als so manche Bühnenshow, länger als ein Skandal, der aufflackert und wieder erlischt.

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Veröffentlicht am 01.05.2023

Eine Erzählung von Lebenden und Toten und einer großen Liebe

Als wir Vögel waren
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Ein Rausch von Farben, Bildern, Poesie! Eine Geschichte, die modernes und doch zeitloses Märchen, Geistergeschichte und Erzählung einer großen Liebe zugleich ist – „Als wir Vögel waren“ sperrt sich gegen ...

Ein Rausch von Farben, Bildern, Poesie! Eine Geschichte, die modernes und doch zeitloses Märchen, Geistergeschichte und Erzählung einer großen Liebe zugleich ist – „Als wir Vögel waren“ sperrt sich gegen das Bekannte und klare Zuordnungen, steht für sich selbst und macht sich damit zu einer ganz besonderen Blüte in der bunten, reichhaltigen Pflanzenwelt Trinidads.
Ein Rastafari, der zum Totengräber wird – bereits der Einstieg ist so radikal und ungewöhnlich wie er zugleich eine Sprengung der eurozentristischen Lesegewohnheiten zu sein mag. Und nicht nur Religion, Tradition und Totenkult geben Einblicke in einen Kulturkreis, der bis heute in der westlichen Literaturlandschaft ein völlig unverdientes Schattendasein führt. Auch die wie selbstverständliche Verbindung des Diesseits mit der Geisterwelt, die Verflechtung dieser beiden Daseinsformen zu einem gleichberechtigen Ganzen, einer Vollständigkeit im Betrachten und Verstehen des Lebens und Sterbens, der gesamten Existenz ist neben einer Erweiterung und Bereicherung des eigenen Kulturverstehens vor allem eines: ein großer Lesegenuss.
Wie in diesem Setting eine Liebensgeschichte Raum finden kann? Ganz klar mit einer Begegnung der beiden füreinander Bestimmten in einem Traum oder auch einer Art Zwischenwelt und in Gestalt einer Frau, welche die Lebenden mit den Toten zu verbinden weiß und eine Grenzgängerin zwischen den Welten ist. Doch vor allem ist Yejide in ihrem Wesen nicht nur der Liebe eines aufrichtigen Mannes würdig, sondern vermag diesen auch zu erkennen, wenn das Schicksal ihn von seinem Weg abgebracht hat – und ihn in tiefe Gräben und Gruben wirft.
Aufgetaucht bin auch ich nach den letzten Zeilen und zwar aus einer fernen Lesewelt, die mich mit offenen Armen empfangen und mir den Zugang gewährt hat, mir mit ihrem Feuerwerk an Bildern und Symbolik aber auch das eine oder andere Mal den Fortgang der Erzählung zu erschweren drohte. Doch überwiegt der Reichtum dessen, was ich erfahren durfte, eine Sprache, die mir mit ihrer Schönheit im Ohr bleibt und eine Geschichte so zart und klug wie einzigartig.

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Veröffentlicht am 07.04.2023

Ein Sommertag, der alles verändert

Seemann vom Siebener
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Gleißender Sonnenschein, der Geruch von Pommes und Chlor, das träge Plätschern von Wasser am Beckenrand – all das verbinde ich mit den Besuchen im Freibad meiner Kinder- und Jugendzeit. Und das ist auch ...

Gleißender Sonnenschein, der Geruch von Pommes und Chlor, das träge Plätschern von Wasser am Beckenrand – all das verbinde ich mit den Besuchen im Freibad meiner Kinder- und Jugendzeit. Und das ist auch das Bild, das Arno Frank kunstvoll als Collage unterschiedlicher Figuren in „Seemann vom Siebener“ entstehen lässt.
Doch erhalten wir als Leser erst nach und nach einen Gesamtblick auf die Szenerie, denn gleichen die einzelnen Charaktere, ihre Perspektiven und vor allem Vorgeschichten einer Vielzahl an Puzzlesteinen, die erst langsam das zusammensetzen, was der Autor uns glauben lassen will zu sehen.
Ist da auf den ersten Blick der flirrend heiße Spätsommertag in einer pfälzischen Kleinstadt mit ihren Bewohnern, die sich ein wenig Abkühlung, Ruhe und Zerstreuung beim Besuch des Traditionsbades versprechen, so zeigt sich zunehmend, dass dies nur der oberflächliche Schein ist. Der wie so oft trügt. Denn was sich mit fortschreitender Geschichte enthüllt, sind das Leid, der Tod und das Grauen sowie die persönlichen Schicksale der einzelnen Figuren, deren Auswirkungen das gesamte Gefüge des Mikrokosmoses zu prägen scheinen – und Schock, Traumata und eine Leere bis hin zu Wut und Unverständnis hinterlassen haben.
Was genau sich zugetragen hat, bleibt lange Zeit ein Rätsel, wir als Leser werden auf Spurensuche geschickt. Und abseits der Abgründe stoßen wir dabei auch auf Momente des Lichts und der Zuversicht, wie etwa auf einer lange vergangenen Jugendliebe, die in den warmen Sonnenstrahlen wiederbelebt und möglicherweise zu neuem Wachstum angeregt wird.
Auf Dunkel folgt Hell, auf Leid folgt vielleicht nicht Freude, so doch aber Hoffnung.
Und dann hält die Geschichte ganz zum Schluss noch etwas völlig Unerwartetes für uns bereit! Ich konnte es kaum glauben, habe mit klopfendem Herzen noch einmal durch die vorherigen Seiten geblättert. Tatsächlich, so kann es gewesen sein! So kann es sich wirklich zugetragen haben! Ich will nicht zu viel verraten, außer, dass das Buch meine heiße Leseempfehlung ist – nicht nur für träge Sommertage am Pool, am Meer oder im städtischen Freibad!

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